Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2005, Az. III ZR 43/05

III. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 520

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 1. Dezember 2005 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja HessEnteigG § 52; ZPO § 167 Die Zustellung einer Klage nach § 52 [X.], in der die (Prozess-)Vertretungs-behörde falsch angegeben war, kann als noch "demnächst erfolgt" zu bewerten sein, wenn der Fehler nicht nur auf einem Verschulden des [X.] des [X.] beruhte, sondern auch darauf, dass die benannte [X.]ehörde im Rubrum des angefochtenen [X.] als Vertretungsbehörde im Entschädigungsfestsetzungsverfahren aufgeführt war (im [X.] an Senatsurteil vom 17. März 1983 - [X.] - [X.] § 13 Nr. 11). [X.], Urteil vom 1. Dezember 2005 - [X.] - [X.] a.M.

LG Marburg - 2 - Der II[X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2005 durch [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 15. Zivilsenats in [X.] des [X.] vom 27. Januar 2005 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.]erufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand Die Kläger waren Eigentümer eines Grundstücks in [X.]. , das die Straßenbauverwaltung für den Neubau einer Ortsumgehung im Zuge der [X.] in Anspruch nahm. Durch notariellen Vertrag vom 25. März 1999 übertrugen die Kläger das Eigentum an dem Grundstück auf die beklagte [X.] gegen eine vorläufige Entschädigung von 83.212,74 DM. Die end-gültige Festsetzung der Entschädigung blieb dem Entschädigungsfestsetzungs-verfahren vorbehalten. Das [X.] setzte als [X.] mit "Enteignungsbeschluss Teil [X.]" vom 6. Februar 2003 die von der [X.]eklag-1 - 3 - ten - im Rubrum des [X.]eschlusses bezeichnet mit: "[X.] - [X.]undesstraßenverwaltung -, endvertreten durch das [X.]–" - zu leistende weitere Entschädigung auf 1.669,27 • nebst Zinsen fest. Der den Klägern zu Händen des [X.] zu 1 am 11. Februar 2003 zugestellte [X.]eschluss enthielt folgende Rechtsmittelbeleh-rung: "Gegen diesen Enteignungsbeschluss Teil [X.] kann Klage – erho-ben werden. – Die Klage ist innerhalb eines Monats nach Zustel-lung dieses [X.]eschlusses zu erheben. Der Rechtsstreit ist zwischen den [X.] und der [X.] zu führen –" Mit der am 11. März 2003 bei dem [X.] eingegangenen Klage begehren die Kläger eine höhere Entschädigung. In der Klageschrift ist als [X.]e-klagte angegeben: "[X.] - [X.]undesstraßenverwaltung -, endvertreten durch das [X.]". Nach Eingang (7. April 2003) des mit Verfügung vom 19. März 2003 angeforderten [X.] wurde am 10. April 2003 die Zustellung der [X.] unter der von den Klägern angegebenen Anschrift angeordnet und er-folgte am 15. April 2003. Mit am 22. April 2003 eingegangenem Schreiben vom 16. April 2003 gab das [X.]die über-sandten Unterlagen an das Gericht zurück und teilte mit, dass nach der maß-geblichen Anordnung über die Vertretung der [X.] im Geschäftsbereich des [X.], Verkehr und Landesentwicklung nicht es, sondern das [X.] in [X.] für die Prozessvertretung zuständig sei. Hiervon unterrichtet beantragten die Kläger mit am 28. April 2003 [X.] - 4 - nem Schriftsatz die Zustellung der Klage an das benannte [X.]. Diese erfolgte am 12. Mai 2003. Das [X.] hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Die hierge-gen gerichtete [X.]erufung der Kläger hat das [X.] mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen werde. Diese Ent-scheidung bekämpfen die Kläger mit ihrer - vom Senat zugelassenen - [X.]. 3 Entscheidungsgründe Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur [X.] an das [X.]erufungsgericht. 4 [X.] Das [X.]erufungsgericht hat die Klage zu Unrecht als unzulässig (verfristet) abgewiesen. Die ab dem 11. Februar 2003 laufende Klagefrist - von einem Mo-nat (§ 52 Abs. 1 [X.]) - ist durch die am 11. März 2003 eingereichte und am 12. Mai 2003 zugestellte Klage gewahrt worden (§ 253 Abs. 1, § 167 ZPO). Denn diese Zustellung ist entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts noch "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO erfolgt und wirkt damit auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift bei Gericht zurück. 