Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.07.2020, Az. 2 AZR 43/20

2. Senat | REWIS RS 2020, 426

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Gegenstand

Verhaltensbedingte Kündigung - Nachträgliche Klagezulassung


Leitsatz

§ 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG findet keine Anwendung, wenn das Versäumen der Frist der Sphäre des Gerichts und nicht derjenigen des Antragstellers zuzurechnen ist und der Prozessgegner kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Eintritt der Rechtssicherheit haben konnte.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 7. November 2019 - 5 [X.]/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und die nachträgliche Zulassung der Klage.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten als Callcenteragentin beschäftigt. Im [X.]raum vom 3. August 2017 bis 23. November 2017 richtete sie 30 E-Mails an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beklagten. Wegen des Inhalts einiger von ihnen mahnte die Beklagte sie mit Schreiben vom 23. November 2017 ab. Die E-Mails hätten falsche Unterstellungen oder Hinweise mit Anweisungscharakter enthalten bzw. die Privatangelegenheit einer Kollegin betroffen. In der [X.] vom 2. Januar 2018 bis 6. Februar 2018 richtete die Klägerin an ihre Gruppenleiterin, eine Referentin und eine weitere Mitarbeiterin insgesamt 33 E-Mails.

3

Nach Anhörung des Personalrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 15. März 2018, das der Klägerin am selben Tag zuging, „zum 30.06.2018, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin“.

4

Dagegen hat sich die Klägerin mit einer am 21. März 2018 über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) des Arbeitsgerichts eingereichten Klage gewandt. Die angefügte qualifizierte elektronische Signatur ([X.]) ihres damaligen Prozessbevollmächtigten bezog sich auf einen elektronischen [X.] (sog. Container-Signatur) und nicht auf das PDF-Dokument der Klageschrift. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei ua. deshalb rechtsunwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt sei.

5

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 15. März 2018 beendet wurde.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Parteien am 1. August 2019 darauf hingewiesen, dass die Signatur nur an dem [X.] angebracht war. Auf Antrag der Klägerin vom 15. August 2019 hat es die Berufung der Beklagten unter nachträglicher Zulassung der Klage zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.]eklagten ist unbegründet. Das [X.] hat ihre [X.]erufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

9

I. Die Klage ist nicht mangels ordnungsgemäßer Klageerhebung unzulässig.

1. Die Klageschrift bedarf als bestimmender Schriftsatz der Schriftform, § 253 ZPO. Auf sie sind gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 495, 253 ZPO die allgemeinen Vorschriften über vorbereitende Schriftsätze (§§ 129 ff. ZPO) anzuwenden. Mängel der Klageerhebung sind auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. MüKoZPO/[X.]. § 253 Rn. 156 mwN).

a) Gemäß § 46c Abs. 1 ArbGG in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung können vorbereitende Schriftsätze und schriftlich einzureichende Anträge nach Maßgabe von § 46c Abs. 2 bis Abs. 6 ArbGG als elektronisches Dokument beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Sie müssen gemäß § 46c Abs. 3 ArbGG entweder mit einer [X.] der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person - einfach - signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Die sicheren Übermittlungswege bestimmt § 46c Abs. 4 ArbGG. Demgemäß gestattet § 4 Abs. 1 der aufgrund von § 46c Abs. 2 Satz 2 ArbGG erlassenen und zum 1. Januar 2018 in [X.] getretenen Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische [X.]ehördenpostfach vom 24. November 2017 ([X.], [X.]. I S. 3803, idF der Verordnung zur Änderung der [X.] vom 9. Februar 2018, [X.]. I S. 200) die Übermittlung eines elektronischen Dokuments, das mit einer [X.] der verantwortenden Person versehen ist, sowohl auf einem sicheren Übermittlungsweg (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) als auch an ein für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtetes EGVP (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 [X.]).

b) Nach § 4 Abs. 2 [X.] dürfen mehrere elektronische Dokumente nicht mit einer gemeinsamen [X.] übermittelt werden. Die [X.] darf aus diesem Grund nicht nur am [X.] angebracht sein. Durch die Einschränkung soll verhindert werden, dass nach der Trennung eines elektronischen Dokuments vom [X.] die [X.] nicht mehr überprüft werden kann ([X.]R-Drs. 645/17 S. 15 zu § 4 [X.]; [X.] 15. August 2018 - 2 [X.] 269/18 - Rn. 4, [X.]E 163, 234; [X.] 15. Mai 2019 - XII Z[X.] 573/18 - Rn. 18, [X.]Z 222, 105; zu § 65a SGG vgl. [X.]SG 9. Mai 2018 - [X.] 26/18 [X.] - Rn. 4). Dies gilt auch dann, wenn dem Gericht lediglich ein einziges Dokument übermittelt wird ([X.] 15. August 2018 - 2 [X.] 269/18 - Rn. 6, aaO; [X.] 15. Mai 2019 - XII Z[X.] 573/18 - Rn. 19, aaO).

2. Die am 21. März 2018 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage hat diesen Vorgaben nicht genügt. Die Klage ist als elektronisches Dokument nicht auf einem sicheren Übermittlungsweg iSd. § 4 Abs. 1 Nr. 1 [X.] iVm. § 46c Abs. 4 ArbGG übermittelt worden. Die Klageschrift war auch nicht mit einer ordnungsgemäß angebrachten [X.] versehen. Es lag lediglich eine [X.] vor.

