Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.06.2019, Az. 2 B 68/18

2. Senat | REWIS RS 2019, 6108

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Gegenstand

Finanzielle Abgeltung unionsrechtswidriger Zuvielarbeit


Gründe

1

1. Der Kläger ist [X.] bei der beklagten [X.]. Er begehrt die finanzielle Abgeltung unionsrechtswidriger Zuvielarbeit für im [X.]raum vom Januar 2001 bis August 2007 über die Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche hinaus geleistete Arbeitszeit. In der ersten Instanz hat der Kläger teilweise obsiegt, in der zweiten Instanz zu einem - geringen - weiteren Teil. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur [X.]egründung insbesondere ausgeführt: Für die im streitbefangenen [X.]raum geleistete Zuvielarbeit lägen die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs dem Grunde nach vor. Die zeitnahe Geltendmachung der rechtswidrigen Zuvielarbeit sei hier aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls entbehrlich gewesen. Ob und ggf. inwieweit der Kläger Zuvielarbeit geleistet habe, bestimme sich mangels einer anderweitigen Regelung durch den nationalen Gesetzgeber nach dem jeweiligen Siebentageszeitraum. Der finanzielle Ausgleich richte sich nach den vom [X.]eamten konkret geleisteten Dienststunden. Der Kläger sei nach dem auch im öffentlichen Recht einschließlich des öffentlichen Dienstrechts anwendbaren Rechtsgedanken der Verwirkung mit Einwendungen gegen die Arbeitszeitaufschreibung der [X.]eklagten ausgeschlossen.

2

2. Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen dringen nicht durch. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder seine Sachaufklärungspflicht, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, noch den Überzeugungsgrundsatz, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, verletzt.

3

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] erfordert die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des [X.]erufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in [X.]etracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des [X.]s zu einer für den [X.]eschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Die Aufklärungsrüge stellt zudem kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn er es unterlassen hat, einen [X.]eweisantrag zu stellen. Deshalb muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem [X.], insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen ([X.]VerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 [X.] 52.65 - [X.]VerwGE 31, 212 <217 f.>; [X.]eschlüsse vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 19. Februar 2018 - 2 [X.] - [X.] 235.2 LDisziplinarG Nr. 56 Rn. 6).

4

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der [X.]eurteilung des [X.] nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. [X.] ist damit nicht das Ergebnis der [X.]eweiswürdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 13. Februar 2012 - 9 [X.] - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7 und vom 23. Dezember 2015 - 2 [X.] 40.14 - [X.] 449 § 3 SG Nr. 82 Rn. 53 m.w.N.). Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder [X.]eweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist ([X.]VerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 [X.] 134.81 - [X.]VerwGE 68, 338 <339> und vom 5. Juli 1994 - 9 [X.] - [X.]VerwGE 96, 200 <208 f.>; [X.]eschlüsse vom 18. November 2008 - 2 [X.] - [X.] 235.1 § 17 [X.] Nr. 1 Rn. 27, vom 31. Oktober 2012 - 2 [X.] 33.12 - NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 12 und vom 20. Dezember 2013 - 2 [X.] 35.13 - [X.] 235.1 § 13 [X.] Nr. 21 Rn. 19). Das Ergebnis der gerichtlichen [X.]eweiswürdigung selbst ist vom Revisionsgericht nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen Logik (Denkgesetze) und Naturgesetze verstößt oder gedankliche [X.]rüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 [X.] 30.05 - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 50 Rn. 16 sowie [X.]eschluss vom 23. September 2013 - 2 [X.] 51.13 - juris Rn. 19).

5

b) Gemessen an diesen Anforderungen liegen die gerügten Verfahrensfehler nicht vor.

6

aa) Soweit die [X.]eschwerde als Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO rügt, dass das [X.]erufungsgericht nicht die [X.] zugrunde gelegt habe und damit von einem unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen sei, kann sie damit nicht durchdringen.

7

Das [X.]erufungsgericht hat hinsichtlich des Umfangs der von den [X.] geleisteten Arbeitszeit auf die im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Arbeitszeitaufschreibungen der beklagten [X.] abgestellt und hierzu weiter ausgeführt ([X.]erufungsurteil Rn. 112): Die detaillierte Dokumentation der [X.] aller [X.]eamten im Einsatzdienst ermögliche eine genaue Auswertung der Dienstzeiten. [X.]estimmte Personen hätten die [X.]erechtigung, die jeweiligen Dienstzeiten und Fehlzeiten für die [X.]eamten in die elektronische [X.] einzutragen. [X.]ei unstimmigen Eintragungen gebe es eine programminterne [X.] und der einzelne [X.]eamte habe die Möglichkeit, Korrekturen anzubringen. Außerdem könnten die [X.]eamten an ihren [X.]esoldungsmitteilungen erkennen, wenn ein [X.] nicht voll abgerechnet werde.