5 1. a) Allerdings ist dem [X.]erufungsgericht darin beizupflichten, dass die ur-sprüngliche [X.]ezeichnung der Vertretungsbehörde der [X.]eklagten in der von den 6 - 5 - Klägern bei Gericht eingereichten Klage unrichtig war (s. § 2 der [X.] Anordnung über die Vertretung der [X.] im Geschäfts-bereich des [X.], Verkehr und Landesentwicklung vom 18. September 2002, [X.]. 2002, 3882) und eine Zustellung an diese [X.]ehörde nicht zu einer wirksamen Klagezustellung führen konnte (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 - [X.] - [X.] Nr. 11; [X.]ayObLGZ 1995, 61; [X.] vom 19. Dezember 1986 - [X.]/84 - juris Rn. 5). Im Ansatz liegt also darin, dass die vorliegende Klage statt am 15. April 2003 erst am 12. Mai 2003 (wirksam) zugestellt worden ist, eine von den Klägern zu vertretende [X.]. Denn ihrem Prozessbevollmächtigten ist vorzuwerfen, dass er - unbeschadet dessen, dass im Entschädigungsfestsetzungsverfahren das [X.] in M. für die [X.]eklagte aufgetreten war und dass die Fassung des [X.] einschließ-lich der Rechtsmittelbelehrung möglicherweise zu dem Missverständnis führen konnte, auch "der Prozess" sei gegen diese [X.]ehörde zu führen (dazu unten zu 2) - bei sorgfältiger Prozessführung sich selbständig aus den maßgeblichen amtlichen Mitteilungsblättern über die richtige Vertretungsbehörde der [X.]eklag-ten für den Fall eines gerichtlichen Verfahrens über die Enteignungsentschädi-gung hätte informieren müssen (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 1986 aaO). b) [X.] die genannte Verzögerung der Zustellung der Klage aufgrund dessen allein im Verantwortungsbereich der Kläger, so könnten sie die Vor-schrift des § 167 ZPO, wie das [X.]erufungsgericht annimmt, nicht für sich in [X.] nehmen. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist bei vom "[X.]" verursachten Verzögerungen der Zustellung der [X.] im Regelfall nur eine Verzögerung von bis zu zwei Wochen noch als ge-7 - 6 - ringfügig anzusehen ([X.], Urteile vom 20. April 2000 - [X.] - NJW 2000, 2282 und vom 24. September 2003 - [X.] - FamRZ 2004, 21). 2. Wie die Revision mit Recht rügt, berücksichtigt das [X.]erufungsgericht [X.] nicht genügend, dass eine andere [X.]eurteilung der Frage, ob die Zustel-lung "demnächst" erfolgt ist - insbesondere unter dem Gesichtspunkt, ob eine Verzögerung der ordnungsgemäßen Zustellung den Gegner unbillig belastet -, in [X.]etracht kommen kann, wenn die Verzögerung nicht nur auf einem Verschul-den der die Zustellung betreibenden Partei beruht, sondern auch auf einem dem Zustellungsempfänger zuzurechnenden Verhalten (vgl. Senatsurteil vom 17. März 1983 aaO). 8 a) Dies hat der Senat bei Geltendmachung von Entschädigungsansprü-chen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnah-men ([X.]) für den Fall angenommen, dass der Wortlaut der [X.] im ablehnenden [X.]escheid zu einer fehlerhaften [X.]enennung der [X.] im Prozess geführt hat (Urteil vom 17. März 1983 aaO). 9 b) Ähnlich ist der hier vorliegende Fall zu beurteilen: 10 aa) Im Ausgangsverfahren (Entschädigungsfestsetzungsverfahren vor der Enteignungsbehörde) war für die [X.]eklagte das [X.] [X.]tätig geworden. Diese [X.]ehörde war auch im Rubrum des angefochtenen [X.] des [X.] vom 6. Februar 2003 als Vertretungsbehörde der [X.]eklagten (der dortigen [X.]eteiligten zu 1) aufgeführt. Letzteres stand nicht im Einklang mit § 1 Abs. 1 Nr. 1 der erwähnten Vertretungsanordnung des [X.] Ministers für Wirt-schaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 18. September 2002, wonach die 11 - 7 - [X.] u.a. "beim Erwerb von Grundstücken zum Zwecke des [X.] bei [X.]undesfernstraßen" durch das [X.] vertreten wird. Wenn es nun in der [X.] hieß, der Rechtsstreit sei zwischen den [X.] und "der [X.]" zu führen, so war dies zusammen mit der Parteibezeichnung im Rubrum des Entschädigungsfestsetzungsbeschlus-ses geeignet, nicht nur bei den [X.] selbst, sondern auch bei einem Rechtsanwalt die Vorstellung zu erwecken, die Entschädi-gungsberechtigten würden es in dem gegebenenfalls zu führenden Prozess mit genau derselben [X.]ehörde auf Seiten der [X.] zu tun haben. (Tatsächlich sind auch im gerichtlichen Verfahren in dem anhängig ge-machten Prozess vor dem [X.] und dem [X.] für die [X.]e-klagte Mitarbeiter des Amts für Straßen- und Verkehrswesen M. aufgetre-ten). [X.]) Dass ein solches (vermeidbares) Missverständnis nach den beson-deren Umständen des Streitfalls aus dem Zusammenspiel der Art der Mitwir-kung der [X.]eklagten im Enteignungsentschädigungsverfahren mit der Fassung der Rechtsmittelbelehrung der Enteignungsbehörde entstehen konnte, muss den Klägern jedenfalls im Lichte der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzga-rantie, wie sie sich für das Enteignungsrecht aus Art. 14 GG (vgl. [X.]VerfGE 35, 348, 361) und allgemein aus Art. 19 Abs. 4 GG ergibt, beziehungsweise des aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Rechts des [X.]ürgers auf ein faires Verfahren und auf einen berechenbaren und gleichmäßigen Zugang zu den Gerichten (vgl. nur [X.]VerfG NJW 1998, 1853; 1995, 3173 jeweils m.w.[X.]) im Rahmen der erforderlichen wertenden [X.]eurtei-lung im Rahmen nach § 167 ZPO zugute kommen. Dafür spricht im Streitfall insbesondere auch der Umstand, dass bei einer zutreffenden [X.]ezeichnung der 12 - 8 - Vertretungsbehörde der [X.]eklagten im Rubrum des [X.], wie anzunehmen ist, auch die Klageschrift dementspre-chend (richtig) adressiert worden wäre. Mit einer Fehlerhaftigkeit der - nach § 30 Nr. 1 Satz 2 [X.] im [X.]eschluss zu erteilenden - Rechtsmittelbelehrung in dem Sinne, dass diese zwingend erforderliche Angaben nicht enthalten hätte oder ihr unrichtige oder irreführende Zusätze beigefügt gewesen wären - was möglicherweise sogar den Fristbeginn für die Klagefrist gehindert hätte (vgl. Senatsurteile vom 7. April 1983 - [X.]/81 - [X.], 737, 738 und [X.] 140, 208, 212 ff) -, hat das noch nichts zu tun. Die für den Gesamtvorgang mitverantwortliche, für das Entschädigungs-festsetzungsverfahren zuständige, Enteignungsbehörde ist zwar keine [X.]ehörde der [X.]eklagten und auch keine Landesbehörde, für deren Fehlverhalten die [X.]e-klagte einzustehen hätte. Gleichwohl ist es angemessen, bei der Prüfung, ob hier eine der [X.]eklagten noch zumutbare Verzögerung der Zustellung der Klage vorliegt, die Umstände des staatlichen [X.] - im Zusam-menhang mit dem Zugriff auf das Eigentum der Kläger im Interesse der [X.]eklag-ten - und die hierbei mit verursachten Missverständnisse über die "richtige" Pro-zessvertretung der [X.]eklagten zu deren Lasten gehen zu lassen. Dies gilt um so mehr, als die im Auftrag der [X.]eklagten im [X.] vor der Enteignungsbehörde tätige Landesbehörde auf eine zutreffende [X.]ezeichnung ihrer Vertretungsverhältnisse in diesem Verfahren nach Maßgabe der Anordnung vom 18. September 2002 hätte hinwirken können. Im Ergebnis gibt es danach keinen durchgreifenden Grund, den vorliegenden Fall anders zu behandeln als denjenigen in dem Senatsurteil vom 17. März 1983 (aaO). 13 - 9 - Die von der Revisionserwiderung als [X.]estätigung für den Standpunkt des [X.]erufungsgerichts herangezogenen Entscheidungen ([X.], [X.]eschluss vom 19. Dezember 1986 - [X.]/84 - juris Rn. 5; Urteile vom 13. Juli 1972 - [X.] - [X.], 1129, 1130 und vom 7. April 1983 - [X.]/81 - [X.], 661, 662; [X.]ayObLGZ 95, 61 f) lagen, soweit ersichtlich, in tatsächlicher Hinsicht anders als der hier vorliegende Fall. Selbst wenn dies nicht so [X.] sein sollte, hält der Senat eine Fortentwicklung der bisherigen [X.] im Sinne der hier vertretenen Auslegung im [X.]lick auf die genannten ver-fassungsrechtlichen Garantien für geboten. 14 - 10 - I[X.] Da mithin die Abweisung der Klage als unzulässig durch das [X.]erufungs-gericht keinen [X.]estand haben kann, andererseits eine Prüfung der materiellen Rechtslage im [X.]erufungsverfahren noch nicht stattgefunden hat, ist die Sache zur weiteren Prüfung an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen. 15 [X.] [X.] [X.]

[X.] Herrmann Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 10.12.2003 - 2 O 155/03 - [X.] in [X.], Entscheidung vom [X.]

Meta

III ZR 43/05

01.12.2005

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.12.2005, Az. III ZR 43/05 (REWIS RS 2005, 520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 520

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