Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.07.2014, Az. XII ZR 65/14

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 4411

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URTEILSERGÄNZUNG REVISION MIETSACHEN EINSTWEILIGE EINSTELLUNG DER ZWANGSVOLLSTRECKUNG VOLLSTRECKUNGSSCHUTZANTRAG

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Gegenstand

Vorläufig vollstreckbares Räumungsurteil: Voraussetzungen einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung in der Revisionsinstanz


Leitsatz

Zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Einstellung der aus einem vorläufig vollstreckbaren Herausgabe- und Räumungsurteil betriebenen Zwangsvollstreckung in der Revisionsinstanz.

Tenor

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 28. Mai 2014 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt nach Kündigung die Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen, die sie an die [X.]n zu 1 und zu 2 zum Betrieb eines Restaurants vermietet hatten und die diese an die [X.] zu 3 (deren geschäftsführender Alleingesellschafter der [X.] zu 1 ist) untervermietet haben. Das [X.] hat die [X.]n antragsgemäß verurteilt; das [X.] hat die Berufung der [X.]n zurückgewiesen. Es hat die Revision zugelassen und den [X.]n nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 240.000 € vorläufig abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leiste. Die Klägerin hat die Sicherheit geleistet und betreibt die Zwangsvollstreckung. Der Gerichtsvollzieher hat die Räumung für den 3. Juli 2014 angekündigt.

2

Die [X.]n haben gegen das Urteil des [X.]s Revision eingelegt. Sie beantragen, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil einstweilen einzustellen. Zur Begründung führen sie unter Bezugnahme auf ein Schreiben ihres Steuerberaters aus, ihnen würde durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil entstehen. Könnten sie das Restaurant nicht weiter betreiben, dann könnten sie zwei weitere von der [X.]n zu 3 betriebene defizitäre Lokale nicht weiter aus den Gewinnen des Restaurants finanziell unterstützen und müssten auch diese beiden Lokale schließen.

II.

3

Der [X.] der [X.]n ist nicht begründet.

4

1. Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kommt eine solche Einstellung nicht in Betracht, wenn der Schuldner es versäumt hat, im [X.] einen Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO zu stellen, obwohl ihm ein solcher Antrag möglich und zumutbar gewesen wäre. Ein im [X.] gemäß §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 ZPO gestellter Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gilt nur für diese Instanz und wirkt nicht über den Erlass des Berufungsurteils hinaus, so dass er nicht den erforderlichen Antrag nach § 712 ZPO ersetzen kann, der dahin geht, dass das Berufungsgericht auch gegenüber seiner Entscheidung Vollstreckungsschutz gewähren soll (Senatsbeschluss vom 31. Juli 2013 - [X.] - [X.] 2013, 217 Rn. 5 mwN).

5

2. An dieser Voraussetzung für die Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Revisionsgericht fehlt es hier. Die [X.]n haben im Berufungsverfahren lediglich einen Antrag nach §§ 719, 707 ZPO, nicht aber einen solchen gemäß § 712 ZPO gestellt.

6

Dies war ihnen auch nicht aus besonderen Gründen unmöglich. Sie machen zwar insoweit geltend, ein Vollstreckungsschutzantrag sei ihnen im Berufungsverfahren nicht zumutbar gewesen, weil sie zur Begründung [X.] hätten offenbaren und befürchten müssen, dass diese einer breiten Öffentlichkeit bekannt würden. Zudem seien sie - mit Blick auf Äußerungen des Berufungsgerichts berechtigt - davon ausgegangen, dass ihr Rechtsmittel in der Sache erfolgreich sein würde.

7

Damit haben die [X.]n jedoch keine Umstände dargelegt, die das Erfordernis eines Antrags gemäß § 712 ZPO für eine einstweilige Einstellung gemäß § 719 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise entfallen lassen würden. In der zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des [X.]n zu 2 wird aus [X.] über Streitigkeiten mit den Vermietern der beiden anderen von der [X.]n zu 3 betriebenen Lokalen auf die Gefahr geschlossen, dass auch die Informationen aus dem vorliegenden Verfahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten. Woraus sich diese Gefahr ergeben soll, erschließt sich jedoch nicht, zumal eine personelle Verflechtung der Klägerin des vorliegenden Verfahrens mit den dortigen Vermietern oder auch der Verfahrensbevollmächtigten der jeweiligen Vermieter miteinander nicht behauptet ist. Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern die Angaben zum im vorliegenden Verfahren gegenständlichen Restaurant Einfluss auf die - möglicherweise auch in der Presse ausgetragenen - Streitigkeiten betreffend die beiden anderen Lokale haben sollen. Nicht nachvollziehbar ist auch die in der eidesstattlichen Versicherung angeführte Besorgnis, es könnte zum Fernbleiben von Gästen in einem der drei Lokale führen, wenn bekannt würde, dass mit dem ertragreichen Betrieb des Restaurants die beiden anderen Lokale "bezuschusst" werden.

8

Die Gründe, auf die der [X.] gestützt wird, lagen bereits im [X.] vor. Wie der jetzt erfolgte Vortrag belegt, beruhte das dortige Unterbleiben der Antragstellung letztlich darauf, dass die [X.]n ihre dortigen Erfolgsaussichten unzutreffend eingeschätzt haben. Dies kann jedoch das Absehen von einem Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO nicht rechtfertigen, weil es grundsätzlich in den Risikobereich der [X.] fällt (Senatsbeschluss vom 10. April 2003 - [X.]/01 - juris Rn. 6; [X.] Beschlüsse vom 23. Oktober 2007 - [X.] - [X.], 50; vom 29. Juli 2004 - [X.]/04 - NJW-RR 2005, 147, 148 und vom 26. September 1991 - [X.] - NJW-RR 1992, 189, 190). Das gilt selbst dann, wenn die Auffassung zu den Erfolgsaussichten auf eine vorläufige Einschätzung des Berufungsgerichts gestützt ist ([X.] Beschluss vom 29. Juli 2004 - [X.]/04 - NJW-RR 2005, 147, 148), was die [X.]n vorliegend nicht einmal behaupten. Denn sie führen lediglich aus, das Berufungsgericht habe in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, "man könne sich vorstellen", einer den [X.]n ggf. günstigen Rechtsauffassung zu folgen.

9

3. Im Übrigen ist ein nicht zu ersetzender Nachteil im Sinn des § 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht dargetan. Soweit die [X.]n darauf abstellen, dass die [X.] zu 3, ein Wirtschaftsunternehmen, weitere, ohnedies defizitäre Lokale schließen müsste, ergibt sich bereits kein Nachteil.

Die - sich allein aus dem Schreiben des Steuerberaters ergebenden - Gewinneinbußen infolge der Räumung des streitgegenständlichen Restaurants bedeuten einen Nachteil, der finanziell ausgeglichen werden kann. Dass die Klägerin hierzu nicht in der Lage wäre (vgl. dazu [X.] Beschluss vom 30. Januar 2007 - [X.] - NJW-RR 2007, 1138 Rn. 6), wird von den [X.]n nicht einmal behauptet.

Dose                              Weber-Monecke                        Schilling

           Nedden-Boeger                                 [X.]

Meta

XII ZR 65/14

02.07.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 28. Mai 2014, Az: 8 U 8/14

§ 712 ZPO, § 719 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.07.2014, Az. XII ZR 65/14 (REWIS RS 2014, 4411)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 2419 REWIS RS 2014, 4411


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XII ZR 65/14

Bundesgerichtshof, XII ZR 65/14, 13.05.2015.

Bundesgerichtshof, XII ZR 65/14, 02.07.2014.


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