3. Der Formmangel der fehlerhaften Signatur ist nicht rückwirkend geheilt worden.

a) Die [X.] des § 46c Abs. 6 Satz 2 ArbGG findet keine Anwendung. Die [X.]estimmung betrifft nicht die Art und Weise der Übermittlung eines elektronischen Dokuments, sondern Fälle von Formatfehlern, aufgrund derer ein elektronisches Dokument nicht zur [X.]earbeitung durch das Gericht geeignet ist (vgl. zu § 130a Abs. 6 ZPO: [X.] 12. März 2020 - 6 [X.] 1/20 - Rn. 5; 15. August 2018 - 2 [X.] 269/18 - Rn. 10, [X.]E 163, 234; zu § 65a SGG vgl. [X.]SG 9. Mai 2018 - [X.] 26/18 [X.] - Rn. 7; offengelassen von [X.] 15. Mai 2019 - XII Z[X.] 573/18 - Rn. 22, [X.]Z 222, 105). Solche Fehler sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht zum [X.] einer [X.] führen, um ihr den „Zugang zu den Gerichten durch Anforderungen des formellen Rechts, wie etwa [X.], nicht in unverhältnismäßiger Weise“ zu erschweren ([X.]T-Drs. 17/12634 S. 26 f., 37). Wird ein elektronisches Dokument unter Verstoß gegen § 46c Abs. 3 Alt. 1 ArbGG an das Gericht übermittelt, liegt hingegen kein bloßer Formatfehler vor. Das elektronische Dokument geht in diesem Fall schon nicht [X.] bei Gericht ein (zu § 130a ZPO vgl. [X.] 15. August 2018 - 2 [X.] 269/18 - aaO).

b) Der Fehler in der Übermittlungsform ist nicht gemäß § 295 Abs. 1 ZPO geheilt worden. Es kann dahinstehen, ob bei rügeloser Einlassung eine Heilung hätte eintreten können (vgl. zum Fehlen der ordnungsgemäßen Unterzeichnung einer Kündigungsschutzklage: [X.] 6. August 1987 - 2 [X.] - zu II 2 d und e der Gründe; 26. Juni 1986 - 2 [X.] - zu [X.] II 3 c der Gründe, [X.]E 52, 263; offengelassen von [X.] 25. April 2013 - 6 [X.] - Rn. 80; 18. Januar 2012 - 7 [X.] - Rn. 15, 20; aA für die [X.]erufungsschrift [X.] 25. Februar 2015 - 5 [X.] - Rn. 24 ff., [X.]E 151, 66). Die [X.]eklagte hat erstmals in der mündlichen Verhandlung am 1. August 2019 Kenntnis davon erhalten, dass die Klageschrift unter Verwendung einer [X.] eingereicht worden war. Sie hat den darin liegenden Verfahrensfehler daraufhin unmittelbar gerügt.

4. Der Mangel ist jedoch spätestens mit dem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung vom 15. August 2019 - ex nunc - behoben worden.

a) [X.]ei fehlerhafter elektronischer Übermittlung besteht ebenso wie bei fehlender oder fehlerhafter Unterzeichnung einer Klageschrift grundsätzlich die Möglichkeit, den Mangel durch Nachholung - für die Zukunft - zu beheben (vgl. zur fehlenden Unterschrift: [X.] 3. März 2004 - IV ZR 458/02 - zu 2 a der Gründe mwN; [X.]eckOK/[X.] Stand 1. Juli 2020 ZPO § 253 Rn. 83). Die [X.] substituiert die technisch nicht mögliche Unterzeichnung des elektronisch eingereichten Dokuments (zu § 130a Abs. 1 ZPO aF vgl. [X.]T-Drs. 14/4987 S. 12). Sie soll wie die eigenhändige Unterschrift die Identifizierung des Urhebers der Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (zur Unterzeichnung vgl. [X.] 25. Februar 2015 - 5 [X.] - Rn. 22, [X.]E 151, 66). Wie bei der fehlenden Unterschrift wird der Mangel - mit Wirkung für die Zukunft - behoben, wenn sich auf andere, jeden vernünftigen Zweifel ausschließende Weise feststellen lässt, dass der fehlerhaft signierte Schriftsatz nicht etwa ein Entwurf war, sondern vom Prozessbevollmächtigten der [X.] mit seinem Wissen und Wollen als Klageschrift bei Gericht eingereicht worden ist (vgl. zur Unterzeichnung: [X.] 3. März 2004 - IV ZR 458/02 - zu 2 b der Gründe; [X.]eckOK/[X.] aaO Rn. 84).

b) Dies war hier jedenfalls mit Stellung des Antrags auf nachträgliche Klagezulassung am 15. August 2019 der Fall. Dem Antrag war die nunmehr ordnungsgemäß signierte Klageschrift beigefügt.

II. Die Klage ist nicht deshalb unbegründet, weil die Kündigung vom 15. März 2018 gemäß § 7 Halbs. 1 [X.] als von Anfang an [X.]. Zwar hat die Klägerin ihre Rechtsunwirksamkeit bis zum Ablauf der Klagefrist des § 4 Satz 1 [X.] am 5. April 2018 nicht ordnungsgemäß gerichtlich geltend gemacht. Das [X.] hat die Klage aber zu Recht gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 [X.] nachträglich zugelassen.

