Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.07.2001, Az. X ARZ 69/01

X. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 1747

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BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSS[X.]69/01vom26. Juli 2001in dem RechtsstreitNachschlagewerk:jaBGHZ: neinZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6; GVG § 17a Abs. 2a)Bei negativen [X.]zwischen Gerichten der ordentlichenGerichtsbarkeit und Arbeitsgerichten ist für die Bestimmung des zuständigenGerichts auch nach der seit 1. Januar 1998 geltenden Fassung des § 36ZPO derjenige oberste Gerichtshof des [X.]zuständig, der zuerst darumangegangen wird.- 2 -b)Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg [X.]für [X.]und verweist es den Rechtsstreit später gemäß § 17 a Abs. 2 [X.]anein Gericht eines anderen Rechtszweigs, ist der Verweisungsbeschluß bin-dend, wenn er in Rechtskraft erwächst.BGH, Beschl. v. 26. Juli 2001 - [X.]69/01 - [X.]Zivilsenat des [X.]hat am 26. Juli 2001 durchden Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Dr. Melullis,[X.]und die Richterin Mühlensbeschlossen:Zuständig ist das Amtsgericht München.Gründe:[X.]Der Kläger hat Klage beim [X.]erhoben, mit der er [X.]DM aus einem nach seinem Vortrag gekündigten Arbeitsverhältnisbeanspruchte. Das [X.]gab in der ersten mündlichen Ver-handlung dem Kläger auf, "zum beanspruchten [X.]im einzelnen... vorzutragen" und seinen Arbeitsvertrag in Kopie vorzulegen. Dem kam [X.]nach. Er teilte sodann mit, daß er einen Teil der Klage [X.]"das Arbeitsverhältnis nicht einklagen" wolle; zugleich reichte er eine neueKlageschrift ein und bat, da danach das [X.]nicht mehr zuständigsei, die Unterlagen an das [X.]weiterzuleiten.Mit dieser neuen Klageschrift verlangte der Kläger die Feststellung, daßdas Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten erst zum30. Juni 1997 aufgehoben worden sei sowie eine Lohndifferenz für den [X.]1997 und ihm vertraglich zustehende Fahrtkosten.- 4 -Das [X.]entschied durch Beschluß vom 18. Mai 2000, der [X.]sei gegeben, weil davon auszugehen sei, daß es sich um eineRechtsstreitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus einem Arbeits-verhältnis handele. Es könne im Rahmen der Entscheidung über den [X.]dahinstehen, ob das Vertragsverhältnis letztlich als Arbeitsverhältnis oderals freies Mitarbeiterverhältnis bzw. Handelsvertreterverhältnis einzuordnensei. Könne die vor dem [X.]in einer bürgerlich-rechtlichen [X.]Klage nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer sei, soreiche die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahungder arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus. Das [X.]bewilligte [X.]zugleich Prozeßkostenhilfe.In der mündlichen Verhandlung vom 12. September 2000 beantragte [X.]unter Zurücknahme seiner übrigen Klageanträge, die Beklagte zurZahlung von 3.778,82 DM für Vergütung und Reisekosten zu verurteilen sowievon 2.000,-- DM Provision, jeweils zuzüglich Zinsen. Die Parteien stellten klar,daß von Anfang an ein freies Mitarbeiterverhältnis gewollt gewesen sei, undbeantragten übereinstimmend die Verweisung des Rechtsstreits an das Amts-gericht München. Das [X.]erklärte daraufhin mit Beschluß vom sel-ben Tage den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für nicht gege-ben und verwies den Rechtsstreit an das "rechtswegrichtige" Amtsgericht Mün-chen. Da die Klage teilweise zurückgenommen worden sei und die Parteienübereinstimmend klargestellt hätten, daß ein Arbeitsverhältnis nicht vorgelegenhätte, sei der Beschluß vom 18. Mai 2000 überholt. Die Parteien erklärtenübereinstimmend Rechtsmittelverzicht gegen diesen Beschluß.In der daraufhin beim [X.]anberaumten mündlichenVerhandlung beschloß das Amtsgericht, das Verfahren an das Arbeitsgericht- 5 -zurückzugeben, damit das [X.]seinen Verweisungsbeschluß über-prüfen könne. Dieses hielt mit Beschluß vom 22. Dezember 2000 an seinemStandpunkt fest, daß das Amtsgericht zuständig sei; der Rechtsstreit sei durchden Beschluß des Arbeitsgerichts vom 12. September 2000 bindend an das[X.]verwiesen worden. Dieser Beschluß sei selbst dann [X.][X.]bindend, wenn die Verweisung unrichtig gewesensein sollte. Das [X.]sei an den Beschluß vom 18. Mai 2000 im übri-gen nicht gebunden gewesen, weil der Streitgegenstand sich nach Erlaß die-ses Beschlusses geändert habe und dadurch der Rechtsweg vor den Arbeits-gerichten unzulässig geworden sei.Mit Beschluß vom 10. Januar 2001 erklärte sich das Amtsgericht Mün-chen für unzuständig, weil das [X.]an seinem rechtskräfti-gen Beschluß vom 20. März 2000 gebunden sei, in dem es den Rechtsweg zuden Arbeitsgerichten positiv rechtskräftig festgestellt habe. An dem [X.]zugrundeliegenden Lebenssachverhalt habe sich zudem seit [X.]vom 20. März 2000 nichts geändert.I[X.]Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist zulässig.1. Der Antrag ist statthaft.Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]und des [X.]ist § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO bei negativen Kompetenzkonflik-ten zwischen Gerichten verschiedener Gerichtszweige entsprechend anwend-bar (BGHZ 17, 168, 170; BAGE 23, 167, 169).- 6 -Die §§ 17a, 17b [X.]stehen dem nicht entgegen. Zwar hat der [X.]vor kurzem entschieden, daß das Verfahren der [X.]in den genannten Vorschriften abschließend geregelt ist (BGH, Beschl. v.24.02.2000 - III ZB 33/99, NJW 2000, 1343, 1344). Hieraus folgt indes nur, daßdie Parteien sich nicht auf das Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verwei-sen lassen müssen, solange eine Entscheidung nach § 17a GVG noch [X.]angefochten werden kann ([X.]aaO). Wenn solche Rechtsmit-tel nicht mehr zur Verfügung stehen, ist ein Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6ZPO hingegen möglich. Auch die Regelung in § 17a GVG kann nicht [X.]verhindern, daß es im Einzelfall innerhalb eines Verfahrens zu [X.]die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommtund deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zubearbeiten. Für diese - nicht sehr häufigen - Fälle bietet eine entsprechendeAnwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die geeignete Handhabe, um den Streitüber die [X.]möglichst schnell zu beenden.2. Der [X.]ist für die hier zu treffende Entscheidung zu-ständig.a) Zuständig für die Bestimmung ist derjenige oberste Gerichtshof desBundes, der zuerst darum angegangen wird (BGHZ 44, 14, 15; BAG, Beschl. v.06.01.1971 - 5 AR 282/70, BAGE 23, 167, 170; BAG, Beschl. v. 25.11.1983- 5 AS 20/83, NJW 1984, 751, 752). In gleichem Sinne haben das Bundesver-waltungsgericht und das [X.]für die § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPOentsprechenden Vorschriften in § 53 Abs. 1 Nr. 5 VwGO und § 58 Abs. 1 Nr. 4SGG entschieden (BVerwG, Beschl. v. 05.03.1993 - 11 ER 400/93, NJW 1993,3087; BSG, Beschl. v. 11.10.1988 - 1 S 14/88, [X.]1989, 189).- 7 -b) Die Neufassung des § 36 ZPO durch Artikel 1 Nr. 1 des [X.]des Schiedsverfahrensrechts (SchiedsVfG) vom 22. Dezember1997 (BGBl. I S. 3224) hat an der Rechtslage insoweit nichts geändert (ebensoBAG, Beschl. v. 22.07.1998 - 5 AS 17/98, [X.]Nr. 55 zu § 36 ZPO unter I 1;BAG, Beschl. v. 14.12.1998 - 5 AS 8/98, [X.]Nr. 38 zu § 17a GVG unter II 3;Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl., § 36 Rdn. 35 a.E.;MünchKomm/Patzina, ZPO, 2. Aufl., § 36 Rdn. 44; Musielak/Smid, ZPO,2. Aufl., § 36 Rdn. 9; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 36 Rdn. 32; Kemper,NJW 1998, 3551, 3552).Zwar sieht § 36 Abs. 2 ZPO n.F. nunmehr vor, daß die [X.]durch ein Oberlandesgericht erfolgt, wenn das für die [X.]sich zuständige zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesge-richtshof wäre. In [X.]zwischen verschiedenen Gerichtszwei-gen ist diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach aber schon deshalb nicht anwend-bar, weil es hier kein zunächst höheres gemeinschaftliches Gericht gibt (soauch BayObLG, Beschl. v. 15.03.1999 - 1 Z AR 99/98, [X.]1999, 78;Kemper, NJW 1998, 3551, 3552).Eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 2 ZPO - etwa dergestalt,daß das Obergericht des zuerst angerufenen Rechtswegs (also das Oberlan-desgericht bzw. das Landesarbeitsgericht) über das zuständige Gericht ent-scheidet und die Sache nur in den Fällen des § 36 Abs. 3 ZPO an den überge-ordneten Gerichtshof vorlegt - ist nach Auffassung des Senats weder erforder-lich noch zweckmäßig.Die Regelung in § 36 Abs. 2 ZPO verfolgt den Zweck, den Bundesge-richtshof von belastender Routinetätigkeit zu befreien. Vor der Neuregelung- 8 -waren zuletzt über 1000 Verfahren pro Jahr beim [X.]anhängiggemacht worden (s. dazu Bundestags-Drucksache 13/9124, S. 