Bundessozialgericht, Urteil vom 20.12.2011, Az. B 4 AS 203/10 R

4. Senat | REWIS RS 2011, 190

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Rechtsschutzbedürfnis - fehlende Vergleichsbereitschaft - Arbeitslosengeld II - rückwirkende Bewilligung von Arbeitslosengeld - Erstattungsanspruch des Grundsicherungsträgers - Erfüllungsfiktion - Zuordnung einer Einkommensteuererstattung zum Vermögen bei vollständigem Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld II


Leitsatz

Gilt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen Zeitraum, in dem SGB 2-Leistungen erbracht worden sind, als erfüllt (§ 107 Abs 1 SGB 10), kann in diesem Zeitraum zugeflossenes Einkommen als Vermögen anzusehen sein mit der Folge eines höheren Leistungsanspruchs im nachfolgenden SGB 2-Leistungszeitraum.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 9. Februar 2010 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] in der [X.] vom [X.] bis 31.10.2007.

2

Der 1977 geborene Kläger wohnt bei seinen Eltern, an die er nach eigenen Angaben einen Pauschalbetrag in Höhe von 150 [X.] für Unterkunft und Heizung zahlt. Seit dem [X.] betreibt er einen Einzelhandel mit Spielwaren, Unterhaltungselektronik und sonstigen Waren. Im April 2007 erzielte er Einnahmen aus Sportwetten in Höhe von 350,25 [X.], denen Ausgaben in Höhe von 105 [X.] gegenüberstanden. Im Mai 2007 wurde seinem Konto eine [X.] für das [X.] in Höhe von 1711,90 [X.] gutgeschrieben. Der Kläger bezog zunächst nur bis zur Aufhebung der Bewilligung ab 14.3.2007 von der [X.] [X.] in Höhe von 26,44 [X.] täglich. Am 19.3.2007 beantragte er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die ihm für März 2007 in Höhe von 181 [X.], für April 2007 in Höhe von 280 [X.], für Mai und Juni 2007 in Höhe von 240 [X.] und ab Juli 2007 in Höhe von 242 [X.] monatlich bewilligt wurden. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte das [X.], die Wettgewinne und die [X.], die er als einmalige Einnahme - unter Abzug von jeweils 30 [X.] - als Teilbeträge in Höhe von 285,20 [X.] auf die Monate Mai bis Oktober 2007 anrechnete. Die Vorläufigkeit der Bewilligung ergebe sich aus der selbständigen Tätigkeit des [X.] (vorläufiger Bescheid vom 19.6.2007). Den Widerspruch des [X.], mit dem er sich [X.] gegen die Berücksichtigung der [X.] als Einkommen wandte, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 5.9.2007).

3

Nachdem die [X.] in einem weiteren [X.] im Jahre 2009 anerkannt hatte, dass der Kläger für weitere 89 Tage ab dem 14.3.2007 (dh bis zum 12.6.2007) [X.] beanspruchen könne, hat der Beklagte im Verhandlungstermin beim [X.] vom [X.] zunächst anerkannt, "… dass dem Kläger nach Erschöpfung des Anspruchs auf [X.] dem Grunde nach ein Anspruch auf den befristeten Zuschlag nach § 24 [X.] zusteht. Dieser Zuschlag soll dem Kläger ab 1. Juli 2007 gewährt werden, wenn sich ein solcher nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ergibt." Hierzu hat der Kläger erklärt: "Ich nehme das Anerkenntnis an…". In der Sitzungsniederschrift ist weiter festgehalten: "Der Vorsitzende weist die Beteiligten, insbesondere den Vertreter des Beklagten darauf hin, dass sich im Lichte eines [X.] von [X.] über den [X.] hinaus, eine andere Bewertung des Zuflusses der [X.] im April 2007 ergeben hätte. Unter diesen Voraussetzungen wäre die [X.] als geschütztes Vermögen des [X.] nicht in die Berechnung seiner Leistungen mit einzubeziehen gewesen. Der Vertreter des Beklagten erklärt: 'Der Beklagte verschließt sich dieser Überlegung des Vorsitzenden nicht.' Er weist dabei darauf hin, dass sich im Fall der Nichtberücksichtigung der Steuererstattung Auswirkungen auf die Höhe des befristeten Zuschlags ergeben können. Der Vertreter des Beklagten erklärt, dass er sich auf Vorschlag des Vorsitzenden zu einem entsprechenden Vergleich in der Lage sähe. Der Kläger erklärt, dass er einen solchen Vergleichsvorschlag aus grundsätzlichen Überlegungen hinaus ablehnt, er möchte alle möglichen Rechtsmittel ausschöpfen."

