Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013, Az. 6 AZR 789/11

6. Senat | REWIS RS 2013, 4857

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Gegenstand

Keine Zustimmung des Treuhänders zur Verfügung des Schuldners über den Inhalt seines Arbeitsvertrags in der Verbraucherinsolvenz


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. September 2011 - 12 [X.]/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des pfändbaren [X.]rbeitseinkommens eines bei der Beklagten beschäftigten Insolvenzschuldners.

2

Die Beklagte betreibt in [X.] den Gaststätten- und Hotelbetrieb „K“ sowie in [X.] die Diskothek „[X.]“ und das daneben liegende Lokal „[X.]“. Die Geschäftsführerin der Beklagten ist die [X.]hefrau des Schuldners.

3

Dieser schloss unter dem 30. [X.]ai 2006 mit der Beklagten einen schriftlichen [X.]rbeitsvertrag, wonach er ab dem 1. Juni 2006 als „Führungskraft zur Überwachung der Betriebe Diskothek und Bistro in [X.], Restaurant und Hotel in [X.]“ bei einer monatlichen [X.]rbeitszeit „entsprechend den betrieblichen [X.]rfordernissen zwischen 169 und 199 Stunden“ zu einem Bruttomonatsentgelt von 3.000,00 [X.]uro eingestellt wurde.

4

[X.]it Beschluss des [X.]mtsgerichts [X.] vom 1. Oktober 2007 (- 45 [X.]/07 -) wurde an diesem [X.]ag das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum [X.]reuhänder gem. § 313 [X.] ernannt. Der Schuldner hat Restschuldbefreiung beantragt.

5

[X.]it Schreiben vom 31. Juli 2010 kündigte die Beklagte das [X.]rbeitsverhältnis des Schuldners aus dringenden betrieblichen Gründen zum 30. September 2010 und bot ihm zugleich die Fortsetzung des [X.]rbeitsverhältnisses zu folgenden Bedingungen an:

        

„1.     

Das Gehalt beträgt ab 1.10.2010 brutto 2.100,00 € monatlich.

        

2.    

Die [X.]rbeitszeit ab 1.10.2010 beträgt 120 Stunden monatlich.

        

3.    

Die Öffnungszeiten des Lokals [X.] bleiben beschränkt auf die Wochentage Freitag und Samstag und vor einem Feiertag.

        

4.    

Im Übrigen gelten die Bestimmungen des [X.]nstellungsvertrages fort.“

6

Der Schuldner nahm dieses [X.]ngebot am 31. Juli 2010 vorbehaltlos und ohne vorherige Zustimmung des [X.] an. [X.]ntsprechend reduzierte sich sein Gehalt ab dem 1. Oktober 2010 auf 2.100,00 [X.]uro brutto.

7

Unter Berücksichtigung bestehender Unterhaltsverpflichtungen hat die Beklagte ausgehend von dem ursprünglich vereinbarten Bruttomonatseinkommen des Schuldners von 3.000,00 [X.]uro bis September 2010 monatlich 263,01 [X.]uro als pfändbares [X.]rbeitseinkommen an den Kläger ausgezahlt. [X.]b dem 1. Oktober 2010 zahlte die Beklagte nur noch das auf der Basis von 2.100,00 [X.]uro brutto errechnete pfändbare [X.]rbeitseinkommen von 87,01 [X.]uro monatlich an den Kläger aus.

8

[X.]it seiner Klage verlangt der Kläger für die [X.] von Oktober 2010 bis [X.]ärz 2011 die Differenz zwischen den monatlichen Pfändungsbeträgen in Höhe von insgesamt 1.056,00 [X.]uro.

9

Der Kläger meint, die Änderung des [X.]rbeitsvertrags sei nach § 81 [X.] unwirksam. Der Schuldner sei schon nicht zum [X.]mpfang der Änderungskündigung berechtigt gewesen. Zudem sei die [X.]rklärung der [X.]nnahme der geänderten Vertragsbedingungen durch den Schuldner ohne seine (des [X.]) Zustimmung nicht wirksam. Der Schuldner dürfe nicht durch eine Vertragsänderung zum Nachteil der Gläubiger über das künftig pfändbare [X.]rbeitseinkommen verfügen. [X.]s habe auch kein hinreichender Grund für die Vertragsänderung bestanden.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.056,00 [X.]uro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. [X.]ai 2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres [X.]ntrags auf Klageabweisung die [X.]uffassung vertreten, dass der Schuldner frei über seine [X.]rbeitskraft verfügen könne. Die Änderung des [X.]rbeitsvertrags sei zudem zur [X.]bwendung der eigenen Insolvenz erforderlich gewesen. Die [X.]rtragslage habe sich negativ entwickelt. Die [X.]npassung der [X.]rbeitszeit des Schuldners an die verkürzten Öffnungszeiten des „[X.]“ sei erforderlich gewesen. [X.]ußerdem sei die Zahl der Beschäftigten und das Gehalt der Geschäftsführerin reduziert worden.