1. Ohne Rechtsfehler hat das [X.]erufungsgericht angenommen, der Antrag der Klägerin auf nachträgliche Klagezulassung vom 15. August 2019 sei zulässig gewesen.

a) Der gemeinsam mit der erneuten und formgerechten Übermittlung der Klage vom 21. März 2018 beim [X.] eingereichte Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage genügte den Anforderungen von § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] iVm. § 46c Abs. 3 Satz 1 ArbGG. Die erstmalige Einreichung beim [X.]erufungsgericht war gemäß § 5 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 [X.] zulässig.

b) Der Antrag wahrte die Antragsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.]. Danach ist der Antrag nur innerhalb von zwei Wochen nach [X.]ehebung des Hindernisses zulässig.

aa) Das Hindernis ist iSv. § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] behoben, wenn die [X.] oder ihr [X.]evollmächtigter Kenntnis von der Fristversäumung hatte oder bei ordnungsgemäßer Verfolgung der Rechtssache hätte haben können. Maßgeblich ist die Kenntnis der Säumnis, nicht die Kenntnis von deren Ursache (zu § 234 Abs. 1 iVm. Abs. 2 ZPO vgl. [X.] 25. Mai 1994 - XII Z[X.] 31/94 - zu II 2 a der Gründe). Das Weiterbestehen des Hindernisses darf nicht mehr als unverschuldet angesehen werden können ([X.] 25. Mai 1994 - XII Z[X.] 31/94 - aaO). Dies ist der Fall, wenn tatsächliche Umstände nach Eintritt der Fristversäumung eine entsprechende positive Kenntnis vermittelt oder zumindest Anlass zu Zweifeln gegeben haben, ob die Frist eingehalten war (vgl. [X.] 6. Oktober 2010 - 7 [X.] - Rn. 11, [X.]E 136, 30).

bb) Danach lief die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] hier ab dem 2. August 2019 (§ 187 Abs. 1 [X.]G[X.]) und war demgemäß am 15. August 2019 noch nicht verstrichen. Vor dem Hinweis des [X.]s in der mündlichen Verhandlung vom 1. August 2019, die Klageschrift sei unzureichend elektronisch signiert gewesen, lagen keine Umstände vor, die der Klägerin nach Ablauf der Klagefrist des § 4 Satz 1 [X.] positive Kenntnis von ihrer Versäumung vermittelt oder zu entsprechenden Zweifeln Anlass gegeben hätten. Auch die Revision macht solche nicht geltend.

c) Allerdings hat die Klägerin den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung erst nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] gestellt. Die Frist begann mit dem Ende der Klagefrist am 5. April 2018 zu laufen und endete am 5. Oktober 2018 (§ 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] iVm. § 187 Abs. 2 Satz 1, § 188 Abs. 2 Alt. 2 [X.]G[X.]). Der Fristablauf ist jedoch ausnahmsweise unschädlich. Das [X.] hat zutreffend angenommen, dass § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] vorliegend keine Anwendung findet.

aa) Nach dem Gesetzeswortlaut handelt es sich bei der Sechsmonatsfrist des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] zwar um eine absolute Höchstfrist für den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung. Dadurch soll die Ungewissheit des Arbeitgebers, ob er die Wirksamkeit einer Kündigung noch wird verteidigen müssen, spätestens sechs Monate nach Ablauf der eigentlichen Klagefrist des § 4 Satz 1 [X.] enden ([X.] 28. Januar 2010 - 2 [X.] - Rn. 27, [X.]E 133, 149). Die Frist ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Interessen an einerseits materieller Gerechtigkeit und andererseits Rechtssicherheit ([X.] 28. Januar 2010 - 2 [X.] - Rn. 33, aaO).