4

Das [X.] hat sodann die Klage abgewiesen und dem Kläger die "durch die rechtsmissbräuchliche Fortführung des Verfahrens verursachten Kosten" auferlegt (Urteil vom [X.]). Die Klage sei unzulässig geworden, weil der Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis mehr habe. Obwohl das [X.] dem Beklagten von einem Anerkenntnis abgeraten habe, "da die Rechtmäßigkeit der Anrechnung der Steuererstattung bei der gebotenen strikten Anwendung des Zuflussprinzips keinen Zweifeln" unterläge, habe der Beklagte seine Bereitschaft erklärt, den Kläger von den wirtschaftlichen Folgen der Anrechnung freizustellen. Da der Kläger dies - trotz Anraten des Vorsitzenden - abgelehnt habe, sei sein Rechtschutzbedürfnis "für die weiteren prozess[X.]len Angriffe gegen den Bewilligungsbescheid" entfallen. Die Klage sei zumindest unbegründet, weil die Steuererstattung nicht zu den bereits erlangten Einkünften gehöre, mit denen Vermögen angespart worden sei. Hieran ändere sich auch nichts, wenn berücksichtigt werde, dass für den [X.]raum, in dem die Steuererstattung zugeflossen sei, durch die [X.] [X.] bewilligt werde oder im Wege der Umsetzung des Ergebnisses des [X.] schon bewilligt worden sei.

5

Die Berufung des [X.] hatte keinen Erfolg (Urteil vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ausgeführt, Streitgegenstand sei nur noch die Anrechnung der [X.] auf die Leistungen nach dem [X.] ab Mai 2007; wegen des Anerkenntnisses des Beklagten im Verhandlungstermin vom [X.] könne die erstinstanzlich noch streitig gewesene Gewährung eines Zuschlags nach § 24 [X.] sowie die Rechtmäßigkeit einer Sanktion nach § 31 [X.] nicht mehr weiterverfolgt werden. Die Berufung sei nicht begründet. Mangels Rechtsschutzbedürfnis sei die Klage unzulässig. Der Beklagte habe sich ausdrücklich zum Abschluss eines Vergleichs, der die Nichtberücksichtigung der [X.] bei der Leistungsgewährung zum Gegenstand gehabt hätte, bereit erklärt. Damit wäre dem Begehren vollumfänglich entsprochen worden, auch wenn die Bezeichnung der Einigung als Vergleich erfolgt wäre, der eigentlich ein gegenseitiges Nachgeben beinhalte. Die Verweigerung des [X.] zum Abschluss eines entsprechenden Vergleichs sei vor dem Hintergrund seines vollständigen Obsiegens nicht nachvollziehbar. Sein Einwand, dies aus grundsätzlichen Überlegungen abzulehnen, um alle möglichen Rechtsmittel auszuschöpfen, sei Ausdruck eines querulatorischen Begehrens, zu dessen Befriedigung die Gerichte nicht bereitstünden. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, weil der Beklagte zu Recht die Leistungen im [X.]raum von Mai 2007 bis Oktober 2007 unter Anrechnung der dem Kläger im Mai 2007 gezahlten [X.] für das [X.] bewilligt habe.