8

Dies ist am Maßstab des § 108 Abs. 1 VwGO nicht als verfahrensfehlerhaft zu beanstanden.

9

Es kann dahinstehen, ob sich dies bereits daraus ergibt, dass es einen Originaldienstplan in der von der [X.]eschwerde angenommenen Form gar nicht gibt, wie die [X.]eschwerdeerwiderung anführt. Sie weist daraufhin, dass der Dienstplan der [X.]randdirektion der [X.]eklagten seit 2001 in elektronischer Form geführt werde, sodass die [X.] eine Ansicht des [X.] sei. Der originäre Dienstplan sei lediglich der feste Schichtrhythmus der [X.]eamten, der aus dienstlichen Gründen jederzeit geändert werden könne; solche Änderungen würden bei den ca. 1 200 Wachdienstmitarbeitern ca. vierzigmal pro Arbeitstag vorgenommen.

Jedenfalls ist entgegen der Annahme der [X.]eschwerde der bisherigen Senatsrechtsprechung nicht zu entnehmen, dass nur "[X.]" Aufschluss über die von den [X.]eamten zu leistenden und geleisteten Arbeitszeiten geben könnten. Dafür, dass insoweit "[X.]n" gewissermaßen eine konstitutive [X.]edeutung mit der Folge zukommen sollte, dass andere [X.]eweismittel zur Feststellung der zu leistenden und geleisteten Arbeitszeit ausgeschlossen wären, gibt die von der [X.]eschwerde zitierte Senatsrechtsprechung ([X.]VerwG, Urteile vom 24. April 1980 - 2 [X.] 26.77 - [X.]VerwGE 60, 118 <119 f.> und vom 1. April 2004 - 2 [X.] 14.03 - [X.] 232 § 72 [X.][X.]G Nr. 40 S. 12 ff.; [X.]eschluss vom 16. November 2012 - 2 [X.] 2.12 - [X.], 85 Rn. 10) nichts her. Die Annahme einer solchen konstitutiven [X.]edeutung bedürfte zumindest eines normativen Anknüpfungspunktes und ist andernfalls - wie hier - fernliegend.

bb) Soweit die [X.]eschwerde als Verstoß gegen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO rügt, dass das [X.]erufungsgericht unter [X.]ezugnahme auf die Rechtsprechung des [X.] die Rechtsauffassung vertrete, dass die [X.]erechnung der von den [X.]eamten erbrachten rechtswidrigen Zuvielarbeit konkret - und nicht pauschal - zu ermitteln sei und in diesem Zusammenhang annehme, dass der Kläger mit Einwendungen gegen die Arbeitszeitaufschreibung der [X.]eklagten ausgeschlossen sei, hat sie ebenfalls keinen Erfolg.

(1) Hinsichtlich der von der [X.]eschwerde gerügten konkreten - statt pauschalen - [X.]erechnung der Zuvielarbeit fehlt es bereits an näheren Darlegungen in der [X.]eschwerdebegründung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Unabhängig davon kommt ein [X.] (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) aber auch von vornherein nicht in [X.]etracht. Denn die Frage des Umfangs des vom [X.] aufzuklärenden Sachverhalts ist - wie ausgeführt - von dessen [X.] Standpunkt aus zu beurteilen.

(2) Auch bezüglich der Annahme des [X.]erufungsgerichts, dass der Kläger mit Einwendungen gegen die Arbeitszeitaufschreibung der [X.]eklagten ausgeschlossen sei, liegt kein [X.] (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) vor.

