Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.03.2017, Az. X ZB 19/16

10. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 13314

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Gegenstand

Patentbeschwerdeverfahren: Anfall der Beschwerdegebühr bei Beschwerde mehrerer Patentanmelder gegen Zurückweisung der Patentanmeldung


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Patentanmelderin zu 2 wird der Beschluss des 8. Senats ([X.]) des [X.] vom 23. September 2016 aufgehoben, soweit festgestellt worden ist, dass die Beschwerde der Patentanmelderin zu 2 als nicht erhoben gilt.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

A. Die Prüfungsstelle des [X.] hat die unter dem Aktenzeichen 199 62 507.7 geführte Patentanmeldung, die die Rechtsbeschwerdeführerin zusammen mit der Patentanmelderin zu 1 eingereicht hat, zurückgewiesen. Gegen diesen [X.]eschluss haben die beiden [X.], vertreten durch gemeinsame Verfahrensbevollmächtigte, fristgerecht [X.]eschwerde eingelegt. In der [X.]eschwerdeschrift, in deren [X.]etreffzeile beide [X.] aufgeführt sind, heißt es:

"Gegen den [X.]eschluss der Prüfungsstelle vom 22. April 2016 wird

[X.]eschwerde

eingelegt.

Die [X.] (Gebührencode Nr. 401 100) in Höhe von [X.] 200,00 soll zu Lasten unseres Kontos [es folgt die Angabe der [X.]ankverbindung der Verfahrensbevollmächtigten] eingezogen werden. Ein entsprechendes Formular [X.] liegt bei."

2

In dem beiliegenden Formular "Angaben zum Verwendungszweck des Mandats" ist das Aktenzeichen der Patentanmeldung angegeben. In der Rubrik "Name des Schutzrechtsinhabers" ist eingetragen: "A.     , Ltd. et al."

3

Das Patentgericht hat beschlossen, dass die [X.]eschwerden als nicht eingelegt gelten. Dagegen richtet sich die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Patentanmelderin zu 2, mit der sie Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht erstrebt.

4

[X.]. Die [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]eschlusses, soweit festgestellt worden ist, dass die [X.]eschwerde der Patentanmelderin zu 2 als nicht eingelegt gilt, und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht.

5

I. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

6

[X.]ei einer Mehrheit von [X.]eschwerdeführern werde nach Absatz 1 der Vorbemerkung zu Teil [X.] des Gebührenverzeichnisses zum Patentkostengesetz die hier einschlägige Gebühr 401 300 von jedem [X.]eschwerdeführer gesondert erhoben. Anhaltspunkte dafür, dass die beiden [X.] sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen und deshalb die Gebühr nur einmal zu entrichten hätten, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die nur einfach gezahlte Gebühr in Höhe von 200 Euro könne keiner der beiden [X.]eschwerdeführerinnen zugeordnet werden. Aus der [X.]eschwerdeschrift, die beide [X.] gleichrangig in der [X.]etreffzeile anführe, ergebe sich, dass beide [X.]eschwerdeführerinnen seien. Auch die Angaben im Formular des [X.] ermöglichten keine Zuordnung. Der Sachverhalt unterscheide sich von demjenigen, der der Entscheidung "[X.]" des [X.] zugrunde lag, dadurch, dass in diesem Formular nicht nur eine der beiden [X.] aufgeführt sei. Vielmehr seien durch die Verwendung des abkürzenden Zusatzes "et al." beide genannt.

7

II. Diese [X.]eurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

8

1. Das Patentgericht hat zutreffend angenommen, dass beide [X.] [X.]eschwerde eingelegt haben und deshalb nach Absatz 1 der Vorbemerkung zu Teil [X.] des Gebührenverzeichnisses zum Patentkostengesetz für jede von ihnen eine Gebühr nach Nr. 401 300 in Höhe von 200 Euro zu entrichten war.

