Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.06.2012, Az. 9 C 7/11

9. Senat | REWIS RS 2012, 5215

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Gegenstand

Heranziehung zum Abwasserbeitrag; Bestimmtheit des Abgabenbescheids; Adressat; Auslegung


Leitsatz

1. Die Anforderungen an die Bestimmtheit von kommunalen Abgabenbescheiden richten sich nach Landesrecht; soweit das einschlägige Kommunalabgabengesetz auf §§ 119, 157 Abs. 1 AO (juris: AO 1977) verweist, kommen auch diese Vorschriften als Landesrecht zur Anwendung. Bundesrechtlich ist deshalb lediglich zu prüfen, ob die Auslegung und Anwendung von Landesrecht mit den Anforderungen, die das allgemeine Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) an die Bestimmtheit von Abgabenbescheiden stellt, vereinbar ist.

2. Dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot lässt sich nicht entnehmen, dass es in Fällen der Rechtsnachfolge von Verfassungs wegen ausgeschlossen ist, einen an ein erloschenes Rechtssubjekt als Beitragsschuldner adressierten Abgabenbescheid im Wege der Auslegung als an den Rechtsnachfolger des Adressaten gerichtet zu verstehen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, die ein Kalkwerk im Gebiet der beklagten Gemeinde betreibt, [X.]det sich gegen die Heranziehung zu [X.] durch die Beklagte.

2

Mit zwei Bescheiden vom 27. Dezember 2006 setzte die Beklagte [X.] in Höhe von insgesamt 1 004 000,45 € fest. Adressiert waren die Beitragsbescheide unter der Anschrift der Klägerin an die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH". Als Beitragsschuldner wird "die in der Anschrift genannte Person" bezeichnet. In einem der Bescheide brachte die Beklagte 127 822,97 € Vorausleistung in Abzug, die von der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" aufgrund eines an sie adressierten [X.] vom 14. Dezember 2001 entrichtet worden waren.

3

Die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" wurde mit [X.] vom 28. August 2001 gemeinsam mit (vier) weiteren Gesellschaften der [X.] zum 27. Dezember 2001 durch Eintragung in das Handelsregister mit der "[X.]" als übernehmendem Rechtsträger verschmolzen. Die Beklagte teilte der "[X.]" unter dem 28. August 2002 mit, dass die Bauarbeiten zum [X.] der M. Schmutzwasserentsorgung an die Kläranlage des örtlichen Zweckverbandes abgeschlossen seien und es daher möglich sei, die Grundstücke der "[X.]" an den öffentlichen [X.] anzuschließen. Ferner enthält das Schreiben einen Hinweis, dass über die zu entrichtenden Beiträge gesonderte Bescheide ergehen werden. Die Firma der "[X.]" wurde im Dezember 2002 in "... [X.] GmbH" geändert. Die Klägerin ist im Wege einer weiteren Verschmelzung am 20. Juli 2009 als übernehmender Rechtsträger Rechtsnachfolgerin der "... [X.] GmbH" und damit Eigentümerin der beitragspflichtigen Grundstücke geworden.

4

Der von der "... [X.] GmbH" gegen die Bescheide eingelegte Widerspruch wurde zurückgewiesen. Die daraufhin erhobene Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 28. April 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide seien inhaltlich hinreichend bestimmt. Aus den Bescheiden ergebe sich insbesondere eindeutig, an [X.] sie sich richteten; danach schulde die "... [X.] GmbH" die festgesetzten [X.] und nicht deren im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide erloschene Rechtsvorgängerin. Die Bescheide führten zwar im Adressfeld die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" als Adressatin auf, die lediglich bis zum 27. Dezember 2001 Eigentümerin der im Bescheid genannten Grundstücke des Kalkwerks gewesen sei. Im Zeitpunkt des Zugangs der Bescheide hätten die Organe der "... [X.] GmbH" die Bescheide auf Grundlage der für sie ohne Weiteres erkennbaren Umstände des Einzelfalls und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben aber nur so verstehen können, dass die "... [X.] GmbH" als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks zum Beitrag herangezogen werden sollte. Eine andere Entscheidung rechtfertige auch nicht die Rechtsprechung des [X.], wonach ein Verwaltungsakt unwirksam sei, [X.]n er sich gegen ein nicht oder nicht mehr existentes Steuersubjekt richte. Ob sich ein Verwaltungsakt gegen ein nicht existentes Steuersubjekt richte, könne erst nach erfolgter Auslegung und damit nicht allein aufgrund des Wortlauts des [X.] gesagt werden.

