Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.02.2019, Az. 27 W (pat) 14/17

27. Senat | REWIS RS 2019, 10190

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2014 009 274

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 19. Februar 2019 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] sowie die Richterin Lachenmayr-Nikolaou

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des [X.] ([X.]), Markenstelle für Klasse 3, vom 21. Juli 2016 aufgehoben.

Wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 004 688 917 wird die Löschung der Marke [X.] 2014 009 274 für die Waren der Klassen 32 und 33 angeordnet.

Gründe

I.

1

Die am 29. Dezember 2014 angemeldete Wort-/[X.]ildmarke

Abbildung

2

ist am 25. März 2015 unter der Nr. 30 2014 009 274 für die nachfolgend genannten Waren der Klassen 3, 32 und 33 in das beim [X.] ([X.]) geführte Markenregister eingetragen worden:

3

Klasse 03: Seifen; Haarwasser; Waschmittel für Wäsche; Reinigungsmittel; [X.]ohnerwachs; Räuchermittel [Duftstoffe]; Schönheitsmasken; Kosmetika; Zahnputzmittel; [X.]adezusätze, kosmetische;

4

Klasse 32: Malzbier; Selterswasser; Fruchtsäfte; alkoholfreie Getränke; [X.] [alkoholfreies Getränk]; kohlensäurehaltige Wässer; [X.]rausetabletten für Getränke; Erzeugnisse zur Herstellung kohlensäurehaltiger Wässer;

5

Klasse 33: Sake; Wacholderbranntwein; Schnaps; Spirituosen; Weine; alkoholische Mischgetränke, ausgenommen [X.]iermischgetränke; Whisky; alkoholhaltige Fruchtextrakte; Reisalkohol; [X.]ocktails.

6

Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. April 2015.

7

Gegen die Eintragung dieser Marke für die Waren der Klassen 32 und 33 – nicht jedoch für die Waren der Klasse 3 – wurde aus der am 27. Oktober 2006 eingetragenen [X.] 004 688 917

8

[X.]ASS

9

von der damaligen Inhaberin der Marke, der [X.]… S.A. in M… in

L…, am 15. Juni 2015 Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke

genießt ihrerseits Schutz für die nachfolgend genannten Waren und Dienstleistungen:

Klasse 32: [X.]iere;

[X.]: Hotel , [X.]ar- und Restaurantbetrieb.

Die ursprüngliche Inhaberin der Widerspruchsmarke hat diese auf die [X.]eschwerdeführerin übertragen. Die zwischenzeitlich im Unionsmarkenregister als Inhaberin der älteren Marke eingetragene [X.]eschwerdeführerin hat mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Dezember 2018 an das Gericht erklärt, in das [X.]eschwerdeverfahren einzutreten.

Mit [X.]eschluss vom 21. Juli 2016 hat das [X.], Markenstelle für Klasse 3, den Widerspruch mit der [X.]egründung zurückgewiesen, dass zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 125 b [X.] bestehe.

Zur [X.]egründung ist ausgeführt, die Marken könnten sich zwar teilweise sogar im Zusammenhang mit identischen oder eng ähnlichen Waren begegnen. So seien die Waren „Malzbier; Selterswasser; Fruchtsäfte; alkoholfreie Getränke; [X.] [alkohol-freies Getränk]; kohlensäurehaltige Wässer“ identisch bzw. eng ähnlich zu der Ware „[X.]iere“ der Widerspruchsmarke. Die angesprochenen breiten Verkehrskreise der vorgenannten Waren würden diese ohne besondere Sorgfalt, eher „flüchtig“ erwerben. Des Weiteren sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.

Die angegriffene Marke halte jedoch den erforderlichen deutlichen Abstand ein. Dies gelte selbst bei identischen Waren sowie der Anwendung „nur durchschnittlicher Sorgfalt“.