9

Für den Fall, dass mehrere Patentinhaber gegen eine Entscheidung des [X.] im Einspruchsverfahren [X.]eschwerde einlegen, hat der [X.] bereits entschieden, dass die [X.] (Gebührenverzeichnis zum Patentkostengesetz Nr. 401 100) für jeden [X.]eschwerdeführer zu entrichten ist ([X.], [X.]eschluss vom 18. August 2015 - [X.], [X.], 1255 - [X.]).

Für die [X.]eschwerde mehrerer Patentanmelder gegen einen [X.]eschluss der Prüfungsstelle des [X.] (Gebührenverzeichnis Nr. 401 300) gilt - entgegen der Auffassung des 23. [X.]s des [X.] ([X.]eschlüsse vom 7. Juni 2016 - 23 W [pat] 15/14, [X.]. 2016, 525, und 23 W [pat] 18/14, juris) - nichts anderes. Die Regelung in Absatz 1 der Vorbemerkung zu Teil [X.] des Gebührenverzeichnisses lässt klar erkennen, dass die dort aufgeführten Gebühren für [X.]eschwerdeverfahren vor dem [X.] für jeden Antragsteller gesondert erhoben werden. Zweifel hieran ergeben sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien. Soweit in der [X.]egründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkostengesetzes die Regelung in Absatz 1 der neu eingeführten Vorbemerkung zu Abschnitt [X.] dahin erläutert wird, in allen [X.]eschwerdeverfahren sollten die Gebühren - ebenso wie im patentamtlichen Verfahren - von jedem Verfahrensbeteiligten erhoben werden ([X.]T-Drucks. 16/735, [X.], rechte Spalte oben), bezieht sich dies, wie sich aus dem nachfolgenden Verweis auf die [X.]egründung zur Vorbemerkung zu [X.] des Gebührenverzeichnisses ergibt, nicht auf alle Gebührentatbestände von [X.], sondern nur auf bestimmte, in Absatz 2 dieser Vorbemerkung aufgeführte Gebühren, etwa für das Einspruchsverfahren nach § 59 Abs. 1 und 2 [X.] oder das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren nach § 16 GebrMG.

Die vom 23. [X.] des [X.] für seinen Standpunkt angeführten verfassungsrechtlichen [X.]edenken greifen nicht durch. Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken. Innerhalb seiner jeweiligen Regelungskompetenz verfügt der Gebührengesetzgeber aus der Sicht des Grundgesetzes über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum. Materiell-verfassungsrechtliche Grenzen einer Gebührenregelung können sich aus den Grundrechten ergeben, insbesondere aus dem Gleichheitsgrundsatz sowie aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dabei sind alle mit einer Gebührenregelung verfolgten, verfassungsrechtlich zulässigen Zwecke als Abwägungsfaktoren in die Verhältnismäßigkeitsbetrachtung einzubeziehen. Aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt, dass Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen und die Verknüpfung zwischen den Kosten der staatlichen Leistung und den dafür auferlegten Gebühren sich nicht in einer Weise gestalten darf, die sich, bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgemäß erweist. Darüber hinaus gebietet der Gleichheitsgrundsatz, bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Gebührenmaßstäbe und -sätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln, dass sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen ([X.]VerfGE 50, 217, 226 f.). Diese Grundsätze gelten auch für die [X.]emessung von Gebühren zur Abdeckung von Gerichtskosten. Danach muss der Gesetzgeber die Auswahl der gleich oder ungleich zu behandelnden Sachverhalte sachgerecht treffen ([X.]VerfGE 115, 389; [X.], [X.]eschluss vom 6. Mai 2014 - X Z[X.] 11/13, [X.], 710 Rn. 21 - Prüfungsgebühr). Unter [X.]erücksichtigung des Umstands, dass die [X.]en vergleichsweise niedrig sind und die [X.]eteiligung mehrerer Personen auf einer Seite einen gewissen Mehraufwand des Gerichts verursachen kann, ist die Regelung in Absatz 1 der Vorbemerkung zu Teil [X.] des Gebührenverzeichnisses verfassungsrechtlich unbedenklich.

