Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2006, Az. IV ZR 263/04

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4640

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am:

8. März 2006

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja _____________________ ZPO § 543; BGB § 2325 Abs. 2 Satz 2 a) Zur Beschränkung einer Revisionszulassung "hinsichtlich des Pflichtteilsergän-zungsanspruchs". b) Kommt es gemäß § 2325 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BGB auf den Grundstückswert im [X.]punkt des Erbfalls an, bleibt der Wert des dem Erblasser bei vorheriger Grundstücksübertragung vorbehaltenen Wohnrechts unberücksichtigt ([X.], 49). [X.], Urteil vom 8. März 2006 - [X.]/04 - [X.] LG Hannover - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2006 für Recht erkannt: Auf die Revisionen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 7. Oktober 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin macht [X.] und Pflichtteilsergänzungsansprü-che gegen ihre Halbschwester geltend nach der 1999 verstorbenen [X.] der [X.]en. 1 1993 setzte die Erblasserin die Beklagte durch notarielles Testa-ment zur Alleinerbin ein. Mit notariellem [X.] vom 28. September 1995 übertrug sie dieser "im Wege vorweggenommener Erbfolge" (§ 1) "unentgeltlich" (§ 2) ihren mit einem Vierfamilienhaus be-2 - 3 -

bauten Grundbesitz unter Vorbehalt eines unentgeltlichen lebenslangen Wohnungsrechts gemäß § 1090 BGB (§ 6). Zur Begründung heißt es in § 1: "Die Schenkung erfolgt (in Anwendung des § 2330 BGB) als Ausgleich und als belohnende Zuwendung für die 12-jährige aufopferungsvolle Pflege und Versorgung durch die Erschienene zu 2) [Beklagte] in der [X.] der [X.]) [Erblasserin] bis zum heutigen Tage. Die Erschienene zu 2) hat überdies noch den Haushalt versorgt, obwohl sie selbst berufstätig ist. Für alle diese Leistungen ist niemals ein Entgelt geleistet [X.]." Am 9. November 1995 wurde die Beklagte als Alleineigentümerin im Grundbuch eingetragen. 3 Nach Erteilung der im Wege der Stufenklage verfolgten Auskunft über den Nachlass bezifferte die Klägerin ihr Leistungsbegehren auf ins-gesamt 108.875,91 •. 4 Das [X.] hat ihr einen Pflichtteil von 21.098,41 • und eine Pflichtteilsergänzung von 72.471,53 • zugesprochen. Etwaige Pflegeleis-tungen hat es nicht berücksichtigt. Eine Ausgleichung gemäß §§ 2316, 2057a BGB sei mit Blick auf kostenfreies Wohnen der Beklagten im Haus der Erblasserin unbillig; für die Erblasserin habe insoweit auch keine sitt-liche Verpflichtung gemäß § 2330 BGB bestanden, der Beklagten mit dem Hausgrundstück mehr als zwei Drittel ihres gesamten Vermögens zu vermachen. 5 - 4 -

Dagegen haben beide [X.]en Berufung eingelegt. Die Klägerin hat ihr erstinstanzliches Leistungsbegehren insgesamt weiterverfolgt. Die Beklagte hat Klageabweisung begehrt, soweit sie verurteilt worden ist, mehr als 70.000 • nebst Zinsen zu zahlen. Das Berufungsgericht hat den Pflichtteilsanspruch - weil nicht angefochten - in der vom [X.] zuerkannten Höhe bestätigt und einen Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 70.306,95 • zugesprochen. 6 Die Klägerin möchte mit ihrer Revision eine weitere Zahlung von 4.485,36 • erreichen, weil bei der Berechnung der Pflichtteilsergänzung der Wert des vorbehaltenen Wohnungsrechts der Erblasserin nicht habe in Abzug gebracht werden dürfen. 7 Die Beklagte verfolgt mit ihrer Revision ihr Berufungsbegehren weiter, weil von ihr erbrachte Pflegeleistungen insoweit hätten berück-sichtigt werden müssen. 8 Entscheidungsgründe:
[X.] Beide Revisionen sind uneingeschränkt zulässig. 9 Das Berufungsgericht hat zu der im [X.] "hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs" zugelassenen Revision in den Ent-scheidungsgründen ausgeführt, dass seine Entscheidung zum Abzug des Wohnungsrechts von der Rechtsprechung des [X.] ([X.]Z 118, 49) abweiche. Der [X.] habe zwar die [X.] gegen die seiner Auffassung ebenfalls widersprechende [X.] - 5 -

