Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.03.2019, Az. 9 AZR 881/16

9. Senat | REWIS RS 2019, 9233

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Urlaubsabgeltung - Neubeginn der Verjährung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. August 2016 - 6 [X.] - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um Abgeltung von 169,5 Arbeitstagen Urlaub aus den Jahren 2008 bis 2013.

2

Die Beklagte beschäftigte den Kläger vom 19. August 1998 bis zum 31. August 2016 als Exportsachbearbeiter. Das Bruttomonatsentgelt des [X.] betrug zuletzt 2.650,00 Euro. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 19. August 1998 enthält [X.]. folgende Bestimmung:

        

§ 8   

        

[X.]

        

Die Dauer des Urlaubs richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen. ...

        

Der Urlaub beträgt … 30 Arbeitstage im Jahr. Der Arbeitnehmer hat hinsichtlich des Zeitpunktes des Urlaubsantritts auf die betrieblichen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Urlaubsansprüche sind bis spätestens 31. März des dem Urlaubsjahr folgenden Jahres geltend zu machen.“

3

Die dem Kläger erteilten „Lohn-/Gehaltsabrechnungen“ (im [X.]) wiesen in den letzten Jahren unter „[X.]“ jeweils den kumulierten Gesamturlaub aus, den die Beklagte dem Kläger in den Vorjahren nicht gewährt hatte. In der Entgeltabrechnung für den Monat Dezember 2014, die - wie alle übrigen - von einem externen Dienstleister unter Angabe des Namens und der Anschrift der [X.] erstellt wurde, ist unter „U Rest VJ“ 169,5 angegeben.

4

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 9. Juni 2016 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2016.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei infolge einer vertraglichen Absprache verpflichtet, den aus den Jahren 2008 bis 2013 stammenden [X.] im Umfang von 169,5 Arbeitstagen abzugelten. Er hat behauptet, der Geschäftsführer der [X.] habe im Juli 2005 ihm gegenüber erklärt, sein Urlaub werde nicht verfallen. Im Übrigen berechtige eine langjährige Übung im Betrieb der [X.] die Mitarbeiter, ihren Urlaub nach Ablauf des Kalenderjahres bzw. nach Ablauf des ihm folgenden Übertragungszeitraums zu nehmen. Schließlich handele die Beklagte treuwidrig, wenn sie sich ihm gegenüber auf einen Verfall des Urlaubs berufe.

6

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsabgeltung iHv. 20.731,15 Euro brutto zu zahlen.

7

Die Beklagte, die die Einrede der Verjährung erhoben hat, hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der Urlaub sei vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen. Sie hat behauptet, ihr Geschäftsführer habe dem Kläger lediglich in Bezug auf ein einzelnes, konkretes Urlaubsjahr, nicht aber generell gestattet, seinen Urlaub zu einem späteren als dem in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags bezeichneten Zeitpunkt zu nehmen.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] ihr insoweit stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der [X.] ist begründet. Mit der Begründung des [X.] durfte dem Kläger die Urlaubsabgeltung nicht zugesprochen werden. Auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] kann der Senat nicht entscheiden, ob dem Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Urlaub im Umfang von 169,5 Arbeitstagen aus den Jahren 2008 bis 2013 zustand, den die Beklagte mit einem Bruttobetrag iHv. 20.731,15 Euro abzugelten hat. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die [X.]che nach § 563 Abs. 1 [X.]tz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

I. Das [X.] hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Parteien hätten eine Vereinbarung geschlossen, die den Kläger berechtige, seinen Urlaub außerhalb der in § 8 Abs. 2 [X.]tz 3 des Arbeitsvertrags bezeichneten Frist zu nehmen.

1. Das [X.] hat dem Kläger den erhobenen [X.] mit der Begründung zuerkannt, die Parteien seien konkludent übereingekommen, der Urlaub, den er im [X.]e des Urlaubsjahres nicht in Anspruch nehme, werde fortlaufend auf das Folgejahr übertragen. Das Ausweisen der aufaddierten Urlaubstage in den Entgeltabrechnungen lasse auf einen entsprechenden Vertragswillen der [X.] schließen. Aufgrund dieser Vereinbarung sei es der [X.] im Übrigen verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung zu berufen.

