Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2017, Az. AnwZ (Brfg) 39/17

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2017, 4007

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[X.]:[X.]:BGH:2017:121017BANWZ.BRFG.39.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
AnwZ
([X.]) 39/17

vom

12. Oktober 2017

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
-

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Der Bundesgerichtshof, [X.], hat durch [X.] [X.], die Richterin [X.], [X.] sowie die Rechtsanwälte Dr. Braeuer und Dr. Lauer
am
12. Oktober
2017

beschlossen:

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des [X.] vom 29.
März 2017
wird abgelehnt.

Der Kläger hat
die
Kosten des
Zulassungsverfahrens
zu tragen.

Der Wert
des Zulassungsverfahrens
wird auf 50.000

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.]). Der [X.] hat die Klage abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung.

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II.

Der Antrag des [X.] ist nach §
112e Satz
2 [X.], §
124a Abs.
4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die der Sache nach geltend gemachten
Zulassungsgründe

112e Satz
2 [X.], §
124 Abs.
2 Nr.
1
und 5
VwGO) liegen
nicht vor.

1. Der Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des [X.] Urteils (§
112e Satz
2 [X.], §
124 Abs.
2 Nr.
1 VwGO) setzt [X.], dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachen-feststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senats-beschlüsse
vom 24. März 2017 -
AnwZ ([X.]) 60/16, juris Rn. 4; vom 31. März 2017 -
AnwZ ([X.]) 58/16, juris Rn.
4
und vom 3.
April 2017
-
AnwZ ([X.]) 7/17, juris Rn. 3). Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen.

a) Nach §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird kraft Gesetzes vermutet, wenn ein Insolvenz-verfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der [X.] in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2

InsO,
§ 882b ZPO) eingetragen ist. Hierbei ist für die Beurteilung der Rechtmä-ßigkeit des Widerrufs allein auf den [X.]punkt des Abschlusses des behördli-chen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids
oder -
wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfah-ren entbehrlich ist -
auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungs-2
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verfahren vorbehalten (vgl. nur Senatsbeschlüsse
vom 29. Dezember 2016 -
AnwZ ([X.]) 36/16, juris Rn. 4 und vom 3. April 2017,
aaO Rn. 4; jeweils
mwN).

b) Der Kläger befand sich im hier maßgeblichen [X.]punkt der Widerrufs-verfügung vom 27. Juni 2016
in Vermögensverfall.

Der Kläger war in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden [X.] in 39 Fällen eingetragen (§ 882b ZPO).
Zwar kommt die an eine Ein-tragung anknüpfende gesetzliche Vermutung nicht zur Geltung, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der
jeweiligen Eintragung zugrunde liegende Forderung im maßgeblichen [X.]punkt bereits getilgt war (vgl. nur Senatsbe-schluss vom 3. April 2017, aaO Rn. 6 mwN). Dies ist hier aber nicht der Fall gewesen.

Zur Widerlegung der aus einer Eintragung resultierenden gesetzlichen Vermutung des Vermögensverfalls hat ein Rechtsanwalt bezogen auf den o.a. maßgeblichen [X.]punkt ein vollständiges und
detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten vorzulegen und konkret -
gegebenen-falls unter Vorlage eines nachvollziehbaren beziehungsweise realistischen [X.] -
darzulegen, dass seine Vermögens-
und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 12. Juli 2016 -
AnwZ ([X.]) 22/16, juris Rn. 6; vom 29. Dezember 2016, aaO Rn. 5; vom 24. März 2017, aaO Rn. 6 und vom 3. April 2017, aaO Rn. 12). An beidem fehlt es, wie der [X.] zutreffend festgestellt hat. Soweit der Kläger in seiner Antragsbegründung auf sein Schreiben an die Beklagte vom 15. Dezember 2015 verweist, enthält dieses nicht ansatzweise die notwendigen Angaben. [X.] ist im Übrigen nur dann beachtlich, wenn er
zum maßgeblichen [X.]punkt als liquider Vermögenswert zur Verfügung steht (vgl. nur Senat, Be-5
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schlüsse vom 6. Februar 2014 -
AnwZ ([X.]) 83/13, juris Rn. 6 und vom 9. Feb-ruar 2015 -
AnwZ ([X.]) 46/14, juris Rn. 10, jeweils mwN). Dies war hier nicht der Fall, wie neben den o.a. Eintragungen auch der weitere Umstand zeigt, dass es in der [X.] vor dem Widerruf zu 69 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger gekommen ist. Die von dem Kläger -
im Übrigen ohne jegli-chen Beleg -
in seiner Antragsbegründung für 2017 behaupteten Maßnahmen zur Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse sind demgegenüber schon aus zeitlichen Gründen (s.o.) ohne Bedeutung; dies gilt erst recht für die in Zu-kunft angekündigten Maßnahmen.

