26. Senat | REWIS RS 2021, 5735
Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Markenbeschwerdeverfahren – "Rheinhessen Wine Lovers (Wort-Bild-Marke)" – fehlende Unterscheidungskraft
In der [X.]
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2018 005 165.7
hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 19. Mai 2021 unter Mitwirkung des Richters [X.] als Vorsitzenden, des Richters [X.] und der Richterin [X.]
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
I.
Das Wort-/Bildzeichen
ist am 1. März 2018 unter der Nummer 30 2018 005 165.7 als Marke zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden für Waren der Klasse 33
Alkoholische Getränke, ausgenommen Bier.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass die angemeldete Marke aus einfachen [X.] Begriffen gebildet werde und vom angesprochenen Verkehr im Zusammenhang mit den vorliegend beanspruchten Waren ohne weiteres als werbeübliche Aufforderung wirke. Die Werbung bediene sich häufig solcher als Sachhinweis gemeinter und verständlicher neuer Slogans. Der Verkehr sei daran gewöhnt, in der Werbung ständig mit mehr oder weniger klaren Wortfolgen und Redewendungen konfrontiert zu werden, durch die sachliche Informationen übermittelt werden sollten und die deshalb auch nur in diesem Sinne und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden würden.
Den Wortbestandteil „[X.]“ verstehe der angesprochene Verkehr als geografische Angabe eines Weinanbaugebietes. [X.] sei eine Region am nordwestlichen Ende des Oberrheingrabens, in der im Jahr 2016 über 330.000 Menschen lebten. Die Wortbestandteile „[X.]“ seien mit „Weinfreund, Weinliebhaber“ zu übersetzen. Die Wortkombination „[X.]“ sei [X.] gebildet und entspreche der üblichen Verwendung von Ausdrucksweisen in der Werbung. Der Verkehr sei daran gewöhnt, auf entsprechende Angebote und Besonderheiten der sprachlichen Form „[X.]“ aufmerksam gemacht zu werden. Insgesamt handele es sich bei der angemeldeten Marke um eine Werbeaussage allgemeiner Art, die der angesprochene Verkehr, hier der Durchschnittsverbraucher, entweder als Werbeslogan oder als beschreibende [X.] verstehen würden. Die angemeldete Marke sei auch nicht mehrdeutig oder interpretationsbedürftig.
Auch die grafische Gestaltung der angemeldeten Marke in einer an eine Schreibschrift erinnernden Schriftart sei üblich und könne die Unterscheidungskraft nicht begründen.
Schließlich könnten die von der Anmelderin aufgeführten Voreintragungen keine andere Entscheidung rechtfertigen. Eine uneinheitliche Entscheidungspraxis des [X.] könne nicht festgestellt werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, dass es der angemeldeten Marke nicht an der erforderlichen Kennzeichnungskraft fehle. Im Verfahren vor der Markenstelle hat die Beschwerdeführerin weiter ausgeführt, dass die angemeldete Marke keinen ausschließlich glatt beschreibenden Werbeslogan darstelle. Die Unterscheidungskraft eines Zeichens dürfe nach der Rechtsprechung des [X.] nicht allein deshalb verneint werden, weil es gleichzeitig oder sogar in erster Linie als Werbemittel aufgefasst werde. Auch sei der [X.] „[X.]“ u.a. Schutz für [X.] bewilligt worden. Nichts anders könne für die Wortbestandteile „[X.]“ der angemeldeten Marke gelten.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des [X.] vom 30. Juli 2018 2018 aufzuheben.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 6. November 2019 ist die Beschwerdeführerin unter Beifügung von [X.] (Anlagen/konvolute 1 bis 6, [X.]. 14 – 53 GA) darauf hingewiesen worden, dass die angemeldete Marke nicht für schutzfähig erachtet werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Der Eintragung des angemeldeten [X.] „
a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.] 2015, 1198 [X.]. 59 f. – [X.]/[X.]]; [X.], 932 [X.]. 7 – #darferdas?; [X.] 2018, 301 [X.]. 11 – [X.]; [X.] 2016, 934 [X.]. 9 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.] 2010, 228 [X.]. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] – #darferdas?; a. a. O. – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.] 2004, 428 [X.]. 53 – [X.]; [X.] [X.]. 15 – [X.]).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] [X.] 2013, 1143 [X.]. 15 – [X.] werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.] 2006, 411 [X.]. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] [X.] 2014, 376 [X.]. 11 – grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.] 2004, 674 [X.]. 86 – Postkantoor; [X.] [X.]. 8 – #darferdas?; [X.] 2012, 270 [X.]. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] Sprache oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] – #darferdas?; a. a. [X.]. 12 – [X.]; [X.] 2014, 872 [X.]. 21 – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht ([X.] – #darferdas?; a. a. O. – [X.]). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] [X.] 2004, 146 [X.]. 32 – [X.]; [X.] [X.] 2014, 569 [X.]. 18 – [X.]); dies gilt auch für ein zusammengesetztes Zeichen, das aus mehreren Begriffen besteht, die nach diesen Vorgaben für sich genommen schutzunfähig sind. Der Charakter einer [X.] entfällt bei der Zusammenfügung beschreibender Begriffe jedoch dann, wenn die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung erfahren, die hinreichend weit von der [X.] wegführt ([X.] [X.] 2007, 204 [X.]. 77 f. – [X.]; [X.] [X.] 2014, 1204 [X.]. 16 – DüsseldorfCongress).