Klanglich stünden sich die Worte „[X.]“ und „[X.]ASS“ gegenüber, die sich durch den [X.] deutlich unterscheiden würden. Hieraus ergebe sich ein unterschiedlicher Sprech- und [X.]etonungsrhythmus, denn die angegriffene Marke klinge härter und die Widerspruchsmarke weicher.

Die genannten Unterschiede am erfahrungsgemäß besonders stark wahrgenommenen Wortanfang würden ausreichen, um den Marken ein eigenständiges Klangbild zu verleihen, zumal es sich um [X.] handele, bei denen schon geringe Unterschiede bemerkt würden. Zudem liege ein unterschiedlicher [X.]edeutungsgehalt vor, da die Widerspruchsmarke als [X.]ezeichnung der tiefen Tonlage „[X.]ass“ aufgefasst werde. Dieser [X.]edeutungsgehalt führe zusätzlich dazu, die Marken besser auseinander zu halten und Hör- und [X.] zu vermeiden.

Eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr könne aufgrund der typischen Umrisscharakteristik der Anfangsbuchstaben „[X.]“ bzw. „[X.]“ ebenfalls ausgeschlossen werden, zumal auch die grafischen [X.]estandteile zu beachten seien.

Für andere Arten von Verwechslungsgefahr bestünden keine Anhaltspunkte.

Gegen den ihr am 28. Juli 2016 zugestellten [X.]eschluss wendet sich die Widersprechende mit ihrer [X.]eschwerde vom 23. August 2016.

Die [X.]eschwerdeführerin ist der Ansicht, die zwischen den [X.] bestehenden Unterschiede seien nicht ausreichend, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Das [X.] habe zutreffend Warenidentität bzw. hochgradige [X.] bejaht. Die jüngere Wort-/[X.]ildmarke „[X.]“ weise keinerlei graphische [X.]esonderheiten auf.

[X.]ildlich sei von einer Ähnlichkeit auszugehen, da die Zeichen in drei von vier [X.]uchstaben übereinstimmen und auch die divergierenden [X.]uchstaben [X.]/[X.] aufgrund ihrer geschwungenen Konturen eine visuelle Ähnlichkeit aufweisen würden.

Insgesamt überwögen die Übereinstimmungen die Unterschiede bei Weitem.

Auch klanglich bestehe eine solche Ähnlichkeit, da beide Zeichen von dem äußerst prägnanten Schlusslaut, einem sehr scharf gesprochenen S, dominiert würden, so dass bei zusätzlicher [X.]erücksichtigung des identischen Vokals „A“ der divergierende Anfangskonsonant [X.]/[X.] nicht geeignet sei, einen wahrnehmbaren Unterschied zu setzen.

Im Hinblick auf den nur geringen Aufmerksamkeitsgrad der angesprochenen Verkehrskreise beim Kauf der in den Klassen 32 und 33 beanspruchten Waren „im Vorbeigehen“ sei aufgrund der weitgehenden bildlichen Übereinstimmungen der [X.] Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Entsprechendes gelte für die Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht, da die beanspruchten Waren auch und gerade in [X.]ars oder Lokalen vertrieben würden, so dass [X.]estellungen oftmals unter entsprechender erhöhter Geräuschkulisse getätigt würden.

Das vom [X.] angenommene Verständnis der Widerspruchsmarke „[X.]ASS“ im Sinne einer tiefen Tonlage erscheine fernliegend in Anbetracht der relevanten Waren.

Die [X.]eschwerdeführerin und Widersprechende beantragt sinngemäß,

den [X.]eschluss des [X.], Markenstelle für Klasse 3, vom 21. Juli 2016 aufzuheben und aufgrund des Widerspruchs aus der Marke [X.] 004 688 917 die Löschung der Marke [X.] in den Klassen 32 und 33 anzuordnen.

