Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2010, Az. 5 StR 358/10

5. Strafsenat | REWIS RS 2010, 3004

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5 StR 358/10 [X.] vom 28. September 2010 in der Strafsache gegen wegen Totschlags

- 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 28. September 2010 beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 23. Februar 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Fest-stellungen aufgehoben. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landge-richts zurückverwiesen. [X.]e
Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags unter Ein-beziehung der Strafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und zwei Wochen verurteilt. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat entsprechend dem Antrag des [X.] im Umfang der Beschlussformel Erfolg. Im Übrigen ist sie unbe-gründet nach § 349 Abs. 2 StPO. 1 1. Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen getroffen: 2 Der 33-jährige Angeklagte hatte die später Getötete, die 27 Jahre alte [X.] , kurz vor der Tat kennengelernt und sofort Gefallen an ihr ge-funden. Seine Annäherungsversuche wies sie mehrfach deutlich zurück. Am Tag und Abend vor der Tat hatten der Angeklagte und [X.]mit dem Zeugen [X.]in dessen Wohnung einige Biere, etwas Wein und eine von 3 - 3 - [X.] gegen Mitternacht an einem nahe gelegenen Imbiss gekaufte Flasche Wodka getrunken. Als der Zeuge [X.]das Zusammensein been-den und schlafen gehen wollte, kam es zu einer Auseinandersetzung. [X.] ging [X.] gemeinsam mit dem Angeklagten in dessen im selben —[X.] gelegene Wohnung. Dort entwickelte sich kurz darauf ein Streit zwischen dem Angeklagten und der —unter Alkoholeinfluss rasch wü-tend [X.] [X.], weil diese eine finanzielle Beteiligung an der von ihr bezahlten, gemeinsam genossenen Flasche Wodka forderte. [X.] der Angeklagte ihr —eine Art Schuldscheinfi über den geforderten Be-trag ausstellte, beruhigte sich [X.] nicht. Sie schlug dem Angeklag-ten im Verlaufe des weiteren Streits zunächst ins Gesicht, woraufhin dieser sie kräftig zu Boden stieß; später versetzte sie ihm einen Tritt in den [X.]. —In der Folge beschloss der Angeklagte spontan, [X.] zu töten. Er packte sie mit beiden Händen am Hals und würgte sie bis zur [X.] ([X.]). Dann schleifte er die noch schwach atmende Frau ins Ba-dezimmer, holte ein Küchenmesser aus dem Wohnzimmer und stach es ihr dreimal —wuchtig bis zum Anschlagfi ins Herz. Anschließend versuchte er, die Leiche mit einem Messer in kleinere Stücke zu zerteilen, um ihren Abtrans-port in ein Versteck zu erleichtern. Dies gelang ihm letztlich nicht. Später verbarg er die Leiche in einem Heizungsschacht im [X.] des von ihm be-wohnten Mehrfamilienhauses. Dort wurde sie zwölf Tage später gefunden. Das Schwurgericht hat angenommen, dass der Angeklagte bei der Tat —zwar alkoholisch enthemmt [war], deutlich angetrunken oder gar betrunken war er jedoch nichtfi ([X.]. 4 2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Schuldspruch ergeben. Indes hält der Strafausspruch im Einklang mit dem Antrag des [X.] letztlich materiellrechtli-cher Überprüfung nicht stand. 5 - 4 - a) Zunächst ist die Begründung, mit der das Schwurgericht eine [X.] des § 213 StGB verneint, nicht rechtsfehlerfrei. Soweit es zu Lasten des Angeklagten darauf abstellt, er habe die Tat —aus nichtigem [X.] ([X.]) begangen, wird erst im Rahmen der Ausführungen zur Strafzumessung deutlich, dass das Gericht als solchen sowohl den angege-benen Streit wegen der Bezahlung der letzten Flasche Wodka als auch eine —denkbarefi Zurückweisung durch das Opfer nach einem [X.] sieht. Unmittelbarer Anlass der Tat waren indes die von der Getöteten ausgehenden Gewalttätigkeiten gegen den Angeklagten, die geeignet waren, ihn in besonderem Maße zu demütigen (Tritt in den [X.]). Dass diese wiederum durch sexuelle Annäherungsversuche des [X.] veranlasst wurden, hat das Schwurgericht nicht festzustellen ver-mocht ([X.]. 