dung des [X.] ([X.], 110 f.) nicht ange-nommen (Beschluss vom 29. Januar 2003 - [X.]), später aber an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten (Beschluss vom 16. Juli 2003 - [X.]/03 - FamRZ 2003, 1552 unter I[X.]). Damit ist - wie die Revision der Beklagten zu Recht geltend macht - die Nachprüfung des angefochtenen Urteils nicht auf diese Frage beschränkt. 11 1. Nach anerkannter Rechtsauffassung kann die Zulassung der Revision auf einen Teil des [X.] beschränkt werden. Dies soll der Entlastung des [X.] dienen und von ihm alle nicht [X.] im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsfortbildung notwendi-ge Arbeit fernhalten (so bereits [X.]Z 9, 357, 358). Voraussetzung ist dafür, dass sich die Beschränkung klar und eindeutig aus dem Beru-fungsurteil ergibt und zudem rechtlich zulässig ist (vgl. statt aller [X.], Urteil vom 7. Juli 1983 - [X.] - [X.], 38 unter I; [X.]/[X.], 2. Aufl. § 546 [X.]. 53 jeweils m.w.[X.]). 12 2. Es mag auf sich beruhen, ob das Berufungsgericht mit der gebo-tenen Klarheit ausgesprochen hat, dass die Zulassung auf die eingangs beschriebene Frage und gegebenenfalls sogar auf die dadurch allein [X.] beschränkt sein soll, oder ob es nicht lediglich das Motiv für seine Zulassungsentscheidung bezeichnet hat (vgl. [X.]Z 90, 318, 320). Jedenfalls ist eine derartige Beschränkung auf die Frage, ob ein vorbehaltenes Wohnungsrecht im Rahmen des § 2325 BGB stets abzu-ziehen ist, unzulässig und damit wirkungslos. 13 - 6 -

a) Eine bei mehreren selbstständigen prozessualen Ansprüchen (Streitgegenständen) grundsätzlich mögliche Begrenzung der Zulassung auf einen Anspruch ([X.], Urteil vom 25. April 1995 - [X.] - NJW 1995, 1955 unter [X.]; [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. § 543 [X.]. 22) scheidet aus, wenn die Entscheidung über diesen Anspruch von der über den anderen ebenfalls vom Berufungsgericht entschiedenen Anspruch abhängt (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Mai 1968 - [X.] - NJW 1968, 1476 unter I[X.]). Eine solche Abhängigkeit zwischen dem [X.] einerseits und dem ihm gegenüber an sich selbstständigen Pflichtteilsergänzungsanspruch (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1973 - [X.] - NJW 1973, 995 unter 1; MünchKomm/[X.], [X.]. § 2325 [X.]. 4) andererseits, ist jedenfalls hier gegeben. 14 b) Die von der Beklagten behaupteten Leistungen (Pflege, Woh-nungsausbau) können den Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB) gemäß §§ 2316, 2057a BGB und den Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) gemäß § 2330 BGB mindern. Die Ansprüche können auch insofern gegenseitig Einfluss aufeinander haben, als der [X.] an den Pflichtteil anknüpft. Deswegen kann über sie nur einheitlich ent-schieden werden; eine beschränkte Zulassung kommt dann nicht in [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.]O [X.]. 54). 15 Gleiches gilt für eine etwaig angestrebte weitergehende Ein-schränkung der Zulassung nur für die Behandlung des Wohnungsrechts. Eine Zulassung auf einen Teil eines Streitgegenstandes ist an sich grundsätzlich möglich (vgl. [X.]Z 101, 276, 278 f.; 48, 134, 136). Die Begrenzung auf das Wohnungsrecht, die sich allein auf den [X.]ergänzungsanspruch bezieht und den gesamten, den Pflichtteilsanspruch 16 - 7 -

ebenfalls berührenden Pflegebereich ausschlösse, beträfe indes nur ei-nen unselbstständigen, nicht abtrennbaren Teil des [X.] bei der Ermittlung des Schenkungswertes. Derartige [X.] auf einzelne rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte, bestimmte Rechtsfragen oder einzelne Urteilselemente sind nicht zulässig (vgl. [X.]/[X.], [X.]O [X.]. 59 m.w.[X.]). Da eine Zulassungsbeschränkung hier demzufolge insgesamt aus-scheidet, ist das angefochtene Urteil in vollem Umfang zu überprüfen (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 1983 [X.]O). 17 I[X.] Beide Revisionen haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. 18 1. Revision der Klägerin 19 a) Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt: 20 Bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs sei nach seiner Rechtsprechung ([X.] [X.]O), wenn - wie hier - der niedrigere Schenkwert bei Eintritt des [X.] (585.124,20 DM) gegenüber dem höheren beim [X.] (601.927,56 DM) zugrunde zu legen sei, der Wert des vorbehaltenen Wohnungsrechts (35.090,77 DM) abzu-ziehen. Die dem entgegenstehende Entscheidung des Bundesgerichts-hofs [X.]Z 118, 49, die einen solchen Abzug nur vorsehe, wenn der 21 - 8 -

