Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.2010, Az. II ZR 292/06

2. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4956

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HANDELS- UND GESELLSCHAFTSRECHT HAUSTÜRGESCHÄFTE

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Gegenstand

Kapitalanlage im Haustürgeschäft: Anwendbarkeit der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft auf einen Beitritt zu einer Grundstücks-GbR in Ansehung von Gemeinschaftsrecht; Folgen eines Widerrufs - FRIZ II


Leitsatz

FRIZ II

1. Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, die entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts einen vernünftigen Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den einzelnen Beteiligten sichern soll, ist mit der Richtlinie 85/577/EWG vereinbar und deswegen auch in Fällen anwendbar, in denen jemand zu Anlagezwecken einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts in einer sog. "Haustürsituation" beitritt .

2. Das kann zur Folge haben, dass der Widerrufende nicht nur seine Einlage nicht oder nicht vollständig zurück erhält, sondern auf Grund der auf den Tag seines Ausscheidens zu erstellenden Auseinandersetzungsbilanz zur Verlustdeckung nach § 739 BGB verpflichtet ist .

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 23. November 2006 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 34. Zivilkammer des [X.] vom 25. April 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren (einschließlich derjenigen des [X.]) werden dem Beklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte betreibt gegen die Klägerin die Zwangsvollstreckung aus einem [X.]es des [X.] vom 13. November 2003 über einen Betrag von 10.366,22 € nebst Zinsen. In dem dem [X.] zugrunde liegenden Verfahren hatte die Klägerin erfolglos Zahlungsansprüche gegen den Beklagten als Gesellschafter der Grundstücks GbR B. in B. geltend gemacht, die auf einer behaupteten Nachschusspflicht beruhten, sowie die Feststellung begehrt, dass die fristlose Kündigung des Gesellschaftsbeitritts durch den Beklagten vom 6. August 2002 unwirksam sei. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich. Auf die Berufung des Beklagten wurde sie in vollem Umfang abgewiesen mit der Begründung, nach wirksamer Kündigung des [X.] durch den Beklagten bestünden zwischen den Parteien lediglich noch Ansprüche nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft.

2

Die Klägerin hat der Rechtsansicht des Berufungsgerichts im Vorprozess Rechnung getragen und zum Stichtag 6. August 2002 eine Auseinandersetzungsrechnung erstellt, die ein "negatives [X.]" des Beklagten, mithin einen Anspruch gegen ihn in Höhe von 16.319 € ausweist. Mit dieser Forderung hat die Klägerin die Aufrechnung gegen den [X.] erklärt und die vorliegende Vollstreckungsgegenklage erhoben.

3

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

4

Der erkennende Senat hat das Verfahren ausgesetzt und dem [X.] Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gem. Art. 234 [X.] zur Vorabentscheidung vorgelegt ([X.], Beschluss vom 5. Mai 2008 - [X.], [X.], 1018 ff. - [X.]), die das Verhältnis der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den [X.] im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen zur Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft betreffen. Der Gerichtshof hat darüber durch Urteil vom 15. April 2010 ([X.]. [X.]/08, [X.], 772) entschieden.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils (§ 563 Abs. 3 ZPO).

6

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Der zwischen den Parteien unstreitige, wirksame Widerruf der Beitrittserklärung des Beklagten zu der [X.] nach § 3 Haustürwiderrufsgesetz ([X.], jetzt § 312 BGB) führe zwar grundsätzlich zu einer Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften [X.] mit der Folge, dass der widerrufende [X.]er lediglich Anspruch auf sein [X.] habe. Dies gelte jedoch nicht, wenn die Auseinandersetzung zu einer Zahlungspflicht des [X.]ers gegenüber der [X.] führe. Diese Folge verstoße gegen die Richtlinie 85/577/[X.] des Rates vom 20. Dezember 1985, da aus dieser klar hervorgehe, dass den Verbraucher infolge des Widerrufs keine Verpflichtungen aus dem widerrufenen Vertrag mehr treffen dürften und empfangene Leistungen zurückzugewähren seien.

8

II. Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die [X.] ist begründet. Infolge der Aufrechnung der Klägerin mit der Forderung auf das sog. negative Auseinandersetzungs-"Guthaben" - der Sache nach handelt es sich um den der Klägerin nach § 739 BGB zustehenden Verlustausgleichsanspruch -, die die titulierte Forderung übersteigt, ist die Forderung des Beklagten aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des [X.] vom 13. November 2003 erloschen und die Zwangsvollstreckung daraus unzulässig geworden.

9

Die Vorschriften der Richtlinie 85/577/[X.] stehen - anders als das Berufungsgericht meint - der Rückabwicklung nach den Grundsätzen der fehlerhaften [X.] und damit der auf § 739 BGB gestützten Ausgleichspflicht des Beklagten nicht entgegen.

Das Berufungsgericht, das - mangels insoweit gestellten [X.] für die Revisionsinstanz bindend (siehe insoweit [X.], Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, [X.] 2007, 428 f. mwN) - festgestellt hat, dass der Beklagte seinen Beitritt zu der [X.] bürgerlichen Rechts nach § 3 [X.] wirksam widerrufen hat, irrt, wenn es meint, die nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats auch im Falle des Widerrufs nach dem [X.] anwendbaren Grundsätze über die Abwicklung der fehlerhaften [X.] ([X.]Z 148, 201, 207 f.; [X.], Urteil vom 18. Oktober 2004 - [X.], [X.], 2319, 2322; vom 18. April 2005 - [X.], [X.], 1124, 1126 mwN) seien im Hinblick auf die Richtlinie 85/577/[X.] unanwendbar, wenn der Widerrufende - wie hier - infolge des Widerrufs mit einer Zahlungsverpflichtung belastet werde.

1. Mit Urteil vom 15. April 2010 - [X.]/08 hat die [X.] des [X.] entschieden, dass die Richtlinie 85/577/[X.] auf den Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds, der, wie hier vom Berufungsgericht festgestellt, in einer sog. Haustürsituation erklärt wurde, anwendbar ist (ZIP 2010, 772 [X.]. 30).

2. Gemäß Art. 7 der Richtlinie in der Auslegung des Gerichtshofs in der genannten Entscheidung beurteilen sich die Rechtsfolgen eines Widerrufs nach einzelstaatlichem Recht, was, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (siehe nur [X.]Z 148, 201, 207 f.; [X.], Urteil vom 18. Oktober 2004 - [X.], [X.], 2319, 2322) zur Anwendung der Regeln über die fehlerhafte [X.] und zur Ermittlung des Wertes des [X.]santeils des fehlerhaft beigetretenen [X.]ers im Zeitpunkt seines Ausscheidens führt. Die Lehre von der fehlerhaften [X.], die entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts einen vernünftigen Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den einzelnen Beteiligten sichern soll, ist mit der Richtlinie 85/577/[X.] vereinbar und bleibt anwendbar.

3. Gegen die Berechnung des [X.]s durch die Klägerin hat sich der Beklagte nicht gewandt.

[X.]                               Caliebe

                  Reichart                              [X.]

Meta

II ZR 292/06

12.07.2010

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 5. Mai 2008, Az: II ZR 292/06, EuGH-Vorlage

Art 1 Abs 1 S 1 EWGRL 577/85, Art 5 Abs 2 EWGRL 577/85, Art 7 EWGRL 577/85, § 312 BGB, § 739 BGB, § 3 HTürGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.07.2010, Az. II ZR 292/06 (REWIS RS 2010, 4956)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4956


Verfahrensgang

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Az. II ZR 292/06

Bundesgerichtshof, II ZR 292/06, 12.07.2010.


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