bb) Daraus folgt aber zugleich, dass der Anwendungsbereich der Norm teleologisch zu reduzieren ist, wenn ihr Sinn und Zweck die Anwendung nicht gebietet und anderenfalls den Anforderungen an ein faires Verfahren nicht genügt werden kann. Das ist der Fall, wenn das Versäumen der Frist der Sphäre des Gerichts und nicht derjenigen des Antragstellers zuzurechnen ist und darüber hinaus ein Schutz der Interessen des [X.] nicht geboten ist, weil dieser kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Eintritt der Rechtssicherheit haben konnte (vgl. zu § 234 Abs. 3 ZPO: [X.] 13. Dezember 2012 - 6 [X.] - Rn. 42; 5. Februar 2004 - 8 [X.] - zu II 1 d bb der Gründe, [X.]E 109, 265; 15. Dezember 1982 - 7 [X.] - zu I 1 der Gründe; 2. Juli 1981 - 2 [X.] - zu II 1 c der Gründe, [X.]E 35, 364; [X.] 21. Januar 2016 - IX ZA 24/15 - Rn. 8; 19. März 2013 - VI Z[X.] 68/12 - Rn. 10; 15. Dezember 2010 - [X.]/09 - Rn. 37; 20. Februar 2008 - XII Z[X.] 179/07 - Rn. 15). Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) garantiert den [X.]en im Zivilprozess effektiven Rechtsschutz (vgl. [X.]VerfG 23. Juli 2019 - 1 [X.]vR 2032/18 - Rn. 6; 22. Oktober 2004 - 1 [X.]vR 894/04 - zu II 2 a der Gründe). Der Zugang zu den Gerichten darf nicht in unzumutbarer, durch [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. [X.]VerfG 23. Juli 2019 - 1 [X.]vR 2032/18 - aaO; 22. Oktober 2004 - 1 [X.]vR 894/04 - aaO; 25. Februar 2000 - 1 [X.]vR 1363/99 - zu [X.] I 1 a der Gründe). Der Gesetzgeber darf zwar Regelungen treffen, die für ein Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellen und sich dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirken. Solche Einschränkungen müssen aber mit den [X.]elangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar sein und dürfen den Rechtsuchenden nicht unverhältnismäßig belasten. Die Gerichte haben das Verfahrensrecht so auszulegen und anzuwenden, dass es zu diesen Grundsätzen nicht in Widerspruch gerät (vgl. [X.]VerfG 22. Oktober 2004 - 1 [X.]vR 894/04 - aaO). Das gilt nicht nur für Entscheidungen über die Wiedereinsetzung nach Versäumung einer Frist (vgl. [X.]VerfG 23. Juli 2019 - 1 [X.]vR 2032/18 - aaO; 25. Februar 2000 - 1 [X.]vR 1363/99 - aaO), sondern auch im Verfahren über die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage nach § 5 [X.] (so ausdrücklich [X.]VerfG 23. Juli 2019 - 1 [X.]vR 2032/18 - aaO; in diese Richtung bereits [X.]VerfG 25. Februar 2000 - 1 [X.]vR 1363/99 - zu [X.] I 1 c der Gründe; zu § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] vgl. [X.] 25. April 2018 - 2 [X.] - Rn. 23, [X.]E 162, 317; zu § 5 Abs. 3 Satz 1 [X.] vgl. [X.] 6. Oktober 2010 - 7 [X.] - Rn. 12, [X.]E 136, 30; zu § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] vgl. [X.] 28. Januar 2010 - 2 [X.] - Rn. 29, [X.]E 133, 149).

(1) Dementsprechend ist die Jahresfrist auf einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 234 Abs. 3 ZPO z[X.] bei der Wiedereinsetzung in die [X.]erufungsbegründungsfrist nicht anwendbar, wenn das Gericht innerhalb der Frist nicht über einen rechtzeitig gestellten Prozesskostenhilfeantrag entschieden hat ([X.] 25. April 2019 - III Z[X.] 104/18 - Rn. 5; 21. Januar 2016 - IX ZA 24/15 - Rn. 8). Die Vorschrift findet auch dann keine Anwendung, wenn das Revisionsgericht im arbeitsgerichtlichen Verfahren erst nach mehr als einem Jahr bemerkt, dass die Revisionsbegründung nicht unterschrieben war ([X.] 2. Juli 1981 - 2 [X.] - zu II 1 b der Gründe, [X.]E 35, 364; [X.]/[X.] ZPO 33. Aufl. § 234 Rn. 10; für den Zivilprozess vor den ordentlichen Gerichten [X.] 20. Januar 1983 - [X.] - zu II 3 b der Gründe), wenn ein Gericht durch seine Verfahrensweise über einen längeren Zeitraum Vertrauen in die Zulässigkeit des eingelegten Rechtsbehelfs geweckt hat (vgl. [X.] 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 21, [X.]E 167, 196; 5. Februar 2004 - 8 [X.] - zu II 1 d bb der Gründe, [X.]E 109, 265; [X.] 15. Dezember 2010 - [X.]/09 - Rn. 37) oder wenn es nach Stellung eines verspäteten Wiedereinsetzungsantrags über mehr als zwei Jahre hinweg durch Fortsetzung der Verhandlung den Eindruck erweckt hat, Wiedereinsetzung gewährt zu haben (vgl. [X.]VerfG 15. April 2004 - 1 [X.]vR 622/98 - zu III 2 b der Gründe).

(2) § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] verlangt wegen der Anforderungen an ein faires Verfahren eine entsprechende teleologische Reduktion seines Anwendungsbereichs. Ein dem entgegenstehender Wille des Gesetzgebers lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Zwar handelt es sich um eine nur sechs- und nicht zwölfmonatige Frist, deren Versäumung gemäß § 4 Satz 1, § 7 Halbs. 1 [X.] zudem unmittelbare materielle Wirkung hat. Die Dauer der Frist trägt aber nur den [X.]esonderheiten des Kündigungsschutzrechts Rechnung, indem sie einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Arbeitgebers an Planungssicherheit und dem Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsplatzes schafft. Daneben ist die Norm Ausdruck des auch in § 61a ArbGG geregelten besonderen [X.]eschleunigungsgrundsatzes im Kündigungsschutzverfahren (vgl. [X.] 28. Januar 2010 - 2 [X.] - Rn. 33, 39, [X.]E 133, 149). Ihr Normzweck steht daher einer durch Art. 2 Abs. 1 GG iVm. dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) gebotenen teleologischen Reduktion ihres Anwendungsbereichs nicht entgegen, sofern sich auf Seiten des beklagten Arbeitgebers kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Eintritt der Rechtssicherheit gebildet haben konnte. Dies ist der Fall, wenn dem Arbeitgeber eine Klage zugestellt worden ist, die zwar (zunächst unerkannt) die formalen Anforderungen an eine Kündigungsschutzklage iSv. § 4 Satz 1 [X.] nicht erfüllte, aber vom Gericht als solche behandelt worden ist. Auf den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 Halbs. 1 [X.] konnte der Arbeitgeber dann bis zu einem entsprechenden Hinweis des Gerichts nicht vertrauen. Wenn aber das Recht eines Antragstellers auf ein faires Verfahren Ausnahmen sogar von der einjährigen Frist des § 234 Abs. 3 ZPO rechtfertigt, ist kein Grund ersichtlich, dass dies nicht gleichermaßen für die kürzere Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] gilt. Auch die materielle Wirkung von § 4 Satz 1 [X.] und § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] bezweckt nicht den Schutz eines Arbeitgebers, der keinen Anlass hatte, auf den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 Halbs. 1 [X.] zu vertrauen.

