Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.02.2013, Az. XI ZR 82/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8118

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
XI [X.]
Verkündet am:
19. Februar 2013
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 765, 138 Bc
Bei [X.], bei denen sich die Haftung für [X.] lediglich nach der [X.] und nicht nach der höheren Haupt-schuld richtet, ist Maßstab der [X.]en finanziellen Überforderung des dem Hauptschuldner persönlich besonders nahe stehenden Bürgen die vertragliche Zinslast aus der [X.] und nicht aus der höheren Hauptschuld (Fortführung [X.], Urteile vom 14.
Mai 2002 -
XI
ZR 50/01, [X.]Z 151, 34, 38, vom 28.
Mai 2002 -
XI
ZR 199/01, [X.], 1647, 1648, vom 3.
Dezember 2002 -
XI
ZR 311/01, [X.], 157, 158, vom 25.
Januar 2005 -
XI
ZR 28/04, WM
2005, 421, 422
f. und vom 24.
November 2009 -
XI
ZR 332/08, WM
2010, 32 Rn.
13).
[X.], Urteil vom 19. Februar 2013 -
XI [X.] -
OLG Zweibrücken

[X.]

-
2
-
Der XI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19.
Februar 2013 durch [X.] [X.], die
Richter Dr.
Grüneberg, [X.] und [X.] sowie
die Richterin Dr.
Menges

für Recht erkannt:
Auf die
Revision des [X.]n
wird das Urteil des 7.
Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
vom 24.
Januar 2011
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, eine Sparkasse, nimmt den [X.]n aus einer [X.] in Anspruch.
Die Klägerin
gewährte der damaligen Lebensgefährtin des [X.] für die Finanzierung
des Erwerbs
eines (Haus-)Grundstücks ein [X.] über 160.000
DM zu einem
Zinssatz von 5% p.a. und ein Darlehen über 200.000
DM zu einem Zinssatz von 5,5% p.a.
Neben weiteren von der Darle-hensnehmerin gestellten Sicherheiten übernahm der [X.], der niemandem unterhaltspflichtig war und zu diesem Zeitpunkt über ein Arbeitseinkommen
von 1
2
-
3
-
netto 2.500
DM verfügte,
eine Höchstbetragsbürgschaft über 93.000
DM. Nach Kündigung der Darlehen nahm die Klägerin den [X.]n als Bürgen in [X.].
Das [X.] hat die Klage auf den Einwand des [X.]n, das Rechtsgeschäft sei wegen seiner [X.]en finanziellen Überforderung sittenwid-rig und nichtig, abgewiesen, wobei es das pfändbare Einkommen
des Beklag-ten
bei Übernahme der Höchstbetragsbürgschaft
(vom [X.] unterstellt monatlich 1.291
DM) zu der laufenden Zinsverpflichtung aus den Darlehen (monatlich 1.584
DM) ins Verhältnis gesetzt hat.
Auf die Berufung der Klägerin
hat das Berufungsgericht den [X.]n zur Zahlung des Höchstbetrages nebst Zinsen verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Senat nach Gewährung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nicht-zulassungsbeschwerde
zugelassene Revision des [X.]n.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Der von den Parteien geschlossene Bürgschaftsvertrag sei nicht wegen einer [X.]en finanziellen Überforderung sittenwidrig und nichtig. Bei der Frage, 3
4
5
6
-
4
-
ob der Bürge, der eine Höchstbetragsbürgschaft übernehme, finanziell [X.] überfordert sei, sei nicht die monatliche Zinsbelastung aus der Gesamtdarle-henssumme, sondern die
den [X.]n neben der [X.] höchs-tens treffende zusätzliche Belastung mit Verzugszinsen -
im konkreten Fall höchstens 581,25
DM monatlich
-
zu berücksichtigen. Da dieser Betrag unter dem pfändbaren Betrag seines monatlichen Arbeitseinkommens gelegen habe, habe ihn die Übernahme der Bürgschaft nicht überfordert. Zu einer Überrumpe-lung bei Abschluss des [X.] habe er
nicht "plausibel"
vorge-tragen.

