Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2022, Az. 1 StR 89/22

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 4385

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Gegenstand

Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge: Prüfung eines minder schweren Falls


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] ([X.]) vom 12. Januar 2022 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und eine Entscheidung zum Anrechnungsmaßstab für erlittene Auslieferungshaft getroffen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. [X.] weist keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

3

2. Der Strafausspruch hält hingegen sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Begründung trägt nicht die Ablehnung eines minder schweren Falles (§ 29a Abs. 2 BtMG).

4

a) Es ist bereits nicht zu erkennen, ob sich das [X.] bewusst war, dass bei der Prüfung eines minder schweren Falles für die Einordnung der Schuld eines Gehilfen das Gewicht seiner Beihilfehandlung maßgeblich ist, wenn auch die Schwere der Haupttat mit zu berücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 7. September 2021 – 1 StR 302/21 Rn. 3 mwN).

5

b) Das [X.] hat zudem bei der Bestimmung des Strafrahmens die gebotene Prüfungsreihenfolge nicht eingehalten.

6

Der [X.] hat dazu in seiner Antragsschrift Folgendes ausgeführt:

„Nach ständiger Rechtsprechung ist in den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und im Einzelfall ein gesetzlicher Milderungsgrund im Sinne von § 49 StGB gegeben ist, bei der [X.] vorrangig zu prüfen, ob die Tat als minder schwerer Fall zu werten ist. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zunächst in den Blick zu nehmen, ob die allgemeinen Milderungsgründe allein schon zur Annahme eines minder schweren Falls führen, da die vertypten Milderungsgründe dann für eine Strafrahmenmilderung noch nicht verbraucht sind und daher eine weitere Milderung des anwendbaren Strafrahmens nach § 49 StGB in Betracht kommt. Ist nach einer Abwägung der allgemeinen Strafzumessungstatsachen das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind bei der weitergehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe zusätzlich heranzuziehen. Erst wenn das Tatgericht danach weiterhin die Annahme eines minder schweren Falls nicht für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den wegen des verwirklichten vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zu Grunde legen (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 10. August 2021 - 1 StR 250/21 -, Rn. 4).

Die [X.] hat nur geprüft, ob sich nach Maßgabe der allgemeinen Strafzumessungstatsachen ein minder schwerer Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG ergibt, und nicht, ob das auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des vertypten [X.] in § 27 StGB zu bejahen wäre. Stattdessen verneint sie einen minder schweren Fall und geht von dem nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG aus.

Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Gegenüber dem zur Anwendung gekommenen Strafrahmen von drei Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten wäre der Strafrahmen eines minder schweren Falls von drei Monaten bis zu fünf Jahren deutlich günstiger für den Angeklagten. Dass die [X.] unter diesen Voraussetzungen ebenfalls eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt hätte, liegt in Anbetracht der festgestellten Strafmilderungsgründe fern.“

7

Dem schließt sich der Senat an.

8

3. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil es sich lediglich um [X.] handelt (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Entscheidung über den Anrechnungsmaßstab für erlittene Auslieferungshaft wird von der Aufhebung des Strafausspruchs ebenfalls nicht berührt (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2019 ‒ 4 StR 541/18 Rn. 2 mwN).

Raum     

      

Fischer     

      

Bär     

      

Hohoff     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 89/22

06.04.2022

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kempten, 12. Januar 2022, Az: 2 KLs 310 Js 21976/20

§ 29a Abs 1 BtMG, § 29a Abs 2 BtMG, § 27 StGB, § 49 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.04.2022, Az. 1 StR 89/22 (REWIS RS 2022, 4385)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4385

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