6

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger, das L[X.] habe die Klage verfahrensfehlerhaft als unzulässig angesehen, weil es nicht am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Wenn das Gericht eine fehlende Vergleichsbereitschaft eines Beteiligten als rechtsmissbräuchliches Verhalten werte, statuiere es damit einen vom Gesetz nicht vorgesehenen Kontrahierungszwang. Erst ein Anerkenntnis lasse das Rechtsschutzbedürfnis entfallen. Als anwaltlich nicht vertretener Kläger sei er nicht in der Lage gewesen, die Konsequenzen des von den Vorinstanzen inhaltlich nicht ausreichend bestimmten Vergleichs vollumfänglich zu erfassen und abzusehen. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Vergleich zu einem vollständigen Obsiegen in der Sache geführt hätte, denn Streitgegenstand sei sein gesamter Anspruch auf [X.]-Leistungen im streitgegenständlichen [X.]raum. Das L[X.] habe den Streitgegenstand im Gegensatz zu der ständigen Rechtsprechung des B[X.] bestimmt, nach der Leistungsansprüche im Rahmen der Anfechtungs- und Leistungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen seien. Auch seien keine Gründe dafür ersichtlich, warum die Vorinstanzen den Erstattungsbetrag nicht ab dem ersten Monat bis auf 1 [X.] in voller Höhe auf die dem Kläger zustehenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem [X.] mit der Folge angerechnet hätten, dass ihm zumindest für die Monate August bis Oktober 2007 höhere Leistungen zugestanden hätten. Im Übrigen hätte das L[X.] nach der von ihm selbst vertretenen Auffassung dazu kommen müssen, dass die Steuererstattung aus dem [X.] in den [X.]raum des Bezugs von [X.] und nicht in denjenigen des [X.] falle und daher als vor dem [X.] erlangtes Vermögen anzusehen sei.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 9. Febr[X.]r 2010 und das Urteil des [X.] vom 12. Febr[X.]r 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 19. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. September 2007 zu verurteilen, ihm höhere vorläufige Leistungen nach dem [X.] im [X.]raum vom 1. März 2007 bis 31. Oktober 2007 zu gewähren.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er führt aus, nur in einem Vergleich, nicht jedoch in einem Anerkenntnis hätte er sich bedingungslos dazu bereit erklärt, die [X.] nicht auf die Leistungen nach dem [X.] anzurechnen, weshalb die Vorinstanzen insoweit auch nicht auf ihn hätten einwirken können. Ein Verstoß gegen materielles Recht sei nicht ersichtlich.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht begründet (§ 170 Abs 2 S 2 [X.]). Die Vorinstanzen sind zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig geworden ist (2). Ob dem Kläger in Teilen des [X.]raums höhere vorläufige Leistungen nach dem [X.] zustehen, kann der [X.] mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des [X.] nicht beurteilen (3).

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.9.2007, mit dem der Beklagte für den [X.]raum vom [X.] bis 31.10.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt unter Berücksichtigung diverser Absetzbeträge bewilligt hat. Gegen diese Bescheide wendet sich der Kläger zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, mit der er ausschließlich höhere vorläufige Leistungen begehrt (vgl zur Klageart bei vorläufiger Bewilligung einer Leistung nach § 40 Abs 1 S 2 [X.]a [X.] iVm § 328 [X.]I ausführlich Urteil des [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-1500 [X.] Rd[X.], 33 f).

Umfasst sind die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts insgesamt, dh sowohl die Regelleistung als auch die Kosten für Unterkunft und Heizung. Zwar handelt es sich - zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte - bei den Ansprüchen auf die Regelleistung und auf Leistungen für Unterkunft und Heizung grundsätzlich um abtrennbare Verfügungen ([X.] B 7b [X.] - [X.], 217 = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]9; [X.] vom 27.2.2008 - [X.]/11b [X.]/06 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]3; [X.] vom 13.4.2011 - [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]1). Für die Abtrennung bedarf es aber einer eindeutigen und ausdrücklichen Erklärung, an der es vorliegend fehlt. Allein aus fehlenden Äußerungen des [X.] zu abtrennbaren Teilen eines Verwaltungsakts kann bei dem hier in den Vorinstanzen unvertretenen Kläger nicht geschlossen werden, dass eine Teilregelung nicht angefochten ist, sondern in Bestandskraft erwachsen soll ([X.] vom 6.4.2011 - B 4 [X.]/10 R - [X.] 4-1500 § 54 [X.] RdNr 32 mwN; [X.] in [X.], [X.], Stand August 2009, § 95 Rd[X.]7a; [X.] in [X.], [X.], 3. Aufl 2008, § 123 Rd[X.]a).

