Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2020, Az. II ZR 20/20

II. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 11393

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[X.]:[X.]:[X.]:2020:280720BIIZR20.20.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II
ZR
20/20

vom

28.
Juli 2020

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der II.
Zivilsenat des [X.] hat am 28.
Juli 2020
durch den
Vorsitzenden
Richter Prof.
Dr.
Drescher
sowie [X.], [X.], Dr.
Bernau und Dr. von Selle
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] wird das
Urteil des Einzelrichters des 5.
Zivilsenats des [X.] vom 9.
Januar 2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungs-beschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: bis zu 95.000

Gründe:
I.
Der Kläger begehrt im Wege einer Stufenklage Rechnungslegung, er-forderlichenfalls Versicherung an Eides statt und Zahlung
nach Veräußerungen von Geschäftsanteilen an einer
GmbH durch den [X.]n.
Die [X.]en und der Zeuge M.

waren 1997 in
einer GbR verbunden. Nachdem diese ihre werbende Tätigkeit beendet hatte, gründeten der [X.], der Zeuge M.

sowie der Zeuge E.

eine GmbH mit Sitz in [X.]. Von 2006 bis Ende 2015 war der Kläger als selbständiger Handelsvertreter für diese GmbH tätig. In den Jahren nach 2012 veräußerten der [X.] und der Zeuge M.

nach und nach 1
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-

ihre Anteile an der GmbH. Im Dezember 2016 wandte sich der Kläger an den [X.]n und machte Ansprüche auf Erlösbeteiligungen an den Anteilsveräu-ßerungen geltend. Er behauptet, dass eine Vereinbarung der [X.]en getroffen worden sei und dass er mit einem bestimmten Prozentsatz an den Verkaufser-lösen zu beteiligen sei.
Das [X.] hat die
[X.]en nach §
141 ZPO
informatorisch ange-hört und
Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen
M.

,
S.

und E.

.
Es hat den [X.]n durch
Teilurteil verurteilt, über die mit dem Verkauf und der Übertragung von ihm gehaltener
Geschäftsanteile der GmbH erzielten Veräußerungsgewinne durch Vorlage einer geordneten Aufstellung der Ein-nahmen und Ausgaben unter Beifügung von beglaubigten Abschriften der ent-sprechenden notariellen Geschäftsanteilskaufverträge sowie übersichtlich zu-sammengestellter Belege über evtl. Ausgabenposten Rechnung zu legen.
Das [X.] hat seine Überzeugung davon, dass eine verbindliche Vereinbarung der [X.]en geschlossen wurde, auch darauf gestützt, dass der [X.] in seiner persönlichen Anhörung erklärt habe, dass er dem Kläger ge-genüber geäußert habe, er halte sich an die Abmachung, und er könne sich
darauf verlassen, dass,
wenn er
seinen Anteil der Abmachung einhalte, man ebenfalls bereit sei, sich an seinem Wort festhalten zu lassen. Wer von der an-deren Seite Vertragstreue fordere, könne sich nicht seinerseits darauf zurück-ziehen, er
habe seine Leistungen unter den
Vorbehalt der Freiwilligkeit stellen wollen.
Auf die Berufung des [X.]n hat das Berufungsgericht das landge-richtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
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5
6
-
4
-

Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen. Hiergegen rich-tet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.].
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverwei-sung der Sache an das Berufungsgericht. Die Nichtzulassungsbeschwerde macht zu Recht geltend, dass das Berufungsgericht das Recht des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG) verletzt hat, indem es die Angaben des
informatorisch angehörten [X.]n und des [X.] anders als das [X.] gewürdigt hat, ohne diese
wie nach §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO erforderlich
lbst erneut anzuhören.
1.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass mit dem Vortrag des [X.] die Vereinbarung zwischen den [X.]en in einem Vier-Augen-Gespräch getroffen worden sein soll. Ein Beweismittel für diese Vereinbarung stehe dem Kläger nicht zur Verfügung. Die Anhörung des [X.] spreche gegen einen verbindlichen Vertragsschluss, da er selbst angegeben habe, dass die von ihm behauptete Vereinbarung durch Handschlag als "[X.]"
ge-troffen worden sei. Damit sei jedoch keine verbindliche Vereinbarung getroffen worden. Auch wenn zugunsten des [X.] unterstellt werde, dass er unter ei-nem
"[X.]"
eine bindende Vereinbarung verstanden habe, sei angesichts der von ihm geschilderten Situation auf der Parkbank am [X.] nicht auszuschließen, dass lediglich er davon (subjektiv) [X.] sei, die per Handschlag getroffene Übereinkunft stelle einen verbindli-chen, klagbaren Vertrag dar. Auch wenn man den klägerischen Vortrag als zu-treffend unterstelle, folge aus diesem nicht, dass auch der [X.] mit Rechts-7
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9
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5
-