c) Nach der in §
14 Abs.
2 Nr.
7 [X.] zum Ausdruck kommenden [X.] Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der ge-setzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt jedoch zumindest [X.], dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnah-men verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen [X.] sind demgegenüber nicht geeignet, eine Gefährdung der [X.] auszuschließen
(vgl. nur Senatsbeschluss vom 31. März 2017, aaO Rn. 6
mwN). Der Kläger ist jedoch weiter als Einzelanwalt tätig; seine Antragsbegrün-dung verhält sich
im Übrigen auch nicht näher zu einem ausnahmsweisen Aus-schluss der Gefährdung von Mandanteninteressen.
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2. Der Kläger hat keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Ent-scheidung des [X.]s beruhen kann (§
112e Satz 2 [X.], §
124 Abs.
2 Nr. 5 VwGO). Der Kläger beruft sich darauf, dass er krankheitsbedingt an der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2017
nicht habe teilnehmen können.
Der Verfahrensablauf vor dem [X.] rechtfertigt jedoch nicht den insoweit vom Kläger erhobenen Vorwurf der Verletzung des rechtli-chen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

a) Der Kläger hat am 29. Juli 2016 gegen den ihm am 29. Juni 2016 zu-gestellten [X.] Klage erhoben, eine Begründung in einem [X.] Schriftsatz angekündigt und insoweit um "Fristerstreckung mit Rücksicht auf die Sommerpause bis zum 30.09.2016"
gebeten. Nachdem der [X.] daraufhin den Kläger zur Begründung der Klage bis zum [X.] aufgefordert hat, ist lediglich am 30. September 2016 ein Fax einge-gangen, in dem der Kläger um Fristverlängerung bis zum 21. Oktober 2016 ge-beten hat unter Hinweis darauf, dass sein "temporärer [X.]"
durch den Verkauf weiterer Wohneinheiten seines Mehrfamilienhauses zeitnah beho-ben werden könne und Finanzierungsverhandlungen mit einer Bank liefen. Nach antragsgemäßer Fristverlängerung hat der Kläger mit Fax vom 25. Okto-ber 2016 um erneute Fristverlängerung gebeten unter Hinweis darauf, dass die Verhandlungen noch andauerten. Der [X.] hat die Frist bis 21.
November 2016 verlängert, gleichzeitig den Kläger aber auf die Senats-rechtsprechung (s.o.) zum maßgeblichen [X.]punkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs hingewiesen und ihm aufgegeben, innerhalb der Frist
die Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtbe-rücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühle (§ 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach fruchtlosem Ablauf der Frist hat der [X.] 9
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am 8. Dezember 2016 unter Hinweis darauf, dass im Fall des Ausbleibens ei-nes Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO), Termin auf den 29. März 2017 bestimmt. Der Kläger hat auch in der Folgezeit die Klage nicht begründet.

Dieser Ablauf entspricht dem Ablauf des Verwaltungsverfahrens der [X.]. Auch dort hat der Kläger, der erstmals von der Beklagten zum [X.] mit Schreiben vom 21. April 2015 angehört worden ist, trotz mehrfa-cher Aufforderungen der Beklagten und diverser Fristverlängerungen keine nä-here Stellungnahme zu den Zwangsvollstreckungen und den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis abgegeben.

