Bundessozialgericht, Urteil vom 19.09.2013, Az. B 3 KR 31/12 R

3. Senat | REWIS RS 2013, 2627

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung - keine Hemmung der Verjährung des Rückzahlungsanspruchs einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus durch die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung einer bereits beglichenen Krankenhausrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung


Leitsatz

Die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung einer bereits beglichenen Krankenhausrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung hemmt nicht die Verjährung des aus einer Überzahlung resultierenden Erstattungsanspruchs der Krankenkasse gegen den Krankenhausträger.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des [X.] vom 16. Mai 2012 - [X.] 115/10 - und des [X.] vom 21. April 2010 geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 723,21 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 24. April 2009 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 723,21 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

In dem von der klagenden Gesellschaft betriebenen Krankenhaus wurde der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patient [X.] (Versicherter) in der [X.] vom 28.1. bis zum [X.] wegen eines Herzinfarkts behandelt. [X.]as Krankenhaus kodierte die Hauptdiagnose [X.] (akuter Myokardinfarkt, nicht näher bezeichnet) sowie die [X.] [X.] J 20.9 (akute Bronchitis, nicht näher bezeichnet), I 10.90 (essentielle Hypertonie, nicht näher bezeichnet: Ohne Angabe einer hypertensiven Krise), [X.] (Herzinsuffizienz, nicht näher bezeichnet), [X.] (psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak: Schädlicher Gebrauch) und [X.] (Pleuraerguss, anderenorts nicht klassifiziert) und rechnete auf der Grundlage der so ermittelten [X.]iagnosis Related Group ([X.]) [X.] (Kreislauferkrankungen mit akutem Myokardinfarkt, ohne invasive kardiologische [X.]iagnostik, mit äußerst schweren Komplikationen oder Komorbiditäten ) eine Vergütung in Höhe von 3067,94 Euro ab (Rechnung vom [X.]), die von der Beklagten zunächst auch bezahlt worden ist.

2

Im Jahre 2006 fand eine Kassenprüfung stationärer Behandlungsfälle durch das [X.] statt, bei der die Beklagte auf nach Ansicht der Aufsichtsbehörde [X.] hingewiesen wurde. Hierzu gehörte auch der vorliegende Behandlungsfall, weil insbesondere die Kodierung der Nebendiagnose [X.] zweifelhaft erschien. [X.]ie Beklagte beauftragte am 22.10.2008 den Medizinischen [X.]ienst des Bundeseisenbahnvermögens (M[X.]-BEV) mit einer Begutachtung der Abrechnung. [X.]ieser zeigte der Klägerin noch am gleichen Tage den Begutachtungsauftrag an, wies auf Auffälligkeiten bei der Kodierung der [X.] (insbesondere [X.]) hin, bat um Übersendung der Behandlungsunterlagen und kam in seiner Stellungnahme vom [X.] zu dem Ergebnis, statt des Kode [X.] hätte der [X.] 91 * (Pleuraerguss bei anderenorts klassifizierten Krankheiten) eingegeben werden müssen; zudem sei der Kode J 20.9 zu streichen, weil bei der Behandlung keine akute Bronchitis bestanden habe und auch das Patientenmanagement gemäß den [X.] ([X.]) [X.] b bzw [X.] 008 b nicht beeinflusst worden sei. [X.]ie Beklagte berechnete daraufhin den Behandlungsfall nach der sich daraus ergebenden [X.]-Fallpauschale F 60 B, kam dabei zu einer Überzahlung in Höhe von 723,21 Euro und forderte die Klägerin zur Rückzahlung dieses Betrages auf (Schreiben vom 13.3.2009). Am 20.4.2009 erklärte sie dann die Aufrechnung mit einem entsprechenden Erstattungsanspruch gegen eine unstreitige Vergütungsforderung des Krankenhauses über 2047,08 Euro aus der Behandlung der Versicherten [X.] (8.4. bis 10.4.2009) und zahlte deshalb am [X.] nur den [X.]ifferenzbetrag von 1323,87 Euro.

