Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.09.2018, Az. 4 StR 78/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 3348

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Gegenstand

Einziehung von Taterträgen beim Absatz von Betäubungsmitteln


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 12. September 2017 dahin geändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 17.950 Euro angeordnet wird.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 15 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, von der drei Monate als vollstreckt gelten. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Des Weiteren hat es die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 1.250 Euro angeordnet. Mit ihrer ausdrücklich auf die Einziehungsentscheidung beschränkten Revision, die mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet ist und vom [X.] vertreten wird, beanstandet die Staatsanwaltschaft die [X.] in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe.

2

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

3

Nach den Feststellungen - soweit für den Rechtsmittelangriff der Staatsanwaltschaft von Belang - kaufte der Angeklagte, der zuvor bereits ein Veräußerungsgeschäft von Marihuana zwischen seinem Lieferanten und einem Abnehmer vermittelt hatte, in der [X.] vom 9. April bis 9. Juli 2009 in fünf Fällen bei seinem Lieferanten Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % THC in [X.] von 500 Gramm, dreimal einem Kilogramm und zwei Kilogramm, die er anschließend an verschiedene Abnehmer übergab. Die für den Erwerb der [X.] an den Lieferanten entrichteten Geldbeträge - 1.500, zweimal 3.000, 3.200 und 6.000 Euro - hatte er zuvor von seinen jeweiligen Abnehmern erhalten. Für die Vermittlung der [X.] erhielt der Angeklagte vom Lieferanten Provisionen in Höhe von insgesamt 400 Euro. Aus vom Revisionsangriff nicht betroffenen Taten flossen ihm weitere 850 Euro zu.

4

Das [X.] hat bei der Entscheidung über die Einziehung des Wertes von [X.] in den beanstandeten Fällen allein auf die vom Angeklagten erlangten Provisionszahlungen abgestellt. Die von den Abnehmern übergebenen Geldbeträge hat es unberücksichtigt gelassen, weil die nach alter Rechtslage zur Vermeidung unbilliger Härten bestehende Korrekturmöglichkeit über die Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB aF infolge der Gesetzesänderung nicht mehr gegeben sei.

II.

5

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist ausweislich der Ausführungen in der [X.], die sich ausschließlich gegen die Höhe der [X.] in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe richten, über die ausdrücklich erklärte [X.] hinaus auf die Einziehungsentscheidung in den genannten Fällen beschränkt. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage der Einziehung von [X.] oder deren Wert ist nach der Rechtsprechung des [X.] wirksam (vgl. [X.], Urteile vom 15. Mai 2018 - 1 [X.], NStZ-RR 2018, 241; vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18 Rn. 1). Gegen eine Anfechtung der Einziehungsentscheidung nur bezüglich eines Teils der abgeurteilten Taten bestehen unter dem Gesichtspunkt der Trennbarkeit (vgl. [X.]/[X.], 7. Aufl., § 344 Rn. 6 mwN) ebenfalls keine Bedenken, da die Voraussetzungen der Einziehung von [X.] aus verschiedenen Taten unabhängig voneinander beurteilt werden können.

6

2. Das Rechtsmittel ist begründet. Die Einziehungsentscheidung in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand, weil die [X.] die dem Angeklagten von seinen Abnehmern zugeflossenen Geldbeträge zu Unrecht bei der Anordnung der Einziehung des Wertes von [X.] nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB außer [X.] gelassen hat.

7

a) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Abschöpfung von [X.] in den vorliegenden Fällen aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 [X.] nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 ([X.]) neu gefassten Vorschriften des Strafgesetzbuches beurteilt. Die Anwendung der Neuregelung auf bereits vor deren Inkrafttreten am 1. Juli 2017 begangene Taten begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. [X.], Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 [X.] aaO; Beschlüsse vom 22. März 2018 - 3 StR 42/18, [X.], 400; vom 22. März 2018 - 3 StR 577/17; vgl. auch BT-Drucks. 18/11640, S. 84).

8

b) Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegen Vermögensgegenstände, die der Täter durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat, der Einziehung. „Durch“ die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist ein Vermögenswert - nicht anders als „aus“ der Tat unter Geltung des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aF -, wenn er dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des [X.] derart zugeflossen ist, dass er der faktischen Verfügungsgewalt des [X.] unterliegt. Da es sich bei dem [X.] um einen tatsächlichen Vorgang handelt, kommt es auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse nicht an (vgl. [X.], Urteile vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623 und 624/17 Rn. 8; vom 2. Juli 2015 - 3 [X.], [X.], 310; vom 28. Oktober 2010 - 4 [X.], [X.]St 56, 39, 45 f.; vom 4. Februar 2009 - 2 [X.], [X.]St 53, 179, 180).

