LG München, Urteil vom 26.03.2021, Az. 37 O 7730/20

37. Zivilkammer | REWIS RS 2021, 9850

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Gegenstand

Irreführende Werbung mit einem selbsterstelltem Bio-Siegel


Tenor

1. Der Beklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu zweihundertfünfzigtausend Euro oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an einem der Geschäftsführer der Komplementärin - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - wegen jeder Zuwiderhandlung

untersagt,

im geschäftlichen Verkehr das nachfolgend eingelichtete Bio-Siegel

Bio-Siegel

a) im Rahmen ihrer Werbung für Kräutertees, die nicht gleichzeitig [X.] sind, gegenüber Verbrauchern

und/oder

b) im Rahmen ihrer Werbung für [X.] gegenüber Verbrauchern und/oder gegenüber Fachkreisen zu verwenden, ohne dabei jeweils deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es sich um ein firmeneigenes Siegel handelt,

- wenn dies in Bezug auf die Werbung gemäß a) geschieht wie unter [...] gemäß nachfolgender Einlichtung:

pfefferminz

und/oder

- wenn dies in Bezug auf die Werbung gemäß b) gegenüber Verbrauchern geschieht wie unter [...]gemäß nachfolgender Einlichtung:

tee

und/oder

- wenn dies in Bezug auf die Werbung gemäß b) gegenüber Fachkreisen geschieht wie in der "[X.]", Ausgabe [X.], gemäß nachfolgender Einlichtung:

zeitung

2. Die Beklagte zahlt an die Klägerin 299,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.07.2020.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. [X.] ist für die Klägerin in Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein eingetragener Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, insbesondere zur Bekämpfung unlauteren [X.]. Die Beklagte produziert und vertreibt [X.] sowie Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel, darunter auch Tees. Zu ihrem Teesortiment gehören sowohl [X.] als auch herkömmliche Kräutertees.

Die Beklagte bewirbt im Rahmen ihres [X.]auftritts unter [X.]de Kräutertees und [X.] unter Verwendung des nachfolgend abgelichteten Bio-Zeichens (vgl. Anlagen K1-2):

Bio-Siegel

Zudem wird das Zeichen gegenüber Fachkreisen in der Fachzeitschrift "[X.]", Ausgabe [X.] verwendet (vgl. Anlagen K 3).

Bei dem Zeichen handelt es sich um ein firmeneigenes Bio-Logo der [X.]. In einem Werbeprospekt, der auf der [X.]seite der [X.] heruntergeladen werden kann, führt die Beklagte aus, dass das Logo die Herkunft aller Zutaten aus ökologischem Anbau garantiere und zusätzlich die sorgfältige Kontrolle sämtlicher Teebestandteile im eigenen Labor. Das Logo wird jedoch ohne erklärenden Zusatz verwendet. Soweit es (Anlage [X.], [X.]) im [X.] verwendet wird, erscheint allerdings, wenn man mit dem Maus-Zeiger über das Logo fährt, die Angabe ... Bio Qualität" (vgl. Anlage K 5).

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 08.04.2020 wegen der Verwendung des streitgegenständlichen Bio-Zeichens ab (Anlage [X.]). Mit Schreiben vom 29.04.2020 (Anlage [X.]) wies die Beklagte die Vorwürfe zurück und lehnte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Verwendung des firmeneigenen [X.] verstoße gegen die Verbote irreführender Werbung aus § 3 Abs. 1 [X.] und § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Denn der Werbeadressat könne nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennen, dass es sich bloß um ein firmeneigenes Siegel der [X.] handele. Die Beklagte erwecke gezielt den Eindruck, es handele sich um ein von einem neutralen [X.] mit entsprechender Kompetenz verliehenes Qualitäts- bzw. Prüfzeichen, mit dem dieser Dritte bestätige, dass der jeweils beworbene Tee die von dem [X.] bei seiner Prüfung angelegten objektiven und aussagekräftigen Kriterien erfülle. Das Siegel sei jedoch unstreitig ein selbst verliehenes Siegel, welches zudem den Werbeadressaten im Unklaren darüber lasse, welche Kriterien die Beklagte angelegt haben wolle.