Das [X.]rbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und die Revision zugelassen. [X.]it der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zu Recht zurückgewiesen. Die Klage ist unbegründet.

Der Schuldner hatte auf der Grundlage des am 31. Juli 2010 geänderten Arbeitsvertrags im streitgegenständlichen [X.]raum einen Vergütungsanspruch in Höhe von 2.100,00 Euro brutto monatlich, was bei Berücksichtigung seiner Unterhaltspflichten unstreitig zu einem pfändbaren Arbeitseinkommen von 87,01 Euro monatlich führte (§§ 850 ff. ZPO). Die Beklagte hat dieses an den Kläger als Treuhänder gem. § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] abgetretene pfändbare Einkommen an den Kläger ausgezahlt. Ein höherer Zahlungsanspruch zugunsten der Insolvenzmasse steht dem Kläger nicht zu. Die zu einer [X.] führende Änderung des Arbeitsvertrags am 31. Juli 2010 ist nicht gem. § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.] unwirksam. Der Schuldner kann auch nach Eröffnung des [X.] über den Inhalt seines Arbeitsvertrags ohne Zustimmung des Treuhänders verfügen. Weder § 97 Abs. 2 [X.] noch § 295 Abs. 1 Nr. 1 [X.] stehen dem entgegen. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Arbeitsvertragsparteien ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Dem Kläger kann daher ein Anspruch auf Zahlung eines fiktiv erhöhten pfändbaren Arbeitseinkommens weder aus abgetretenem Recht als Annahmeverzugsanspruch gem. § 615 Satz 1 BGB noch als Schadensersatzanspruch zustehen. Die Verschleierung von Arbeitseinkommen behauptet der Kläger nicht.

I. Die Arbeitskraft des Schuldners und dessen Arbeitsverhältnis als solches gehören nicht zur Insolvenzmasse und unterfallen daher nicht dem Verfügungsverbot des § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.].

1. § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.] bestimmt, dass Verfügungen des Schuldners über einen Gegenstand der Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam sind. § 81 [X.] zieht damit die Konsequenz aus dem in § 80 Abs. 1 [X.] angeordneten Verlust der Verfügungsbefugnis des Schuldners ([X.] in HK-[X.] 6. Aufl. § 81 Rn. 1). Die Vorschrift dient dem Schutz der Insolvenzgläubiger gegen eine Masseminderung durch Verfügungen des Insolvenzschuldners (vgl. [X.]/Rook in [X.]/Wutzke/[X.] [X.] 2. Aufl. § 81 Rn. 5; Nerlich/[X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand August 2012 § 81 Rn. 2). Gem. § 81 Abs. 2 Satz 1 [X.] gilt § 81 Abs. 1 [X.] für eine Verfügung über künftige Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis des Schuldners oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge auch insoweit, als die Bezüge für die [X.] nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens betroffen sind.

2. Zwar fällt das pfändbare Arbeitseinkommen in die Insolvenzmasse, nicht aber die Arbeitskraft des Schuldners oder dessen Arbeitsverhältnis als solches.

a) Die gegenständliche Zuordnung zur Insolvenzmasse erfolgt anhand der Regelungen der §§ 35, 36 [X.]. Das Insolvenzverfahren erfasst das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, § 35 Abs. 1 [X.]. Einschränkend bestimmt § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.], dass Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse gehören. Die Norm will den Schuldner vor dem Verlust sämtlicher Vermögensgegenstände schützen und ihm einen unantastbaren Bereich persönlicher und lebensnotwendiger Güter bewahren ([X.] 11. Mai 2006 - [X.]/05 - Rn. 16, [X.]Z 167, 352).