(3) [X.] vom 28. Januar 2010 (- 2 [X.] - [X.]E 133, 149) steht einer solchen teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs von § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] nicht entgegen. Sie befasst sich nur mit der Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in die Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung von § 233 ZPO und verweist im Übrigen selbst auf die grundsätzliche Vergleichbarkeit der Fristen aus § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] und § 234 Abs. 3 ZPO (vgl. [X.] 28. Januar 2010 - 2 [X.] - Rn. 24, 27, aaO).

cc) Danach hat das [X.] § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] im Streitfall zutreffend für nicht anwendbar gehalten.

(1) Die Versäumung der Frist des § 5 Abs. 3 Satz 2 [X.] hatte ihre Ursache in der Sphäre des Gerichts. Das Arbeitsgericht hatte bis zu ihrem Ablauf keinen Hinweis erteilt, dass wegen der nicht ordnungsgemäß signierten Klageschrift die Klagefrist des § 4 Satz 1 [X.] möglicherweise nicht gewahrt war. Hierzu wäre es nach § 139 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO unabhängig davon verpflichtet gewesen, ob es selbst die [X.]edenken im Ergebnis teilte, um der Klägerin die Möglichkeit zu geben, zumindest vorsorglich einen Antrag auf nachträgliche Klagezulassung zu stellen.

(2) Ein schutzwürdiges Vertrauen der [X.]eklagten in den Eintritt der [X.] gemäß § 7 Halbs. 1 [X.] konnte vorliegend nicht entstehen. Die Klägerin hatte fristgemäß, wenn auch zunächst unerkannt formfehlerhaft Kündigungsschutzklage erhoben. Ein gerichtlicher Hinweis auf die mangelnde Signatur der Klageschrift erfolgte bis zum 1. August 2019 nicht.

d) Der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung genügte den formellen Erfordernissen des § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] jedenfalls insoweit, wie er darauf gestützt war, dass das Arbeitsgericht vor dem Ablauf der Klagefrist des § 4 Satz 1 [X.] nicht auf die Unzulässigkeit der [X.] hingewiesen hatte. Eine Glaubhaftmachung ist entbehrlich, soweit die Tatsachen, auf die sich der Arbeitnehmer beruft, durch die Gerichtsakten zu belegen sind (zum Wiedereinsetzungsantrag vgl. [X.] 9. Dezember 1954 - 2 [X.] - zu 4 b der Gründe). Dies ist vorliegend der Fall.

2. Das [X.] hat den Antrag auf nachträgliche Klagezulassung zu Recht als begründet erachtet.

a) § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] verlangt, dass der Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt gehindert war, die Klage rechtzeitig zu erheben. Dabei ist ihm das Verschulden eines (Prozess-)[X.]evollmächtigten an der Versäumung der gesetzlichen Klagefrist nach § 4 Satz 1 [X.] gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (vgl. [X.] 22. März 2012 - 2 [X.] - Rn. 41). Ein etwaiges Verschulden der [X.] bzw. ihres Prozessbevollmächtigten tritt jedoch hinter gerichtliches Verschulden zurück, wenn ohne dieses die Frist gewahrt worden wäre. Maßgeblich ist dann der in der Sphäre des Gerichts liegende Grund für die Fristversäumung.

b) So liegt der Fall hier. Die [X.] trifft zwar regelmäßig ein Verschulden, wenn ihr Prozessbevollmächtigter ein elektronisches Dokument unter Verstoß gegen § 46c Abs. 3 Alt. 1 ArbGG iVm. § 4 Abs. 2 [X.] mit einer [X.] an das Gericht übermittelt. Es ist die Pflicht des Rechtsanwalts, für einen ordnungsgemäßen Zustand der aus seiner Kanzlei ausgehenden elektronischen Dokumente einschließlich einer ggf. erforderlichen ordnungsgemäßen [X.] iSd. § 46c Abs. 3 Alt. 1 ArbGG zu sorgen (zu § 130a ZPO vgl. [X.] 15. Mai 2019 - XII Z[X.] 573/18 - Rn. 25, [X.]Z 222, 105). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Inkrafttreten von § 4 Abs. 2 [X.] zum 1. Januar 2018 in der Praxis weitgehend unbeachtet geblieben ist. Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze und Rechtsverordnungen kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen (vgl. [X.] 15. Mai 2019 - XII Z[X.] 573/18 - aaO; 11. März 2015 - XII Z[X.] 572/13 - Rn. 34). Die [X.] datiert vom 24. November 2017 und ist einschließlich ihres § 4 Abs. 2 am 29. November 2017 im [X.]undesgesetzblatt veröffentlicht worden. Zudem hat die [X.]undesrechtsanwaltskammer bereits in einem Newsletter zum besonderen elektronischen Anwaltspostfach vom 16. November 2017 auf die Unzulässigkeit der [X.] hingewiesen (vgl. [X.]SG 9. Mai 2018 - [X.] 26/18 [X.] - Rn. 10). Ebenso wurde in einschlägigen Fachzeitschriften frühzeitig über den geplanten Ausschluss der [X.] nach § 4 Abs. 2 [X.] berichtet (vgl. [X.] 2017, 2713; [X.] NJW 2017, 3134, 3135). Die Fristversäumung hätte hier aber trotz des Verschuldens des früheren Prozessbevollmächtigten der Klägerin vermieden werden können, wenn das Arbeitsgericht noch vor Ablauf der Klagefrist gemäß § 4 Satz 1 [X.] auf die nicht ausreichende Signatur hingewiesen hätte.