3

[X.]ie Klägerin hält die Aufrechnung für unwirksam, weil die [X.] unter Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot durchgeführt worden und die Beklagte deshalb mit ihrem Einwand gegen die Richtigkeit der Abrechnung ausgeschlossen gewesen sei. Zudem sei die Forderung erst am 20.4.2009 und damit verspätet zur Aufrechnung gestellt worden, weil die vierjährige Verjährungsfrist (analog § 45 Abs 1 [X.]B I) am 31.12.2008 abgelaufen sei. Hilfsweise bestreitet sie die unrichtige Kodierung der Nebendiagnose in ihrer Abrechnung vom [X.].

4

[X.]as [X.] hat die Zahlungsklage abgewiesen (Urteil vom [X.]). [X.]as L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012): Für die Behandlung des Versicherten hätte die Klägerin nur die [X.]-Fallpauschale F 60 B berechnen dürfen, wie sich aus der überzeugenden Stellungnahme des M[X.]-BEV vom [X.] ergebe. Mit den Ausführungen des M[X.]-BEV habe sich die Klägerin nicht im Einzelnen auseinandergesetzt, sondern diese nur pauschal angezweifelt, indem sie vorgetragen habe, weiterhin von der Richtigkeit der Abrechnung vom [X.] überzeugt zu sein. [X.]aher habe es keinen Anlass gegeben, Ermittlungen "ins Blaue hinein" anzustellen. [X.]er durch die Überzahlung entstandene Erstattungsanspruch sei auch rechtzeitig geltend gemacht worden, weil die Sechswochenfrist des § 275 Abs 1c [X.]B V für die Einleitung eines Prüfverfahrens durch den Medizinischen [X.]ienst erst für [X.] aus der [X.] ab [X.] gelte. Ein zum Anspruchsausschluss führender Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot sei nicht erkennbar, weil eine Verpflichtung zur "zeitnahen" [X.] für Behandlungsfälle aus dem Jahre 2004 nicht existiere. [X.]er Erstattungsanspruch sei auch nicht verjährt, weil die an sich bis zum 31.12.2008 laufende Verjährungsfrist durch das am 22.10.2008 eingeleitete Prüfverfahren entsprechend § 204 Abs 1 [X.] gehemmt gewesen sei.

5

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. [X.]er Erstattungsanspruch sei nach § 69 Abs 1 S 3 [X.]B V iVm § 242 BGB wegen Verwirkung ausgeschlossen, weil eine Verpflichtung zur "zeitnahen" Überprüfung einer Abrechnung durch den Medizinischen [X.]ienst aufgrund des allgemeinen Beschleunigungsgebots immer schon bestanden habe. [X.]ie [X.]nähe sei hier nicht gewahrt worden, weil der M[X.]-BEV erst mehr als vier Jahre nach der Rechnungserteilung eingeschaltet worden sei. Außerdem sei der Anspruch am 31.12.2008 verjährt gewesen, weil die vierjährige Verjährungsfrist (analog § 45 Abs 1 [X.]B I) durch die Einleitung des Prüfverfahrens nach § 69 Abs 1 S 3 [X.]B V iVm § 204 Abs 1 [X.] nicht gehemmt worden sei; denn das Prüfverfahren nach § 275 Abs 1 Nr 1 [X.]B V sei kein "vereinbartes Begutachtungsverfahren" iS des § 204 Abs 1 [X.]. Hilfsweise rügt die Klägerin, das L[X.] habe es [X.] unterlassen, eigene Ermittlungen zu Grund und Höhe des von ihr bestrittenen Erstattungsanspruchs anzustellen (§ 103 [X.]G).

6

[X.]ie Klägerin beantragt,
die Urteile des Sächsischen L[X.] vom 16.5.2012 - [X.] 115/10 - und des [X.] Leipzig vom [X.] zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 723,21 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 24.4.2009 zu zahlen.

7

[X.]ie Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin ist zulässig und in der Sache auch begründet. Zu Unrecht war die Klage in den Vorinstanzen erfolglos. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung weiterer 723,21 [X.] aufgrund der stationären Krankenhausbehandlung der Versicherten [X.] (8.4. bis 10.4.2009) zu. Der Vergütungsanspruch wegen dieser am 16.4.2009 abgerechneten Krankenhausbehandlung in Höhe von 2047,08 [X.] ist durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 1323,87 [X.] erloschen (§ 69 Abs 1 S 3 [X.] iVm § 362 Abs 1 [X.]). Der Restbetrag von 723,21 [X.] ist aber weiterhin offen, weil die erklärte Aufrechnung mit dem Erstattungsanspruch unwirksam war. Dabei kann die Frage offen bleiben, ob der von der Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach überhaupt entstanden ist; denn er war auf jeden Fall nicht mehr durchsetzbar.