Die Klägerin beantragt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fällig werdenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,- und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, diese zu vollziehen an einem der Geschäftsführer ihrer Komplementärin,

zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr das nachfolgend eingelichtete Bio-Siegel

Bio-Siegel

a) im Rahmen ihrer Werbung für Kräutertees, die nicht gleichzeitig [X.] sind, gegenüber Verbrauchern

und/oder

b) im Rahmen ihrer Werbung für [X.] gegenüber Verbrauchern und/oder gegenüber Fachkreisen zu verwenden, ohne dabei jeweils deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass es sich um ein firmeneigenes Siegel handelt,

- wenn dies in Bezug auf die Werbung gemäß a) geschieht wie unter [...] gemäß nachfolgender Einlichtung:

pfefferminz

und/oder

- wenn dies in Bezug auf die Werbung gemäß b) gegenüber Verbrauchern geschieht wie unter [...] gemäß nachfolgender Einlichtung:

tee

und/oder

- wenn dies in Bezug auf die Werbung gemäß b) gegenüber Fachkreisen geschieht wie in der "[X.]", Ausgabe [X.], gemäß nachfolgender Einlichtung:

zeitung

II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 299,60 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung.

Die Beklagte rügt die Bestimmtheit des Klageantrags.

Ferner meint die Beklagte, eine Irreführung sei nicht zu befürchten. Die Werbeadressaten könnten ohne weiteres erkennen, dass es sich bei dem Bio-Zeichen nicht um ein Qualitäts- oder Prüfzeichen eines neutralen [X.], sondern um ein firmeneigenes Bio-Zeichen handele. Für landwirtschaftliche Erzeugnisse wie die hier streitgegenständlichen Tees sei unionsrechtlich geregelt, dass die Verwendung des Wortes "bio" nicht zu einer Irreführung führen könne, falls das Produkt tatsächlich - was hier unstreitig der Fall sei - nach den unionsrechtlichen Standards für Bioprodukte hergestellt werde. Die Verbraucher legten heutzutage auf eine natürliche Erzeugung besonderen Wert. Ein Informationsinteresse bestehe auch insofern, als der Verbraucher eine etwaige Verfärbung des Tees nicht auf eine mindere Qualität zurückführen solle, sondern diese als eine für "[X.] Produkte typische Eigenschaft erkenne. Der Verkehr sei zudem an die Nutzung firmeneigener [X.] gewöhnt.

Wegen des weiteren Parteivortrags wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.02.2021 Bezug genommen. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der [X.]seite vom 15.03.2021 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung (§ 156 ZPO). [X.] wurden berücksichtigt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Gegner nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (stRspr, [X.], 1237 Rn. 13 - Erfolgsprämie für die Kundengewinnung; [X.], 426 Rn. 18 - [X.]; [X.], 328 Rn. 12 - Festzins Plus; [X.] 2019, 627 Rn. 15 - [X.]; [X.], 1013 Rn. 23 - [X.]; [X.]/[X.]/[X.], UWG, 39. Aufl. 2021, § 12 Rn. 1.35).

Die Grenze zur Unbestimmtheit ist überschritten bei Streit der Parteien über die Bedeutung eines Begriffs im konkreten Fall und bei Fehlen objektiver Kriterien zur Abgrenzung zulässigen und unzulässigen Verhaltens. Hier muss der Kläger den Begriff hinreichend konkret umschreiben und ggf. mit Beispielen unterlegen. Das kann durch Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform geschehen ([X.]/[X.]/[X.], UWG, 39. Aufl. 2021, § 12 Rn. 1.39). Nach diesen Grundsätzen können etwa auslegungsbedürftige Begriffe wie "deutlich" und "unübersehbar" im Einzelfall zu unbestimmt sein ("Es sei denn, es wird deutlich und unübersehbar auf diese Einschränkung des Angebotes hingewiesen", vgl. [X.], [X.]. [X.] - [X.], 1567, 1571).

Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Begriffe per se unzulässig sind. In dem zitierten Fall kam das [X.] lediglich deshalb zu diesem Ergebnis, weil es im konkreten Fall gerade darum ging, ob das angegriffene Verhalten unter den auslegungsbedürftigen Begriff fiel, die Bedeutung des Begriffes mithin fraglich blieb und damit der Inhalt und Umfang des Unterlassungsgebotes nicht eindeutig feststand. Anders als dort liegt im vorliegenden Fall eine Irreführung vor, ohne dass bei der konkreten Verletzungshandlung, wie sie auf den im Antrag in Bezug genommenen Abbildungen wiedergegeben wird, irgendein auf Aufklärung gerichteter Hinweise gegeben wurde. Der einschränkende Hinweis im Klageantrag "ohne dabei jeweils deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass ..." enthält hier keine Einschränkung des begehrten Verbots, sondern nur die selbstverständliche Klarstellung, dass die beanstandete Irreführung durch hinreichend deutlich aufklärende Hinweise ausgeräumt werden kann. Die Verurteilung erfasst daher von vornherein nicht auch spätere Verletzungsformen, bei denen zwar ein aufklärender Hinweis gegeben wird, dieser aber nicht in genügend deutlicher Form, weil dies eine andersartige Verletzungshandlung darstellen würde (vgl. [X.] 1999, 1017, 1018; [X.], 517; [X.] [X.] 1567, 1572).