Das [X.]erufungsgericht hat angenommen ([X.]erufungsurteil Rn. 111 ff.), dass der Kläger nach dem auch im öffentlichen Dienstrecht anwendbaren Rechtsgedanken der Verwirkung als Unterfall des Grundsatzes von [X.] und Glauben mit Einwendungen gegen die Arbeitszeitaufschreibung der [X.]eklagten ausgeschlossen sei. Die [X.]eklagte habe den anspruchsberechtigten [X.]eamten ihrer [X.]erufsfeuerwehr mit Schreiben vom 19. Juli 2013 eine Überprüfung zu bei persönlichen Aufzeichnungen festgestellten Unterschieden angeboten. Von dieser Möglichkeit hätten jedoch nur ca. 10 von über 1 600 [X.]eamten Gebrauch gemacht. Nur etwa die Hälfte der [X.]eschwerden sei berechtigt gewesen und habe zu einer Korrektur der [X.]erechnungen geführt. Der Kläger habe keine Einwände erhoben. Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren habe er keine substanziierten Einwendungen gegen seine Arbeitszeitaufschreibung erhoben, sondern auf die Fehleranfälligkeit der Aufschreibung verwiesen, die nach einer Power-Point-Präsentation, die der Personalrat der [X.]eklagten anlässlich einer Personalversammlung (wohl) im Jahr 2013 vorgestellt habe, 5 % betragen solle. Allein mit dem Hinweis auf die - vom [X.]eklagten eingeräumte - Fehleranfälligkeit der Aufschreibung könne der Kläger aber die auf ihn bezogene Aufschreibung nicht als unrichtig in Zweifel ziehen; hierfür hätte es konkreter Einwendungen bedurft. Erstmals mit Schriftsatz vom 22. Juni 2015 habe der Kläger Fehler der [X.] angeführt, ohne diese jedoch nur ansatzweise zu substanziieren. Darüber hinaus hätte der Kläger seine Einwände zeitnah auf das Schreiben der [X.]eklagten vom 19. Juli 2013 vorbringen müssen. Da er dies nicht getan habe, sei davon auszugehen, dass substanziierte Einwendungen nicht vorgebracht werden könnten und diese nach nunmehr fünf Jahren auch nach [X.] und Glauben verwirkt seien, zumal die [X.]eklagte den Kläger mit dem Anerkenntnis dem Grunde nach von der - anderweitig nicht zu erfüllenden - Rügeobliegenheit für die [X.] vor der "[X.]" freigestellt habe.

Auch insoweit liegt ein [X.] (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht vor, weil die Frage des Umfangs des vom [X.] aufzuklärenden Sachverhalts von dessen materiell-rechtlichen Standpunkt aus zu beurteilen ist. Wenn das [X.]erufungsgericht angesichts der festgestellten Umstände eine Verwirkung der Einwendungen gegen die Arbeitszeitaufschreibung annahm, musste es diesen Einwendungen auch nicht im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nachgehen. Vom Rechtsstandpunkt des [X.]erufungsgerichts aus kam es auf die von der [X.]eschwerde vermisste Aufklärung der Frage, ob die Power-Point-Präsentation von der Personalverwaltung oder vom Personalrat erstellt worden ist, nicht an; das [X.]erufungsgericht hat im Übrigen auch nur ausgeführt, dass der Personalrat die Power-Point-Präsentation vorgestellt hat, nicht dagegen, dass er sie erstellt hat.

Abgesehen davon ist auch nicht ersichtlich, dass die Annahme der Verwirkung ihrerseits - etwa wegen eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) - verfahrensfehlerhaft war; deshalb kann dahinstehen, ob dem [X.]eschwerdevorbringen in rechtsschutzfreundlicher Auslegung eine solche Rüge zu entnehmen ist. Angesichts des festgestellten Sachverhalts durfte das [X.]erufungsgericht von der Verwirkung von Einwendungen gegen die Arbeitszeitaufschreibung der [X.]eklagten ausgehen:

Tatbestandlich setzt Verwirkung voraus, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, weil seit der Möglichkeit der Geltendmachung eine längere [X.] verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung unter [X.]erücksichtigung des beim Verpflichteten - oder bei einem Dritten - daraus erwachsenen Vertrauens als Verstoß gegen [X.] und Glauben erscheinen lassen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 7. Februar 1974 - 3 [X.] 115.71 - [X.]VerwGE 44, 339 <343> und vom 12. Dezember 2002 - 7 [X.] 22.02 - [X.] 428 § 18 VermG Nr. 16 S. 26; [X.]eschlüsse vom 7. März 2013 - 4 [X.] 33.12 - [X.]auR 2013, 1101, vom 6. Juni 2014 - 2 [X.] 75.13 - [X.] 449 § 3 SG Nr. 73 Rn. 15, vom 20. Januar 2017 - 8 [X.] 23.16 - [X.] 316 § 41 VwVfG Nr. 8 Rn. 14 und vom 24. Mai 2017 - 1 [X.] 103.17 - juris Rn. 5; zuletzt Urteile vom 15. Juni 2018 - 2 [X.] 19.17 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 87 Rn. 8 und vom 30. August 2018 - 2 [X.] 10.17 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 88 Rn. 21). Das ist dann der Fall, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere [X.] verstrichen ist (sog. [X.]moment) und der [X.]erechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (sog. Umstandsmoment, [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 26. Januar 1972 - 2 [X.]vR 255/67 - [X.]VerfGE 32, 305 <308 f.>; [X.]VerwG, Urteil vom 30. August 2018 - 2 [X.] 10.17 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 88 Rn. 21).