5

Mit ihrer vom Senat mit Beschluss vom 28. April 2011 zugelassenen Revision macht die Klägerin in erster Linie geltend: Die Beitragsbescheide seien inhaltlich unbestimmt und damit nichtig, da vor ihrem Erlass das Vermögen der "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" einschließlich der beitragspflichtigen Grundstücke durch Verschmelzung auf die Rechtsvorgängerin der Klägerin übergegangen und die "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" erloschen sei. Darauf, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte wissen müssen, dass die Bescheide an sie gerichtet gewesen seien, komme es nicht an. Der Verwaltungsgerichtshof habe durch seine Auslegung die Bescheide in Wahrheit umgedeutet und deren Unbestimmtheit erst herbeigeführt. Tatsächlich habe seitens der [X.] auch kein Erklärungsirrtum vorgelegen, da der Sachbearbeiter den Bescheid bewusst an die noch im Grundbuch als Eigentümerin eingetragene "... Baustoff- und Kalkwerk ... GmbH" adressiert habe.

6

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 28. April 2010 zu ändern und die Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 29. April 2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Die Bescheide seien auslegungsfähig. Dabei komme es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene sie nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Der Klägerin sei sofort klar gewesen, dass sie die Adressatin der Bescheide und Beitragsschuldnerin gewesen sei. Aus der den Bescheiden beigefügten Liste der der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücke und der [X.] hätte sie dies jedenfalls ohne Weiteres erkennen können und müssen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin, auf die das [X.] im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist (§ 45 Abs. 1 Satz 1 AO) und die das Verfahren ihrer Rechtsvorgängerin aufgenommen hat (§ 173 VwGO i.V.m. den entsprechend anwendbaren §§ 239 ff. ZPO), ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist mit [X.]undesrecht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

Die vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung, die [X.]eitragsbescheide der [X.]eklagten, die an eine schon mehrere Jahre zuvor durch gesellschaftsrechtliche Verschmelzung erloschene und damit als Rechtssubjekt nicht mehr existente GmbH adressiert sind, seien inhaltlich hinreichend bestimmt, weil sich die Rechtsnachfolgerin der Gesellschaft als [X.]in ansehen musste, betrifft im Ausgangspunkt [X.] Landesrecht. Denn die Anforderungen an die [X.]estimmtheit von [X.] zu [X.] ergeben sich hier zunächst aus § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.]uchst. b, Nr. 4 [X.]uchst. c des [X.] [X.]es in Verbindung mit § 119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2 der [X.] im [X.] ebenfalls nur als Landesrecht zur Anwendung kommenden Abgabenordnung (stRspr; vgl. [X.]eschlüsse vom 2. Juli 1990 - [X.]VerwG 5 [X.] - [X.] 310 § 137 VwGO Nr. 160 [X.] und vom 25. März 1996 - [X.]VerwG 8 [X.] - [X.] 401.84 [X.]enutzungsgebühren Nr. 79 S. 53; Urteil vom 19. März 2009 - [X.]VerwG 9 C 10.08 - [X.] 406.11 § 133 [X.]auG[X.] Nr. 135 Rn. 9). Unter bundesrechtlichen und damit revisiblen Gesichtspunkten ist deshalb lediglich fraglich, ob die Auslegung und Anwendung von Landesrecht mit den Anforderungen, die das allgemeine Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) an die [X.]estimmtheit von [X.] stellt, vereinbar ist. Dies ist der Fall.