2. Die Begründung des [X.] enthält revisible Rechtsfehler.

a) Die vom [X.] festgestellten Tatsachen tragen nicht die Annahme, die Beklagte habe im Wege einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung das für Urlaubsansprüche geltende Fristenregime zugunsten des [X.] abändern wollen.

aa) Der Senat konnte offenlassen, ob es sich bei den Entgeltabrechnungen um typische oder atypische Erklärungen der [X.] handelt. Ihre Auslegung durch das [X.] hält auch einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Den Entgeltabrechnungen ist nicht zu entnehmen, dass sich die Beklagte dem Kläger gegenüber rechtsgeschäftlich binden wollte.

bb) Selbst wenn man zugunsten des [X.] unterstellt, die Beklagte müsse sich nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zur Rechtsscheinvollmacht entwickelt hat (vgl. im Einzelnen [X.] 23. Februar 2017 - 6 [X.] - Rn. 45, [X.]E 158, 214), das Verhalten des von ihr mit der Abrechnung der Entgelt- und Urlaubsansprüche betrauten externen Dienstleisters als eigenes zurechnen lassen, fehlt es an einer Willenserklärung der [X.], die darauf gerichtet wäre, das im Streitfall maßgebliche Fristenregime abzuändern. Dies gilt sowohl für die gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 3 [X.] als auch für die arbeitsvertragliche Vereinbarung unter § 8 Abs. 2 [X.]tz 3 des Arbeitsvertrags. Die an den Kläger gerichtete Mitteilung, er habe Anspruch auf 169,5 Arbeitstage Urlaub, ist eine Wissenserklärung, die als solche das für Urlaubsansprüche geltende Fristenregime nicht abzuändern vermochte.

(1) Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als Willenserklärung oder lediglich als Wissenserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach §§ 133, 157 [X.] sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten als Willens- oder bloße Wissenserklärung anzusehen ist (vgl. [X.] 14. Dezember 2016 -  7 [X.]  - Rn. 17). Eine Entgeltabrechnung stellt regelmäßig lediglich eine Wissens-, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung dar (vgl. [X.] 5. Juli 2017 - 4 [X.] - Rn. 29, [X.]E 159, 351). Dies gilt auch für Urlaubsansprüche, die der Arbeitgeber in einer Entgeltabrechnung ausweist. In aller Regel teilt der Arbeitgeber in der Entgeltabrechnung, zu deren Erteilung er unter den in § 108 Abs. 1 [X.] genannten Voraussetzungen verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer lediglich die Höhe des Entgelts und den Umfang sonstiger Ansprüche, etwa von Urlaubsansprüchen, mit. Der Mitteilung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen kommt aber regelmäßig nicht der Bedeutungsgehalt zu, der Arbeitgeber wolle den ausgewiesenen Urlaub auch dann gewähren, wenn er ihn nicht schuldet (vgl. [X.] 10. März 1987 - 8 [X.] - zu I 4 b bb der Gründe, [X.]E 54, 242; so auch [X.] 7. Juli 2017 - 9 [X.]/17 - zu II 2 der Gründe; [X.] 7. Juni 2017 - 11 [X.] 741/16 - zu II 5 der Gründe; [X.] 25. Juli 2016 - 9 [X.] 31/16 - zu I 1 b bb der Gründe; [X.] 25. Februar 2016 - 2 [X.] 244/15 - zu I der Gründe).

(2) Soweit die Entgeltabrechnungen, die der Kläger in den letzten Jahren erhielt, Urlaubstage ausweisen, handelt es sich um [X.], die als solche die ansonsten bestehende Rechtslage nicht zu ändern vermochten. Besondere Umstände, die nach den oben dargestellten Grundsätzen ausnahmsweise auf einen Geschäftswillen schließen lassen, hat das [X.] weder festgestellt noch haben die Parteien solche vorgetragen.

b) Das [X.] durfte der Klage auch nicht mit der Begründung stattgeben, es sei der [X.] nach dem Grundsatz von [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) verwehrt, sich auf einen Verfall des Urlaubs zu berufen.

aa) Aus § 242 [X.] folgt ua. der Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“). Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von [X.] und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung (vgl. [X.] 12. März 2009 - 2 [X.] - Rn. 16 f. mwN, [X.]E 130, 14). Erteilt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Entgeltabrechnung, ist er in der Regel nicht gehindert, in einem Rechtsstreit, in dem der Arbeitnehmer auf abgerechnete Positionen Bezug nimmt, die Richtigkeit der Abrechnung in Abrede zu stellen (vgl. [X.] 23. September 2015 - 5 [X.] - Rn. 23, [X.]E 152, 315). Nur wenn besondere Umstände hinzutreten, ist die Annahme gerechtfertigt, der Arbeitgeber müsse sich an den Angaben in der Abrechnung festhalten lassen.