Die [X.]eschwerdegegnerin hat sich weder im [X.]eschwerdeverfahren noch im Verfahren vor dem [X.] geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angegriffenen [X.]eschluss, die Schriftsätze der [X.]eschwerdeführerin sowie den übrigen Akteninhalt [X.]ezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere gem. § 66 Abs. 1 [X.] statthafte und gem. § 66 Abs. 2 [X.] fristgerecht eingelegte [X.]eschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die [X.]eschwerdeführerin hat das Verfahren wirksam übernommen. Die Übernahme war ihr gem. § 20 Abs. 11 Verordnung ([X.]) 2017/1001 des [X.] und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke ([X.]) ab dem Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Unionsmarkenregister möglich und ist mit der Erklärung gegenüber dem Gericht, in das Verfahren „einzutreten“, erfolgt.

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des [X.] als auch des [X.]undesgerichtshofes unter [X.]erücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. [X.]. [X.], [X.], 933, Rn. 32 – [X.]; [X.], [X.], 1098, Rn. 44 – [X.]/HA[X.]M; [X.]GH, [X.], 1040, Rn. 25 – [X.]/pure; [X.]GH, [X.], 833, Rn. 30 – [X.]ulinaria/Villa [X.]ulinaria; [X.]GH, [X.], 382, Rn. 19 – [X.]ioGourmet; [X.]GH, [X.], 283, Rn. 7 – [X.]SA/[X.] D[X.]TS[X.]HE [X.]). Von maßgeblicher [X.]edeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu [X.], [X.], 343, Rn. 48 – [X.]/ HA[X.]M; [X.]GH, [X.], 1040, Rn. 25 – [X.]/pure; [X.]GH, [X.], 283, Rn. 7 – [X.]SA/[X.] D[X.]TS[X.]HE [X.]; siehe auch [X.] in: [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl. 2018, § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die [X.]eurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen. [X.]ei dieser umfassenden [X.]eurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind ([X.]GH, [X.], 382, Rn. 37 – [X.]ioGourmet; [X.]GH, [X.], 382, Rn. 14 – REAL-[X.]hips; [X.]GH, [X.], 833, Rn. 45 – [X.]ulinaria/Villa [X.]ulinaria).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 125 b Nr. 1 [X.] anzunehmen

1. Unter Zugrundelegung der mangels Erhebung einer Nichtbenutzungseinrede maßgeblichen [X.] können sich die [X.] bei zumindest durchschnittlich bis überdurchschnittlich ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen.

Eine Ähnlichkeit von Waren oder Dienstleistungen ist anzunehmen, wenn diese bei [X.]erücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen – insbesondere ihrer [X.]eschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder [X.], ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen [X.]edeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe – so enge [X.]erührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie – was zu unterstellen ist – mit identischen Marken gekennzeichnet sind (vgl. [X.], [X.], 582, Rn. 85 – [X.]; [X.]GH, [X.], 719, Rn. 29 – idw Informationsdienst Wissenschaft; [X.]GH, [X.], 378, Rn. 38 – OTTO [X.]AP; [X.]GH, [X.], 79, Rn. 11 – [X.]/ [X.] [X.]lub).

[X.]ei [X.]erücksichtigung dieser Grundsätze können sich die Vergleichsmarken teilweise im Zusammenhang mit identischen oder ähnlichen Waren begegnen. So liegt hinsichtlich der Ware „Malzbier“ der jüngeren Marke und der Ware „[X.]ier“ der älteren Marke Identität vor, da Malzbier als ein [X.]ier mit einer nur geringen alkoholischen Gärung unter den Oberbegriff „[X.]iere“ fällt.

Die [X.]estimmung des jeweiligen [X.] zwischen den Waren der Klassen 32 und 33 der angegriffenen Marke und der Ware „[X.]iere“ der Widerspruchsmarke kann jedoch vorliegend dahinstehen, da zwischen sämtlichen Waren der angegriffenen Marke, die Gegenstand des Widerspruchs- und des [X.]eschwerdeverfahrens sind, und den Dienstleistungen der [X.], für die die Widerspruchsmarke geschützt ist, eine jedenfalls durchschnittliche Ähnlichkeit anzunehmen ist.