aa) Die entsprechende Pflicht des Arbeitsgerichts ergab sich aus dem Anspruch der Klägerin auf ein faires gerichtliches Verfahren gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG. Dieser begründet eine prozessuale Fürsorgepflicht, aufgrund derer die Gerichte auf ggf. offenkundige Formmängel bestimmender Schriftsätze hinweisen müssen (vgl. [X.] 15. August 2018 - 2 [X.] 269/18 - Rn. 11, [X.]E 163, 234). Ein offenkundiger Formmangel liegt auch dann vor, wenn eine Kündigungsschutzklage mit einer unzulässigen [X.] versehen eingeht. Die Gerichte trifft zwar keine generelle Verpflichtung zur sofortigen Prüfung der Formalien eines als elektronisches Dokument eingereichten Schriftsatzes. Dies enthöbe die Verfahrensbeteiligten und deren [X.]evollmächtigte ihrer eigenen Verantwortung und überspannte die Anforderungen an die Grundsätze des fairen Verfahrens ([X.]VerfG 17. Januar 2006 - 1 [X.]vR 2558/05 - Rn. 10; [X.] 15. August 2018 - 2 [X.] 269/18 - aaO; 22. August 2017 - 10 AZ[X.] 46/17 - Rn. 16). Die klagende [X.] kann aber erwarten, dass dies in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um ein drohendes Fristversäumnis zu vermeiden. Unterbleibt der gebotene Hinweis, ist die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen, wenn der Hinweis bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen können, dass der [X.] die Fristwahrung noch möglich gewesen wäre (vgl. für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei nicht ausreichender Übermittlung einer Nichtzulassungsbeschwerde: [X.] 15. August 2018 - 2 [X.] 269/18 - aaO; [X.]SG 9. Mai 2018 - [X.] 12 KR 26/18 [X.] - Rn. 10 f.; offengelassen [X.] 15. Mai 2019 - XII Z[X.] 573/18 - Rn. 28, [X.]Z 222, 105; vgl. zur fehlenden Unterschrift: [X.] 25. Juni 2009 - III Z[X.] 99/08 - Rn. 10; 14. Oktober 2008 - VI Z[X.] 37/08 - Rn. 10 f.). Zu einem ordentlichen Geschäftsgang zählen - bei einer nicht elektronischen Aktenführung - die regelmäßig erforderlichen verwaltungstechnischen Vorarbeiten wie das Ausdrucken eines elektronischen Dokuments und des dazugehörigen Transfervermerks, das Anlegen oder die Zuordnung des Dokuments zu einer Akte, die Zuständigkeitsbestimmung und der Zutrag (vgl. [X.]SG 12. Oktober 2016 - [X.] 4 [X.]/16 R - Rn. 29, [X.]SGE 122, 71). Ein erforderlicher Hinweis ist außerhalb der mündlichen Verhandlung vom bzw. von der Vorsitzenden zu erteilen (§ 53 Abs. 1 Satz 1, § 56 Abs. 1 ArbGG). Der bzw. die Vorsitzende trägt auch die Verantwortung dafür, dass eine Überprüfung der elektronischen Signaturen bestimmender Schriftsätze erfolgt, selbst wenn hierfür unterstützend andere Gerichtsbedienstete herangezogen werden. Ob im ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch ein rechtzeitiger Hinweis möglich war, hängt daher davon ab, wieviel Zeit bei pflichtgemäßer [X.]ehandlung vom Eingang eines Schriftsatzes bis zur Kenntnisnahme und [X.]earbeitung durch den Vorsitzenden bzw. die Vorsitzende zu veranschlagen ist.

bb) Richterliche Hinweispflichten bestehen unabhängig von einer anwaltlichen Vertretung der hinweisempfangenden [X.] zumindest dann, wenn der Anwalt - wie hier - die Rechtslage falsch beurteilt oder ersichtlich darauf vertraut, sein schriftsätzliches Vorbringen sei ausreichend (vgl. [X.] 12. Juli 2005 - VI ZR 83/04 - zu II [X.] 6 b der Gründe, [X.]Z 163, 351; 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97 - zu [X.] 3 b aa der Gründe, [X.]Z 140, 365). Dies gilt, anders als die [X.]eklagte meint, auch unabhängig davon, ob der Gegner anwaltlich vertreten ist.