2. Die Klage ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht dadurch unzulässig geworden (vgl zur Prüfung dieser prozessualen Voraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen: BSG [X.] 3-1500 § 54 [X.]), dass sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom [X.] nicht auf [X.] eingelassen und erklärt hat, er werde keinen Vergleich mit dem Beklagten schließen.

Unzulässig ist ein Rechtsmittel insbesondere dann, wenn ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelführers hieran nicht mehr besteht, weil die weitere Rechtsverfolgung im Rechtsmittelverfahren ihm offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile mehr bringen, das Rechtsschutzziel also nicht mehr erreicht werden kann (vgl BSG [X.] 4-2700 § 136 [X.]; BSG Beschluss vom 5.10.2009 - B 13 R 79/08 R - [X.] 4-1500 § 171 [X.] Rd[X.]2). Nach diesen Grundsätzen ist ein Rechtsschutzbedürfnis des [X.] nicht entfallen. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach ein Beteiligter verpflichtet ist, in [X.] einzutreten, andernfalls das Rechtsschutzinteresse entfiele. Es besteht auch keine Verpflichtung zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs nach § 101 Abs 1 [X.].

Unabhängig hiervon fehlt es schon an einem wirksamen Vergleichsangebot des Beklagten. Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten gemäß § 101 Abs 1 [X.] zur Niederschrift des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Nach der Legaldefinition des § 779 Abs 1 BGB ist ein Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Beteiligten über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen [X.] beseitigt wird. Der gerichtliche Vergleich kommt durch Angebot und Annahme zustande (§§ 145 ff BGB entsprechend) und muss den Anforderungen der § 54 Abs 1 [X.] X, § 779 BGB genügen (vgl [X.] in [X.], [X.], § 101 RdNr 7 f mwN, Stand Dezember 2008). Gegenstand eines annahmefähigen Angebots müssen die wesentlichen Vertragsbestandteile sein - im Hinblick auf den Regelungsgehalt des § 101 Abs 1 [X.] - also gerichtet auf die teilweise oder vollständige Erledigung des Streitgegenstands (§ 123 [X.]). Erforderlich sind eine hinreichende Bestimmtheit der Erklärung und ein Rechtsbindungswille beim Erklärenden. Hieran mangelt es. Ein Vergleichsangebot des Beklagten ist nicht erfolgt. Seine Äußerung in der mündlichen Verhandlung vom [X.], er verschließe sich nicht der Überlegung des Vorsitzenden, bringt nur zum Ausdruck, dass er nach einem Vorschlag des Gerichts in Vergleichsverhandlungen eintrete. Überdies hat er darauf hingewiesen, dass sich die Nichtberücksichtigung der Steuererstattung auf die Höhe des befristeten Zuschlags auswirken könne, ohne dies zu konkretisieren. Schließlich ist die Anrechnung der [X.] kein eigener Streitgegenstand, der sich erledigen könnte, sondern lediglich ein Berechnungselement der [X.]-Leistungen (vgl dazu: [X.] in [X.], [X.], § 101 Rd[X.]5, Stand Dezember 2008; [X.] in [X.]/Fichte, [X.], 2009, § 101 Rd[X.]7; Roller in [X.], [X.], 3. Aufl 2009, § 101 Rd[X.]7).

3. Ob dem Kläger in dem streitigen [X.]raum vom [X.] bis 31.10.2007 höhere vorläufige Leistungen nach dem [X.] zustehen, vermochte der [X.] nicht abschließend zu beurteilen. Insofern fehlt es an Feststellungen zu Grund und Höhe des Anspruchs auf [X.] II.

