Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.10.2013, Az. 3 StR 258/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 1690

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Gegenstand

Notwendige Feststellungen im Strafurteil: Ausschöpfen des Unrechtsgehalts der angeklagten Tat


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der auswärtigen großen Strafkammer des [X.] in [X.] vom 27. März 2013 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte im [X.] 1 freigesprochen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten von den Vorwürfen des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung sowie der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz freigesprochen. Mit ihrer - nachträglich auf den Freispruch vom Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung beschränkten - Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s warf der Angeklagte am 3. August 2012 gegen 0.50 Uhr eine mit einem Brandbeschleuniger gefüllte und einer Zündvorrichtung versehene Bierflasche (Molotow-Cocktail) in Richtung des geöffneten Fensters zum [X.] der       [X.]. Dabei nahm der Angeklagte, der zutreffend davon ausging, dass die Zeugin schlafend in ihrem [X.] lag, deren möglichen Tod ebenso in Kauf wie einen durch die beabsichtigte Explosion verursachten Wohnungsbrand, der weitere Personen gefährden könnte. Der [X.] verfehlte allerdings sein Ziel, so dass die Flasche an der an das Fenster angrenzenden Hauswand abprallte und zunächst auf das Fensterbrett und dann auf den Erdboden fiel, wo sie zerbarst, ohne dass eine Detonation ausgelöst wurde. Einen von vornherein für den Fall des Fehlgehens des ersten Wurfes mitgeführten zweiten [X.] brachte der Angeklagte nicht mehr zum Einsatz. Vielmehr verließ er den [X.]. Die [X.] hat das Verhalten des Angeklagten als versuchten Mord in Tateinheit mit versuchter besonders schwerer Brandstiftung gewertet. Von dem unbeendeten Versuch sei der Angeklagte jedoch strafbefreiend zurückgetreten, weshalb er freizusprechen sei.

3

Das Urteil hat keinen Bestand, weil die [X.] den festgestellten Sachverhalt nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft und damit gegen die ihr obliegende allseitige Kognitionspflicht (§ 264 [X.]) verstoßen hat. Dies stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar (vgl. KK/[X.], 7. Aufl., § 264 Rn. 25 mwN).

4

Die umfassende gerichtliche Kognitionspflicht gebietet, dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - [X.] durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 29. Oktober 2009 - 4 StR 239/09, [X.], 222, 223 mwN). Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen (vgl. [X.], [X.], 56. Aufl., § 264 Rn. 10; KK/[X.], aaO Rn. 10).

5

Dies hat das [X.] unterlassen. Nach den Urteilsfeststellungen hatte sich der Angeklagte mit zwei selbstgebauten "[X.]" zu dem von der Zeugin [X.] bewohnten Haus begeben. Die [X.] hätte deshalb prüfen und entscheiden müssen, ob er damit den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 3 und Anlage 2 Abschnitt 1 1.3.4. [X.] (vgl. [X.]/[X.]/Papsthart-[X.], Waffenrecht, 9. Aufl., § 52 [X.] Rn. 3 f.) erfüllt hat. Dass diese Strafvorschrift in der - unverändert zugelassenen - Anklage nicht aufgeführt war, änderte an der Kognitionspflicht des [X.]s nichts (§ 264 Abs. 2 [X.]).

6

Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

7

Der neue Tatrichter wird den festzustellenden Sachverhalt wiederum unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen haben.

Becker                          Pfister                      Hubert

               Schäfer                        Spaniol

Meta

3 StR 258/13

24.10.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kleve, 27. März 2013, Az: 220 KLs 1/13

§ 264 StPO, § 52 Abs 1 Nr 1 WaffG, § 24 StGB, § 211 StGB, § 306a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.10.2013, Az. 3 StR 258/13 (REWIS RS 2013, 1690)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1690

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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