9

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Streitgegenstand ist der Anspruch eines Leistungserbringers gegen eine Krankenkasse auf Zahlung der (restlichen) Vergütung für die Krankenhausbehandlung einer Versicherten. Diesen Anspruch macht die Klägerin zu Recht mit der (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG geltend; denn es handelt sich bei der auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse um einen sog Parteienstreit im [X.], in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt ([X.], 300 = [X.]-2500 § 39 [X.]; [X.] 86, 166, 167 f = [X.] 3-2500 § 112 [X.] 1; [X.] 90, 1 f = [X.] 3-2500 § 112 [X.] 3; BSG [X.] 3-2500 § 39 [X.] 4; BSG [X.]-2500 § 109 [X.] 11 Rd[X.] 10). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

2. Rechtsgrundlage des restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin wegen der stationären Behandlung der Versicherten [X.] (8.4. bis 10.4.2009) ist § 109 Abs 4 S 3 [X.] iVm § 7 S 1 [X.] 1; § 9 Abs 1 S 1 [X.] 1 Krankenhausentgeltgesetz ([X.]) idF des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes ([X.]) vom [X.] ([X.]), § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz ([X.]), Anlage 1 Teil a) Fallpauschalenkatalog der G-DRG-Version 2009 der am [X.] in [X.] getretenen "Vereinbarung zu den allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung" nach § 112 Abs 2 [X.] 1 und 2 [X.] für den [X.] vom 4.10.2005 ([X.]) und der Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2009. Hiernach stand der Klägerin für die stationäre Behandlung der Versicherten [X.] ein Vergütungsanspruch in Höhe von 2047,08 [X.] zu, der in Höhe eines Teilbetrages von 1323,87 [X.] durch die Zahlung der Beklagten vom [X.] erloschen ist (§ 69 Abs 1 S 3 [X.] iVm § 362 Abs 1 [X.]). Der Restbetrag von 723,21 [X.] steht aber noch offen, weil die von der Beklagten gegen die Klageforderung erklärte Aufrechnung vom [X.] unwirksam und eine Zahlung dieses Restbetrages nicht erfolgt ist.

3. Rechtsgrundlage für die Aufrechnung von Krankenkassen zur Erfüllung von Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser ist § 69 Abs 1 S 3 [X.] iVm §§ 387 ff [X.] (vgl [X.] 107, 78 = [X.]-2500 § 140d [X.]; [X.] 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.] 17; [X.] 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.] 13; BSG [X.]-5565 § 14 [X.] 8; [X.] 93, 137 = [X.]-2500 § 137c [X.]). Auch außerhalb der besonderen Regelungen der §§ 51, 52 [X.] über die Aufrechnung gegen [X.] besteht im Sozialrecht allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung, auf welche die §§ 387 ff [X.] entsprechend anzuwenden sind, entgegenzutreten ([X.] 75, 283, 284 ff = [X.] 3-2400 § 28 [X.]; [X.] 63, 224, 230 f = [X.] 1300 § 48 [X.] 47). Voraussetzung dieses einseitigen Rechtsgeschäfts, mit dem die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen bewirkt wird, ist gemäß § 387 [X.], dass sich zum [X.]punkt der [X.] gegenseitige, gleichartige und fällige bzw erfüllbare Forderungen gegenüberstehen, wobei die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung uneingeschränkt wirksam und fällig sein muss, die Hauptforderung dagegen lediglich erfüllbar zu sein braucht ([X.] in: [X.], [X.], 72. Aufl 2013, § 387 Rd[X.] 11 f). Außerdem darf entsprechend § 390 [X.] die Gegenforderung nicht einredebehaftet sein. Allerdings kann nach § 215 [X.] (idF des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes - [X.] - vom 26.11.2001, [X.]l I 3138; bis zum 31.12.2001 galt der inhaltsgleiche § 390 S 2 [X.] aF) die Aufrechnung auf eine schon verjährte Gegenforderung gestützt werden, soweit diese bei Eintritt der Aufrechnungslage noch nicht verjährt war. Diese Aufrechnungsvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt, weil der - insoweit einmal zu unterstellende - Erstattungsanspruch der Beklagten im Jahre 2009 dauerhaft nicht mehr durchsetzbar war.