Bei einem Streit um höhere Leistungen sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen; dies gilt auch, soweit eine vorläufige Bewilligung im Streit steht und höhere vorläufige Leistungen geltend gemacht werden (vgl ausführlich BSG vom 6.4.2011 - B 4 [X.]/10 R - [X.] 4-1500 § 54 [X.] RdNr 33 f). Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist streitig daher nicht lediglich die Frage der Anrechnung der [X.] auf die Leistungen nach dem [X.] ab dem [X.], sondern es sind auch alle weiteren Faktoren einzubeziehen, aus denen sich ein höherer Anspruch ergeben kann. Auch die Frage, ob sich unter Berücksichtigung eines Zuschlags nach § 24 [X.] höhere Leistungen errechnen, kann nicht abgetrennt werden, sondern nur zusammen mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts überprüft werden (vgl [X.] vom 31.10.2007 - [X.]/7b [X.]; [X.] vom [X.] 11b [X.]/06 R; [X.] vom 15.4.2008 - [X.]/7b [X.] - [X.], 186 ff = [X.] 4-4200 § 12 [X.]0, Rd[X.] zur "Akzessorietät" des Anspruchs). Insofern geht der Beklagte zwar dem Grunde nach davon aus, dass ein solcher nach Bewilligung des Rechtsanspruchs auf [X.] besteht, jedoch bleibt die genaue Höhe und die Auswirkung auf den [X.] offen. Weiter fehlen Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 7 [X.] sowie einem - bisher nicht abgetrennten - Anspruch des [X.] auf Erstattung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das [X.] auch zu beachten haben, dass die [X.] - nach Aktenlage im Jahre 2009 - rückwirkend für den [X.]raum vom 14.3. bis 12.6.2007 [X.] bewilligt hat. Liegen die Voraussetzungen des § 107 Abs 1 [X.] X vor, wird hierdurch eine rückwirkende Umgestaltung der Rechtslage bewirkt, derentwegen der angefochtene Bescheid vom [X.] (auch für den zurückliegenden [X.]raum) aus anderen als von dem Kläger geltend gemachten Gründen nicht mehr oder nicht mehr so hätte erlassen werden dürfen. Nach § 107 Abs 1 [X.] X gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht (BT-Drucks 9/95 S 26 "wird kraft Gesetzes fingiert"). Anspruchsgrundlage des Erstattungsanspruchs des Beklagten wäre § 104 Abs 1 S 1 [X.] X, nach dem der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig ist (hier also die [X.]), wenn der nachrangig verpflichtete Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat (zur Anwendbarkeit des § 104 [X.] X bei Vorleistung des [X.]-Trägers vgl Urteil des [X.] vom 12.5.2011 - [X.] AL 24/10 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.] Rd[X.]4). Voraussetzung für den Eintritt einer [X.] ist weiter, dass der endgültig zuständige Leistungsträger, hier also die [X.], nicht bereits in Unkenntnis der anderen Leistung geleistet hat (§ 103 Abs 1 S 1 Halbs 2 [X.] X). Insofern hat das [X.] in seinen Entscheidungsgründen zwar festgestellt, dass das Erstattungsverfahren tatsächlich durchgeführt worden sei. § 107 Abs 1 [X.] X stellt jedoch auf das Bestehen des Erstattungsanspruchs und nicht auf dessen Realisierung ab (vgl nur [X.] vom 31.10.1991 - 7 [X.]). Auch zur Höhe des bewilligten [X.] fehlen Feststellungen des [X.]. Der [X.] kann daher nicht beurteilen, in welcher Höhe durch die Leistungen der [X.] die [X.] mit der Folge des Erlöschens des [X.]-Anspruchs des [X.] eingetreten ist, insbesondere ob der Kläger in dem streitigen [X.]raum vom 14.3.2007 bis 12.6.2007 einen Anspruch auf aufstockende vorläufige [X.]-Leistungen hatte. Geht der Anspruch des [X.] auf [X.]-Leistungen über die Höhe des [X.] hinaus, verbleibt es bei einer entsprechenden (Teil-)Leistungsverpflichtung des Beklagten.

