Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2018, Az. 2 StR 76/17

2. Strafsenat | REWIS RS 2018, 15898

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:100118U2STR76.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 76/17
vom
10. Januar
2018
in der Strafsache
gegen

wegen Beihilfe zum Betrug

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat aufgrund der Verhandlung vom 6.
Dezember 2017 in der Sitzung am 10.
Januar 2018, an denen
teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. [X.]

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. [X.],
[X.] am [X.]
Schmidt,

[X.] beim [X.]

in der Verhandlung,
St[X.]tsanwalt

bei der Verkündung

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 14. September 2016 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tra-gen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hatte den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen Beihilfe zum Betrug in zehn tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Nach Aufhebung dieses Urteils und [X.] durch Senatsbeschluss vom 2.
September 2015

2
StR 49/15

([X.], 272 f.) hat das [X.] den Angeklagten nun-mehr wegen Beihilfe zum Betrug in neun tateinheitlichen Fällen zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte [X.] des Angeklagten. Das Rechtsmittel ist unbegründet.

1
-
4
-
I.
Nach den Feststellungen des [X.]s betrieb der frühere Mitange-klagte [X.]

ein Unternehmen, das Kunden größere Darlehen ohne Kre-
ditsicherheiten und Bonitätsprüfung in Aussicht stellte. Die Vergabe der Darle-hen sollte angeblich nur von der Zahlung einer Bearbeitungsgebühr abhängig sein. Tatsächlich hatte [X.]

weder die Absicht noch eine Möglichkeit
dazu, entsprechende Darlehen zu gewähren. Es ging ihm nur darum, im Rah-men eines Schneeballsystems eine sogenannte Bearbeitungsgebühr zu kassie-ren. Der Angeklagte, der früher selbst von [X.]

betrogen worden war,
und der frühere Mitangeklagte N.

unterstützten die betrügerischen
Machenschaften insbesondere dadurch, dass sie in Kenntnis der Täuschung solche Kunden hinhielten, welche die Darlehensauszahlung anmahnten. [X.] kam es dazu, dass der Angeklagte Telefongespräche führte, die von anwesenden Kunden mitgehört werden konnten. Dabei wurde ihnen mitunter

G.

espielt. [X.]

spielte
dabei die Rolle des angeblich zur bevorzugten Behandlung des das Telefonat mithörenden [X.] bereiten Bankiers.

II.
Die Revision ist im Wesentlichen bereits aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift genannten Gründen unbegründet. Der Erörte-rung bedarf nur eine Verfahrensrüge. Damit macht der Beschwerdeführer die Fehlerhaftigkeit der Verwerfung eines [X.] des Angeklagten gegen den Vorsitzenden der [X.] als unzulässig wegen Verspätung im Sinne von §
25 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 [X.] geltend.
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5
-
1. Dem lag Folgendes zugrunde:
Am ersten Verhandlungstag hatte der Vorsitzende gegenüber dem [X.] geäußert, der Angeklagte könne ein Geständnis ablegen. Aufgrund des [X.]ablaufs könne die Strafe dann etwas geringer als im ersten Urteil ausfallen. Falls kein Geständnis abgelegt werde, könne das Gericht das erste Urteil prak-Sachrüge gegen das erste Urteil verwiesen. Der Vorsitzende hatte erwidert, der Angeklagte könne auch freigesprochen werden. Die Hauptverhandlung könnte Verteidiger hatte dazu bemerkt, dass der Angeklagte kein Geständnis
ablegen werde.
Am zweiten Tag der Hauptverhandlung, dem 16.
März 2016, vernahm das Gericht unter anderem den Zeugen

F.

.
Nach der Entlassung dieses Zeugen erklärte der Vorsitzende gegenüber dem Verteidiger: mit dem Banker G.

Verteidiger erwiderte, er selbst könne kein Geständnis ablegen, weil er beim Tatgeschehen nicht anwesend gewesen sei. Dazu bemerkte der Vorsitzende, er könne sich doch nur an ihn, den Verteidiger, wenden, weil der Angeklagte sich nicht zur Sache äußere.
Nach diesem Wortwechsel erschien der Zeuge N.

, der über
seine Zeugenpflichten belehrt und vernommen wurde. Im [X.] an die [X.] dieses Zeugen entstand im Sitzungss[X.]l von 11.07 bis 11.21 Uhr eine Pause, bis der Zeuge [X.]

vorgeführt wurde. Der Verteidiger beantragte
hiernach eine Unterbrechung der Hauptverhandlung für 45 Minuten,

.