bb) Die Würdigung der Tatsachengerichte, dass bei einer bestimmten [X.]chlage ein Verstoß gegen § 242 [X.] vorliegt, ist in der Revisionsinstanz als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eingeschränkt überprüfbar. Die Kontrolle durch das Revisionsgericht beschränkt sich darauf, zu prüfen, ob das [X.] den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es sich bei der Unterordnung des [X.]chverhalts unter die maßgebliche Rechtsnorm den Vorgaben von § 286 Abs. 1 ZPO entsprechend mit dem [X.] umfassend auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und des Weiteren rechtlich möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt ([X.] 11. August 2016 - 8 [X.] - Rn. 37).

cc) Das [X.] hat - auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten Überprüfung durch den Senat - keine besonderen Umstände festgestellt, die das Verhalten der [X.] im Streitfall als treuwidrig erscheinen lassen. Der Hinweis des [X.] auf die ihm erteilten Entgeltabrechnungen ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Der Umstand, dass die Entgeltabrechnungen eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen ausweisen, vermag für sich genommen den [X.]widrigkeitseinwand nicht zu begründen.

II. Die Entscheidung des [X.] erweist sich weder aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO) noch ist die [X.]che zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

1. Der Klage ist nicht aus anderen Gründen stattzugeben (§ 561 ZPO). Soweit der Kläger geltend gemacht hat, es habe im Betrieb der [X.] die Übung bestanden, dass der Urlaub der dort beschäftigten Arbeitnehmer an keine Verfallfristen gebunden gewesen sei, hat das [X.] die tatbestandlichen Voraussetzungen, an die die Annahme einer betrieblichen Übung gebunden ist, weder festgestellt noch sind sie dem Vortrag der Parteien zu entnehmen.

a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 [X.]), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für das Entstehen eines Anspruchs ist, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach [X.] und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 [X.]) verstehen mussten und ob sie auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften. Ob dieser tatsächlich mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat, ist unerheblich. Die Beurteilung, ob eine betriebliche Übung entstanden ist und welchen Inhalt sie hat, unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. [X.] 19. September 2018 - 5 [X.] - Rn. 15 f., [X.]E 163, 301).

b) Soweit der Kläger aus dem Umstand, dass die Entgeltabrechnungen ua. Urlaubsansprüche aus den Vorjahren ausweisen, darauf schließt, die Arbeitnehmer im Betrieb der [X.] seien berechtigt gewesen, ihren Urlaub ohne Rücksicht auf etwaige Fristen zu nehmen, übersieht er, dass die Eintragungen auf den Entgeltabrechnungen allenfalls einer betrieblichen Handhabung hinsichtlich dieser Eintragungen entsprachen, nicht aber die betriebliche Übung einer tatsächlichen Urlaubsnahme begründeten. Der Kläger hat nicht vorgetragen, ob und gegebenenfalls welchen Arbeitnehmern die Beklagte daraufhin gestattete, Urlaub nach dem 31. März des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres zu nehmen.

2. Auf der Grundlage der vom [X.] festgestellten Tatsachen ist dem Senat eine Endentscheidung nicht möglich (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist nicht - auch nicht teilweise - abweisungsreif. Die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Kläger verlangt, waren zu dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, nicht verjährt.

a) Nach § 194 Abs. 1 [X.] unterliegen Ansprüche der Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 [X.]). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Die Verjährung beginnt erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 [X.]).

b) Der Streitfall gibt dem Senat keine Veranlassung, darüber zu befinden, ob Urlaubsansprüche der Verjährung unterliegen (ablehnend [X.] 5. Dezember 1995 - 9 [X.] - zu II 4 der Gründe, [X.]E 81, 328; so auch [X.]/[X.] Urlaubsrecht 2. Aufl. § 7 [X.] Rn. 229; anders [X.] 18. August 2010 - 12 [X.] 650/10 - Rn. 27; [X.] in [X.]/Fenski/[X.] [X.] 11. Aufl. § 13 Rn. 78). Selbst wenn man zugunsten der [X.] davon ausginge, die Vorschriften der §§ 194 ff. [X.] wären auf Urlaubsansprüche anzuwenden, griffe die von der [X.] erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Zum Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, waren die aus den Jahren 2008 bis 2013 stammenden Urlaubsansprüche des [X.] nicht verjährt, weil die Verjährung am Tag nach der Erteilung einer jeden Entgeltabrechnung nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 [X.] jeweils neu in [X.] gesetzt wurde.