II.
Dies hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings eine [X.] finanzielle Überforderung des [X.]n und eine daraus resultierende Nich-tigkeit des [X.] verneint.
a) Nach gefestigter Rechtsprechung des erkennenden Senats liegt eine [X.]e finanzielle Überforderung eines Bürgen bei nicht ganz geringen Bank-schulden grundsätzlich vor, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die von den [X.] festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft allein tragen kann
oder -
anders gewendet
-
wenn eine auf den Zeit-punkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung bezogene
Prognose ergibt, dass der Bürge allein voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, auf Dauer die lau-fenden Zinsen der gesicherten Forderung mit Hilfe des pfändbaren Teils seines Einkommens und Vermögens aufzubringen. In diesem Fall ist nach der allge-7
8
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-
5
-
meinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, dass der dem Hauptschuldner persönlich besonders nahe stehende Bürge die ihn vielleicht bis an das Lebensende übermäßig finanziell belastende Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuld-ner gestellt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (Senatsurteile vom 14.
Oktober 2003 -
XI
ZR
121/02, [X.]Z
156, 302, 306,
vom 28.
Mai 2002 -
XI
ZR
205/01, [X.], 1649, 1651,
vom 25.
April 2006 -
XI
ZR
330/05, FamRZ
2006, 1024, 1025,
vom 16.
Juni 2009 -
XI
ZR
539/07, WM
2009, 1460 Rn.
18 und vom 24.
November 2009 -
XI
ZR
332/08, WM
2010, 32 Rn.
11 mwN).
b) Diese Grundsätze gelten bei [X.] allerdings entgegen der vom
[X.] vertretenen Auffassung mit der Einschränkung, dass sich die [X.]e finanzielle Überforderung aus dem Verhältnis des pfändba-ren Teils des laufenden Einkommens zur Zinslast nur aus der [X.] und nicht aus der gesamten Hauptschuld ergeben muss. Der Senat hat die Frage, ob insoweit auf die Zinslast nur aus der [X.] oder aber aus einer je nach Einzelfall höheren Hauptschuld abzustellen ist, bislang nicht ausdrücklich entscheiden müssen, weil sie in den von ihm zu beurteilen-den Sachverhalten -
anders als hier
-
nicht entscheidungserheblich war
(Se-natsurteile vom 14.
Mai 2002 -
XI
ZR
50/01, [X.]Z
151, 34, 38,
vom 28.
Mai 2002 -
XI
ZR
199/01, WM
2002, 1647, 1648,
vom 3.
Dezember 2002 -
XI
ZR
311/01, BKR
2003, 157, 158,
vom 25.
Januar 2005 -
XI
ZR
28/04, WM
2005, 421, 422
f.
und vom 24.
November 2009
-
XI
ZR
332/08, WM
2010, 32 Rn.
13). Sie ist im ersten Sinne zu beantworten (so ohne weitere Begründung auch [X.] in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4.
Aufl., §
91 Rn.
93; [X.], Kommentar zum Kreditrecht, 2.
Aufl., §
765 Rn.
82;
[X.]/[X.], [X.], Neubearb.
2013, §
765 Rn.
41). Das Berufungsgericht hat das Bürgschaftsformular dahin ausgelegt, die auch absolut auf den [X.]
-
6
-
betrag begrenzte (vgl.
[X.], Urteil vom 18.
Juli 2002 -
IX
ZR
294/00, [X.]Z 151, 374, 383) Haftung für Nebenforderungen richte
sich nach der [X.] und nicht nach der höheren Hauptschuld. Eine andere als diese von den Parteien im Revisionsverfahren hingenommene Auslegung ist
mit dem Sinn der Höchstbetragsbürgschaft, die
das Risiko für den Bürgen in überschaubaren Grenzen halten soll, und damit mit den wohlverstandenen Interessen beider Parteien nicht zu vereinbaren. Der Bürge hat bei Übernahme einer [X.] die berechtigte Erwartung, dass sich nicht nur seine Haftung für die Hauptforderung, sondern auch seine Haftung für die Nebenforderungen wie insbesondere für Zinsen nach der [X.] und nicht nach der [X.] wesentlich höheren Hauptschuld richtet. Dem stehen schutzwürdige Interessen des Gläubigers nicht entgegen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen traf den [X.]n eine Zinslast von 5% jährlich aus 93.000
DM
oder jährlich 4.650
DM
bzw. eine monatliche [X.] von 387,50
DM
(vgl. Senatsurteil vom 3.
Dezember 2002 -
XI
ZR 311/01, BKR
2003, 157, 158). Zinsen in dieser Höhe
konnte
der [X.] aus einem pfändbaren Betrag seines Arbeitseinkommens von richtig monatlich 903,70
DM gemäß der [X.] gültigen Anlage zu §
850c ZPO ohne weiteres aufbrin-gen, so dass er bei Übernahme der Bürgschaft nicht [X.] finanziell überfordert war.
2. Die Revision hat indessen mit einer in Übereinstimmung mit §
551 Abs.
3 Satz
1 Nr.
2 Buchst.
b ZPO begründeten Verfahrensrüge Erfolg, weil das Berufungsgericht einen erheblichen Beweisantrag des [X.]n auf Verneh-mung zweier Zeugen zu den näheren Umständen des Zustandekommens des [X.] unter Verstoß gegen §
286 ZPO
übergangen hat.