6 7 Darüber hinaus ist [X.] im Einklang mit der Stellungnahme des General-bundesanwalts [X.] zu besorgen, dass das Schwurgericht einen falschen Maß-stab für die Prüfung des Merkmals —auf der Stelle zur Tat hingerissenfi ange-wendet hat. Es hat entscheidend darauf abgestellt, dass die letztlich zum Tode führende Handlung die Messerstiche erst nach dem Verbringen des [X.] in das Bad erfolgt sei und mithin keine unmittelbare Reaktion auf die Provokation darstelle. Maßgebend ist indes nicht, ob sich die Tat als —Spon-tantatfi darstellt; vielmehr kommt es darauf an, ob der durch die Provokation hervorgerufene Zorn noch angehalten und den Angeklagten zu seiner Tat hingerissen hat (vgl. BGHR StGB § 213 Alt. 1 Hingerissen 1). Das liegt hier nicht gänzlich fern, zumal das Schwurgericht das festgestellte Tatgeschehen als einen einheitlichen Vorgang gewertet hat. b) Auch die Erwägungen, mit denen das Schwurgericht zu der An-nahme gelangt, dass der Angeklagte bei der Tat uneingeschränkt schuldfä-hig gewesen sei, sind nicht rechtsfehlerfrei. 8 - 5 - Die in den Feststellungen genannte Trinkmenge (—einige Biere, etwas Wein und den am Imbiss gekauften [X.] gemeinsam mit den übrigen [X.]) findet in der Beweiswürdigung keine Stütze. Sie entspricht nicht der vom Schwurgericht ausdrücklich als glaubhaft gewerteten Angabe des Zeu-gen [X.]in seiner Beschuldigtenvernehmung (Konsum von einer Flasche Korn und dem gekauften Wodka durch den Angeklagten und [X.]), sondern deckt sich noch am ehesten mit den Angaben des Angeklagten in seiner Beschuldigtenvernehmung am 25. Juni 2009 ([X.]). Diese hält das Gericht jedoch ebenso für unglaubhaft wie seine weitergehenden Anga-ben in der Vernehmung am 26. Juni 2009 ([X.]). 9 Seine Beurteilung stützt das Schwurgericht darauf, dass sich unter Zugrundelegung dieser Trinkmengen nach den überzeugenden Ausführun-gen des Sachverständigen für die Tatzeit jeweils ein Blutalkoholwert im Be-reich von 4,0 Promille ergebe, der jedoch auch bei dem trinkgewohnten [X.] nicht mit seinem festgestellten Verhalten zu vereinbaren sei. Die Grundlagen für diese Berechnung des Sachverständigen werden nicht mitge-teilt, sie ist darüber hinaus hinsichtlich der eigenen Angaben des [X.] am 25. Juni 2009 auch nicht plausibel. [X.] widerlegen zudem nicht zugleich die Möglichkeit zwar geringerer, aber immer noch im Sinne des § 21 StGB erheblicher alkoholischer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit. 10 Das Schwurgericht hat allerdings im Rahmen der von ihm vorgenom-men Gesamtwürdigung Indizien festgestellt, die das gefundene Ergebnis [X.] Verneinung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB [X.] grundsätzlich auch unabhängig von einer Berechnung der Blutalkoholkonzentration tragen könn-ten (vgl. BGHSt 43, 66, 69 ff.). Dazu zählen die Alkoholgewohnheiten des Angeklagten und seine körperliche Konstitution ebenso wie eher differenzier-te Handlungsabläufe vor, während und nach der Tat (vgl. [X.]), die [X.] einen komplexen Geschehensablauf belegen, der mit der Notwen-digkeit situativer Anpassungsleistungen und reflektierender Auseinanderset-11 - 6 - zung mit dem aktuellen Geschehen einherging und damit in besonderem Maße auf eine erhalten gebliebene Steuerungsfähigkeit schließen lässt. [X.] kommt die detailreiche Erinnerung des Angeklagten an die Tat (vgl. dazu [X.] NStZ 1996, 569, 575). Sie hat erhebliches Gewicht gegenüber der [X.] ohnehin wenig zuverlässigen (vgl. [X.] aaO S. 574) [X.] Berechnung der Blutalkolkonzentration aus geschätzten [X.]. 3. Sollte das neue Tatgericht gleichwohl zur Bejahung der Vorausset-zungen des § 213 StGB, 1. Alternative, wie des § 21 StGB gelangen, wird eine nochmalige Verschiebung des Strafrahmens aus § 213 StGB nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB mit Blick auf das [X.] und den engen Zusammen-hang zwischen Enthemmung und Jähtat nicht nahe liegen. Gegebenenfalls wird auch § 64 StGB in die tatgerichtliche Prüfung einzubeziehen sein. 12 [X.] [X.]

Meta

5 StR 358/10

28.09.2010

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2010, Az. 5 StR 358/10 (REWIS RS 2010, 3004)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3004

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