Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 18.02.2010, Az. 1 BvR 1523/08

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2010, 9188

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Keine Aufhebung sozialgerichtlicher Entscheidungen bzgl der Höhe des Regelleistung für Alleinstehende gem § 20 Abs 2 Halbs 1 SGB 2 idF vom 24.12.2003 nach Unvereinbarerklärung dieser Vorschrift mit Weitergeltungsanordnung durch Senatsentscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09) - Hälftige Auslagenerstattung gem § 34a Abs 3 BVerfGG bei teilweiser Begründetheit und teilweiser Unzulässigkeit


Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung für Alleinstehende im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2005 gemäß § 20 Abs. 2 1. Halbsatz Sozialgesetzbuch Zweites Buch ([X.]) in der Fassung des [X.] am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 ([X.] 2954).

I.

2

1. Die alleinstehende Beschwerdeführerin steht seit dem 1. Januar 2005 im Leistungsbezug nach dem [X.]. Jedenfalls während des im Ausgangsverfahren streitigen Zeitraums vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2005 erzielte sie außerdem Arbeitsentgelt, von dem ihr zusätzlich zur Regelleistung sowie den Leistungen für Unterkunft und Heizung monatlich ein Betrag in Höhe von etwa 159 Euro verblieb. Ihre Klage auf "Zahlung eines das Existenzminimum deckenden Geldbetrages unter Berücksichtigung ihrer individuellen Bedürfnisse" blieb vor dem Sozialgericht und dem [X.] erfolglos. Die Nichtzulassungsbeschwerde wies das [X.] als unbegründet zurück und führte aus, die Verfassungsmäßigkeit der Festlegung der Regelleistung sei bereits höchstrichterlich geklärt; Argumente für ein Abweichen von dieser Rechtsprechung habe die Beschwerdeführerin nicht vorgetragen.

3

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde richtet sich die Beschwerdeführerin sinngemäß unmittelbar gegen die sozialgerichtlichen Entscheidungen sowie mittelbar gegen die in § 20 Abs. 2 1. Halbsatz [X.] a.F. festgesetzte Regelleistung von 345 Euro. Sie beantragt ferner ausdrücklich festzustellen, dass die "Regelsatzverordnung" verfassungswidrig ist, sowie die "vorenthaltenen Sozialleistungen unter Hinweis auf § 44 [X.]" festzusetzen beziehungsweise zu erstatten. Sie rügt die Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 und Art. 103 Abs. 1 [X.].

II.

4

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 [X.] nicht mehr vorliegen.

5

1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne von § 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.] mehr zu. Sie wirft keine verfassungsrechtlichen Fragen auf, die sich nicht ohne Weiteres aus dem Grundgesetz beantworten lassen oder die noch nicht durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt sind (vgl. [X.] 90, 22 <24 f.>). Durch das Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, [X.], sind alle verfassungsrechtlichen Fragen der Bemessung der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 1. Halbsatz [X.] a.F. geklärt. Das [X.] hat die betreffende Vorschrift ebenso wie die Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 [X.] a.F. vom 1. September 2005 für die [X.]ab dem 1. Juli 2005 ([X.] 2718) für unvereinbar mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 [X.] erklärt, jedoch ihre weitere Anwendbarkeit bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber angeordnet.

6

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Die Unvereinbarkeit von § 20 Abs. 2 1. Halbsatz [X.] a.F. mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 [X.] hat das [X.] bereits mit Gesetzeskraft (vgl. [[X.]-7f83-4f16-9dfc-7a7a3b236f9a]§ 31 Abs. 2 Satz 2 [X.][/ref]) festgestellt. Für eine nochmalige entsprechende Entscheidung besteht kein Raum und kein Bedürfnis. Da die genannten Vorschriften weiterhin anwendbar sind und der Gesetzgeber nach den Ausführungen in den Urteilsgründen nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 u.a. -, [X.], Rn. 217), steht darüber hinaus fest, dass es bei der im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund von § 20 Abs. 2 1. Halbsatz [X.] festgesetzten Regelleistung bleiben wird und die Beschwerdeführerin mit ihrem Begehren auf Gewährung höherer Leistungen nicht durchdringen kann. Eine Aufhebung der mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen sozialgerichtlichen Entscheidungen kommt nicht in Betracht. Insoweit ist die Verfassungsbeschwerde ohne Aussicht auf Erfolg.

III.

7

Die auf § 34a Abs. 3 [X.] beruhende Anordnung, dass der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zur Hälfte zu erstatten sind, entspricht der Billigkeit. Eine Annahme zur Entscheidung hatte trotz der ursprünglich gegebenen grundsätzlichen Bedeutung allein wegen der zwischenzeitlichen Entscheidung des [X.]s zu unterbleiben. Ohne diese Entscheidung hätte die Verfassungsbeschwerde auch in der Sache teilweise Aussicht auf Erfolg gehabt. Die Verfassungsbeschwerde war jedoch in einigen Punkten von Anfang an unzulässig. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des Antrags der Beschwerdeführerin, das [X.] selbst solle ihr rückwirkend höhere Leistungen nach dem [X.] zusprechen, sondern auch insoweit, als sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Regelsatzverordnung nach dem [X.] ([X.]II) richtet, die die Beschwerdeführerin als erwerbsfähige Hilfebedürftige selbst nicht unmittelbar betrifft. Darüber hinaus genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] nicht, soweit sich die Beschwerdeführerin mit der Rüge einer Verletzung von Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 [X.] gegen das Verfahren der Sozialgerichte richtet und soweit sie eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 und Art. 80 Abs. 1 [X.] geltend macht. Von daher ist es angemessen, dass die Beschwerdeführerin die Hälfte ihrer Auslagen selbst zu tragen hat.

8

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1523/08

18.02.2010

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BSG, 15. April 2008, Az: B 14/11b AS 41/07 B, Beschluss

Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, RSV, § 20 Abs 2 Halbs 1 SGB 2 vom 24.12.2003

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 18.02.2010, Az. 1 BvR 1523/08 (REWIS RS 2010, 9188)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9188

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

B 4 AS 100/10 R

Zitiert

1 BvL 1/09

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