11
12
-
7
-
a) Der insoweit für die Voraussetzungen einer Nichtigkeit des [X.] nach §
138 [X.] umfassend darlegungs-
und beweispflichtige
[X.]
hat zu besonders erschwerenden, der Klägerin zurechenbaren und auch ohne [X.]e finanzielle Überforderung zu einer Sittenwidrigkeit des ihn finanziell belastenden Rechtsgeschäfts führenden Umständen bei Abschluss des [X.] -
Beeinträchtigung seiner Willensbildung und [X.] durch Schaffung einer seelischen Zwangslage bzw. durch Ausübung unzulässigen Drucks (vgl. Senatsurteile vom 17.
September 2002 -
XI
ZR
306/01, ZIP
2002, 2249, 2252 und vom 28.
Mai 2002 -
XI
ZR
199/01, WM
2002, 1647, 1649; [X.]/Beule/[X.], Handbuch des Fachanwalts Bank-
und Kapitalmarktrecht, 3.
Aufl., Kap.
5 Rn.
316)
-
in erster und zweiter Instanz unter Beweisantritt vorgetragen. Er hat geltend gemacht, die Klägerin habe zur Sicherung der Darlehensverbindlichkeit seiner früheren Lebensgefährtin die Stellung einer Bürgschaft zunächst nicht verlangt. Erst nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages habe ein Mitarbeiter der Klägerin den [X.]n, der bei der Unterzeichnung der Darlehensverträge zugegen gewesen sei, zur Übernahme einer Bürgschaft mit dem Bemerken aufgefordert, die Gewährung der Darlehen, auf die seine Lebensgefährtin zur Finanzierung des Kaufpreises angewiesen gewesen sei, hänge von der Übernahme der Bürgschaft ab. Er habe daraufhin aus emotionaler Verbundenheit zu seiner Le-bensgefährtin die Bürgschaft übernommen. Zum Beweis der Richtigkeit dieses Vorbringens
hat er seine Lebensgefährtin und den Mitarbeiter der Klägerin als Zeugen benannt.
b) Das Berufungsgericht hat sich mit diesen Beweisangeboten
nicht be-fasst, sondern bei der Entscheidung der Frage, ob das Vorbringen des Beklag-ten "plausibel"
sei, allein auf die vorgelegten schriftlichen Unterlagen Bezug genommen. Das Nichterwähnen der vom [X.]n benannten Zeugen
lässt sich nur damit erklären, das Berufungsgericht habe den Vortrag nicht zur 13
14
-
8
-
Kenntnis genommen und sich -
wie aber von §
286 ZPO geboten und einer Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich (vgl. Senatsurteil vom 8.
Mai 2012 -
XI
ZR 262/10, [X.]Z
193, 159 Rn.
37
ff.; [X.], Urteil vom 11.
September 2012 -
VI
ZR
92/11, WM
2012, 2195 Rn.
19 mwN)
-
mit dem [X.] nicht umfassend auseinandergesetzt.

c) Das Berufungsurteil beruht auf dem [X.] (§
545 Abs.
1 ZPO). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte, weil der [X.] den Nachweis einer Überrumpelung bei Abschluss des [X.] mit den von ihm angebotenen Zeugen möglicherweise geführt hätte.

15
-
9
-
III.
Das angefochtene Urteil
ist
daher aufzuheben (§
562 ZPO) und die nicht zur Endentscheidung reife Sache ist zur anderweiten Verhandlung und [X.] an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz
1 ZPO), das Gelegenheit erhält, die Beweiserhebung nachzuholen.

[X.]
Grüneberg
[X.]

[X.]
Menges
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.10.2009 -
2 O 734/08 -

OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 24.01.2011 -
7 [X.]/09 -

16

Meta

XI ZR 82/11

19.02.2013

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.02.2013, Az. XI ZR 82/11 (REWIS RS 2013, 8118)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8118

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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