1. In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass der Adressat eines Verwaltungsakts zwar einerseits hinreichend bestimmt bezeichnet sein muss, dass aber andererseits ein Verwaltungsakt mit [X.]lick auf die [X.]ezeichnung des [X.]en auslegungsfähig sein und die Auslegung etwaige Zweifel an der [X.]estimmtheit beseitigen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der [X.]etroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den Verwaltungsakt unter [X.]erücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Die Annahme der Nichtigkeit eines Abgabenbescheides wegen Unbestimmtheit scheidet danach aus, wenn die (vorrangige) Auslegung des [X.]escheides etwaige Zweifel an der [X.]estimmtheit beseitigt (Urteil vom 25. Februar 1994 - [X.]VerwG 8 C 2.92 - [X.] 401.84 [X.]enutzungsgebühren Nr. 68 S. 4; [X.]eschlüsse vom 25. März 1996 a.a.[X.] 53 f. und vom 6. September 2008 - [X.]VerwG 7 [X.] 10.08 - juris Rn. 24). Diese Auslegungsgrundsätze hat das [X.]erufungsgericht seinem Urteil zugrunde gelegt.

Weiter gehende Anforderungen an die Auslegung von [X.]escheiden aufgrund des rechtsstaatlichen [X.]estimmtheitsgebots folgen nicht aus der Rechtsprechung des [X.]undesfinanzhofs zur Unbestimmtheit und Nichtigkeit von an den nicht mehr existenten Rechtsvorgänger des Steuerschuldners adressierten Steuerbescheiden. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.] geht der [X.]undesfinanzhof davon aus, dass konstituierender [X.]estandteil jedes Verwaltungsakts die Angabe des [X.]en ist, d.h. desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll ([X.]FH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - [X.]/05 - juris Rn. 14). Weiterhin in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.] zur [X.]estimmtheit von Verwaltungsakten lässt der [X.]undesfinanzhof es grundsätzlich genügen, wenn die Identität des [X.]en eines Steuerverwaltungsakts durch Auslegung anhand der dem [X.]etroffenen bekannten Umstände einschließlich dem [X.]escheid beigefügten Unterlagen und zeitlich vorhergehender [X.]escheide hinreichend sicher bestimmt werden kann ([X.]FH, [X.]eschluss vom 29. Juni 1988 - IV [X.] 70/88 - juris Rn. 22 und Urteil vom 1. Dezember 2004 - [X.]/02 - juris Rn. 9 m.w.N. ). Diese Grundsätze erfahren nach der Rechtsprechung des [X.]undesfinanzhofs jedoch dann eine Einschränkung, wenn sich der in seiner [X.]ezeichnung des Adressaten eindeutige Abgabenbescheid gegen ein nicht oder nicht mehr existierendes Steuersubjekt richtet. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn der Adressat des Abgabenbescheides eine Gesellschaft ist, die bei Erlass des [X.]escheides durch Umwandlung erloschen war ([X.]FH, Großer Senat, [X.]eschluss vom 21. Oktober 1985 - GrS 4/84 - [X.]FHE 145, 110, [X.]St[X.]l II 1986, 230; Urteil vom 25. Januar 2006 - [X.]/05 - juris Rn. 9, 13). Ferner können nach der Rechtsprechung des [X.]undesfinanzhofs Fehler in der [X.]ezeichnung des Steuerschuldners im Fall der Rechtsnachfolge im weiteren Verfahren nicht geheilt werden ([X.]FH, Großer Senat, [X.]eschluss vom 21. Oktober 1985 a.a.[X.]). Die Tatsache, dass sich der Empfänger eines [X.]escheides mit unrichtiger [X.]ezeichnung des Steuerschuldners als Adressat angesehen hat, sei unbeachtlich, weil die objektive Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines [X.]escheides nicht vom Verhalten der [X.]eteiligten abhängen könne. Eine Auslegung eines Steuerbescheides hinsichtlich des [X.]en kommt danach nur dann in [X.]etracht, wenn dessen [X.]ezeichnung im [X.]escheid selbst mehrdeutig ist ([X.]FH, Urteil vom 13. Dezember 2007 a.a.[X.] Rn. 16, 19).