46). Eine ver-gleichbare Situation ist bei [X.]zwischen verschiedenen [X.]nicht gegeben. Solche Fälle kommen eher selten vor. Auch [X.]ist davon ausgegangen, daß es insoweit bei der Zuständigkeit derobersten Gerichtshöfe des [X.]verbleibt.c) Der Rechtsgedanke des § 36 Abs. 2 ZPO gebietet auch keine Ände-rung der Rechtsprechung dahin, daß nur derjenige oberste Gerichtshof des[X.]zuständig ist, zu dessen Bereich das zuerst mit der Sache befaßte [X.]gehört.Eine solche Änderung der bisherigen Rechtsprechung würde zwar einengewissen Gewinn an Rechtssicherheit bringen, weil es nicht mehr der [X.]vorlegenden Gerichts oder des Antragstellers überlassen bliebe, [X.]über die Zuständigkeit entscheidet. Andererseits würde dies dem [X.]Zweck des Rechts der Zuständigkeitsbestimmung zuwiderlaufen.Sinn des § 36 ZPO ist es, jedem langwierigen Streit der Gerichte untereinanderüber die Grenzen ihrer Zuständigkeit ein Ende zu machen (BGHZ 17, 168,170) und eine Ausweitung von solchen Streitigkeiten tunlichst zu vermeiden(BGHZ 44, 14, 15). Zu solchen Ausweitungen könnte es kommen, wenn nureiner der in Frage kommenden Gerichtshöfe des [X.]zuständig ist. Die an-deren beteiligten Gerichtshöfe müßten ein Gesuch auf Zuständigkeitsbestim-mung dann nämlich zunächst an diesen weiterleiten, wenn es - aus [X.]auch immer - bei ihnen eingereicht worden ist.Die damit verbundenen Komplikationen sprechen für eine Beibehaltungder bisherigen Rechtsprechung, zumal es auch bei einer entsprechenden [X.]-wendung von § 36 Abs. 2 ZPO letztlich in der Hand der Beteiligten läge, beiwelchem Ausgangsgericht die Sache zuerst anhängig gemacht wird.3. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichtsentsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Das [X.]und [X.]haben jeweils rechtskräftig entschieden, daß der zu ihnen be-schrittene Rechtsweg unzulässig sei.II[X.]Als zuständiges Gericht ist das [X.]zu bestimmen.Der Beschluss des [X.]vom 18. Mai 2000, in [X.]dieses den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für zulässig erklärt hat, warallerdings entsprechend § 318 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG auch [X.][X.]selbst bindend. Das [X.]durfte den Rechtsstreitdeshalb nicht ohne weiteres in einen anderen Rechtsweg verweisen.Die Bindungswirkung dieses Beschlusses wurde aber durch den [X.]rechtskräftig gewordenen Beschluß über die Verweisung des Rechtsstreitsan das [X.]aufgehoben. Dieser Beschluß ist für das Amtsge-richt nach § 17a Abs. 2 GVG bindend. Er führt zwar inhaltlich zum [X.]Ergebnis wie der vorhergehende Beschluß. Das [X.]hat [X.]gesehen und in den Gründen des Beschlusses dargelegt, weshalb essich an die frühere Entscheidung nicht gebunden hielt. Ob diese Begründunginhaltlich richtig war, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zu entscheiden.Die Erwägungen des Arbeitsgerichts sind jedenfalls nicht derart fehlerhaft, daßder Beschluß trotz der inzwischen eingetretenen Rechtskraft als unwirksamanzusehen wäre. Deshalb ist das Amtsgericht hier an den [X.]10 -Im Verfahren nach § 36 ZPO ist von mehreren einander widersprechen-den und nicht offensichtlich rechtsfehlerhaften Verweisungsbeschlüssen aller-dings in der Regel der zeitlich erste als maßgeblich angesehen worden (vgl.BGH, Beschl. v. 06.10.1993 - [X.]22/93, NJW-RR 1994, 126, Sen.Beschl.v. 28.03.1995 - [X.]1088/94, NJW-RR 1995, 702; vgl. auch Greger/ Heine-mann, EWiR 2000, 529, 530). Für Beschlüsse nach § 17a Abs. 2 GVG hat der[X.]aber entschieden, daß auch eine an sich rechtswidrigeRückverweisung bindend ist, wenn sie in Rechtskraft erwächst (BGH, Beschl.v. 24.02.2000 - III ZB 33/99, NJW 2000, 1343, 1344). Entsprechendes muß fürden Fall gelten, daß ein und dasselbe Gericht seine Rechtswegzuständigkeitzunächst bejaht und später mit nicht offensichtlich rechtswidrigen Erwägungenverneint.Dies führt hier dazu, daß der Verweisungsbeschluß des [X.]das Amtsgericht bindend ist. Das Amtsgericht durfte seine Zuständigkeitfolglich nicht mehr verneinen.RoggeJestaedtMelullisKeukenschrijverMühlens

Meta

X ARZ 69/01

26.07.2001

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.07.2001, Az. X ARZ 69/01 (REWIS RS 2001, 1747)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 1747

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X ARZ 546/24

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