4. [X.] ist unwirksam, weil der - zu unterstellende - Erstattungsanspruch der Beklagten bereits verjährt war, als der Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Behandlung der Versicherten [X.] erst entstanden und fällig geworden ist. Die Verjährung des Erstattungsanspruchs ist am 31.12.2008 eingetreten, während die Vergütungsforderung erst aufgrund der in der [X.] vom 8.4. bis zum 10.4.2009 erfolgten Behandlung der Versicherten entstanden und mit der Rechnungsstellung (16.4.2009) sowie dem Ablauf der vertraglichen Zahlungsfrist von 18 Tagen ab Zugang der Rechnung (§ 13 Abs 1 [X.]), also Anfang Mai 2009, fällig geworden ist. Der Vergütungsanspruch, gegen den aufgerechnet worden ist (Hauptforderung), und der Erstattungsanspruch, mit dem aufgerechnet worden ist (Gegenforderung), haben sich also zu keinem [X.]punkt aufrechenbar gegenübergestanden, was nach § 215 iVm § 390 [X.] zum Ausschluss der Aufrechnung führt.

a) Ebenso wie die Vergütungsansprüche der Krankenhäuser aus der Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen auch die öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche der Krankenkassen wegen nicht gerechtfertigter Zahlungen der vierjährigen Verjährung ([X.] 98, 142 = [X.]-2500 § 276 [X.] 1, Rd[X.]5; [X.] 97, 125 = [X.]-1500 § 92 [X.] 3, Rd[X.] 11; BSG [X.]-2500 § 69 [X.] 1 Rd[X.] 18). Den Verjährungsregelungen in den Büchern des [X.], insbesondere in § 45 Abs 1 [X.], hat die Rechtsprechung das allgemeine Rechtsprinzip der vierjährigen Verjährung im Sozialrecht entnommen, das einer analogen Anwendung der Verjährungsfristen des Zivilrechts (§§ 194 ff [X.]) über § 69 Abs 1 S 3 [X.] entgegensteht (BSG [X.]-2500 § 69 [X.] 1 Rd[X.] 18). Lediglich für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten entsprechend § 45 Abs 2 [X.] die Vorschriften des Zivilrechts (§§ 203 ff [X.]) sinngemäß. Der Erstattungsanspruch der Beklagten ist bereits mit der im Mai 2004 erfolgten Zahlung des Rechnungsbetrages von 3067,94 [X.] entstanden, weil dieser nach der - hier als zutreffend zu unterstellenden - Stellungnahme des MD-BEV vom [X.] wegen teilweise unrichtiger Kodierung von [X.] um 723,21 [X.] zu hoch ausgefallen ist. Demgemäß begann die vierjährige Verjährungsfrist am 1.1.2005 (§ 45 Abs 1 [X.]), und sie endete folglich am 31.12.2008.

b) Die Klägerin hat - erstmals am 18.5.2009 - die Einrede der Verjährung des Erstattungsanspruchs erhoben.

c) Der Einwand der Klägerin ist auch gerechtfertigt, weil der Ablauf der Verjährungsfrist nicht nach § 45 Abs 2 [X.] iVm § 204 Abs 1 [X.] 8 [X.] aufgrund der am 22.10.2008 erfolgten Einleitung des Prüfverfahrens durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]) bzw durch den hier gemäß § 283 S 1 [X.] zuständigen MD-BEV gehemmt war.