Die Frage, ob das [X.]erufungsgericht bei seiner Auslegung diesen vom [X.]undesfinanzhof für die Fälle der Rechtsnachfolge entwickelten Grundsätzen gerecht geworden ist, stünde einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nur dann offen, wenn die vom [X.]undesfinanzhof vorgenommenen Einschränkungen der allgemeinen Auslegungsregeln bei der Ermittlung des [X.]en eines Abgabenverwaltungsakts durch den rechtsstaatlichen [X.]estimmtheitsgrundsatz geboten und damit Teil des [X.]undesrechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) wären. Dies ist nicht der Fall.

Das [X.]undes[X.]gericht hat das im allgemeinen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnde, der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienende [X.]estimmtheitsgebot vor allem im Zusammenhang mit der hinreichenden [X.]estimmtheit von Gesetzen konturiert. Danach sind gesetzliche Tatbestände so zu fassen, dass die [X.]etroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Welche Anforderungen an die [X.]estimmtheit zu stellen sind, lässt sich indes nicht generell und abstrakt festlegen, sondern hängt auch von der Eigenart des zu ordnenden [X.] und dem Zweck der betroffenen Norm ([X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 17. Juli 2003 - 2 [X.]vL 1/99 u.a. - [X.]VerfGE 108, 186 <235> und vom 18. Mai 2004 - 2 [X.]vR 2374/99 - [X.]VerfGE 110, 370 <396 f.>) sowie den jeweiligen Grundrechtsauswirkungen und der Art und Intensität des zugelassenen behördlichen Eingriffs ab ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 24. November 1981 - 2 [X.]vL 4/80 - [X.]VerfGE 59, 104 <114>; Urteil vom 27. Juli 2005 - 1 [X.]vR 668/04 - [X.]VerfGE 113, 348 <375 f.>; [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. August 1997 - [X.]VerwG 8 [X.] 170.97 - [X.]VerwGE 105, 144 <147>). Auch bei öffentlich-rechtlichen Abgaben kommt es für die hinreichende [X.]estimmtheit des Gesetzes auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs wie auf das [X.]etroffensein von Grundrechten an. Für alle Abgaben gilt als allgemeiner Grundsatz, dass abgabenbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Abgabenpflichtige die auf ihn entfallende Abgabe in gewissem Umfang vorausberechnen kann. Dabei genügt es im [X.]ereich des Gebühren- und [X.]eitragsrechts, dass für den Abgabenschuldner die Höhe der zu erwartenden Abgabe im Wesentlichen abschätzbar ist, so dass für ihn unzumutbare Unsicherheiten nicht entstehen können ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 17. Juli 2003 a.a.[X.] 236; [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 20. August 1997 a.a.[X.] 148 f.).

Aus diesen Grundsätzen lassen sich Rückschlüsse auf die [X.]rechtlich gebotene [X.]estimmtheit von Verwaltungsakten ziehen. Auch bei ihnen dient das [X.]estimmtheitsgebot der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit und verlangt, dass ein rechtsstaatlicher Mindeststandard eingehalten wird ([X.]/[X.], [X.], 12. Aufl. 2011, § 37 Rn. 2). Der Adressat muss in der Lage sein zu erkennen, was von ihm gefordert wird; zudem muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige [X.]estimmtheit eines Verwaltungsakts nach den [X.]esonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (vgl. Urteil vom 18. April 1997 - [X.]VerwG 8 C 43.95 - [X.]VerwGE 104, 301 = [X.] 401.0 § 191 AO Nr. 7). Dem rechtsstaatlichen [X.]estimmtheitsgebot lässt sich von daher nicht entnehmen, dass es in Fällen der Rechtsnachfolge von [X.] wegen ausgeschlossen ist, einen an ein erloschenes Rechtssubjekt als [X.]eitragsschuldner adressierten Abgabenbescheid im Wege der Auslegung als an den Rechtsnachfolger des Adressaten gerichtet zu verstehen. [X.]ei [X.]eachtung der anerkannten Auslegungsgrundsätze ist auch in diesen Fällen in einer dem [X.]rechtlichen [X.]estimmtheitsgebot genügenden Weise gesichert, dass für den durch Auslegung des [X.]escheides ermittelten [X.]en keine unzumutbaren Unsicherheiten über seine [X.]etroffenheit sowie über Grund, Höhe und Fälligkeit der Abgabenschuld entstehen. Die von dem [X.]undesfinanzhof in Auslegung [X.] Normen der Abgabenordnung vertretene Auffassung, ein im Fall der Rechtsnachfolge an den Rechtsvorgänger gerichteter Abgabenbescheid sei unwirksam und könne nicht dahin ausgelegt werden, dass [X.] der Rechtsnachfolger sei, geht mithin über das durch [X.]undes([X.])recht Gebotene hinaus und ist damit einer revisionsgerichtlichen Überprüfung hier entzogen.