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5
6
7
-
6
-
wieder abgeführt und die Hauptverhandlung von 11.24 bis 13.01 Uhr unterbro-chen. Dann stellte der Verteidiger für den Angeklagten einen Ablehnungsan-trag. Darin machte er
die genannte Äußerung des Vorsitzenden zum Ableh-.

macht nur Sinn, wenn er Dreck am

dem Hintergrund der Äußerung des Vorsitzenden vom ersten Verhandlungstag r-klärungen sehe er ferner im Zusammenhang mit der Bemerkung, das Gericht spieldie Äußerungen des Vorsitzenden am ersten Verhandlungstag noch nicht zum Anlass genommen, die Besorgnis der Befangenheit geltend zu machen. Seine Hoffnung, es habe sich nur um eine missverständliche Formulierung gehandelt, sei jedoch enttäuscht worden. Er gehe davon aus,
dass der Vorsitzende Druck auf ihn ausüben wolle, damit er ein Geständnis ablege.
Zu Beginn des nächsten Sitzungstages verkündete der Vorsitzende den Gerichtsbeschluss:

nämlich nicht bis
zum Beginn [der Vernehmung] des Zeugen
N.

, geltend gemacht worden ist.
Das Ablehnungsgesuch hätte bis zur Vernehmung dieses Zeugen erfolgen müssen. Nach der Vernehmung des Zeugen F.

entstand eine Pause, während dieser der Zeuge N.

aus
den Haftzellen vorgeführt werden musste. In dieser [X.] hätten der Angeklagte und sein Verteidiger eine Unterbrechung

wie sie es nach der Vernehmung des Zeugen N.

getan haben

beantragen können, um das aus ihrer Sicht erforderliche [X.] formulieren zu können. Das war nicht der Fall. [X.] haben der Angeklagte und sein Verteidiger die Vernehmung des Zeugen N.

2. [X.] nach §
338 Nr.
3 [X.] ist unbegründet.
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7
-
a) Gemäß §
338 Nr.
3 [X.] ist das Urteil unter anderem dann als auf [X.] Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, wenn bei dem Urteil ein [X.] mitgewirkt hat, nachdem das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden ist. Mit Unrecht verworfen ist das Ablehnungsgesuch vor allem, wenn es zulässig und sachlich begründet war. Eine Verletzung von Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG kann im Einzelfall allerdings auch vorliegen, wenn das Tatgericht über das Ablehnungsgesuch fehlerhaft in der Besetzung mit dem abgelehnten [X.] entschieden hat (vgl. [X.], Beschluss vom 10.
August 2005

5
StR 180/05, [X.]St 50, 216, 218). Der Beschwerdeführer hat jedoch nur vorgetra-gen, die [X.] sei zu Unrecht von einer Verspätung der [X.]ableh-nung im Sinne von §
25 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 [X.] ausgegangen. Eine solche Entscheidung über die Verwerfung des [X.] als unzulässig [X.] indes sowohl von der [X.] in der Besetzung mit dem abgelehnten [X.] (§
26a Abs.
2 Satz
1 [X.]) und den Schöffen ([X.], Beschluss vom 9.
September 2014

5
StR 53/14, NStZ
2015, 175) als auch von der [X.] in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne den abgelehnten [X.] (§
27 Abs.
1 [X.]) und ohne Schöffen (§
76 Abs.
1 Satz
2 GVG) erlassen wer-den können. Dem [X.] ist nicht zu entnehmen, in welcher Beset-zung die [X.] entschieden hat. Die Verfahrensbeanstandung ist viel-mehr auf die Rüge beschränkt, das [X.] habe zu Unrecht angenommen, das Ablehnungsgesuch sei nicht unverzüglich angebracht worden.
Mit dieser Zielrichtung ist die Rüge

entgegen der Auffassung des Ge-neralbundesanwalts

im Sinne von §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.] zulässig; denn der Beschwerdeführer hat alle Prozesstatsachen vorgetragen, die zur Beurtei-lung dieses begrenzten Revisionsangriffs erforderlich sind.
10
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b) Es kann offen bleiben, ob das [X.] zu Recht angenommen hat, das Ablehnungsgesuch sei entgegen §
25 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 [X.] nicht un-verzüglich angebracht worden. Jedenfalls hat die [X.] nicht willkürlich entschieden.
Willkür liegt nur vor, wenn die Entscheidung des Gerichts auf grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzes beruht und daher of-fensichtlich unhaltbar ist. Ebenso zu behandeln ist der Fall, dass das Gericht bei der Rechtsanwendung die Bedeutung und Tragweite des grundrechtsglei-chen Rechts auf den gesetzlichen [X.] grundlegend verkennt. Beides ist hier nicht der Fall.
Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Beschwerdeführer bereits am ersten Verhandlungstag Überlegungen im Hinblick auf eine [X.]ablehnung angestellt, dann aber zurückgestellt hatte. Am zweiten Verhandlungstag hatte er im [X.] an die später beanstandete Äußerung des abgelehnten [X.] zuerst das Ende der Vernehmung des Zeugen N.

und sodann
das Ende der 14-minütigen Pause bis zur Vorführung des Zeugen [X.]