aa) Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 [X.]) begann, die Verjährbarkeit der Ansprüche unterstellt, für die ältesten, aus dem [X.] stammenden Urlaubsansprüche mit dem Ende des Jahres 2008 (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Verjährung wäre damit mit dem Ablauf des 31. Dezember 2011 eingetreten.

bb) Die Beklagte hat die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Kläger begehrt, jedoch vor Ablauf der Verjährungsfrist - nicht im rechtsgeschäftlichen, wohl aber im verjährungsrechtlichen Sinne nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 [X.] - anerkannt. Dadurch begann die Verjährungsfrist mit jeder dem Kläger erteilten Entgeltabrechnung neu zu laufen.

(1) Als Anerkenntnis iSv. § 212 Abs. 1 Nr. 1 [X.], der als Schutzvorschrift zugunsten des Gläubigers ([X.] 8. Januar 2013 - [X.] - Rn. 7) den Neubeginn der Verjährungsfrist auslöst, kommt jedes - auch rein tatsächliches (vgl. zu § 208 [X.] aF [X.] 8. Juni 1983 - 5 [X.] - zu 3 c aa der Gründe, [X.]E 43, 71) - Verhalten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer in Betracht, das darauf schließen lässt, der Arbeitgeber sei sich des Bestehens einer schuldrechtlichen Forderung bewusst (vgl. zu § 208 [X.] aF [X.] 18. März 1997 - 9 [X.] - zu I 3 der Gründe). Es bedarf weder einer Willenserklärung noch eines gesonderten Bindungswillens des Schuldners (vgl. zu § 208 [X.] aF [X.] 1. Dezember 1982 - 5 [X.] - zu II 3 a der Gründe). Vielmehr reicht es aus, dass der Schuldner auf irgendeine Weise dem Gläubiger gegenüber schlüssig zum Ausdruck bringt, dass er den Anspruch anerkennt (vgl. zu § 208 [X.] aF [X.] 8. Juni 1983 - 5 [X.] - zu 3 c aa der Gründe, [X.]E 43, 71 [„tatsächliches Eingeständnis der Schuld“]).

(2) Ob eine Erklärung des Schuldners die Voraussetzungen eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses iSd. § 212 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfüllt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. [X.] 24. Januar 2019 - [X.]/17 - Rn. 15). Rechnet der Arbeitgeber Ansprüche gegenüber einem Arbeitnehmer ab, kann hierin - unabhängig davon, dass es im Regelfall an einer rechtsgeschäftlichen Erklärung fehlt - ein tatsächliches Anerkenntnis iSd. § 212 Abs. 1 Nr. 1 [X.] liegen (vgl. [X.] 25. September 2013 - 10 [X.] - Rn. 24, [X.]E 146, 123).

(3) Handlungen eines [X.], die sich der Arbeitgeber als eigene Handlung zurechnen lassen muss, stehen solchen des Arbeitgebers gleich (so für das Handeln eines Vertreters [X.] 11. Oktober 2006 - IV ZR 329/05 - Rn. 18, [X.]Z 169, 232). Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber den Rechtsschein setzt, er habe einem [X.] die Befugnis eingeräumt, in seinem Namen einen Anspruch iSd. § 212 Abs. 1 Nr. 1 [X.] anzuerkennen.

(4) Die Beklagte hat danach die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Kläger im vorliegenden Verfahren verlangt, durch die ihr nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht zuzurechnende Erteilung der Entgeltabrechnungen iSv. § 212 Abs. 1 Nr. 1 [X.] anerkannt. Damit begann die Verjährungsfrist für die in den Abrechnungen ausgewiesenen Urlaubsansprüche jeweils neu zu laufen.

(a) Mit der Erteilung der Entgeltabrechnungen, die der Kläger seit dem Jahr 2008 erhielt, hat die Beklagte ihm gegenüber - rein tatsächlich - zum Ausdruck gebracht, dass Urlaubsansprüche dem Grunde nach und im dort bezeichneten Umfang entstanden sind und nicht erfüllt wurden. Sämtliche Abrechnungen wiesen in den letzten Jahren unter „[X.]“ den kumulierten Gesamturlaub aus, den die Beklagte dem Kläger in den Vorjahren nicht gewährt hatte.