cc) Im Streitfall hätte das Arbeitsgericht den erforderlichen Hinweis im ordnungsgemäßen Geschäftsgang so rechtzeitig erteilen können, dass die Klägerin die ordnungsgemäße Klageerhebung noch innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 [X.] hätte nachholen können. Die nicht ordnungsgemäß signierte Klageschrift war am 21. März 2018 und damit bereits mehr als zwei Wochen vor Ablauf der Klagefrist am 5. April 2018 beim Arbeitsgericht eingegangen. Das in der Verwendung der [X.] liegende Verschulden hätte mithin bei ordnungsgemäßer [X.]earbeitung der Klage durch das Arbeitsgericht nicht zu einer Versäumung der Klagefrist geführt.

III. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Kündigung vom 15. März 2018 sei nicht aus Gründen im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] sozial gerechtfertigt und damit gemäß § 1 Abs. 1 [X.] rechtsunwirksam.

1. Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes fand nach den Feststellungen des [X.]s gemäß § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 [X.] Anwendung. Dagegen erhebt die Revision keine Einwände.

2. Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist. Auch eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gemäß § 241 Abs. 2 [X.]G[X.] treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers kann - je nach den Umständen des Einzelfalls - eine Kündigung rechtfertigen (vgl. [X.] 5. Dezember 2019 - 2 [X.] - Rn. 75; 15. Dezember 2016 - 2 [X.] - Rn. 11).

3. Die Annahme des [X.]s, die Klägerin habe mit den im Zeitraum vom 2. Januar 2018 bis 6. Februar 2018 versandten E-Mails nicht ihre Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 [X.]G[X.] verletzt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Auf die Frage, ob anderenfalls die Pflichtverletzung(en) die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bedingt hätten oder eine (weitere) Abmahnung ein zumutbares mildes Mittel gewesen wäre, kommt es deshalb nicht an.

a) Nach § 241 Abs. 2 [X.]G[X.] hat sich jeder Teil im Rahmen des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass der andere Teil vor ([X.]egleit-)Schäden an anderen Rechten, Rechtsgütern und - rechtlich geschützten - Interessen, einschließlich des Vermögens als solchem, nach Möglichkeit bewahrt wird ([X.]/[X.] [X.]G[X.] 17. Aufl. § 241 Rn. 10). [X.]ei der Frage, was die Schutz- und Rücksichtnahmepflicht im Einzelfall gebietet, ist insbesondere auf die von den Grundrechten zum Ausdruck gebrachte Werteordnung Rücksicht zu nehmen ([X.] 16. November 2010 - 9 [X.] - Rn. 36, [X.]E 136, 156; vgl. auch [X.] 27. September 2012 - 2 [X.] - Rn. 37 f.). Im Privatrecht sind beide [X.]en Grundrechtsträger. Die Gerichte haben daher den jeweils konkurrierenden Rechtspositionen ausgewogen Rechnung zu tragen (vgl. [X.] 12. September 2006 - 9 [X.] - Rn. 20, [X.]E 119, 238).

b) Der Erhalt des [X.]etriebsfriedens stellt nach der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers iSv. § 241 Abs. 2 [X.]G[X.] dar, da eine Störung seine wirtschaftliche [X.]etätigungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG berührt (vgl. [X.]VerfG 14. November 1995 - 1 [X.]vR 601/92 - zu [X.] II 2 der Gründe, [X.]VerfGE 93, 352). Eine Störung des [X.]etriebsfriedens kann indes auch Folge einer berechtigten Interessenwahrnehmung durch den Arbeitnehmer sein. Auf den Erhalt des [X.]etriebsfriedens gerichtete Verhaltenspflichten iSv. § 241 Abs. 2 [X.]G[X.] bedürfen daher einer Konkretisierung unter [X.]erücksichtigung der wechselseitigen Interessen und grundrechtlichen Gewährleistungen. Allein der Umstand, dass eine Störung eingetreten ist, genügt nicht für die Annahme, ein Arbeitnehmer, der dazu beigetragen hat, habe auch seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers verletzt. Für sich genommen stellt selbst eine schwerwiegende [X.]eeinträchtigung des [X.]etriebsfriedens noch keine Pflichtverletzung dar, sondern nur deren mögliche Folge ([X.] 24. Juni 2004 - 2 [X.]/03 - zu [X.] III 2 der Gründe).

c) Der Arbeitgeber hat überdies die Möglichkeit, auf das betriebliche Miteinander bezogene Verhaltenspflichten durch (mitbestimmte) betriebliche Regelungen oder Einzelweisungen in Ausübung seines Direktionsrechts gemäß § 106 Satz 2 [X.] selbst konkret festzulegen.

d) Das [X.] hat in den nach der Abmahnung vom 23. November 2017 versandten E-Mails der Klägerin zu Recht keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Adressaten oder sonstiger [X.]eschäftigter der [X.]eklagten erkannt. Sein Verständnis ihres Inhalts als [X.]eschwerden über betriebliche Vorgänge, Erklärungen oder Stellungnahmen zu betrieblichen Vorgängen bzw. Fragen mit betrieblichem Zusammenhang hält sich im Rahmen tatgerichtlicher Würdigung. Auch die [X.]eklagte beruft sich im Revisionsverfahren nicht mehr darauf, die E-Mails seien verleumderisch oder beleidigend gewesen.