2. Die Auslegung der angefochtenen [X.]eitragsbescheide durch das [X.]erufungsgericht hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung ebenfalls stand. Dabei kann offen bleiben, ob das Revisionsgericht zur selbständigen Auslegung von Verwaltungsakten befugt ist (so Urteile vom 14. Dezember 2005 - [X.]VerwG 10 C 6.04 - [X.]VerwGE 125, 9 Rn. 19 und vom 25. Februar 1994 a.a.[X.]) oder ob es jedenfalls dann, wenn das [X.]erufungsgericht ein Auslegungsergebnis - wie hier - näher begründet hat, darauf beschränkt ist, die Auslegung des Tatrichters daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einem Rechtsirrtum beruht oder ob sie einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt oder einen umstrittenen Prozessstoff zu Unrecht unberücksichtigt gelassen hat (Urteil vom 4. Dezember 2001 - [X.]VerwG 4 C 2.00 - [X.]VerwGE 115, 274 <280>; vgl. auch [X.], in: [X.]/[X.], Verwaltungsgerichtsordnung, 3. Aufl. 2010, § 137 Rn. 166 ff.). Denn die Vorinstanz ist ohne Verstoß gegen die anerkannten Auslegungsregeln oder einen sonstigen Rechtsverstoß zu einer Auslegung der angegriffenen [X.]eitragsbescheide gelangt, die der Senat teilt.

Die Rüge der Revision, die [X.]escheide seien aufgrund der Adressierung an die "... [X.]austoff- und Kalkwerk ... GmbH" hinsichtlich ihres [X.]en eindeutig und daher nicht der Auslegung zugänglich, übersieht, dass nach der Ermittlung des Wortlauts einer Erklärung in einem zweiten Schritt auch die außerhalb der [X.]egleitumstände liegenden Umstände in die Auslegung einzubeziehen sind, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Selbst ein klarer Wortlaut einer Erklärung stellt keine Grenze für die Auslegung anhand der Gesamtumstände dar. Die Feststellung, dass eine Erklärung eindeutig ist, lässt sich erst durch eine alle Umstände berücksichtigende Auslegung treffen ([X.]GH, Urteile vom 19. Januar 2000 - [X.] - NJW-RR 2000, 1002 <1003> und vom 19. Dezember 2001 - [X.] - NJW 2002, 1260 <1261>). Eine solche umfassende Auslegung hat der Verwaltungsgerichtshof vorgenommen, indem er berücksichtigt hat, dass der Klägerin ihre Eigentümerstellung hinsichtlich der in der Anlage zu den [X.]escheiden genau bezeichneten Grundstücke ebenso bekannt war wie ihre [X.]eitragspflicht aufgrund des Anschlusses ihres [X.]etriebs an die neu errichtete [X.] der [X.]eklagten. Als weiteren wesentlichen und der Klägerin bekannten Teil der Vorgeschichte der [X.]escheide hat der Verwaltungsgerichtshof den an die "... [X.]austoff- und Kalkwerk ... GmbH" gerichteten und beglichenen [X.] vom 14. Dezember 2001 und insbesondere das nach Erlöschen der "... [X.]austoff- und Kalkwerk ... GmbH" an deren Rechtsnachfolgerin gerichtete Schreiben der [X.]eklagten vom 28. August 2002, mit dem die Klägerin als Grundstückseigentümerin über ihre bevorstehende Heranziehung zu den Kosten des Klärwerks informiert wurde, angesehen. Die Schlussfolgerung des [X.]erufungsgerichts, der Rechtsvorgängerin der Klägerin habe aufgrund dieser Umstände bei Erhalt der [X.]escheide "auf den ersten [X.]lick" klar sein müssen, dass sie selbst als aktuelle Eigentümerin der Grundstücke des Kalkwerks und nicht die bereits seit Jahren erloschene "... [X.]austoff- und Kalkwerk ... GmbH" herangezogen werden sollte und lediglich die Adressierung versehentlich fehlerhaft war, weist einen Rechtsfehler nicht auf.

