Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2019, Az. 4 StR 597/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 8844

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Formvoraussetzungen bei der Revisionsrücknahme


Tenor

Es wird festgestellt, dass die gegen das Urteil des [X.] vom 5. Juli 2018 eingelegte Revision des Angeklagten wirksam zurückgenommen ist.

Gründe

1

1. Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen und bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und den „Verfall“ von Wertersatz in Höhe von 600 € angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte durch seinen damaligen Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt B.  , form- und fristgerecht Revision eingelegt. Rechtsanwalt [X.]hat die Revision unter dem 26. Oktober 2018 mit der allgemeinen Sachrüge und einer die Verfallsentscheidung betreffenden Verfahrensrüge begründet. Mit weiterem [X.] vom 5. November 2018, beim [X.] eingegangen an demselben Tag, hat Rechtsanwalt [X.]erklärt, er nehme die Revision „namens und in Vollmacht“ des Angeklagten zurück. Hierauf hat das [X.] am 6. November 2018 beschlossen, dass der Angeklagte die Kosten der zurückgenommenen Revision zu tragen habe. Mit Schreiben an das [X.] vom 15. November 2018 hat der Angeklagte erklärt, er habe seinem Verteidiger keinen Auftrag zur Revisionsrücknahme erteilt; die Rücknahme sei ohne sein Einverständnis erfolgt, nachdem er Rechtsanwalt [X.]erklärt habe, er habe das Vertrauen in ihn verloren und wolle von einem neuen Pflichtverteidiger vertreten werden. Den Wunsch nach einem neuen Pflichtverteidiger aufgrund einer – nicht näher begründeten – Unzufriedenheit mit Rechtsanwalt [X.]hatte der Angeklagte bereits in einem Schreiben an das [X.] vom 19. Oktober 2018 zum Ausdruck gebracht; dem war vom Vorsitzenden der [X.] nicht entsprochen worden, weil keine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses ersichtlich sei.

2

Auf Anfrage des [X.]s hat Rechtsanwalt [X.]mit [X.] vom 19. November 2018 erklärt und anwaltlich versichert, dass er mit dem Angeklagten am 2. November 2018 im Rahmen eines Telefonats den Inhalt der Revisionsbegründung vom 26. Oktober 2018 erörtert habe. Zudem habe er den Angeklagten auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Revision bezüglich der angeordneten Maßregel nach § 64 StGB hingewiesen. Hierauf habe der Angeklagte sinngemäß erklärt, dass die Revision „nur wegen der 600 € keinen Sinn mache“ und er ein noch monatelang andauerndes Verfahren nicht wolle. Auf die sich hieran anschließende mehrfache ausdrückliche Nachfrage, ob er, Rechtsanwalt B.  , die Revision zurücknehmen solle, habe der Angeklagte dies bejaht. Mit Beschluss vom 27. November 2018 hat das [X.] die Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt [X.]gemäß § 143 [X.] aufgehoben, nachdem sich für den Angeklagten ein Wahlverteidiger bestellt hatte.

3

2. Die Revision ist wirksam zurückgenommen.

4

a) Der frühere Pflichtverteidiger war zur [X.] ermächtigt. Im Zeitpunkt der Abgabe der [X.] lag die gemäß § 302 Abs. 2 [X.] erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten vor. Für diese ist keine bestimmte Form vorgeschrieben, so dass sie auch mündlich bzw. fernmündlich erteilt werden kann; für ihren Nachweis genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Dezember 2016 – 4 StR 558/16, [X.], 185; vom 15. April 2015 – 1 [X.], [X.], 24; vom 10. Februar 2005 – 3 StR 12/05, [X.], 583; [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 302 Rn. 32; SSW-[X.]/Hoch, 3. Aufl., § 302 Rn. 18 f.). Der frühere Pflichtverteidiger des Angeklagten hat mit [X.] vom 19. November 2018 im Einzelnen dargelegt, unter welchen Umständen die Ermächtigung zur [X.] im Rahmen des Telefonats am 2. November 2018 zustande kam, und die Richtigkeit seines Vortrags anwaltlich versichert. Der [X.] hat keinen Anlass, an diesen unmissverständlichen Angaben, die – auch vor dem Hintergrund etwaiger bereits bestehender Differenzen zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt [X.]– ein schlüssiges Bild ergeben, zu zweifeln.

5

Es sind zudem keine Anhaltspunkte für Verständigungsprobleme zwischen dem Angeklagten und seinem früheren Pflichtverteidiger ersichtlich. Dies wird auch von dem Angeklagten selbst, der seit dem [X.] in [X.] lebt und weder bei seiner polizeilichen Vernehmung noch in der Hauptverhandlung eines Dolmetschers bedurfte, nicht geltend gemacht.

6

b) Der Angeklagte hat die dem Verteidiger erteilte Ermächtigung auch nicht wirksam widerrufen. Ein Widerruf der Ermächtigung zur Revisionsrücknahme ist nur zulässig, solange die [X.] noch nicht bei Gericht eingegangen ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. Dezember 2016 – 4 StR 558/16, [X.], 185, 186; vom 8. März 2005 – 4 [X.], [X.], 211, 212). Das vom Angeklagten verfasste Schreiben vom 15. November 2018 ging dem [X.] jedoch erst nach Eingang der [X.] zu. Hierdurch konnte die erfolgte wirksame Revisionsrücknahme nicht widerrufen oder sonst zurückgenommen werden, da die [X.] als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 15. April 2015 – 1 [X.], aaO; vom 8. März 2005 – 4 [X.], aaO; vom 10. Januar 2001 – 2 StR 500/00, [X.]St 46, 257, 258).

VRi‘in[X.] Sost-Scheible befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert, zu unterschreiben.

        

Roggenbuck     

        

Quentin

Roggenbuck

                                   
        

     Feilcke     

        

Bartel     

        

Meta

4 StR 597/18

27.03.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Münster, 5. Juli 2018, Az: 9 KLs 9/18

§ 302 Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2019, Az. 4 StR 597/18 (REWIS RS 2019, 8844)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8844

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 181/19 (Bundesgerichtshof)

Revision in Strafsachen: Rechtsmittelrücknahme und deren Widerruflichkeit bei unterschiedlichen Erklärungen mehrerer Pflichtverteidiger


2 StR 142/19 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme durch den Wahlverteidiger


1 StR 552/16 (Bundesgerichtshof)

Rechtsmittelrücknahme in Strafsachen: Rücknahmeerklärung durch schuldunfähigen Angeklagten; Befugnis zur Feststellung der Unzulässigkeit der Revision infolge …


4 StR 558/16 (Bundesgerichtshof)

Revision in Strafsachen: Wirksamkeit der Ermächtigung zur Rücknahme der Revision; Widerruf der Ermächtigung


4 StR 120/09 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.