Wert des Geschenkes beim Erwerb durch den Beschenkten maßgebend sei, widerspreche Wortlaut und Sinn der Regelung des § 2325 BGB.
b) Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu. 22 [X.]) In ständiger, seit langem gefestigter Rechtsprechung geht der Senat davon aus, dass unter Beachtung des Niederstwertprinzips in § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB die Schenkung eines Grundstücks unter Nieß-brauchsvorbehalt lediglich in dem Umfang ergänzungspflichtig ist, in dem der Grundstückswert den Wert des dem Erblasser verbliebenen Nießbrauchs übersteigt. Kommt es danach auf den Stichtag der Grund-stücksübertragung an, weil der für den [X.]punkt des Schenkungsvollzu-ges (zunächst ohne Berücksichtigung des Wohnrechts) ermittelte Wert des Grundstücks unter dessen Wert im [X.]punkt des Erbfalls liegt, ist der Wert des Wohnungsrechts bei der Ermittlung des ergänzungspflichti-gen Schenkungswertes (jetzt) in Abzug zu bringen. Ist dagegen der Grundstückswert im [X.]punkt des Erbfalls der maßgebliche Wert, kommt ein Abzug nicht mehr in Betracht; in diesem [X.]punkt ist das Wohnungs-recht nicht mehr werthaltig, es ist erloschen (vgl. [X.]Z 118, 49 ff.; 125, 395, 397, 399; Senatsurteile vom 30. Mai 1990 - [X.] - [X.], 1637 unter [X.]; 17. Januar 1996 - [X.] - NJW-RR 1996, 705 unter 3 b und c; Senatsbeschluss vom 16. Juli 2003 [X.]O; vgl. ferner MünchKomm/[X.], [X.]O § 2325 [X.]. 23 f., 31 ff., 34 m.w.[X.] auch zu den kritischen Stimmen in der Literatur). 23 24 Dem vom Berufungsgericht herangezogenen Nichtannahmebe-schluss (vgl. vorstehend [X.]) lassen sich Zweifel an dieser Senatsrecht-sprechung nicht einmal ansatzweise entnehmen. Es werden darin viel-- 9 -

mehr lediglich die Grundsatzbedeutung der höchstrichterlich längst ent-schiedenen Rechtsfrage und ihre Entscheidungserheblichkeit für das Endergebnis verneint, das nach revisionsrechtlicher Überprüfung aus anderen Gründen Bestand hatte.
[X.]) Davon abweichend will das Berufungsgericht das Wohnungs-recht stets in Abzug bringen, weil nach § 2325 BGB der [X.] so dastehen solle, als befände sich der verschenkte [X.] noch genauso in dem Nachlass, wie der Erblasser ihn wegge-schenkt habe. Mit diesem von [X.] (FamRZ 1991, 553) übernommenen Ansatz hat sich der Senat schon in der vom Berufungsgericht herange-zogenen Grundsatzentscheidung umfassend auseinandergesetzt und ihn als nicht durchgreifend zurückgewiesen. Bei der gebotenen wirtschaftli-chen Betrachtung im Rahmen der Bewertungsvorschrift des § 2325 Abs. 2 BGB ([X.]Z 125, 395, 397; zustimmend MünchKomm/[X.], [X.]O [X.]. 34) muss der Pflichtteilsberechtigte vielmehr so stehen, als sei der Gegenstand zur [X.] der dinglichen Vollziehung der Schenkung - als dem maßgeblichen Stichtag - in Geld umgesetzt worden; nur der dabei [X.] erzielte Erlös (= Wert) ist dem Nachlass gemäß § 2325 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BGB hinzuzurechnen ([X.]Z 118, 49, 52). Dass das vor-behaltene Wohnungsrecht zu diesem [X.]punkt für den Erblasser einen Wert hat und daher den Wert der Schenkung mindert, liegt - vor allem wirtschaftlich betrachtet - ebenso auf der Hand wie der im Falle des [X.] gegebene vollständige Wertverlust des Nutzungsrechts mit dem Tod des Erblassers. Dem ist im Rahmen der gesetzlichen Regelung nach den vorgegebenen Bewertungsstichtagen - unbeschadet etwaiger Härten im Einzelfall - Rechnung zu tragen (vgl. MünchKomm/[X.], [X.]O [X.]. 33). Zutreffend weist insofern die Revision zu den weiteren [X.] -