II.

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der konkreten, im Antrag bezeichneten Verwendungsform des firmeneigenen [X.] der Beklagten. Ferner hat die Klägerin einen Kostenerstattungsanspruch in der beantragten Höhe.

1. Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Die Klägerin ist gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimiert. Die Verwendung des Bio-Zeichens auf die im Tenor jeweils in Bezug genommene Weise ist irreführend gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG und damit unlauter, § 3 Abs. 1 UWG.

Das Bio-Zeichen der Beklagten wird in den hier streitgegenständlichen Fällen als Gütesiegel verwendet, welches bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck erweckt, dass es von [X.] aufgrund konkreter objektiver Vorgaben und Kontrollen vergeben worden ist. Dies ist nicht der Fall. Es handelt sich um ein firmeneigenes Zeichen der Beklagten, welches diese aufgrund eigener Kriterien verwendet, die für den Verbraucher nicht erkennbar sind.

a) Ob eine Irreführung vorliegt, richtet sich nach der Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet. Abzustellen ist für das Verkehrsverständnis auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt. Maßgeblich ist das Verständnis aufgrund des Gesamteindrucks einer Angabe. Der Grad der Aufmerksamkeit ist dabei nicht immer gleich und bestimmt sich nach der Bedeutung der beworbenen Ware für den angesprochenen Verbraucher. Bei einer Werbung für geringwertige Gegenstände des täglichen Bedarfs ist die Aufmerksamkeit in der Regel eher gering (vgl. [X.]/[X.]/[X.], UWG, 39. Aufl. 2021, § 5 [X.], 1.76, 1.79, 1.81 jeweils m.w.N.).

b) Vorliegend richten sich die beiden ersten im Antrag aufgeführten Anzeigen an durchschnittliche Verbraucher, so dass die Beurteilung durch das erkennende Gericht erfolgen kann und es keiner Meinungsumfrage bedarf. Die dritte Anzeige richtet sich zwar an Fachkreise, aber da in diesem Fall pharmazeutisches Fachwissen keinen Einfluss auf den Eindruck der Gestaltung eines [X.] hat, weicht das jeweilige Verständnis allenfalls insofern ab, als ein höherer Grad an Aufmerksamkeit beim Fachpublikum, welches Fachzeitschriften liest, angenommen werden kann.

c) Das Bio-Zeichen der Beklagten wird in allen drei Anzeigen nicht (nur) auf dem Produkt, sondern vor allem gut erkennbar unterhalb des Produktfotos abgebildet. Dadurch wird zum einen die Bio-Qualität blickfangmäßig herausgestellt. Darüber hinaus jedoch erweckt die Abbildung den Eindruck eines Gütezeichens, welches aufgrund einer Bewertung durch Dritte vergeben wurde. Dieser Eindruck wird besonders deutlich in der ersten Anzeige, in welcher das Bio-Logo unmittelbar neben dem Bio-Siegel der [X.] aufgeführt wird, wodurch es auf [X.] gehoben wird wie jenes Siegel und in seinem Aussagegehalt nicht unterscheidbar ist (vgl. OLG Rostock [X.]. v. 15.10.2014, BeckRS 2015, 41 Rn. 29 - Allergieakademie). Aber auch in den anderen beiden Anzeigen erfolgt die Abbildung losgelöst von dem Produkt selbst und auch von der konkreten Produktbeschreibung. Dadurch erscheint sie wie eine separate Auszeichnung mit einem besonderen Wert- und Informationsgehalt.

