26. Senat | REWIS RS 2016, 6836
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Markenbeschwerdeverfahren – "NIGHTS & MORE" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2013 007 837.3
hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 11. August 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], des Richters [X.] und des Richters kraft Auftrags Schödel
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.] vom 19. Mai 2014 wird aufgehoben.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
I.
Die Zeichenfolge
[X.] & MORE
ist am 14. November 2013 unter der Nummer 30 2013 007 837.3 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Dienstleistungen der Klassen 35 und 42 angemeldet worden.
Klasse 35: Werbung; Organisation von Konferenzen, Produktpräsentationen und Ausstellungen für wirtschaftliche und Werbezwecke; Geschäftsführung von Hotels im Auftrag Dritter;
Klasse 42: Betrieb von Hotels, Betrieb von Gaststätten, Restaurants, Selbstbedienungsrestaurants, Buffets, Café-Restaurants und Bars.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Verkehr werde das Zeichen in seiner [X.] Übersetzung „Nächte und mehr“ dahingehend verstehen, dass die Dienstleistungen sich auf Übernachtungen und damit verbundene Angebote bezögen. Zwar weise das Zeichen eine gewisse Unschärfe, aber keine Mehrdeutigkeit auf, die ihm zur Schutzfähigkeit verhelfen könnte. Es sei unmaßgeblich, dass die korrekte Übersetzung von „Übernachtung“ „overnight stay“, „accommodation“ oder „[X.]“ laute, solange der Verkehr den angemeldeten Begriff verstehe. Folglich gebe das Anmeldezeichen keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, sondern weise in glatt beschreibender Form auf Art, Inhalt und Thema der in Frage stehenden Dienstleistungen hin. Vergleichbar gebildete Begriffe wie „Übernachten und mehr“, „[X.]“ oder „Führungen und mehr“ würden bereits in verschiedenen Zusammenhängen verwendet, so dass das Anmeldezeichen nicht zwingend mit dem Anmelder in Verbindung gebracht werde. Ähnliche Voreintragungen könnten ebenso wenig zu einer Eintragung des [X.] führen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er ist der Ansicht, das Wort „nights“ könne von den Verkehrskreisen in keiner Weise mit Werbedienstleistungen in Verbindung gebracht werden, weil diese nicht nachts erfolgten. Auch die Organisation von Konferenzen, Produktpräsentationen und Ausstellungen sowie die Geschäftsführung von Hotels im Auftrag Dritter könne zwar teilweise nachts erfolgen, finde aber in der Regel tagsüber statt. Die Beherbergung und Verpflegung von Gästen in Hotels, Gaststätten, Restaurants unterschieden sich deutlich vom „Betrieb eines Hotels“, weil diese Dienstleistung ohne Außenwirkung nicht zur Nachtzeit erbracht werde. Im Übrigen sei das Anmeldezeichen vom [X.] Patentamt als Marke in das Register eingetragen worden.
Auf entsprechenden Hinweis des erkennenden Senats mit Schreiben vom 5. Juli 2016, dem zahlreiche Recherchebelege beigefügt waren (Anlagenkonvolute 1 und 2, [X.]. 31 – 56 GA), hat der Beschwerdeführer seine Anmeldung hinsichtlich der Dienstleistungen der Klasse 42 sowie für die Dienstleistung
Er beantragt sinngemäß,
1. den [X.]uss der Markenstelle für Klasse 35 des [X.]s vom 19. Mai 2014 aufzuheben;
2. die anteilige Rückzahlung der [X.] anzuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und, soweit darüber nach Beschränkung des [X.] durch den Anmelder noch zu entscheiden ist, auch begründet. Der Eintragung des [X.] für die verbleibenden Dienstleistungen stehen keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es dem Zeichen nicht an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].