verstreichen lassen, bevor er eine förmliche Unterbrechung der Hauptverhand-lung zur Besprechung und Vorbereitung seines [X.] beantragt hat. Es folgte eine 97-minütige Unterbrechung der Hauptverhandlung; danach hat er das Ablehnungsgesuch angebracht. Ob die [X.]ablehnung dann noch unverzüglich im Sinne von §
25 Abs.
2 Satz
1 Nr.
2 [X.] angebracht worden ist, ist zumindest zweifelhaft. Jedenfalls verletzt die entsprechende Annahme nicht Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG.
c) Der Senat kann danach offen lassen, ob das Ablehnungsgesuch tat-sächlich verspätet war. Ist keine Verletzung von Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG im [X.] festzustellen, hat das Revisionsgericht nach Beschwer-12
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9
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degrundsätzen über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden ([X.], Beschluss vom 29.
August 2006

1
StR 371/06, [X.], 161, 162; Senat, Beschluss vom 27.
August 2008

2
StR 261/08, [X.], 223, 224; Beschluss vom 12.
Dezember 2008

2
StR 479/08, [X.], 142; [X.]/[X.], [X.], 60.
Aufl., §
338 Rn.
28). Diese Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass die [X.]ablehnung durch den Beschwerdeführer jedenfalls unbegründet ist und deshalb nicht mit Unrecht verworfen wurde. Der Hinweis des abgelehnten Voob Sie ein Geständnis ablegen. Das mit dem Banker G.

macht nur Sinn,

er stehe dem Angeklagten nicht unvoreingenommen gegenüber.
[X.]) Die Besorgnis der Befangenheit eines [X.]s ist bei dem [X.] berechtigt, wenn er bei einer verständigen Würdigung des ihm [X.] Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der [X.] nehme ihm gegen-über eine innere Haltung ein, welche die gebotene Unparteilichkeit und [X.] störend beeinflussen kann ([X.], Urteil vom 10.
November 1967

4 StR 512/66, [X.]St 21, 334, 341). Maßstab für die Beurteilung dieser 3. März 1997

1
StR vom 8.
März 1995

5 [X.], [X.]St 41, 69, 71). Aus der Verhandlungs-führung des abgelehnten [X.]s kann sich im Einzelfall ein berechtigtes Miss-trauen in dessen Unvoreingenommenheit ergeben, wenn er den Angeklagten bedrängt, zur Sache auszusagen oder ein Geständnis abzulegen (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Mai 2007

3
StR 132/07, [X.], 711, 712). Nicht zu beanstanden ist es hingegen, wenn der Vorsitzende,
gegebenenfalls auch in nachdrücklicher Form, auf das nach dem gegebenen Sachstand zu erwartende Verfahrensergebnis hinweist oder die Bedeutung eines Geständnisses für die Strafzumessung hervorhebt (vgl. [X.], Urteil vom 10. Dezember 1997

3
StR 16
-
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441/97, [X.]R [X.] §
24 Abs.
2 Befangenheit
12; Urteil vom 2.
März 2004

1 StR 574/03, [X.], 208, 209).
[X.]) Gemessen hieran erweist sich das Ablehnungsgesuch als unbegrün-det.
Die beanstandete Äußerung des Vorsitzenden begründet unter den hier gegebenen Umständen des Einzelfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Zwar hat der Vorsitzende mit seiner an den Verteidiger adressierten Bemerkung dem Angeklagten nahe gelegt, ein Geständnis abzulegen. Der diese Anregung ker G.

mache nur Sinn, wenn er

Beweislage Bezug und erscheint

ungeachtet der unangemessen anmutenden Wortwahl

vor dem Hintergrund des Verfahrensstands noch als nachvollzieh-bar; der Angeklagte war in einem ersten Durchgang

maßgeblich auf der Grundlage der Angaben des Zeugen [X.]

, der die Taten sowie die Be-
teiligung des Angeklagten an ihnen einschließlich des vom Vorsitzenden ange-dert hatte

als Mittäter verurteilt worden.
Vor diesem Hintergrund war die Äußerung des Vorsitzenden als eine vor-läufige Bewertung der Beweislage zu verstehen und deutete weder für sich ge-nommen noch im Hinblick auf die vorangegangenen Äußerungen des [X.] auf eine Vorfestlegung hin.
Eine vorläufige Bewertung der Sach-
und Rechtslage durch einen [X.] ist grundsätzlich nicht zu beanstanden ([X.], Urteil vom 14.
April 2011

4
StR 571/10, [X.], 590, 591 mwN). Liegt eine erdrückende Beweislage vor, kann der [X.] darauf und auf die verbleibenden Möglichkeiten einer sinnvol-len Strafmaßverteidigung hinweisen, ohne seine Pflicht zur Neutralität und Ob-jektivität zu verletzen. Nur in diesem Sinn sind die beanstandeten Bemerkungen 17
18
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-
11
-
hier auch in
der Gesamtschau zu verstehen. Ein Hinweis auf das aktuelle [X.] einer erdrückenden Beweislage lässt schließlich nicht besorgen, dass andere Verteidigungsmittel als ein Geständnis nicht mehr berücksichtigt werden würden, wenn sie später vorgebracht würden; dass dies geschehen sei, hat die Revision im Übrigen nicht behauptet.
[X.] [X.] [X.]

[X.]

Schmidt

Meta

2 StR 76/17

10.01.2018

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2018, Az. 2 StR 76/17 (REWIS RS 2018, 15898)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15898

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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