aa) Nach § 204 Abs 1 [X.] 8 [X.] wird die Verjährung "durch den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens" gehemmt. Ein solches "vereinbartes Begutachtungsverfahren" stellt das [X.]-Prüfverfahren nach § 275 [X.] nicht dar. Zwar handelt es sich bei der Prüfung der medizinischen Notwendigkeit von stationären Leistungen der Krankenhausbehandlung (§ 39 [X.]) sowie deren ordnungsgemäßer Abrechnung durch den [X.] (§ 275 Abs 1 [X.] 1 [X.]) um ein "Begutachtungsverfahren"; denn diese Prüfung hat die Erstellung einer "gutachtlichen Stellungnahme" des [X.] zum Ziel (§ 275 Abs 1 letzter Halbs [X.]), die vom Gesetzgeber nach der amtlichen Überschrift des § 275 [X.] als "Begutachtung" begriffen wird. Es fehlt jedoch am Tatbestandsmerkmal des "vereinbarten" Begutachtungsverfahrens, weil eine Krankenkasse bei der Beauftragung des [X.] mit einer Abrechnungsprüfung gemäß § 275 Abs 1 [X.] 1 [X.] einer im Gesetz verankerten öffentlich-rechtlichen Pflicht folgt und nicht eine Vereinbarung mit dem Krankenhausträger ausführt.

Dem steht nicht entgegen, dass der [X.] für den [X.], der am [X.] in [X.] getreten ist (§ 20 Abs 1) und daher für den von der Beklagten am 22.10.2008 erteilten Begutachtungsauftrag gilt, in § 13 Abs 4 und § 14 Regelungen zum [X.]-Prüfverfahren enthält. Es handelt sich dabei lediglich um Ausführungsbestimmungen zum gesetzlichen Prüfverfahren nach § 275 [X.] und setzt dieses gerade voraus. Ein von der gesetzlichen Regelung unabhängiges landesvertragliches und damit "vereinbartes" Begutachtungsverfahren ist im [X.] also nicht vorgesehen.

bb) Auch eine analoge Anwendung des § 204 Abs 1 [X.] 8 [X.] scheidet aus. Dabei ist vorab zu betonen, dass die Vorschriften über die Hemmung der Verjährung (§§ 203 ff [X.]) als Ausnahmeregelungen zum Prinzip der Verjährung von Ansprüchen durch [X.]ablauf (§§ 194 ff [X.]) grundsätzlich eng auszulegen sind. Bei der Frage, ob eine in § 204 [X.] nicht aufgeführte Rechtshandlung oder eine sonstige rechtserhebliche Tatsache mit einem der in § 204 [X.] oder in [X.] (vgl dazu Ellenberger in [X.], [X.], 72. Aufl 2013, § 204 Rd[X.] 53) genannten Hemmungstatbeständen nach Sinn und Zweck vergleichbar ist, kommt dem Charakter der Hemmungsvorschriften als Ausnahmeregelungen zum Prinzip der Verjährung also eine besondere Bedeutung zu, sodass bei der Bejahung einer Analogie große Zurückhaltung geboten ist.

Dabei scheidet die Heranziehung von Hemmungstatbeständen außerhalb des [X.] im vorliegenden Fall von vornherein aus, weil § 45 Abs 2 [X.] ausdrücklich nur auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des [X.] verweist. Innerhalb des § 204 [X.] hat die Rechtsprechung zwar stets hervorgehoben, der Katalog des § 204 Abs 1 [X.] 1 bis 14 [X.] sei nicht abschließend, tatsächlich aber Analogien immer nur zum Tatbestand des § 204 Abs 1 [X.] 1 [X.] (Hemmung der Verjährung durch die Erhebung der Klage auf Leistung oder Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils) entwickelt (Ellenberger, aaO, § 204 Rd[X.] 54 mit Rechtsprechungsübersicht), der hier ersichtlich ausscheidet. Eine Analogie lässt sich hier allenfalls anhand des § 204 Abs 1 [X.] 8 [X.] prüfen, weil diese Vorschrift in ihrer bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung neben dem "vereinbarten Begutachtungsverfahren" auch den [X.] der "Beauftragung des Gutachters in dem Verfahren nach § 641a [X.]" kannte, also einen [X.], bei dem das Begutachtungsverfahren nicht vertraglich vereinbart, sondern gesetzlich geregelt war. Dieser [X.], der durch das [X.] zum 1.1.2002 als Folgeregelung zu der am [X.] erfolgten Einfügung des § 641a [X.] in das Werkvertragsrecht durch das Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom [X.] ([X.]l I 330) geschaffen worden war, ist als Folgeänderung zur Aufhebung des § 641a [X.], der sich nach Einschätzung des Gesetzgebers nicht bewährt hatte (BT-Drucks 16/511, [X.], 16), zum 1.1.2009 durch das Forderungssicherungsgesetz ([X.]) vom 23.10.2008 ([X.]l I 2022) wieder gestrichen worden. Zwar galt diese alte Fassung des § 204 Abs 1 [X.] 8 [X.] noch bis zum 31.12.2008, war also bei der Beauftragung des MD-BEV am 22.10.2008 noch in [X.], es fehlt aber an den weiteren Grundlagen für eine Analogie, weil der Gesetzgeber eben nicht generell alle - vereinbarten oder gesetzlichen - Begutachtungsverfahren in § 204 Abs 1 [X.] 8 [X.] erfasst hatte, sondern ausdrücklich nur alle vereinbarten Begutachtungsverfahren genannt und von den gesetzlichen Begutachtungsverfahren nur jenes nach § 641a [X.] aF aufgeführt hatte. Mit der Begutachtung eines Werkes zur Erteilung einer die Abnahme (§ 640 [X.]) ersetzenden Fertigstellungsbescheinigung (Privaturkunde nach § 416 ZPO), die zusammen mit dem schriftlichen Werkvertrag dem Unternehmer die Möglichkeit der Vergütungsklage im Urkundenprozess (§§ 592 ff ZPO) eröffnete (vgl Sprau in [X.], [X.], 66. Aufl 2007, § 641a Rd[X.] 3), ist die Begutachtung einer Abrechnung durch den [X.] nach § 275 [X.], die lediglich eine Entscheidungshilfe für die Krankenkassen bei der Kontrolle von Rechnungen der Krankenhäuser darstellt, weder inhaltlich noch nach ihrem Zweck vergleichbar.