1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.], 1198, 1201 [X.]. 59 f. – [X.]]; [X.], [X.]. v. 31. Mai 2016 – I ZB 39/15 [X.]. 9 – [X.]; [X.], 173, 174 [X.]. 15 – for you). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] GRUR 2010, 228 [X.]. 33 - [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] a. a. O. – [X.]; a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. O. – [X.]; a. a. O. – for you). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] GRUR 2004, 428 [X.]. 53 - [X.]; [X.] a. a. [X.]. 10 – [X.]; a. a. [X.]. 16 – for you).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] GRUR 2013, 1143, 1144, [X.]. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] GRUR 2006, 411 [X.]. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.] GRUR 2014, 376 [X.]. 11 - grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] GRUR 2004, 674, [X.]. 86 - Postkantoor; [X.] GRUR 2012, 270 [X.]. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] a. a. [X.]. 12 – [X.]; GRUR 2014, 872, 874 [X.]. 21 - [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.] GRUR 2014, 1204 [X.]. 12 - [X.]). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] GRUR 2004, 146 [X.]. 32 - [X.]); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer [X.] entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der [X.] wegführt ([X.] [X.] 2007, 204 [X.]. 77 f. - [X.]; [X.] a. a. [X.]. 16 - [X.]).
[X.] & MORE“, weil sie weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt noch einen engen beschreibenden Bezug zu den noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der Klasse 35 aufweist.
a) Bei den hier angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich um Unternehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene.
b) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden [X.] Wörtern „nights“ und „more“ zusammen, die durch das kaufmännische &-Zeichen verbunden sind.
aa) Das [X.] Substantiv in der Pluralform „nights“ bedeutet in seiner [X.] Übersetzung „Nächte“, das Wort „more“ lässt sich mit „mehr“ übersetzen (www.leo.org). Beide Wörter gehören zum [X.], dem Durchschnittsverbraucher geläufigen Grundwortschatz.
bb) Die begriffliche Vagheit bzw. Unbestimmtheit des Wortelements „more“, das die konkrete Art der in Aussicht gestellten Mehrleistung offen lässt und deren Deutung dem individuellen Vorstellungshorizont des einzelnen Verbrauchers oder Fachhändlers überlässt, wird bewusst in Kauf genommen, um das Spektrum der Kundenerwartungen möglichst breit zu halten ([X.] W (pat) 3/15 – dateformore).
cc) Das kaufmännische Symbol „&“ ist eine in der Alltags- und Werbesprache gängige und häufig verwendete Abkürzung für „und“ bzw. im [X.] „and“ ([X.] W (pat) 541/13 - Fast & Easy; 24 W (pat) 528/12 - Hütten & Paläste; 26 W (pat) 35/10 - [X.]; 30 W (pat) 541/10 - ROAD & SEA).
c) Für die im Entscheidungszeitpunkt noch beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 35 „
aa) Da „
nächtlicher Konferenzen, Produktpräsentationen und Ausstellungen spezialisiert haben.
3. Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen kann bei der angemeldeten Wortfolge auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht bejaht werden.
4. Die (anteilige) Erstattung der [X.] war nicht anzuordnen.
anteilige Erstattung der Beschwerdegebühr ist gar nicht möglich. Bei der Beschwerdegebühr handelt es sich um eine pauschale Verfahrensgebühr (BPatGE 21, 20 ff.).
b) Aber auch für die Rückzahlung der [X.] insgesamt liegen die Voraussetzungen gemäß § 71 Abs. 3 [X.] nicht vor.
Diese sind nur ausnahmsweise gegeben, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig erschiene, die [X.] einzubehalten. Der Erfolg der Beschwerde als solcher ist kein Rückzahlungsgrund. Dieser Ausnahmetatbestand ist auch nicht schon bei jeder fehlerhaften Rechtsanwendung erfüllt. Besondere Umstände liegen erst vor, wenn der Beschwerdeführer durch eine gesetzwidrige oder unangemessene Sachbehandlung oder durch einen offensichtlichen Fehler des Amtes genötigt worden ist, Beschwerde einzulegen (BPatGE 26, 17, 22).
Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Verfahrensfehler des [X.] sind nicht erkennbar. Auch hat die angegriffene Entscheidung weder eklatant den Prüfungsumfang verkannt noch ist sie zu einem schlechterdings unvertretbaren Ergebnis gelangt. Vielmehr ist sie sogar überwiegend rechtmäßig gewesen, weshalb die Aufhebung des angefochtenen [X.]usses erst nach erheblicher Einschränkung des [X.] erfolgen konnte.
Meta
11.08.2016
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 11.08.2016, Az. 26 W (pat) 6/16 (REWIS RS 2016, 6836)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 6836
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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