b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genügt die angemeldete Marke
aa) Die in Rede stehenden Waren richten sich an breite Verkehrskreise, nämlich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher als auch den Getränkefachhandel sowie den Gastronomiefachverkehr.
bb) Das [X.]
„" setzt sich trotz der gewählten Schreibschriftart für den angesprochenen Verkehr aus dem [X.] Begriff "[X.]" sowie den [X.] Wörtern „Wine“ und „[X.]s“ zusammen.
(1) Den Wortbestandteil "[X.]" versteht der angesprochene Verkehr als geografische Angabe. [X.] ist ein Teilgebiet von [X.] im Hügelland zwischen [X.], [X.] und der unteren [X.] (vgl. [X.], [X.], Stichwort: [X.], Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis). [X.] ist zugleich die Bezeichnung für das größte Weinbaugebiet in [X.] (vgl. [X.] (pat) 153/93 – [X.]tafel; Der Brockhaus Wein, [X.] u.a. 2005, Stichwort: [X.]; [X.], [X.] 2011, Stichwort: [X.], [X.] 2 zum gerichtlichen Hinweis). Es ist seit langem bekannt und bereits seit 1979 als Weingebiet lexikalisch erfasst (vgl. [X.], [X.], 1979, Stichwort: [X.], Anlage 3 zum gerichtlichen Hinweis).
(2) Der zum [X.] Grundwortschatz gehörende Wortbestandteil „Wine“ wird mit „Wein“ übersetzt ([X.] (pat) 61/10 – winestyle; siehe auch [X.], Grundwortschatz [X.], 2000, S. 248).
(3) Der ebenfalls zum [X.] Grundwortschatz gehörende Wortbestandteil „[X.]s“ ist in der Singular-Form in der Bedeutung "Freund, Liebhaber" in die [X.] eingegangen (vgl. [X.], [X.], 8. Aufl., Stichwort: [X.]). Es ist zudem im Sinne von "Enthusiast" Bestandteil zahlreicher Slogans im [X.], wie z. B. "For coffee lovers" oder "For serious milk lovers" (vgl. Auszug aus der Datenbank "[X.]", Stichwort: lover, Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis) sowie Bestandteil zahlreicher Komposita wie "dog lover" im Sinne von "Hundefreund", "book lover" im Sinne von "[X.]", "nature lover" im Sinne von "Naturliebhaber" (vgl. [X.] Oxford, Großwörterbuch [X.], 3. Aufl., Stichwort: lover; [X.], Großwörterbuch [X.], 2014, Stichwort: lover; vgl. [X.] 5 zum gerichtlichen Hinweis).
(4) Bei dem Begriffspaar „wine lovers“ handelt es sich zudem um eine bereits vor dem Anmeldezeitpunkt (1. März 2018) gebräuchliche Begriffskombination für die Bezeichnung von "Weinliebhabern" wie nachfolgende Zitate verdeutlichen ([X.] 6 zum gerichtlichen Hinweis):
- "[X.]: a Game Changer for [X.] everywhere", 11.11.2016, www.retailintelligencelab.com/blog/2016/11/11/cavacave-a-game-changer-for-wine-lovers-everywhere
- "The Site for German [X.]", 21.06.2016, www.germanwineestates.com
- "[X.] [X.]: A FABULOUS DESTINATION [X.] AND [X.]", 08.09.2015, www.asausagehastwo.com/the-pfalz/
- "10 Races for [X.]", 23.06.2016, www.runnersworld.com/races-places/g20844939/bucket-list-10-races-for-wine-lovers/
cc) Vor diesem Hintergrund wird der angesprochene Verkehr die Wortkombination „[X.] [X.]“ in Bezug auf die beanspruchten Waren im Sinne von „Liebhaber der Weine [X.]s“ oder im Sinne von "Weinliebhaber aus [X.]" verstehen.