Mit Fax vom
28. März 2017 hat der Kläger dann um Verlegung des [X.] vom 29. März 2017 gebeten, da er wegen eines Bandscheibenvorfalls verhindert sei. Nach Hinweis auf die notwendige Glaubhaftmachung hat der Kläger ein
auf den 27. März 2017 datiertes
und aus zwei Sätzen bestehendes
Attest eines Orthopäden vorgelegt, wonach er sich in Behandlung "wegen einer Bandscheibenerkrankung mit jetzt akuter Exazerbation (siehe Anlage) befindet und unter starker Medikation steht. Er ist weder dienst-
noch arbeits-
noch rei-sefähig". Als Anlage war ein an den Orthopäden gerichteter Arztbericht der Ra-diologie M.

vom 13. Januar 2017 beigefügt, in dem ein Bandscheibenvor-fall attestiert wurde. Der [X.] hat mit dem Kläger am Morgen des 29. März 2017 per Fax übermittelten Beschluss die Verlegung des Termins
ab-gelehnt.

b) Dieser Ablauf ist nicht geeignet, die Zulassung der Berufung nach §
112e Satz 2 [X.], §
124 Abs.
2 Nr. 5 VwGO zu rechtfertigen. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung sind wegen der durch einen Vermögensverfall 11
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indizierten Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden an den [X.] und dessen Glaubhaftmachung strenge Anforderungen zu stellen (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 12. März 2015 -
AnwZ ([X.]) 43/14, juris Rn. 5 und vom 28. November 2016 -
AnwZ ([X.]) 23/16, juris Rn. 10). Der [X.] muss insoweit die Gründe für die Verhinderung so angeben und untermau-ern, dass das Gericht die Frage der Reise-
und Verhandlungsfähigkeit selbst beurteilen kann. Diese strengen Anforderungen
müssen -
angesichts des o.a. Ablaufs des Verwaltungs-
und des Gerichtsverfahrens -
gerade auch im vorlie-genden Fall gelten, bei dem die Rechtslage zum Widerruf (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]) eindeutig
ist. Der [X.] hat insoweit zu Recht darauf [X.], dass mit der pauschalen Bescheinigung vom 27. März 2017 weder [X.] glaubhaft gemacht worden ist, dass der Kläger aufgrund des bereits Anfang Januar 2017 attestierten Bandscheibenvorfalls am 29. März 2017 nicht zu dem ganz in der Nähe seiner
Wohnung stattfindenden Gerichtstermin
hätte erscheinen können, noch dass er aufgrund des Vorfalls und der
erfolgten Medi-kation verhandlungsunfähig
gewesen ist. Sollte der Bandscheibenvorfall und dessen Behandlung dagegen mit entsprechenden (nicht glaubhaft gemachten) Folgen verbunden gewesen sein, hätte der Kläger, worauf der [X.] zutreffend hingewiesen hat, rechtzeitig für die Bestellung eines Verfahrens-bevollmächtigten Sorge tragen müssen
(siehe
auch Senat, Beschlüsse vom 16.
Juli 2012 -
AnwZ ([X.]) 34/12, juris Rn. 4; vom 12. Mai
2014 -
AnwZ ([X.]) 13/14, juris Rn. 4 und vom 12. März 2015, aaO Rn. 7). Hiervon wäre er nur ent-bunden gewesen, wenn sich seine Erkrankung erst unmittelbar vor dem Termin unvorhergesehen und grundlegend verschlechtert und dies dazu geführt hätte, dass ihm eine Teilnahme am Termin unmöglich gewesen ist. Dies hat der Klä-ger gegenüber dem [X.] aber weder substantiell dargelegt noch ausreichend glaubhaft gemacht. Hinzu kommt, dass die Widerlegung der [X.] nicht lediglich entsprechenden Vortrag, sondern -

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-

vor allem die Vorlage entsprechender Belege erfordert.
Dass dies dem Kläger
-
wenn es solche gegeben hätte -
krankheitsbedingt unmöglich war, ist nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
154 Abs.
2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
194 Abs.
2 Satz
1 [X.].

Kayser

[X.]

[X.]

Braeuer
Lauer
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 29.03.2017 -
BayAGH
I -
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6/16 -

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Meta

AnwZ (Brfg) 39/17

12.10.2017

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2017, Az. AnwZ (Brfg) 39/17 (REWIS RS 2017, 4007)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4007

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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