Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.02.2023, Az. 2 ARs 490/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 625

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Gegenstand

Zuständigkeit der Vollstreckung einer Jugendstrafe


Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts [X.]. vom 11. August 2022 – 80 VRJs 120/18 jug – wird aufgehoben, soweit darin die weitere Vollstreckung der Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts [X.]. vom 19. November 2018 – 30 [X.] jug – in Verbindung mit dem Widerrufsbeschluss vom 23. März 2022 – [X.].: [X.] [X.] jug – an den Jugendrichter beim [X.] abgegeben worden ist.

2. Für die weitere Vollstreckung der Jugendstrafe aus dem vorbezeichneten Urteil ist das Amtsgericht [X.]. zuständig.

Gründe

1

1. Die Amtsgerichte [X.] und [X.]. streiten um die Zuständigkeit der Vollstreckung der Jugendstrafe gegen den Verurteilten aus dem Urteil des Amtsgerichts [X.]. vom 19. November 2018.

2

2. Der [X.] ist als gemeinschaftliches oberes Gericht der Amtsgerichte [X.]. ([X.]) und [X.] ([X.]) gemäß § 14 StPO zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonflikts berufen. Eine Zuständigkeit des [X.] besteht nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Februar 2022 – 2 [X.], juris, Rn. 8; BayObLG, Beschluss vom 16. Mai 2019 – 201 [X.], juris, Rn. 3 ff.).

3

3. Für die weitere Vollstreckung der Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts [X.]. vom 19. November 2018 in Verbindung mit dem Widerrufsbeschluss vom 23. März 2022 ist gemäß § 84 Abs. 1 JGG das Amtsgericht [X.]. örtlich zuständig.

4

Der [X.] hat u.a. in seiner Zuschrift vom 15. November 2022 ausgeführt:

„a) Die Zuständigkeit für die Vollstreckung der Jugendstrafe ist nicht gemäß § 85 Abs. 2 Satz 1 JGG auf das Amtsgericht [X.] übergegangen. Nach dieser Vorschrift findet ein Übergang der Zuständigkeit kraft Gesetzes auf den der Vollzugsanstalt zugeordneten Jugendrichter nur dann statt, wenn Jugendstrafe in einer Jugendstrafanstalt vollzogen wird. Wird die Jugendstrafe hingegen - wie hier - nach den Vorschriften des Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen, so verbleibt die Zuständigkeit bei dem ursprünglichen [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Oktober 1976 - 2 [X.] 347/76 -, juris Rn. 4 [= [X.]St 27, 25]; Beschluss vom 5. Dezember 1980 - 2 [X.] 336/80 -, juris, Rn. 1 [= [X.]St 30, 9]; Beschluss vom 3. Juli 1987 - 2 [X.] 112/87 -, juris, Rn. 1; Beschluss vom 2. Juli 2008 - 2 [X.] 217/08 -, juris, Rn. 3; Beschluss vom 11. April 2017 - 2 [X.] 436/16 -, juris, Rn. 9).

b) Die Zuständigkeit für die Vollstreckung der Jugendstrafe durfte dem Amtsgericht [X.] auch nicht durch Beschluss des [X.]s des Amtsgerichts [X.] OPf. auf Grundlage von § 85 Abs. 5 JGG übertragen werden.

aa) Nach dieser Bestimmung kann der [X.] die Vollstreckung aus wichtigen Gründen widerruflich an einen sonst nicht oder nicht mehr zuständigen Jugendrichter abgeben. Die Entscheidung über die Abgabe ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen („kann“). Für dessen Ausübung sind im wesentlichen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte maßgebend, bei denen es stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. Der Gesichtspunkt der [X.] kann zwar ein wichtiger Grund sein, der die Abgabe der Vollstreckung rechtfertigt. Dies gilt aber nur, wenn er sich auch im konkreten Einzelfall nach Abwägung aller Umstände als stichhaltig erweist (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Dezember 1980 - 2 [X.] 336/80 -, juris, Rn. 1 [= [X.]St 30, 9]; Beschluss vom 21. Januar 2004 - 2 [X.] 418/03 -, juris Rn. 8; Beschluss vom 21. August 2019 - 2 [X.] 16/19 -, juris Rn. 2; [X.], Beschluss vom 26. Juli 2002 - 3 Ws 778/02 -, juris).

bb) In vorliegender Sache erweist sich die Abgabe der Vollstreckung indes bei gebotener Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls trotz der [X.] des Amtsgerichts [X.] als unzweckmäßig und damit als ermessensfehlerhaft:

Das Amtsgericht [X.]OPf. war bereits im Rahmen des Erkenntnisverfahrens und der nachfolgenden Bewährungsüberwachung mit der Person des Verurteilten befasst. Der dort als [X.] zuständige Jugendrichter ist in die Sache eingearbeitet; er hat den Verurteilten am 21. März 2022 persönlich zum [X.] angehört […] und sich im Zuge der Entscheidung über die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug auch schon ein Bild vom bisherigen Vollzugsverlauf und dem Vollzugsverhalten des Verurteilten verschafft […]. Es wäre nicht sachgerecht, das dabei gewonnene Erfahrungswissen ungenutzt zu lassen und die weitere Vollstreckung der Jugendstrafe dem Jugendrichter des Amtsgerichts [X.] zu übertragen, der bislang mit der Sache nicht befasst war und mit der Person des Verurteilten nicht vertraut ist.

Hinzu kommt, dass der Verurteilte seinen Lebensmittelpunkt schon seit vielen Jahren in [X.] im Bezirk des Amtsgerichts [X.]OPf. hat, wo auch seine Familie lebt […]. Es ist davon auszugehen, dass er nach seiner Haftentlassung dorthin zurückkehren wird. Im Falle einer Reststrafenaussetzung zur Bewährung müsste die Bewährungsüberwachung also wieder durch das Amtsgericht [X.]OPf. erfolgen, so dass bei Abgabe der Sache an das Amtsgericht [X.] ein erneuter [X.] zu erwarten stünde.

Im Übrigen beträgt die einfache Wegstrecke zwischen dem Amtsgericht [X.]OPf. und der Justizvollzugsanstalt St. Georgen-[X.] auch nur rund 100 km. Bei dieser Entfernung ist eine Vorführung des Verurteilten zu Anhörungen jederzeit ohne besonderen Aufwand möglich. Vor diesem Hintergrund ist der Gesichtspunkt der [X.] des Amtsgerichts [X.] nicht von solchem Gewicht, dass er die der Abgabe entgegenstehenden Belange überwiegen könnte.

c) Es verbleibt somit bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts [X.]Opf., dessen Abgabebeschluss vom 11. August 2022 aus Gründen der Klarstellung aufzuheben ist.“

5

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

[X.]     

      

Zeng     

      

Meyberg

      

Grube     

      

Schmidt     

      

Meta

2 ARs 490/22

15.02.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: ARs

§ 85 Abs 2 S 1 JGG, § 85 Abs 5 JGG, § 14 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.02.2023, Az. 2 ARs 490/22 (REWIS RS 2023, 625)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 625

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