Bezüglich Arbeitseinkommen gelten nach § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g bis 850k, 851c und 851d ZPO entsprechend. § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] gilt gem. § 292 Abs. 1 Satz 3 [X.] entsprechend, wenn ein Schuldner die Restschuldbefreiung beantragt und seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis gem. § 287 Abs. 2 Satz 1 [X.] an den Treuhänder abgetreten hat. Damit kommen die sozialpolitischen Erwägungen, durch welche die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung motiviert sind, auch im Insolvenzverfahren zur Geltung. Zudem wird die Pfändbarkeit für bestimmte Gläubiger und Gläubigergruppen modifiziert (vgl. [X.] 21. Februar 2013 - 6 [X.] - Rn. 56). Zur Insolvenzmasse gehört nach diesen Vorgaben das pfändbare Arbeitseinkommen einschließlich des verschleierten Einkommens iSv. § 850h Abs. 2 ZPO ([X.] 16. Mai 2013 - 6 [X.] - Rn. 40 mwN).

b) Die Arbeitskraft des Schuldners als solche ist aber nicht Teil der Insolvenzmasse.

aa) Nicht zur Masse gehören Rechte, die keine Vermögensrechte sind. Hierunter fallen Persönlichkeitsrechte und höchstpersönliche Rechtsbeziehungen ([X.] in HK-[X.] 6. Aufl. § 35 Rn. 31). Die Arbeitskraft des Schuldners ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, also kein Vermögensobjekt, und fällt damit nicht in die Insolvenzmasse (vgl. [X.] 5. Februar 2009 - 6 [X.] 110/08 - Rn. 19, [X.]E 129, 257; [X.] 18. Dezember 2008 - IX ZB 249/07 - Rn. 11; 26. Juni 2008 - [X.]/05 - Rn. 29; [X.] 8. September 2011 - [X.]/10 - Rn. 20, [X.] 235, 488; 24. Februar 2011 - VI R 21/10 - Rn. 11, [X.] 232, 318; Graf-Schlicker/[X.] in Graf-Schlicker [X.] 3. Aufl. § 35 Rn. 8; [X.]/[X.] [X.] 4. Aufl. § 35 Rn. 36; [X.] in [X.] [X.] § 35 Rn. 19; [X.]/[X.] 13. Aufl. § 35 [X.] Rn. 16; [X.] in HK-[X.] § 35 Rn. 31; [X.] NZA 2009, 124, 125 f.). Der Schuldner kann zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht gezwungen werden (vgl. [X.] 11. Mai 2006 - IX ZR 247/03 - Rn. 16, [X.]Z 167, 363). Der Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder hat keine Möglichkeit, die Tätigkeit des Schuldners zu beeinflussen (vgl. [X.] 8. September 2011 - [X.]/10 - aaO).

bb) Dass die Arbeitskraft nicht dem [X.] unterliegt, folgt auch aus § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] iVm. § 888 Abs. 3 ZPO. Der Insolvenzmasse wird nur das zugewiesen, womit der Schuldner für seine Schulden haftet, dh. was Zugriffsobjekt in der Zwangsvollstreckung sein kann. Dies wird durch die Regelung in § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] deutlich (vgl. [X.]/[X.] 13. Aufl. § 35 [X.] Rn. 13). Die Erbringung von Arbeitsleistung kann gem. § 888 Abs. 3 ZPO nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Das [X.] in § 888 Abs. 3 ZPO dient dem Schutz der Menschenwürde (vgl. [X.] 5. Februar 2009 - 6 [X.] 110/08 - Rn. 12, [X.]E 129, 257). Zu Recht hat das [X.] daher unter Hinweis auf die Entscheidung des [X.] vom 26. Januar 1909 (- VII 146/08 - zu III der Gründe, [X.] 70, 226) ausgeführt, dass die Annahme, die Arbeitskraft falle in die Insolvenzmasse, „zu einer Art moderner Schuldknechtschaft“ führen würde.

c) Ist die Arbeitskraft des Schuldners nicht Teil der Insolvenzmasse, so gilt dies auch für das Arbeitsverhältnis als solches.

aa) Der Abschluss eines Arbeitsvertrags verpflichtet grundsätzlich zur persönlichen Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung (§§ 611, 613 Satz 1 BGB). Da der Schuldner über seine Arbeitskraft frei verfügen kann, bleibt ihm auch die entsprechende Verfügungsbefugnis bzgl. vertraglicher Beziehungen, die seine Arbeitskraft betreffen. Das Arbeitsverhältnis als solches ist damit in Bezug auf die Handlungsmöglichkeiten des Schuldners vom Insolvenzverfahren nicht betroffen. Allein der Schuldner ist berechtigt, es zu kündigen, einen Aufhebungsvertrag zu schließen oder es in seinem Inhalt zu verändern (vgl. Zwanziger Kommentar zum Arbeitsrecht der Insolvenzordnung 4. Aufl. Einführung Rn. 258; [X.]/[X.]. 14. Aufl. § 93 Rn. 68). Es obliegt allein der Entscheidung des Schuldners, ob und unter welchen Konditionen er die Insolvenzmasse durch das Entstehenlassen von vertraglichen Entgeltansprüchen mehrt (vgl. [X.], 617, 622; [X.] [X.], 124, 126).