Das [X.] wird auch einzubeziehen haben, dass - im Umfang des Eintritts der [X.] ("soweit") - die Möglichkeit des nachrangig verpflichteten [X.] entfällt, den Bescheid über die Gewährung der erbrachten Leistungen nach den §§ 44 ff [X.] X zurückzunehmen ([X.] vom 29.4.1997 - 8 [X.] 29/95 - [X.] 3-1300 § 107 [X.]0 sowie vom 30.6.1997 - 8 [X.] 28/95 - [X.] 3-2600 § 93 [X.]; [X.] vom 22.5.2002 - B 8 KN 11/00 R - [X.] 3-2600 § 93 [X.]2; [X.] vom 26.4.2005 - B 5 RJ 36/04 - [X.] 4-1300 § 107 [X.]). Die von dem Gesetzgeber aus Gründen der Rechtsklarheit und der [X.] mit der [X.] geschaffene unkomplizierte und im Rahmen des Sozialleistungsrechts einheitliche Form des Ausgleichs von Leistungsbewilligungen ist für den vorleistenden Träger mit einer Befreiung von dem Risiko der Durchsetzung eines Anspruchs nach den §§ 45, 48 [X.] X iVm § 50 [X.] X verbunden ([X.] vom 22.5.2002 - B 8 KN 11/00 R - [X.] 3-2600 § 93 [X.]2). Auch der Leistungsberechtigte kann insofern nicht mehr gegen diesen Leistungsträger vorgehen (BT-Drucks 9/95 S 26).

Da § 107 [X.] X eine Korrektur rechtswidriger Bescheide durch den unzuständig gewordenen Leistungsträger über dessen Leistungspflicht im Verhältnis zum Leistungsberechtigten demnach ausschließt, sind - im Umfang des Eingreifens der [X.] - die Leistungen des Beklagten zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] - über § 107 [X.] X - als rechtmäßige Zahlung von [X.] anzusehen (vgl [X.] vom 26.4.2005 - B 5 RJ 36/04 R - [X.] 4-1300 § 107 [X.]; [X.] vom 22.5.2002 - B 8 KN 11/00 R - [X.] 3-2600 § 93 [X.]2). Insofern ist der Erstattungsanspruch des Leistungsträgers mit dem hiermit korrespondierenden [X.] des Berechtigten verknüpft (vgl [X.] in [X.]/[X.], K § 107 [X.] X Rd[X.] ff, 8, Stand Dezember 2005). Die Wirkung der [X.] gestaltet auch dessen weitere sozialrechtlichen Ansprüche. Das [X.] wird daher die mit der längeren Bewilligung von [X.] für den Anschlusszeitraum vom 14.3.2007 bis 12.6.2007 verbundenen sozialrechtlichen Folgewirkungen berücksichtigen müssen. Aus dem Eingreifen des § 107 Abs 1 [X.] X würde auch folgen, dass der Beklagte eine Korrektur des angefochtenen Bescheids vom [X.] für den [X.]raum vom [X.] bis 31.10.2007 vornehmen muss (vgl zu dem dabei nur eng begrenzten Entscheidungsspielraum bei vorläufigen Leistungen Urteil des [X.] [X.]/10 R - [X.] 4-1500 § 54 [X.], RdNr 34).

Insofern sind das [X.] und der Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger wohl - bei nunmehr längerem [X.]-Bezug - Anspruch auf einen Zuschlag nach § 24 [X.] hat, zu dessen Höhe - als nicht abtrennbarer Teil der Gesamtleistung - weitere Feststellungen erforderlich sind. Besteht - unter Berücksichtigung der Höhe des [X.] für den [X.]raum vom 14.3.2007 bis 12.6.2007 - kein Anspruch auf aufstockende [X.]-Leistungen, ist die dem Kläger im Mai 2007 zugeflossene [X.] im [X.] II-[X.]raum als Vermögen mit der Folge anzusehen, dass eine Anrechnung als Einkommen für die [X.] ab [X.] entfiele.

Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Meta

B 4 AS 203/10 R

20.12.2011

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 12. Februar 2009, Az: S 13 AS 586/07, Urteil

§ 101 Abs 1 SGG, § 779 Abs 1 BGB, § 104 Abs 1 S 1 SGB 10, § 107 Abs 1 SGB 10, § 44 SGB 10, § 44ff SGB 10, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 12 Abs 1 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.12.2011, Az. B 4 AS 203/10 R (REWIS RS 2011, 190)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 190

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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