Sofern sich Dienstleistungen auf der einen und Waren auf der anderen Seite gegenüberstehen, so schließt dies eine Ähnlichkeit nicht aus. Zwar sind Dienstleistungen generell weder mit den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren und Hilfsmitteln noch mit den durch sie erzielten Ergebnissen, soweit sie Waren hervorbringen, ohne Weiteres als ähnlich anzusehen. [X.]esondere Umstände können jedoch die Feststellung der Ähnlichkeit nahelegen ([X.]GH, [X.], 1145, Rn. 35 – [X.]). Insoweit sind grundsätzlich die vorgenannten Kriterien anwendbar. Es bedarf der Entscheidung im Einzelfall, ob die beteiligten Verkehrskreise den Eindruck haben können, Ware und Dienstleistung unterlägen der Kontrolle desselben Unternehmens (bzw. wirtschaftlich verbundener Unternehmen), weil sich das Dienstleistungsunternehmen selbständig auch mit der Herstellung und dem Vertrieb der Ware befasse oder aber der Hersteller der Ware sich auch mit der Erbringung der Dienstleistungen selbständig gewerblich betätige und es sich insoweit nicht um eine unselbständige Nebenleistung handele ([X.], a. a. O., § 9 Rn. 118 ff.). Ein Indiz für eine Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen kann beispielsweise vorliegen, wenn die Waren nicht allgemein angeboten und verwendet werden, sondern typischerweise bei der Erbringung der Dienstleistungen zur Anwendung kommen ([X.]GH, [X.], 1145, Rn. 35 – [X.]).

Danach ist zwischen den von der jüngeren Marke in den Klassen 32 und 33 beanspruchten Waren, bei denen es sich um Getränke oder zur Herstellung derselben dienende Waren handelt, und den Dienstleistungen der [X.] „Hotel-, [X.]ar- und Restaurantbetrieb“, für die die ältere Marke Schutz genießt, eine jedenfalls durchschnittliche Ähnlichkeit anzunehmen. Ob hinsichtlich einzelner Waren eine engere Ähnlichkeit anzunehmen sein könnte, bedarf vorliegend nicht der Entscheidung.

Gegenstand der Dienstleistungen des [X.]ar- und Restaurantbetriebs ist insbesondere die Verpflegung von Gästen u. a. mit Getränken. Zwischen diesen Dienstleistungen und den diversen alkoholischen und nichtalkoholischen Getränken der Klassen 32 und 33 der jüngeren Marke ist Ähnlichkeit zu bejahen, da die Getränke von Gaststätten im [X.] und daneben auch „to go“ verkauft werden und zudem Getränke oftmals unmittelbar in den [X.] selber serviert werden, beispielsweise [X.]iere in [X.]rauereien, Weine in Weinkellereien etc. (vgl. [X.]GH, [X.], 883 – [X.]; [X.], [X.], 175 – [X.]reme 21; [X.]PatG, [X.], 530 – Waldschlößchen; [X.] in: [X.]/ [X.]/Thiering, [X.], 12. Aufl. 2018, § 9 Rn. 118 f.). Daneben stellen auch klassische Gaststättenbetriebe teilweise Getränke her und bieten beispielsweise selbstgemachte Limonade an. Die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise könnten daher der Meinung sein, die sich gegenüberstehenden Waren der Klassen 32 und 33 einerseits und Dienstleistungen der [X.] andererseits stammten aus denselben oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen.

2. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen [X.]enutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.], [X.], 228, Rn. 33 – [X.]/HA[X.]M [Vorsprung durch Technik]; [X.]GH, [X.], 1127, Rn. 10 – [X.]/[X.]solar; [X.]GH, [X.], 1040, [X.]. 29 – [X.]/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft auszugehen (vgl. [X.]GH, [X.], 283, Rn. 10 – [X.]SA/[X.] D[X.]TS[X.]HE [X.]; [X.]GH, [X.], 64, Rn. 12 – Maalox/Melox-GRY).