bb) Damit korrespondiert, dass - entgegen der Auffassung des [X.] - eine Arbeitgeberkündigung zu ihrer Wirksamkeit auch im eröffneten Insolvenzverfahren dem Schuldner als Arbeitnehmer zuzugehen hat (vgl. [X.]/[X.]. 14. Aufl. § 93 Rn. 68; [X.] [X.], 124, 126) und auch nur dieser eine Kündigungsschutzklage erheben kann. Das Klagerecht nach § 4 [X.] ist höchstpersönlicher Natur (vgl. [X.]/[X.] 13. Aufl. § 4 [X.] Rn. 17; [X.] Aufl. § 4 [X.] Rn. 74; [X.] in vHH/L [X.] 15. Aufl. § 4 Rn. 61; [X.], 617, 621; zur Führung einer Befristungskontrollklage durch die Erben vgl. [X.] 18. Januar 2012 - 7 [X.] 112/08 - Rn. 14). Die Entscheidung über eine Klageerhebung und die Prozessführungsbefugnis verbleibt beim Schuldner. Die mittelbare Wirkung auf die Insolvenzmasse ist dabei hinzunehmen. Andernfalls könnte das Recht des Schuldners, über seine Arbeitskraft selbst zu verfügen, durch den Treuhänder eingeschränkt werden ([X.] [X.], 124, 127).

Infolge des fehlenden Massebezugs des Arbeitsverhältnisses in der Insolvenz des Arbeitnehmers wird ein Kündigungsrechtsstreit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch nicht nach § 240 ZPO unterbrochen (vgl. [X.] 5. November 2009 - 2 [X.] 609/08 - Rn. 10).

II. § 97 Abs. 2 [X.] schränkt die Dispositionsbefugnis des Schuldners bzgl. eines ihn betreffenden Arbeitsverhältnisses nicht ein.

1. Nach § 97 Abs. 2 [X.] hat der Schuldner den Verwalter bei der Erfüllung von dessen Aufgaben zu unterstützen. Der Wortlaut verhält sich nicht zu Art und Umfang der Unterstützung. Er bezieht sich auch nicht auf die Insolvenzmasse. Eine Arbeitspflicht zugunsten der Masse bzw. eine Einschränkung der arbeitsvertraglichen Dispositionsbefugnis des Schuldners kann dem Wortlaut nicht entnommen werden. Dies gilt auch bei Berücksichtigung des Umstands, dass die Vorschrift auf die Unterstützung des Insolvenzverwalters gerichtet ist und die Mehrung der Masse zu dessen primären Aufgaben gehört (vgl. [X.] 21. März 2013 - III ZR 260/11 - Rn. 47).

2. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber den Schuldner zum Einsatz seiner Arbeitskraft zugunsten der Masse durch Eingehung oder Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses zwingen wollte. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll vielmehr eine Zusammenarbeit des Schuldners mit dem Insolvenzverwalter, beispielsweise bei der Verwertung von im Ausland befindlichen Vermögensgegenständen, erreicht werden (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 142 zu § 110). Die Unterstützung bezieht sich demnach auf die Abgabe von Willenserklärungen, die Verschaffung von Zugang zu Vermögensgegenständen oder die Mitteilung von Wissen zur Durchsetzung von Ansprüchen. Gegebenenfalls kann auch eine nach [X.]- und Arbeitsaufwand zumutbare Unterstützungstätigkeit für den Insolvenzverwalter verlangt werden (vgl. Schilken in [X.] [X.] § 97 Rn. 28; [X.]/[X.] 13. Aufl. § 97 [X.] Rn. 16; [X.] in HK-[X.] 6. Aufl. § 97 Rn. 25). Hieraus folgt aber keine Pflicht des Schuldners zum wertschöpfenden Einsatz seiner Arbeitskraft für die Masse (vgl. Runkel FS [X.] S. 315, 331; [X.] in [X.]/Wutzke/[X.] [X.] 2. Aufl. § 97 Rn. 37; Nerlich/[X.]/[X.]/[X.] [X.] Stand August 2012 § 97 Rn. 16; [X.]/[X.] [X.] 4. Aufl. § 97 Rn. 11; [X.]/[X.] [X.] 3. Aufl. § 35 Rn. 10).