9

Nach diesen Grundsätzen werden bei einem Absatz von Betäubungsmitteln in einer Handelskette von einem als Zwischenhändler oder - wie der Angeklagte - als selbständiger Vermittler agierenden Täter auch solche Geldbeträge wirtschaftlich erlangt, die er von seinem Abnehmer vereinnahmt und in der Folgezeit an den Lieferanten weitergibt (vgl. [X.], Urteile vom 4. Februar 2009 - 2 [X.] aaO; vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, [X.]St 51, 65, 68; vom 12. August 2003 - 1 [X.], [X.], 440; [X.], BtMG, 5. Aufl., § 33 Rn. 79). Denn die vereinnahmten Geldbeträge sind dem Vermögen des [X.] so zugeflossen, dass er jedenfalls vorübergehend die tatsächliche Verfügungsgewalt über sie ausüben konnte. Danach erlangte der Angeklagte in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe - wovon auch die [X.] ausgegangen ist - nicht nur die erhaltenen Provisionen, sondern auch die von den Abnehmern vereinnahmten Geldbeträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Die Ausnahmekonstellation eines nur kurzfristigen, für einen anderen ausgeübten Besitzes (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18 Rn. 12; Beschluss vom 27. Oktober 2009 - 5 [X.], [X.]R StGB § 73 Erlangtes 9) oder einer lediglich botenmäßigen Weiterleitung des [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2011 - 4 StR 25/11) liegt nicht vor.

c) Sind die Voraussetzungen der Einziehung von [X.] nach § 73 Abs. 1 StGB oder einer hieran anknüpfenden Wertersatzeinziehung gemäß § 73c StGB erfüllt, sieht die gesetzliche Regelung die Anordnung der entsprechenden Vermögensabschöpfung zwingend vor, sofern kein [X.] des § 73e StGB gegeben ist (vgl. [X.], Urteil vom 15. Mai 2018 - 1 [X.] aaO). Ist dies - wie hier - nicht der Fall, muss der Tatrichter die [X.] treffen. Eine Möglichkeit, hiervon abzusehen, räumt ihm das Gesetz nicht ein. Die [X.] war daher nicht befugt, hinsichtlich der in den Fällen II.1 Anklagepunkt 2 bis 6 der Urteilsgründe vereinnahmten Geldbeträge teilweise von der Anordnung der Einziehung des Wertes von [X.] abzusehen.

Entgegen der Auffassung der [X.] wird der Angeklagte zudem durch die Anwendung des neuen Vermögensabschöpfungsrechts, das anstelle der aufgehobenen, vormals im Erkenntnisverfahren zu prüfenden Härtevorschrift des § 73c StGB aF mit der Regelung des § 459g Abs. 5 StPO eine entsprechende Verhältnismäßigkeitsprüfung im Vollstreckungsverfahren vorsieht, im Ergebnis nicht schlechter gestellt. Für den Fall, dass der Wert des [X.] nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist, stellt sich die Neuregelung für ihn sogar günstiger dar, weil nach § 459g Abs. 5 Satz 1 StPO eine Vollstreckung der [X.] zwingend zu unterbleiben hat (vgl. [X.], Beschluss vom 22. März 2018 - 3 StR 577/17).

d) Da die Regelungen der § 73 Abs. 1, § 73c StGB die Anordnung der Einziehung des Wertes von [X.] als zwingende Rechtsfolge vorsehen, kann der Senat auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst in der Sache entscheiden (vgl. [X.]/[X.], 26. Aufl., § 354 Rn. 12; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 354 Rn. 38) und die Einziehung des Wertes von [X.] in Höhe von 17.950 Euro anordnen.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

[X.]

        

Bender     

        

Quentin     

        

Meta

4 StR 78/18

27.09.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Dortmund, 12. September 2017, Az: 6 Ss 49/18

§ 29 BtMG, § 29a BtMG, § 73 Abs 1 StGB, § 73c StGB, § 73e StPO, § 354 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.09.2018, Az. 4 StR 78/18 (REWIS RS 2018, 3348)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3348

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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