Vorliegend bezeichnet „[X.]ASS“ eine Tonlage, so dass der Widerspruchsmarke zwar für sich genommen eine [X.]edeutung zukommt. Im Zusammenhang mit den von der Widerspruchsmarke konkret beanspruchten Waren der Klasse 32 und Dienstleistungen der [X.] kann ihr jedoch ein beschreibender, die Kennzeichnungskraft schwächender Gehalt gerade nicht entnommen werden.

Demgemäß ist von einer originär durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke auszugehen. Anhaltspunkte, die für eine Steigerung derselben sprechen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

3. Im Rahmen der bei der [X.]eurteilung der Verwechslungsgefahr erforderlichen Gesamtabwägung hält die jüngere Marke den gebotenen Abstand nicht ein.

Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen kann, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind ([X.], [X.], 413, Rn. 47 – [X.]/ SIR; [X.]GH, [X.], 1004, Rn. 22 – [X.]/ISP; [X.]GH, [X.], 382, Rn. 25

– REAL-[X.]hips; [X.]GH, [X.], 824, Rn. 25 f. – Kappa; [X.] in: [X.]/ [X.], [X.], 12. Aufl. 2018, § 9 Rn. 268 m. w. N.).

Dabei sind grundsätzlich die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzustellen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden [X.]etrachtungsweise zu unterziehen ([X.]GH, [X.], 833, Rn. 45 – [X.]ulinaria/Villa [X.]ulinaria; [X.] in: [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl. 2018, § 9 Rn. 248 m. w. N.).

Vorliegend ist eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Zwar handelt es sich bei den [X.] jeweils um [X.], bei denen Abweichungen stärker ins Gewicht fallen und im Einzelfall sogar Abweichungen in nur einem Laut Verwechslungen ausschließen können (vgl. [X.] in: [X.]eckOK Markenrecht, 16. Edition, Stand: 14.01.2019, § 14 Rn. 374; [X.] in: [X.]/ [X.]/Thiering, [X.], 12. Aufl. 2018, § 9 Rn. 285). Hinzu kommt, dass sich die [X.] gerade am oftmals besonders beachteten Wortanfang nicht unerheblich unterscheiden, da die Plosive „[X.]“ und „K“ (so die Aussprache des [X.]uchstabens „[X.]“ in der angegriffenen Marke) nicht nur an unterschiedlichen Orten gebildet werden ([X.] = [X.], [X.]), sondern sich darüber hinaus im [X.] unterscheiden ([X.] = stimmhaft, K = stimmlos).

Unterschiede am Wortanfang schließen jedoch nicht per se eine Verwechslungsgefahr aus; vielmehr kann auch eine Kongruenz der Wortenden eine Zeichenähnlichkeit begründen und eine Verwechslungsgefahr nach sich ziehen (vgl. [X.]GH, [X.], 507 – [X.]/R[X.]; [X.]GH, [X.], 426 – „[X.]“ zur Verwechslungsgefahr zwischen den Zeichen „[X.]“ und [X.]“); [X.]PatG 30 W (pat) 15/14 – E[X.]OFILL / [X.]OFILL, abrufbar auf juris.de; [X.]PatG 25 W (pat) 12/16 – [X.] / [X.], abrufbar auf juris.de; [X.] a. a. O., § 14 Rn. 372).

