Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2014, Az. 3 StR 341/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3355

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 341/14
vom
21. August 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
gefährlicher Körperverletzung
u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 21.
August 2014 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17.
März 2014 im Ausspruch über die
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels,
an eine andere [X.] des [X.] zurückver-wiesen.

2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung und der Körperverletzung freigesprochen, seine Unterbrin-gung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) und in einer Ent-ziehungsanstalt (§
64 StGB) angeordnet und bestimmt, dass die Unterbringung nach § 64 StGB zuerst zu vollstrecken ist. Es hat außerdem eine Adhäsions-entscheidung getroffen. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
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1. Nach den Feststellungen des [X.] schlug der Angeklagte der Nebenklägerin, die ihm auf dem Fahrrad fahrend entgegenkam, eine Juteta-sche mit leeren Bierflaschen derart an den Kopf, dass diese zwei jeweils zwei Zentimeter lange Platzwunden im Bereich der linken Augenbraue sowie eine Halswirbelverstauchung und in der Folge eine dauerhaft sichtbare Narbe ober-halb der Augenbraue erlitt. Einige Tage vorher schon hatte der Angeklagte [X.] unbekannt gebliebenen älteren Dame
ebenfalls auf offener Straße mit sei-nem Ellenbogen gezielt ins Gesicht geschlagen, wodurch die Frau zu Boden stürzte und vor Schmerzen weinte. Bei beiden Taten war der Angeklagte alko-holisiert und befand sich in einem subakuten Schub einer [X.] Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie, die zu inhaltlichen und formalen Denkstörungen sowie zu aggressiven Impulsdurch-brüchen führte. Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war deshalb mit
Sicherheit erheblich vermindert, nicht ausschließbar sogar ausgeschlossen. In vergleichbarer Weise war der Angeklagte, der aufgrund einer Enttäuschung in einer lang zurückliegenden Beziehung einen Hass gegenüber Frauen entwi-ckelt hatte, sowohl in der Vergangenheit als auch noch kurze [X.] nach den verfahrensgegenständlichen Taten gegenüber Frauen gewalttätig geworden und hatte dabei bei seinen Opfern teilweise erhebliche gesundheitliche Schä-den verursacht.

[X.] beraten hat die [X.] die Überzeugung gewon-nen, dass bei dem Angeklagten ein "100%iges Rückfallrisiko in Bezug auf Ge-walttaten gegenüber Frauen" besteht, dessen Ursache in erster Linie in der psychischen Erkrankung zu sehen ist
und
durch den Alkohol-
und Drogenmiss-brauch des Angeklagten sowie
das völlige Fehlen eines stabilisierenden Um-felds verstärkt wird.

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2. Während die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen
Krankenhaus (§ 63 StGB) keinen Rechtsfehler aufweist, kann die Unterbrin-gung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) nicht bestehen bleiben. Das [X.] war entgegen der Auffassung des gehörten [X.]en der Auffassung, beim Angeklagten sei die zur Anordnung der Maßregel erforderli-che hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 64 Satz 2 StGB gegeben. Zwar ist ein Gericht nicht gehindert, von dem Gutachten eines vernommenen [X.]en abzuweichen, da dieses stets nur Grundlage der richterli-chen Überzeugungsbildung sein kann; insbesondere kann ihm das erstattete Gutachten die erforderliche Sachkunde verschafft haben, um die zu klärende Beweisfrage eigenständig und auch im Gegensatz zum [X.]en zu beantworten.
[X.] es jedoch eine Frage, für deren Beantwortung es sachver-ständige Hilfe in Anspruch nehmen musste, im Widerspruch zu dem Gutachten beantworten, muss es die Gründe hierfür in einer Weise darlegen, die dem [X.] die Nachprüfung erlaubt, ob es das Gutachten zutreffend [X.] und aus ihm rechtlich zulässige Schlüsse gezogen hat. Hierzu bedarf es einer erschöpfenden Auseinandersetzung mit den Darlegungen des Sachver-ständigen, insbesondere zu den Gesichtspunkten, auf welche das Gericht seine
abweichende Auffassung stützt (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 13.
September 2001 -
3 [X.], [X.], 259
bei Becker; Urteil vom 10.
Dezember 2009 -
4 [X.], [X.], 105, 106
jeweils mwN). Dies lässt die angefochtene Entscheidung vermissen. Das [X.] referiert zwar den gehörten [X.]en dahingehend, dass eine Alkohol-
und Drogenentwöhnungstherapie solange keinen Sinn mache, wie der Angeklagte nicht hinsichtlich seiner schizophrenen Erkrankung einsichtig und therapiewillig sei. Die eigene Auffassung rechtfertigt es im [X.] daran allein mit der Überlegung, der Angeklagte sei hinsichtlich einer Unterbringung in der [X.] und habe bislang eine solche Therapie noch nicht 4
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absolviert. Dies reicht vorliegend nicht aus, um das Abweichen von der [X.] des [X.]en über die hinreichende Erfolgsaussicht zu rechtfertigen. Die [X.] hat zudem außer Betracht gelassen, dass das Suchtproblem des Angeklagten auch im Rahmen der Unterbringung im [X.] behandelt werden kann und zudem im Verlauf der [X.] -
nachdem eine Therapie der Psychose begonnen worden ist -
die Mög-lichkeit besteht,
den Angeklagten in den Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB zu überweisen (vgl. § 67a StGB).

Über die Anordnung einer Maßregel nach § 64 StGB muss deshalb er-neut entschieden werden.

3. Ohne Rechtsfehler hat das [X.] den Angeklagten nach §
823
Abs.
1, §
253 Abs.
2 BGB zur Zahlung eines Schmerzensgelds an die Neben-klägerin verurteilt, obwohl es sich von dessen strafrechtlicher Schuld nicht hat überzeugen können, sondern ihn wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähig-keit zum Tatzeitpunkt freigesprochen hat. Hierzu im Einzelnen:

a) Nach § 827 BGB ist für den Schaden derjenige nicht verantwortlich, der im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie [X.]ensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem ande-ren Schaden zufügt. Für eine wegen dieser Umstände ausnahmsweise einge-tretene [X.] trägt der Schädiger die Beweislast. Diese [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 25. November 1987 -
IVa [X.], [X.]Z 102, 227, 230) gilt auch im Adhäsionsverfahren. Dabei handelt es sich zwar um ein dem Strafverfahren anhängendes Verfahren, bei dem die strafprozessualen Regeln für die Ermittlung des Sachverhalts und die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten gelten ([X.] 66.
EL § 404 Rn.
11 ff.).
Für die 5
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sich daraus ergebenden vermögensrechtlichen Ansprüche gelten indes die Vorschriften des Zivilrechts. Ansonsten stünde der Schädiger im [X.] günstiger als im Zivilprozess ([X.] in: [X.], 7.
Aufl., § 827 Rn.
9; [X.], Urteil vom 1.
Dezember 2005 -
(515) 93 Js 3567/04
KLs (13/05), [X.], 389, 390).

b) Danach ist die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld nicht zu beanstanden. Der Angeklagte hat nicht beweisen können, dass er zum Tatzeit-punkt schuldunfähig war.
Dem [X.]en folgend hat das [X.] dies lediglich nicht ausschließen können. Die sichere Feststellung einer Schuldunfähigkeit war hingegen nach den Darlegungen im Urteil, die von der Revision nicht angegriffen werden, nicht möglich.

Becker

Pfister Hubert

Mayer Spaniol
8

Meta

3 StR 341/14

21.08.2014

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2014, Az. 3 StR 341/14 (REWIS RS 2014, 3355)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3355

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3 StR 341/14

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