e) Einer revisionsrechtlichen Überprüfung hält ebenso die Annahme stand, die Klägerin habe nicht die Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Interesse der [X.]eklagten an einer ungestörten betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter verletzt. Da die [X.]estimmung von Verhaltenspflichten iSv. § 241 Abs. 2 [X.]G[X.] zur Rücksichtnahme auf den Erhalt des [X.]etriebsfriedens eine Abwägung der wechselseitig betroffenen berechtigten Interessen verlangt (Rn. 47), gilt insoweit ein eingeschränkter Überprüfungsmaßstab. Die Würdigung des [X.]s wird in der Revisionsinstanz lediglich daraufhin geprüft, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in [X.]etracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (vgl. zur Interessenabwägung im Rahmen der Prüfung, ob eine Kündigung durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 [X.] bedingt ist: [X.] 5. Dezember 2019 - 2 [X.] - Rn. 78; 15. Dezember 2016 - 2 [X.] - Rn. 12). Danach ist die Würdigung des [X.]erufungsgerichts, die Klägerin habe in keinem Fall „die Grenzen sozialadäquater Kommunikation“ überschritten, als Ergebnis der zur [X.]estimmung des Inhalts ihrer Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlichen Interessenabwägung ebenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Das [X.] hat zutreffend berücksichtigt, dass die Klägerin sowohl [X.]eschwerden über betriebliche Vorgänge anbringen als auch Ansichten oder Hinweise zu mit dem Arbeitsgeschehen im Zusammenhang stehenden Vorgängen kundtun und hierzu Fragen stellen durfte. Sie habe ihre [X.]eschwerden auch weder an unzuständige Adressaten gerichtet noch haltlose schwere Anschuldigungen erhoben oder ihr [X.]eschwerderecht querulatorisch missbraucht.

bb) Ohne Rechtsfehler hat das [X.] ferner angenommen, dass die Klägerin nicht gegen konkretisierende Weisungen zum [X.] im [X.]etrieb verstoßen habe, dass ihre Meinungsäußerungen von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt gewesen seien und sich eine Verletzung ihrer Pflicht zur Rücksichtnahme nicht schon daraus ergeben habe, dass die E-Mails Hinweise auf Rechtsprechung und Inanspruchnahme anwaltlichen Rates - und damit nicht etwa eine widerrechtliche Drohung - enthielten oder dass die Empfänger ihren Inhalt als unzutreffend oder störend empfanden bzw. ihre Menge als belastend wahrnahmen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts war der Klägerin die Kommunikation mit Kollegen und Vorgesetzten über E-Mail grundsätzlich erlaubt und selbst nach der intensiven Nutzung im Zeitraum vom 3. August 2017 bis zum 23. November 2017 von der [X.]eklagten nicht untersagt worden. Die Abmahnung vom 23. November 2017 verhielt sich nur zu falschen Unterstellungen, Hinweisen mit Anweisungscharakter und Stellungnahmen zu Privatangelegenheiten anderer Mitarbeiter. Solche Äußerungen waren nicht mehr Gegenstand der von der Klägerin nach Erhalt der Abmahnung versandten E-Mails.

cc) Ein Rechtsfehler ist auch weder objektiv ersichtlich noch von der Revision aufgezeigt, soweit das [X.]erufungsgericht den E-Mails keinen höhnischen, frechen, unangemessen anfeindenden oder provozierenden Charakter beigemessen und allein die Anbringung von vier ggf. anlasslosen oder überflüssigen Fragen innerhalb eines Zeitraums von einem Monat ebenfalls noch nicht als Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme erachtet hat. Die [X.]eklagte möchte insoweit lediglich ihr Verständnis der E-Mails und des zutreffenden Ergebnisses der für die Konkretisierung der Pflichten der Klägerin gemäß § 241 Abs. 2 [X.]G[X.] erforderlichen Interessenabwägung an die Stelle desjenigen des [X.]s setzen.

IV. Die [X.]eklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglos gebliebenen Revision zu tragen.

        

    [X.]     

        

    Schlünder    

        

    Rachor    

        

        

        

    Söller    

        

    Alex    

                 

Meta

2 AZR 43/20

30.07.2020

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Berlin, 5. Dezember 2018, Az: 56 Ca 4481/18, Urteil

Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 46 Abs 2 S 1 ArbGG, § 46c ArbGG, § 53 Abs 1 S 1 ArbGG, § 56 Abs 1 ArbGG, § 85 Abs 2 ZPO, § 139 Abs 1 S 1 ZPO, § 139 Abs 3 ZPO, § 253 ZPO, § 295 Abs 1 ZPO, § 1 Abs 1 KSchG, § 1 Abs 2 S 1 KSchG, § 4 S 1 KSchG, § 5 KSchG, § 7 Halbs 1 KSchG, § 241 Abs 2 BGB, § 4 ERVV

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 30.07.2020, Az. 2 AZR 43/20 (REWIS RS 2020, 426)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 1382-1383 REWIS RS 2020, 426

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Referenzen
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5 Sa 231/20

3 Sa 285/19

14 Sa 190/21

4 Sa 414/21

14 Sa 1381/21

18 Sa 909/22

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