bindungswillen gehandelt habe. Naheliegend erscheine vielmehr, dass [X.] [X.] einen lediglich moralisch bzw. gesellschaftlich
bindendes "[X.]"
habe treffen wollen, womit
es an einem Vertrags-schluss fehle.
2.
Das Berufungsgericht hat Art.
103 Abs.
1 GG verletzt.
a)
Nach §
529 Abs.
1 Nr.
1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten [X.] gebunden. Bei [X.] an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Fest-stellungen ist aber eine erneute Beweisaufnahme grundsätzlich
geboten. [X.] muss das Berufungsgericht einen bereits in erster Instanz vernom-menen Zeugen nochmals gemäß §
398 Abs.
1 ZPO vernehmen, wenn es des-sen Aussage anders würdigen will als die Vorinstanz ([X.], Urteil vom 25.
Juli 2017

VI
ZR
103/17, NJW
2018, 308 Rn.
9 mwN;
Urteil
vom 9.
Februar 2010

XI
ZR
140/09, BKR
2010, 515). Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfrei-heit der Aussage betreffen. Diese Grundsätze gelten nach §
451 ZPO für die [X.]vernehmung entsprechend. Auch von der Würdigung der Aussage der [X.] darf das Rechtsmittelgericht nicht abweichen, ohne die [X.] erneut ver-nommen zu haben. Trägt das Berufungsgericht dem nicht Rechnung, liegt darin ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG ([X.],
Urteil vom 25.
Juli 2017

VI
ZR
103/17, NJW
2018, 308 Rn.
9 mwN;
Beschluss vom 17.
September 2013

XI
ZR
394/12, NZG
2013, 1436 Rn.
10).
Diese Maßstäbe gelten auch, wenn das Erstgericht eine
[X.] nicht förmlich vernommen, sondern lediglich nach §
141 ZPO informatorisch angehört hat. Jedenfalls soweit die Angaben 10
11
-
6
-

der [X.]en in die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach §
286 Abs.
1 ZPO Eingang gefunden haben und dort in ihrer Glaubhaftigkeit bewertet wurden, kann das Berufungsgericht nicht ohne eigene Anhörung von dieser Würdigung abweichen ([X.], Urteil vom 25.
Juli 2017

VI
ZR
103/17, NJW
2018, 308 Rn.
10; [X.],
NJW
2017, 3218
Rn.
58).
b)
Das Berufungsgericht hat die informatorische Anhörung der [X.]en anders gewertet als das [X.] und hätte diese
nicht ohne erneute infor-matorische Anhörung der [X.]en seiner Entscheidung zugrunde legen dürfen. Es
hat die Anhörung der [X.]en dahingehend gewertet, dass eine verbindliche Vereinbarung der [X.]en nicht getroffen worden sei. Dabei hat es [X.] darauf abgestellt, dass bei der Benutzung des Begriffs "[X.]" durch den Kläger nicht klar sei, ob der [X.] von einer verbindlichen Vereinbarung ausgegangen sei. Dieses hat das [X.] jedoch nach der Anhörung des [X.]n festgestellt und darauf abgestellt, dass der [X.] in seiner Anhörung angegeben hat, dass er bei Vertragstreue des [X.] ihn auch an den Veräußerungserlösen beteiligen wolle, was
für einen Rechtsbin-dungswillen
spreche.
12
-
7
-

c)
Auf dieser
Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht auch die Entscheidung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht nach erneuter Anhörung anders entschieden hätte.

Drescher

[X.]

[X.]

Bernau

von
Selle

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.02.2019 -
1 O 73/18 -

OLG [X.], Entscheidung vom 09.01.2020 -
5 [X.] -

13

Meta

II ZR 20/20

28.07.2020

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.07.2020, Az. II ZR 20/20 (REWIS RS 2020, 11393)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11393

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