Dies ist im vorliegenden Fall anzunehmen, in dem trotz des unterschiedlichen Anfangslautes die vollständige Übereinstimmung der [X.] im Übrigen eine insgesamt jedenfalls durchschnittliche Ähnlichkeit begründet. So ist nicht nur der (einzige) Vokal „a“ der sich gegenüberstehenden Marken identisch, sondern vor allem auch der besonders prägnante Endlaut, das doppelten „S“, der als scharfer „Zischlaut“, sog. stimmloser alveolarer [X.], in den sich gegenüberstehenden Marken jeweils deutlich hervortritt. Die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise werden daher – selbst bei angenommener durchschnittlicher Aufmerksamkeit – die sich den divergierenden Anfangslauten jeweils anschließende [X.]uchstabenfolge „-ass“ besonders wahrnehmen.

Im Hinblick auf diese dargelegten weitgehenden Übereinstimmungen in klanglicher Hinsicht ist eine durchschnittliche phonetische Ähnlichkeit der [X.] zu bejahen, der insbesondere im Zusammenhang mit möglichen [X.]estellsituationen in Lokalen und damit gerade im Hinblick auf die hier relevanten Waren und Dienstleistungen eine besondere [X.]edeutung zukommt. Daneben ist eine zumindest durchschnittliche schriftbildliche Ähnlichkeit der [X.] zu bejahen.

In Anbetracht der somit insgesamt zumindest durchschnittlichen Zeichenähnlichkeit hält die jüngere Marke im Zusammenhang mit den zu den Dienstleistungen der älteren Marke jedenfalls durchschnittlich ähnlichen Waren der Klassen 32 und 33 sowie unter [X.]erücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den erforderlichen Abstand zur älteren Marke nicht ein, so dass eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.

Dem stehen ein unterschiedlicher [X.]edeutungsgehalt der [X.] bzw. ein möglicher [X.]edeutungsgehalt der Widerspruchsmarke nicht entgegen.

Eine nach dem [X.]ild und/oder nach dem Klang zu bejahende Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen kann im Einzelfall zu verneinen sein, wenn einem Zeichen ein klar erkennbarer eindeutiger Sinngehalt zukommt; dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn nur eines der sich gegenüberstehenden Zeichen über einen solchen [X.]edeutungsgehalt verfügt (vgl. [X.], [X.], 413, Rn. 49 – [X.]/SIR; [X.], [X.], 237, Rn. 20 – PI[X.]O/PI[X.]ARO; [X.]GH, [X.], 914, Rn. 27 – [X.]/Medi[X.]o Apotheke). Dies setzt jedoch einen die Zeichen unterscheidenden, ohne Weiteres erkennbaren konkreten [X.]egriffsinhalt voraus; ein Sinngehalt, der sich erst nach analytischer [X.]etrachtung ergibt, reicht nicht aus ([X.]GH, [X.], 914, Rn. 27 – [X.]/ Medi[X.]o Apotheke).

Vorliegend führt der begriffliche Inhalt der Widerspruchsmarke „[X.]ASS“ als [X.]ezeichnung einer tiefen Tonlage schon deshalb nicht von einer Zeichenähnlichkeit weg, weil der [X.]ezeichnung einer Tonlage im Zusammenhang mit den von der Widerspruchsmarke konkret beanspruchten Waren der Klasse 32 und Dienstleistungen der [X.] kein eindeutiger und bestimmter, ohne Weiteres erfassbarer Sinngehalt entnommen werden kann (vgl. [X.]GH, [X.], 173, 3. Leitsatz

– combit/[X.]ommit).

4. Hinsichtlich der Kosten des [X.]eschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 [X.], da [X.]illigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen [X.]eteiligten weder vorgetragen wurden noch sonst ersichtlich sind.

5. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die [X.]eteiligten die Durchführung einer solchen nicht beantragt haben (§ 69 Nr. 1 [X.]) und der Senat eine mündliche Verhandlung auch nicht aus Gründen der Sachdienlichkeit für geboten erachtet hat (§ 69 Nr. 3 [X.]).

Meta

27 W (pat) 14/17

19.02.2019

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.02.2019, Az. 27 W (pat) 14/17 (REWIS RS 2019, 10190)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10190

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