Unabhängig davon, dass bereits das Verständnis der beteiligten Fachkreise alleine für die Verneinung der Unterscheidungskraft von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. [X.] [X.] 2006, 411 Rn. 24 – Matratzen Concord/[X.]; BPatG 30 W (pat) 35/15 – [X.]), wird das Markenwort
dd) Die Ware "Wein" gehört zu den beanspruchten Waren der Klasse 33 „alkoholische Getränke, ausgenommen Biere“. Im Hinblick auf diese entnimmt der angesprochene Verkehr dem Anmeldezeichen daher keinen Hinweis auf die Herkunft einer Ware aus einem bestimmten Betrieb, sondern nur die schlagwortartige [X.], dass das so gekennzeichnete Produkt für Weinliebhaber aus [X.] bzw. für Liebhaber der Weine aus [X.] bestimmt und geeignet ist. Es handelt sich um das größte Weinanbaugebiet in [X.] und es ist seit langem als Weinanbaugebiet dem angesprochenen Verkehr bekannt. Ferner wird der [X.] „[X.]“ im Sinne von „Weinliebhaber“ in diesem Zusammenhang verwendet.
Vor diesem Hintergrund ist ein Eintragungshindernis auch für den weiten Obergriff „alkoholische Getränke, ausgenommen Bier“ anzunehmen, da der Eintragung des [X.] als Marke für einen weiten Oberbegriff ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 [X.] schon dann entgegensteht, wenn es hinsichtlich einzelner unter den Oberbegriff fallender Waren vorliegt ([X.] [X.] 2015, 1012 [X.]. 44 – Nivea-[X.]au; [X.] 2012, 1044 [X.]. 17 – [X.]; [X.] 2002, 262, 262 – [X.]; BPatG [X.] 2007, 65, 65 – [X.]; 30 W (pat) 505/17 – Texture; 26 W (pat) 24/12 – [X.]). So liegt der Fall hier.
ee) Auf die von der Anmelderin aufgeworfene Frage, ob das angemeldete Zeichen als Werbehinweis vom angesprochenen Verkehr aufgefasst wird, kommt es nicht an, da vorliegend bereits von einer rein sachbeschreibenden Angabe auszugehen ist.
ff) Auch die grafische Gestaltung vermag die fehlende Unterscheidungskraft des [X.] des [X.] nicht zu überwinden.
Beim Vorliegen der fehlenden Unterscheidungskraft des [X.] reichen einfache grafische Elemente nicht aus, das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] [X.] 2014, 872 Rn. 36 – [X.]; [X.], [X.] 2014, 569, Rn. 32 – [X.]; [X.] 2014, 376 Rn. 18 – [X.]). Die grafische Gestaltung nach Art einer Schreibschrift vermag vorliegend die Schutzfähigkeit nicht zu begründen. Es handelt sich um eine übliche Werbeform, [X.] zu verwenden; sie ist zudem gut lesbar (vgl. BPatG 26 W (pat) 67/10 -
gg) Die Anmelderin kann sich zur Ausräumung des [X.] auch nicht auf eine ihrer Meinung nach abweichende Eintragungspraxis berufen. Die von der Anmelderin erwähnte [X.] „[X.]“ (Nummer 1187001) stimmt bereits mit dem Anmeldezeichen in der Anzahl der Wörter und Wortfolge nicht überein.
2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vorliegt, kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen darüber hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] für die fraglichen Waren freihaltungsbedürftig ist.
Meta
19.05.2021
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 19.05.2021, Az. 26 W (pat) 553/18 (REWIS RS 2021, 5735)
Papierfundstellen: REWIS RS 2021, 5735
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
26 W (pat) 560/20 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – „Rheinstoff (Wortzeichen)“ - fehlende Unterscheidungskraft – Herkunftsangabe - Wortneuschöpfung
26 W (pat) 522/19 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – „LIQUID LOVE“ – keine Unterscheidungskraft für einen Teil der Waren und Dienstleistungen – …
29 W (pat) 568/17 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – "WINE-MATE" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis
26 W (pat) 535/18 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – "CHINAHANDYS (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis
28 W (pat) 525/20 (Bundespatentgericht)