2. Zu Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde jedoch die Annahme des Patentgerichts, die durch Erteilung eines SEPA-[X.]asislastschriftmandats innerhalb der [X.]eschwerdefrist fristgerecht (§ 2 Nr. 4 PatKostZV) gezahlte einfache [X.] könne nicht der Patentanmelderin zu 2 zugeordnet werden.

a) In den Fällen, in denen bei einer [X.]eschwerde mehrerer [X.]eteiligter die Zahlung nur einer Gebühr unzureichend ist, weil das Gesetz vorsieht, dass die Gebühr für jeden Antragsteller gesondert erhoben wird, ist zu prüfen, ob die entrichtete Gebühr zumindest einem der [X.]eschwerdeführer zugeordnet werden kann ([X.], [X.], 1255 Rn. 17 - [X.]). Hängt die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht nur von der Einzahlung einer Gebühr ab, sondern wird - wie hier aufgrund der Regelung in § 6 Abs. 2 PatKostG - ohne Weiteres gesetzlich die Nichtvornahme des entsprechenden Rechtsbehelfs fingiert, wenn die Gebühr nicht innerhalb der vorgesehenen Frist entrichtet wird, ist es zur Vermeidung unzumutbarer Härten geboten, den Versuch zu unternehmen, die geleistete einfache Gebühr einem der [X.]eschwerdeführer zuzuordnen, um zumindest diesem den Zugang zu einer sachlichen Prüfung seines Anliegens zu eröffnen. Um eine mit dem Rechtsstaatlichkeitsgebot unvereinbare Erschwerung des Zugangs zu einer gerichtlichen Instanz zu vermeiden, darf hierbei kein strenger Maßstab angelegt werden.

b) Dies hat das Patentgericht im Ansatz zutreffend erkannt. Jedoch trifft seine Auffassung nicht zu, nach dieser Maßgabe könne die entrichtete einfache Gebühr der Patentanmelderin zu 2 nicht zugeordnet werden. Nicht anders als in dem der Entscheidung "[X.]" zugrundeliegenden Fall weist das Formular über das SEPA-Lastschriftmandat auch hier in der Rubrik "Name des Schutzrechtsinhabers" die Unternehmensbezeichnung der Patentanmelderin zu 2 auf. Der Umstand, dass ihr der Zusatz "et al." nachgestellt worden ist, steht der Schlussfolgerung, dass die [X.] zu ihren Gunsten entrichtet worden ist, nicht entgegen. [X.]ei der gebotenen wohlwollenden, am erkennbaren Rechtsschutzbegehren orientierten Auslegung der in dem SEPA-Lastschriftmandat liegenden Erklärung kann diese als Hinweis darauf verstanden werden, dass die mit der [X.]eschwerde weiter verfolgte Patentanmeldung nicht nur von der Anmelderin zu 2, sondern auch von weiteren Personen eingereicht wurde.

3. Damit kann die Entscheidung des Patentgerichts insoweit keinen [X.]estand haben, als es festgestellt hat, dass die [X.]eschwerde der Patentanmelderin zu 2 als nicht eingelegt gilt. Da dem [X.] eine eigene Sachentscheidung verwehrt ist (§ 108 Abs. 1 [X.]), ist die Sache im Umfang der Aufhebung an das Patentgericht zurückzuverweisen. Eine mündliche Verhandlung hat der [X.] nicht für erforderlich gehalten.

Meier-[X.]eck     

       

Gröning     

       

[X.]acher

       

Deichfuß     

       

Kober-Dehm     

       

Meta

X ZB 19/16

28.03.2017

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 23. September 2016, Az: 8 W (pat) 14/16, Beschluss

§ 2 Abs 1 Anlage Nr 401300 PatKostG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.03.2017, Az. X ZB 19/16 (REWIS RS 2017, 13314)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13314


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZB 19/16

Bundesgerichtshof, X ZB 19/16, 28.03.2017.


Az. 8 W (pat) 14/16

Bundespatentgericht, 8 W (pat) 14/16, 23.09.2016.


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