Die Rüge der Klägerin, bei einer eindeutigen Adressierung eines [X.]escheides könne sich aus einem zeitlich vorangehenden [X.]escheid allenfalls ergeben, dass unklar sei, welches Rechtssubjekt der später ergangene [X.]escheid betreffe, übersieht, dass die Auslegung stets einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls bedarf und das [X.]erufungsgericht gerade nicht nur auf die Ankündigung der [X.]eklagten, die Rechtsvorgängerin der Klägerin heranziehen zu wollen, sondern zusätzlich darauf abgestellt hat, dass für die Klägerin ohne Weiteres erkennbar war, dass sie für den ihr gewährten Vorteil des Anschlusses an die kommunale Kläranlage beitragspflichtig und daher Adressatin der [X.]eitragsforderung war. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Klägerin, bei einer Auslegung nach § 133 [X.]G[X.] sei der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und der Sachbearbeiter der [X.]eklagten habe nach den tatrichterlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts in den [X.]escheiden bewusst und gewollt die "... [X.]austoff- und Kalkwerk ... GmbH" als Adressatin bezeichnet. Entsprechend den zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen ist bei Verwaltungsakten nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (sog. natürliche Auslegung), sondern - wie oben dargelegt - auf die objektive Erklärungsbedeutung (sog. normative Auslegung), wie sie der Empfänger verstehen musste, abzustellen (stRspr, Urteil vom 2. September 1999 - [X.]VerwG 2 C 22.98 - [X.]VerwGE 109, 283 <286>; [X.]FH, Urteil vom 26. August 1982 - [X.]/82 - [X.]FHE 136, 351 m.w.N; vgl. zum Zivilrecht Ellenberger, in: [X.], [X.]ürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl. 2012, § 133 Rn. 7, 9). Dass der Abgabenbescheid Grundlage für die Zwangsvollstreckung gegen den Abgabenschuldner ist, führt zu keiner anderen [X.]eurteilung. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf zivilrechtliche Grundsätze geltend macht, aufgrund der Formenstrenge des [X.] komme eine Auslegung eines Titels durch außerhalb des Titels liegende Umstände nicht in [X.]etracht, übersieht sie, dass auch im Zivilrecht Umstände außerhalb des Titels berücksichtigt werden können, wenn dem nicht berechtigte Schutzinteressen des [X.] entgegenstehen. Solche verneint der [X.]undesgerichtshof dann, wenn Prozess- und Vollstreckungsgericht identisch sind und daher auch das Vollstreckungsgericht über die für die Auslegung des Titels erforderlichen Kenntnisse verfügt ([X.]GH, [X.]eschluss vom 23. Oktober 2003 - I Z[X.] 45/02 - [X.]GHZ 156, <339>). Hiermit vergleichbar ist die Situation bei der zwangsweisen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Abgaben durch die den Abgabenbescheid erlassende [X.]ehörde, die zudem bei der Vollstreckung weitergehenden rechtlichen [X.]indungen als ein privater Gläubiger unterworfen ist.

Meta

9 C 7/11

27.06.2012

Bundesverwaltungsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 28. April 2010, Az: 2 S 2312/09, Urteil

Art 20 Abs 3 GG, § 133 BGB, § 157 BGB, § 37 Abs 1 VwVfG, § 119 AO 1977, § 157 AO 1977

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.06.2012, Az. 9 C 7/11 (REWIS RS 2012, 5215)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5215

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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