Danach durfte das [X.]erufungsgericht im vorliegenden Fall sowohl ein [X.]moment als auch ein Umstandsmoment und ein [X.] annehmen. Der [X.]raum zwischen dem Schreiben der [X.]eklagten an die [X.]eamten mit dem Angebot einer Überprüfung der für sie in Ansatz gebrachten Daten im Juli 2013 und der Konkretisierung erst im Klageverfahren begründet das [X.]moment. Das Umstandsmoment liegt in der vom [X.]erufungsgericht festgestellten Nichtgeltendmachung von substanziierten Einwendungen des [X.] hinsichtlich der für ihn von der [X.]eklagten angenommenen ([X.]. Und das [X.] schließlich ergibt sich daraus, dass die [X.]eklagte wegen des Untätigbleibens des [X.] sich darauf einrichten konnte, dass insoweit keine Einwendungen mehr erhoben werden würden und sie deshalb auch keine beweissichernden Vorkehrungen treffen musste.

cc) Soweit die [X.]eschwerde als Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) rügt, das [X.]erufungsurteil nehme an, dass der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 22. Juni 2015, [X.], Fehler der [X.] angeführt habe, entsprechende Ausführungen sich aber auf S. 6 dieses Schriftsatzes fänden, hat sie auch damit keinen Erfolg.

Im [X.]erufungsurteil, Rn. 114, heißt es, dass der Kläger erstmals mit Schriftsatz (an das erstinstanzliche Gericht) vom 22. Juni 2015, [X.], Fehler der [X.] angeführt habe, ohne diese jedoch auch nur ansatzweise zu substanziieren. Zwar weist die [X.]eschwerde zutreffend darauf hin, dass sich Ausführungen zu den Kläger betreffenden Fehlern der [X.] nicht auf [X.], sondern auf S. 6 dieses Schriftsatzes finden. [X.]ei der vom [X.]erufungsgericht genannten Seitenzahl handelt es sich jedoch ersichtlich - worauf auch die [X.]eschwerdeerwiderung hinweist - um ein Versehen. Denn zum einen finden sich auf [X.] des Schriftsatzes - der letzten Seite des Schriftsatzes - Ausführungen zu völlig anderen Gegenständen; die Falschbezeichnung im [X.]erufungsurteil erklärt sich zwanglos durch einen Übertragungsfehler der [X.]enennung der Seitenzahl in dem betreffenden Schriftsatz ("Seite 6 von 13 zum Schreiben vom [X.]"). Und zum anderen zeigt die Einordnung des klägerischen Vorbringens, dass das [X.]erufungsgericht dieses Vorbringen zur Kenntnis genommen hat: Das Vorbringen benennt für drei Kalenderjahre wenige Tage, in denen Eintragungen in der Maske bedeuteten, dass der Kläger jeweils nur einen halben Tag gearbeitet habe; hingegen wird weder vorgetragen noch plausibel gemacht, dass diese Eintragungen unzutreffend sind.

Damit liegt der geltend gemachte Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht vor und ist im Übrigen auch kein Gehörsverstoß (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) gegeben.

dd) Auch soweit die [X.]eschwerde als Verstoß gegen den Grundsatz der freien [X.]eweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) die Annahme des [X.]erufungsgerichts rügt, dass der Kläger seine Einwände gegen die Arbeitszeitaufschreibung der [X.]eklagten vom 19. Juli 2013 hätte vorbringen müssen, um die Verwirkung zu vermeiden, kann er damit nicht durchdringen.