gungen des Berufungsgerichts auf Ungereimtheiten hin, die sich nach seinem Ansatz ergeben. Der Pflichtteilsberechtigte würde danach mit später eingetretenen Wertverlusten des Grundstücks und zusätzlich mit einer nicht mehr vorhandenen Wertminderung durch das untergegangene Nutzungsrecht belastet. Dem Gesetz ist dafür ebenso wenig eine über-zeugende Rechtfertigung zu entnehmen wie für die Annahme des [X.], der fortlaufenden wertmäßigen Abnahme der Belastung des übertragenen Gegenstandes werde durch die Kapitalisierung Rech-nung getragen. Einen vom Senat bei seiner Beurteilung bislang nicht einbezogenen und gewichteten Gesichtspunkt vermag es auch insoweit nicht aufzuzeigen.
An der Rechtsprechung des Senats ist daher insgesamt uneinge-schränkt festzuhalten. Ein Abzug des Wohnungsrechts beim Stichtag "Erbfall" scheidet aus. 26 2. Revision der Beklagten 27 a) Das Berufungsgericht hat seine Ablehnung, der Beklagten einen Ausgleich für die von ihr behaupteten Pflegeleistungen zu gewähren, fol-gendermaßen begründet: 28 Zu Recht habe das [X.] etwaige Pflegeleistungen der [X.] nicht berücksichtigt. Es habe fehlerfrei festgestellt, dass sie bis zur Grundstücksübertragung kostenfrei im Haus der Erblasserin gewohnt habe. Die Beklagte habe diesen bereits in der Klageschrift im [X.] mit § 2330 BGB enthaltenen Vortrag nicht bestritten. Darauf habe das [X.] auch nicht besonders hinweisen müssen. Das wei-29 - 11 -

tere Vorbringen zu den Mietzahlungen sei - wie das ohnehin [X.] zum Ausbau der Wohnungen aus eigenen Mitteln - aus Nachlässigkeit erst in der Berufungsinstanz erfolgt und habe deswegen gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zugelassen werden dürfen.
Im Übrigen rechtfertigten die behaupteten Pflegeleistungen sowohl im Rahmen der Entscheidung zu §§ 2316, 2057a BGB als auch zu § 2330 BGB keine vom [X.] abweichende Beurteilung. Dafür [X.] besondere Umstände erforderlich - wie schwerwiegende persönliche Opfer oder eine durch die Pflegetätigkeit hervorgerufene Notlage des Pflegenden -, die nicht vorgetragen oder ersichtlich seien. 30 b) Diese Ausführungen halten bereits im Ausgangspunkt einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. 31 [X.]) Das [X.] hätte ohne vorherigen Hinweis (§ 139 ZPO) nicht als unbestritten und damit zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO) zugrunde legen dürfen, die Beklagte habe ohne jegliche Gegenleistung (Miete, Wohnungsausbau) im Haus ihrer Mutter gewohnt. Dabei konnte sich das Gericht lediglich auf einen Satz in der Klageschrift stützen, in der die Klägerin die 12-jährige Pflege und Versorgung in Frage zieht, die die Erblasserin mit der Grundstücksübertragung laut notariellem [X.] ausgleichen und belohnen wollte. In diesem Zusammen-hang vertritt die Klägerin ohne jede weitere Angabe lediglich die [X.], dass eine gelegentliche Hilfe im Haushalt durch unentgeltliches Wohnen ausgeglichen sei. Diese von der Revision der Beklagten zutref-fend als beiläufige und substanzlose Anmerkung bezeichnete [X.] ist von den [X.]en nicht wieder aufgegriffen oder gar näher erhär-32 - 12 -