III. Auch § 295 Abs. 1 Nr. 1 [X.] bewirkt keine Einschränkung der Befugnisse des Schuldners. Die Vorschrift bestimmt eine Erwerbsobliegenheit in der sog. Wohlverhaltensperiode, aber keine Arbeitspflicht des Schuldners. Geht der Schuldner in dieser [X.] keiner angemessenen Erwerbstätigkeit nach, kann ihm allerdings die Restschuldbefreiung versagt werden.

1. Nach § 295 Abs. 1 Nr. 1 [X.] obliegt es dem Schuldner, während der Laufzeit der Abtretungserklärung eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen. Als eine der zentralen Regelungen der Restschuldbefreiung legt § 295 [X.] die Obliegenheiten des Schuldners fest, die dieser während der Dauer der Wohlverhaltensperiode zu beachten hat. Der Schuldner soll sich nach Kräften bemühen, seine Gläubiger während dieses [X.]raums so weit wie möglich zu befriedigen, um anschließend endgültig von seinen restlichen Schulden befreit zu werden (BT-Drucks. 12/2443 S. 192 zu § 244).

Die Obliegenheiten nach § 295 [X.] treffen den Schuldner nicht schon während des eröffneten Insolvenzverfahrens, sondern erst ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung (vgl. [X.] 14. Januar 2010 - [X.]/09 - Rn. 9; 18. Dezember 2008 - IX ZB 249/07 - Rn. 8 ff.). Das Insolvenzgericht versagt die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers, wenn der Schuldner während der Laufzeit der Abtretungserklärung eine seiner Obliegenheiten nach § 295 [X.] verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft (§ 296 Abs. 1 Satz 1 [X.]).

2. Durch die Beschränkung auf eine Erwerbsobliegenheit zeigt sich, dass der Schuldner grundsätzlich autonom über den Einsatz seiner Arbeitskraft entscheiden und über den Bestand und Inhalt eines Arbeitsverhältnisses frei verfügen kann. Sogar eine gänzliche Arbeitsunwilligkeit des Schuldners kann lediglich zur Versagung der Restschuldbefreiung führen.

IV. Der Schuldner kann somit in jeder Phase des Insolvenzverfahrens über die Eingehung und den Inhalt eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich frei disponieren. Es bedarf daher auch im vorliegenden Fall keiner Prüfung, ob gewichtige Gründe für eine Änderung des Arbeitsvertrags bestanden oder die ausgesprochene Änderungskündigung sozial gerechtfertigt gewesen wäre. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Arbeitsvertragsparteien oder für den Abschluss eines Scheingeschäfts liegen nicht vor. Das [X.] hat dies vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Beklagten verneint und darauf hingewiesen, dass die [X.] der verringerten Arbeitszeit entspricht. Dies ist nicht zu beanstanden. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.

V. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung einer pfändbaren fiktiven Vergütung wegen verschleierten Arbeitseinkommens iSv. § 850h Abs. 2 ZPO (vgl. hierzu [X.] 16. Mai 2013 - 6 [X.] - Rn. 40 mwN; 12. März 2008 - 10 [X.] 148/07 - Rn. 18, [X.]E 126, 137). Er behauptet nicht, der Schuldner arbeite gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung für die Beklagte. Insbesondere macht der Kläger nicht geltend, bei herabgesetzter Vergütung arbeite der Schuldner unverändert zwischen 169 bis 199 Stunden monatlich.

VI. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge    

        

        

        

    Oye    

        

    Jerchel    

                 

Meta

6 AZR 789/11

20.06.2013

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Mönchengladbach, 13. Juli 2011, Az: 6 Ca 1302/11, Urteil

§ 35 Abs 1 InsO, § 36 Abs 1 InsO, § 80 Abs 1 InsO, § 81 Abs 1 InsO, § 81 Abs 2 InsO, § 97 Abs 2 InsO, § 295 Abs 1 Nr 1 InsO, § 296 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.06.2013, Az. 6 AZR 789/11 (REWIS RS 2013, 4857)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4857


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 6 AZR 789/11

Bundesarbeitsgericht, 6 AZR 789/11, 20.06.2013.


Az. 6 Ca 1302/11

Arbeitsgericht Mönchengladbach, 6 Ca 1302/11, 13.07.2011.


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IX ZB 78/09

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