Im [X.]erufungsurteil, Rn. 114, heißt es unter Hinweis auf [X.]eschlüsse des [X.], dass der Kläger seine Einwände zeitnah auf das Schreiben des [X.]eklagten vom 19. Juli 2013 hätte vorbringen müssen und das Unterbleiben solcher Einwände zeige, dass substanziierte Einwände nicht vorgebracht werden könnten und nunmehr auch nach [X.] und Glauben verwirkt seien. Zwar ist der [X.]eschwerde darin zuzustimmen, dass der Schriftsatz der [X.]eklagten vom 27. März 2015 detailliertere Informationen zu den Dienstzeiten des [X.] im streitgegenständlichen [X.]raum enthielt als das an den Kläger gerichtete Schreiben vom 19. Juli 2013. Gleichwohl wäre es dem Kläger auch nach dem Schreiben vom 19. Juli 2013 - wenn auch mit höherem eigenen Aufwand - möglich gewesen, Einwendungen gegen die von der [X.]eklagten zugrunde gelegten ([X.] zu erheben. Zum einen hätte er anhand seiner [X.]ezügemitteilungen den Umfang der von ihm geleisteten Arbeitszeiten überprüfen können. Zum anderen hätte er, wenn er die Informationen im Schreiben der [X.]eklagten vom 19. Juli 2013 für zu unkonkret gehalten hätte, auch an die [X.]eklagte mit der Aufforderung zur Konkretisierung herantreten können. Vor diesem Hintergrund ist es nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der freien [X.]eweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) zu werten und damit als verfahrensfehlerhaft zu beanstanden, wenn das [X.]erufungsgericht von der Möglichkeit des [X.] ausgeht, bereits nach dem Schreiben vom 19. Juli 2013 Einwendungen gegen die von der [X.]eklagten für ihn zugrunde gelegten ([X.] zu erheben. Dass es dies außerdem für rechtlich geboten und aus dem Unterlassen die rechtliche Konsequenz der Verwirkung gezogen hat, betrifft materielles Recht, nicht Verfahrensrecht.

ee) Soweit die [X.]eschwerde schließlich als Verstoß gegen den Grundsatz der freien [X.]eweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) rügt, dass das [X.]erufungsgericht hinsichtlich der vom Kläger geleisteten Zuvielarbeit und der deshalb an den Kläger zu leistenden Entschädigung entgegen Art. 6 [X.]uchst. b der Richtlinie 2003/88/[X.] im Einzelnen benannte Siebentageszeiträume außer [X.]etracht gelassen habe, hat sie auch damit keinen Erfolg.

Das [X.]erufungsgericht hat bei der [X.]erechnung des Umfangs der vom Kläger geleisteten Arbeitszeit darauf abgestellt, ob er in den einzelnen Wochen des streitgegenständlichen [X.]raums - als den unionsrechtlich maßgeblichen Siebentageszeiträumen - mehr als die unionsrechtlich zulässige [X.] von 48 Stunden tatsächlich Dienst geleistet hat. Die [X.]eschwerde meint demgegenüber, dass stattdessen durchweg auf die Sollarbeitszeit abzustellen sei und damit auch die an Krankheits- und Urlaubstagen tatsächlich nicht geleisteten Arbeitsstunden als Arbeitszeit zu qualifizieren seien und einen Ausgleichsanspruch wegen Zuvielarbeit begründen könnten. Dies leitet sie aus Formulierungen im Senatsurteil vom 20. Juli 2017 - 2 [X.] 31.16 - ([X.]VerwGE 159, 245 Rn. 57) ab.

Ungeachtet dessen, ob bei [X.] Verständnis der [X.]eschwerde der dann gegebene Rechtsanwendungsfehler des [X.]erufungsgerichts zugleich ein Verfahrensfehler in Gestalt eines Verstoßes gegen den Grundsatz der freien [X.]eweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) wäre, missversteht die [X.]eschwerde das Senatsurteil vom 20. Juli 2017 - 2 [X.] 31.16 - ([X.]VerwGE 159, 245 Rn. 57):