tet bzw. entkräftet worden. Im Rahmen der [X.] bestand dafür auch keine Veranlassung, weil dies dafür nicht erheblich war. Es ist of-fensichtlich - auch darin ist der Revision zuzustimmen -, dass jedenfalls die Beklagte dieses Vorbringen für unerheblich gehalten oder sogar ü-bersehen hatte. Dann mussten ihr gemäß § 139 Abs. 2 ZPO ein entspre-chender Hinweis und Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, um ei-ne Überraschungsentscheidung zu vermeiden und dem Verfahrensgrund-recht auf rechtliches Gehör zu genügen (vgl. [X.]/[X.], [X.]O § 139 [X.]. 4 ff.). Dementsprechend hat der [X.] schon vor der Neufassung des § 139 Abs. 2 ZPO, die gegenüber § 278 Abs. 3 ZPO a.F. klarstellt, dass der maßgebliche Gesichtspunkt auch tatsächlicher Natur sein kann ([X.]/[X.], [X.]O [X.] § 139 [X.]. 3), in ständiger Rechtsprechung verlangt, dass auf Bedenken gegen die Schlüssigkeit und Substantiierung von Angriffs- und [X.] und insoweit fehlenden Sachvortrag grundsätzlich selbst eine anwaltlich vertretene [X.] unmissverständlich hinzuweisen ist, es sei denn, darüber wurde bereits zuvor gestritten (vgl. nur [X.], Urteile vom 4. Juli 1989 - [X.] -, 2. Februar 1993 - [X.] -, 22. April 1999 - [X.] - und 7. Dezember 2000 - [X.] - [X.]R ZPO § 139 Abs. 1 Anwaltsprozess 3, Überraschungsentscheidung 2, Hinweispflicht 1 und [X.]R ZPO § 139 Hinweispflicht 7).
Diesen Prozessleitungsanforderungen hat das [X.] nicht mit dem schließlich erfolgten Hinweis genügt, die Pflegeleistungen seien noch nicht hinreichend substantiiert. Im Gegenteil konnte die Beklagte danach erst recht nicht damit rechnen, dass das Gericht, bei dem [X.] auch noch ein Richterwechsel stattgefunden hatte, nach ihrem er-gänzenden Sachvortrag die Pflegeleistung ohne jede Bewertung mit den 33 - 13 -

ebenfalls nicht bewerteten Mietersparungen als ausgeglichen ansehen könnte. [X.]) Damit erweist sich auch die weitere Behandlung durch das [X.] als [X.]. Das gesamte erst- und zweit-instanzliche Vorbringen der Beklagten zu dem Komplex anrechenbare Pflegeleistungen einschließlich etwaiger [X.] und [X.] ist zu berücksichtigen (§ 531 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Das wird das Berufungsgericht - gegebenenfalls nach ergänzen-dem Vortrag der [X.]en - nachzuholen und auf der Grundlage der dazu getroffenen Feststellungen erstmalig eine entsprechende Leistungsbe-wertung vorzunehmen haben. 34 Dem stehen auch seine Erwägungen nicht entgegen, es fehle an Vortrag zu den besonderen Umständen, die für eine Berücksichtigung von Pflegeleistungen erforderlich seien. Dies trifft bereits angesichts [X.] 16-jähriger, mit den Jahren wegen des Gesundheitszustandes der Erblasserin gesteigerter Pflege und Versorgung bei mindestens [X.] langen [X.] nicht zu. Eine solche Versorgung kann bereits der Intensität nach, so sich die behaupteten Umstände als zutref-fend erweisen sollten, eine Ausgleichung gemäß § 2057a BGB bedingen (vgl. [X.], [X.]O § 2057a [X.]. 23 ff.). Das Berufungsge-richt lässt insoweit ferner unbeachtet, dass dem [X.] auch eine gemischte Schenkung zugrunde liegen kann, der die Beklagte mit ihrem Berufungsantrag Rechnung getragen hätte (vgl. Senatsurteil vom 21. März 1973 [X.]O unter 2). [X.] und Pflegeleistungen können zudem - auch nachträglich - in Form echter Gegenleistungen bei gemischten Schenkungen als Abzugsposten in [X.] - 14 -

tracht kommen (vgl. nur [X.] NJW-RR 1997, 263 f.; Pa-landt/[X.], [X.] Aufl. § 2325 [X.]. 19). Schließlich sind im Rahmen des § 2330 BGB die Grundsätze anzuwenden, die für die ge-mischte Schenkung gelten. Danach besteht eine Ergänzungspflicht nur insoweit, als die Zuwendung das gebotene Maß überschreitet (vgl. [X.] vom 26. April 1978 - [X.] - [X.], 905 f.).
Da die behaupteten Leistungen der Beklagten die Höhe des [X.] und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs beeinflussen [X.], ist die Sache insgesamt an das Berufungsgericht [X.]. 36 Terno [X.] [X.] Dr. Kessal-Wulf [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 18.02.2004 - 12 O 87/02 - [X.], Entscheidung vom 07.10.2004 - 6 U 63/04 -

Meta

IV ZR 263/04

08.03.2006

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2006, Az. IV ZR 263/04 (REWIS RS 2006, 4640)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4640

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