5. Da die Aufrechnung jedenfalls wegen der Verjährung des Erstattungsanspruchs unwirksam ist, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen zu der streitigen Frage, ob die Abrechnung vom [X.] richtig gewesen ist, wie die Klägerin meint, oder ob sie wegen unzutreffender Kodierung von [X.] hätte korrigiert werden müssen und dann um 723,21 [X.] niedriger ausgefallen wäre, wovon der MD-BEV und die Beklagte ausgehen.

6. Im Übrigen bleibt anzumerken, dass der geltend gemachte Erstattungsanspruch auch noch aus einem zweiten Grund nicht mehr erfolgreich zur Aufrechnung gestellt werden konnte: Der Klägerin steht nämlich gegenüber dem Erstattungsanspruch der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 69 Abs 1 S 3 [X.] iVm § 242 [X.]) zu, weil nach dem die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen prägenden allgemeinen Beschleunigungsgebot und dem "Prinzip der Waffengleichheit" auch bei Fällen aus der [X.] vor dem Inkrafttreten des § 275 Abs 1c [X.] ([X.]) Einwände gegen die erteilte Abrechnung lediglich innerhalb einer angemessenen Frist vorgebracht werden konnten. Diese Frist war nach viereinhalb Jahren (Rechnungsstellung am [X.], Begutachtungsauftrag am 22.10.2008) jedenfalls abgelaufen (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 18.7.2013 - B 3 KR 22/12 R - für [X.] vorgesehen).

[X.] ist damit unwirksam und der restliche Vergütungsanspruch in Höhe von 723,21 [X.] aus der Behandlung der Versicherten [X.] somit begründet.

7. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 13 Abs 3 des [X.]es.

8. [X.] folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 3 KR 31/12 R

19.09.2013

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Leipzig, 21. April 2010, Az: S 8 KR 384/09, Urteil

§ 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 7 S 1 Nr 1 KHEntgG vom 17.03.2009, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG vom 17.03.2009, § 17b KHG, § 45 Abs 1 SGB 1, § 45 Abs 2 SGB 1, § 51 SGB 1, § 52 SGB 1, § 69 Abs 1 S 3 SGB 5, § 194 BGB, §§ 194ff BGB, § 203 BGB, §§ 203ff BGB, § 204 Abs 1 Nr 1 BGB, § 204 Abs 1 Nr 8 BGB, § 215 BGB, § 362 Abs 1 BGB, § 387 BGB, §§ 387ff BGB, § 390 S 2 BGB, § 640 BGB, § 641a BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 19.09.2013, Az. B 3 KR 31/12 R (REWIS RS 2013, 2627)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2627

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