Es ist zwischen der Ermittlung der Arbeitszeit im [X.]ezugszeitraum einerseits und in einem möglichen Ausgleichszeitraum in einem erweiterten [X.]ezugszeitraum anderseits zu unterscheiden: Zunächst ist die Arbeitszeit im [X.]ezugszeitraum zu ermitteln. [X.]ezugszeitraum ist grundsätzlich eine Woche als der [X.]raum für die unionsrechtlich zulässige [X.] von 48 Stunden (vgl. Art. 6 [X.]uchst. b der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. November 2003 - [X.] 2003/88/[X.] - Abl. L 299/9 vom 18. November 2003). Soweit ein Mitgliedstaat von seiner [X.]efugnis nach Art. 16 [X.]uchst. b [X.] 2003/88/[X.] Gebrauch gemacht hat, einen erweiterten [X.]ezugszeitraum ("bis zu vier Monaten") festzulegen, ist in einem zweiten Schritt zu ermitteln, ob einzelne Überschreitungen der zulässigen wöchentlichen Höchstarbeitszeit durch entsprechend geringere Arbeitszeiten in anderen Wochen des erweiterten [X.]ezugszeitraums ausgeglichen sind. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann ein Anspruch auf finanzielle Abgeltung von unionsrechtswidriger Zuvielarbeit entstehen. Allerdings bleiben bei der Ermittlung der Arbeitszeiten in einem erweiterten [X.]ezugszeitraum und damit bei der [X.]erechnung des Durchschnitts der über eine Woche hinausgehenden Arbeitszeit Urlaubs- und Krankheitszeiten "unberücksichtigt oder sind neutral" (Art. 16 [X.]uchst. b Satz 2 [X.] 2003/88/[X.]). Das bedeutet, dass im ersten Schritt - der [X.]erechnung der Arbeitszeit im Siebentageszeitraum einer Woche - stets und ausschließlich auf die tatsächlich geleistete Arbeitszeit abzustellen ist. [X.]leibt diese unter der Höchstgrenze von 48 Stunden - und sei es "nur" wegen Urlaub oder Krankheit -, kann insoweit kein Ausgleichsanspruch wegen Zuvielarbeit entstehen. Überschreitet hingegen eine tatsächlich geleistete [X.] die Höchstgrenze von 48 Stunden, kann ein Anspruch wegen Zuvielarbeit nur dann entstehen, wenn entweder der Mitgliedstaat nicht von der ihm nach Art. 16 [X.] 2003/88/[X.] eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, einen längeren [X.]ezugszeitraum vorzusehen, oder wenn sich auch im längeren [X.]ezugszeitraum im Durchschnitt eine Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit ergibt. [X.]ei der [X.]erechnung dieses Durchschnitts sind Urlaubs- und Krankheitstage neutral, d.h. sie können nicht zur Senkung der durchschnittlichen [X.] führen. Deshalb sind Urlaubs- und Krankheitstage bei der [X.]erechnung dieses Durchschnitts mit den Sollarbeitszeiten und nicht mit dem [X.] Null anzusetzen. Diese - sich unmittelbar aus der Richtlinie 2003/88/[X.] ergebende - [X.]etrachtung liegt auch den bisherigen in diesem Kontext ergangenen Entscheidungen des [X.] zugrunde (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 17. September 2015 - 2 [X.] 26.14 - [X.] 232.0 § 87 [X.][X.]G Nr. 1 Rn. 62 ff., vom 20. Juli 2017 - 2 [X.] 31.16 - [X.]VerwGE 159, 245 Rn. 57 ff., vom 19. April 2018 - 2 [X.] 40.17 - [X.]VerwGE 161, 377 Rn. 43 und vom 9. Mai 2018 - 8 [X.] 13.17 - NVwZ 2019, 566 Rn. 24 f.).

Dementsprechend hat das [X.]erufungsgericht im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei die von der [X.]eschwerde angeführten 27 Wochen als nicht ausgleichspflichtig angesehen. Denn die vom Kläger in diesen Wochen geleistete Arbeitszeit hat die wöchentliche Höchstgrenze von 48 Stunden nicht überschritten. Dass dies "nur" wegen der Urlaubs- oder Krankheitstage in diesen Wochen der Fall war, ist unerheblich. Im fraglichen [X.]raum gab es - wie das [X.]erufungsgericht an anderer Stelle ausführt (vgl. [X.]erufungsurteil Rn. 104) - im Freistaat [X.]ayern noch keine Erweiterung des [X.]ezugszeitraums und deshalb auch noch keine Möglichkeit, einen Durchschnittswert der [X.] über einen solchermaßen erweiterten [X.]ezugszeitraum zu bilden.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Meta

2 B 68/18

25.06.2019

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 25. Juli 2018, Az: 3 BV 15.1810, Urteil

Art 16 Buchst b S 2 EGRL 88/2003, Art 6 Buchst b EGRL 88/2003, § 108 Abs 1 S 1 VwGO, § 86 Abs 1 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.06.2019, Az. 2 B 68/18 (REWIS RS 2019, 6108)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 6108

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