(b) [X.], die die Beklagte von einem externen Dienstleister unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift erstellen ließ, sind ihr - zumindest nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht - als eigene Erklärung zuzurechnen. Mit der Beauftragung des Dienstleisters, das Entgelt und die Urlaubsansprüche der in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift abzurechnen, duldete es die Beklagte, dass der Dienstleister für sie wie ein Vertreter auftrat und damit bei den Arbeitnehmern den Rechtsschein erweckte, er sei bevollmächtigt, die Ansprüche iSv. § 212 Abs. 1 Nr. 1 [X.] als nicht erfüllt anzuerkennen (vgl. zu den Voraussetzungen der Duldungsvollmacht im Einzelnen [X.] 23. Februar 2017 - 6 [X.] - Rn. 45, [X.]E 158, 214).

III. Das [X.] wird nach der Zurückverweisung der [X.]che die für die Entscheidung des Streitfalls erheblichen Tatsachen festzustellen haben. Dabei wird es Folgendes zu beachten haben:

1. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kann der Urlaub gemäß § 7 Abs. 3 [X.] in der Regel nur verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Dies gebietet die richtlinienkonforme Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes (vgl. im Einzelnen [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 16, 39 ff.). Das [X.] wird nach der Zurückverweisung der [X.]che den Parteien diesbezüglich rechtliches Gehör zu gewähren und sodann aufzuklären haben, ob die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten im Streitfall nachgekommen ist.

2. Sollte die Beklagte diesen Mitwirkungsobliegenheiten genügt haben, wäre das [X.] gehalten aufzuklären, ob die Parteien - wie vom Kläger behauptet - im Jahr 2005 eine Vereinbarung bezüglich des Verfalls von Urlaub geschlossen haben und gegebenenfalls welchen konkreten Inhalt diese Absprache hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die grundrechtlich verbürgte Vertragsfreiheit den Parteien des Arbeitsvertrags zwar nicht erlaubt, gesetzlich zwingende Urlaubsbestimmungen abzubedingen oder zum Nachteil des Arbeitnehmers zu modifizieren (§ 13 Abs. 1 [X.]). Das Gesetzesrecht des Bundesurlaubsgesetzes schließt aber nicht aus, dass die Parteien neben den bestehenden gesetzlichen Rechten vertragliche Ansprüche begründen. So steht es dem Arbeitgeber frei, mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zu treffen, die ihn verpflichtet, verfallenen Urlaub nachzugewähren. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die nicht die ([X.] verfallenen Urlaubs, sondern dessen Abgeltung vorsieht (vgl. [X.] 18. Oktober 2011 -  9 [X.]  - Rn. 21).

        

    Kiel    

        

    Zimmermann    

        

    [X.]    

        

        

        

    Jacob    

        

    Anthonisen    

                 

Meta

9 AZR 881/16

19.03.2019

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Frankfurt, 18. Dezember 2015, Az: 23 Ca 4933/15, Urteil

§ 108 Abs 1 GewO, § 212 Abs 1 Nr 1 BGB, § 242 BGB, § 7 Abs 4 BUrlG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.03.2019, Az. 9 AZR 881/16 (REWIS RS 2019, 9233)

Papier­fundstellen: NJW 2019, 2640 REWIS RS 2019, 9233

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

9 AZR 266/20 (Bundesarbeitsgericht)

Anspruch auf Mindesturlaub - Verjährung


9 AZR 456/20 (Bundesarbeitsgericht)

Urlaubsabgeltung - Verjährung


9 AZR 244/20 (Bundesarbeitsgericht)

Urlaubsabgeltung - tarifvertragliche Ausschlussfrist


9 AZR 266/20 (A) (Bundesarbeitsgericht)

Vorabentscheidungsersuchen - Urlaubsanspruch - Verletzung der Obliegenheiten des Arbeitgebers - Verjährung


9 AZR 495/17 (Bundesarbeitsgericht)

Elternzeit - Kürzung des Urlaubsanspruchs


Referenzen
Wird zitiert von

9 Sa 177/19

10 Sa 180/19

7 Sa 161/19

14 Sa 822/21

9 AZR 367/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.