Dabei kommt es nicht darauf an, inwieweit das Bio-Zeichen der Beklagten graphisch mit offiziellen [X.] übereinstimmt. Grundsätzlich weist es jedenfalls eine Gestaltung auf, die auch bei einem offiziellen Bio-Siegel Verwendung finden könnte. Anders als etwa die "bio"-Schriftzüge und Zeichen verschiedener Lebensmittelhändler oder -hersteller (vgl. etwa Anlage [X.] sowie Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 16.02.2021 [X.], [X.]) erweckt das streitgegenständliche Logo durch die mit einem offiziellen Siegel vergleichbare Größe (siehe Anlage [X.]), die klare Umrandung und die konkrete farbliche Gestaltung den Eindruck eines Stempels oder Abzeichens. Auch fehlt es anders als in einigen vom Beklagtenvertreter angeführten Beispielen ("... Bio", "... Bio") an der gleichzeitigen Nennung des Herstellers bzw. Händlers. Es kommt daher nicht darauf an, dass der Verkehr an Marken gewöhnt ist, die ausdrücklich auf die Bio-Qualität der gekennzeichneten Waren Bezug nehmen. Im streitgegenständlichen Fall wird das Bio-Zeichen nicht wie eine Marke zur Kennzeichnung des betreffenden Produktes verwendet, welches beim Verkehr eine Assoziierung des Bildes gerade und nur mit dem Tee der Beklagten hervorrufen soll, sondern wie ein Siegel zur Hervorhebung und Vertrauensbildung in Bezug auf die Bio-Qualität dieses - oder ggf. auch eines beliebigen anderen - Produktes.

d) Mit der [X.] des Bio-Zeichens geht eine Erwartung der Verbraucher einher, dass über die Erlaubnis zur Verwendung des Zeichens aufgrund objektiver Kriterien und zumindest irgendwie gearteter Kontrollen von neutralen [X.] entschieden worden ist (vgl. [X.] 2016, 1076, 1079 Rn. 39 - LGA tested). Prüf- oder Gütesiegel werden üblicherweise von [X.] verliehen und garantieren eine bestimmte, festgelegte und objektiv überprüfbare Qualität. Dies gilt auch für das [X.]-Bio-Siegel, das zwar nicht aufgrund einer Prüfung vergeben wird, wohl aber Kontrollen unterliegt. Für die Annahme eines Gütesiegels ist es nicht erforderlich, dass das Siegel einen konkreten [X.] als Aussteller erkennen lässt. Vielmehr hätte es eines Hinweises bedurft, dass hier kein Dritter eine Entscheidung über die Vergabe oder Verwendung des Siegels getroffen hat. Ein solcher ist jedoch auf den streitgegenständlichen Anzeigen - von dem vom Zufall abhängigen Fall des "[X.]" mit [X.] abgesehen - nicht enthalten. Die Verleihung von einem [X.] ist für den Verkehr auch relevant und das mit dem Siegel einhergehende Qualitätsversprechen kann die Kaufentscheidung beeinflussen. Einem Siegel wird ein anderes Vertrauen entgegengebracht als einer vom Hersteller selbst ausgesprochenen Anpreisung (vgl. [X.] 2016, 1076,1079 Rn. 38 - LGA tested).

e) Diesem Verkehrsverständnis kann nicht entgegengehalten werden, dass das so beworbene Produkt tatsächlich ein ökologisches Erzeugnis ist oder die Voraussetzungen eines - anderen - Bio-Siegels erfüllt. Die Klägerin wendet sich nicht gegen den Begriff "bio" als solchen, vielmehr bleibt es der Beklagten unbenommen, ihre ökologischen Herstellungsvorgaben entsprechenden Produkte als solche zu kennzeichnen. Angegriffen wird vorliegend lediglich die Verwendung des firmeneigenen Bio-Zeichens als Gütesiegel, dessen Aussagekraft über den bloßen Hinweis auf die Bio-Qualität hinausgeht.

f) Etwas anderes gilt auch nicht aufgrund der Verordnung ([X.]) Nr. 834/2007 oder deren künftig geltende Nachfolgeverordnung Nr. 848/2018, die weder die [X.] wiedergeben noch eine Aussage darüber treffen, ob private [X.] verwendet werden dürfen, wenn diese in irreführender Weise nicht als solche erkennbar sind, sondern wie ein Gütesiegel angebracht werden. Eine vorrangige unionsrechtliche Regelung zu der hier zur Entscheidung stehenden Frage gibt es daher nicht.

2. Die Klägerin hat aufgrund der Abmahnung vom 08.04.2020 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 299,60 € gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG a.F.. Gegen die Höhe des nachvollziehbar errechneten Betrages hat die Beklagtenseite keine Einwände vorgebracht. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 709 ZPO.

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37 O 7730/20

26.03.2021

LG München 37. Zivilkammer

Urteil

Sachgebiet: O

Zitier­vorschlag: LG München, Urteil vom 26.03.2021, Az. 37 O 7730/20 (REWIS RS 2021, 9850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 9850

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