Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2009, Az. StB 38/09

3. Strafsenat | REWIS RS 2009, 1594

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS StB 38/09 vom 22. September 2009 in dem Ermittlungsverfahren gegen wegen des Verdachts der Unterstützung terroristischer Vereinigungen im [X.] u. a. hier: Beschwerde des [X.]

gegen die Anord-nung und Durchführung von Telekommunikationsüberwachungsmaß-nahmen - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 22. September 2009 gemäß § 101 Abs. 7 Satz 2 und 3, § 304 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 [X.] beschlossen: Auf die sofortige Beschwerde des [X.] wird der Be-schluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 19. Juni 2009 - 2 [X.] 138/09 - aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an den Ermittlungsrichter des [X.] zurückverwiesen. Gründe: [X.] Der [X.] führt gegen den Beschuldigten T. und andere Personen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Un-terstützung der ausländischen terroristischen Vereinigungen [X.], [X.] im [X.] und [X.] sowie weiterer Straftaten. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, in der [X.] vom 25. November 2007 bis zum 5. Januar 2008 in fünf Fällen auf den Internetseiten der "Globalen Islamischen Medienfront" ([X.]) Propagandamaterial der [X.], das auf die Werbung neuer Mitglieder und Unterstützer abgezielt haben soll (§ 129 a Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2, § 129 b Abs. 1 StGB), weiterverbreitet zu haben. Außerdem soll er die ausländischen terroristischen Vereinigungen [X.] im [X.] sowie [X.] dadurch unterstützt haben, dass er deren auf Einschüch-terung und Demoralisierung ihrer Gegner ausgerichtetes Propagandamaterial 1 - 3 - (Enthauptungsszenen) in das Forum der Globalen Islamischen Medienfront ein-stellte. 2 Im Verlauf des Ermittlungsverfahrens hat der Ermittlungsrichter des [X.] durch mehrere [X.]üsse die Überwachung und Aufzeichnung der vom Beschuldigten T. über einen von ihm genutzten Telefonan-schluss geführten Telekommunikation angeordnet. Die Maßnahme ist vom [X.] vollzogen worden. Mit Schreiben vom 29. Januar 2009 hat der [X.] den Beschwerdeführer davon unterrichtet, dass er zweimal an der Telekommunikation des im [X.]raum vom 6. Dezember 2007 bis zum 14. August 2008 überwachten Telefonanschlusses beteiligt war. Die Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers hat mit Schrift-satz vom 17. Februar 2009 die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Telekom-munikationsüberwachungsmaßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragt. Gleichzeitig hat sie den Antrag gestellt, ihr Akteneinsicht zu gewäh-ren. Der [X.] beim [X.] hat daraufhin der [X.] die [X.]üsse des Ermittlungsrichters, mit denen die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation angeordnet worden war, in abgekürzter Form - ohne Teil I[X.] der Begründung -, Vermerke über den Beginn und die Beendigung der Überwachungsmaßnahme sowie eine Ereignis-liste (Teilauswahl) zum Zweck der Einsichtnahme übersandt. 3 Mit [X.]uss vom 19. Juni 2009 hat der Ermittlungsrichter des Bundes-gerichtshofs den Antrag des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich dessen sofortige Beschwerde. 4 - 4 - I[X.] 5 Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. 6 Der Ermittlungsrichter des [X.] hat über den Antrag des Beschwerdeführers entschieden, die Rechtmäßigkeit der Anordnung und des [X.] zu überprüfen, oh-ne dass diesem zuvor von dem zur Entscheidung über das [X.] berufenen [X.] (§ 478 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 120 Abs. 1 Nr. 6, § 142 a Abs. 1 Satz 1 GVG) Akteneinsicht im erforderlichen Umfang ge-währt worden war. Damit hat er den Anspruch des Beschwerdeführers auf Ge-währung rechtlichen Gehörs verletzt. Dies führt zur Aufhebung der angefochte-nen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an den [X.]. Im Einzelnen: 1. Die an einer überwachten Telekommunikation beteiligten Personen können auch nach Beendigung der Maßnahme bis zu zwei Wochen nach der Benachrichtigung die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs beantragen (§ 101 Abs. 7 Satz 2 [X.]). Da ihnen das Gesetz in diesem Verfahren die Stellung eines Verfahrensbeteiligten einräumt, haben sie einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser Anspruch, der in einem funktionalen Zusammenhang mit der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes steht und grundsätzlich unabdingbar ist, sichert jedem Verfah-rensbeteiligtem das Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung [X.] Vorbringens bei einer gerichtlichen Entscheidung. Zum rechtlichen Gehör vor Gericht gehört insbesondere die Möglichkeit, sich auf Antrag über alle ent-scheidungserheblichen Tatsachen und Beweismittel durch Einsicht in die Akten zu informieren (vgl. [X.] NStZ 2007, 274; [X.] NStZ-RR 2008, 16, 17; [X.], [X.]. vom 22. September 2009 - StB 28/09). 7 - 5 - Im Rechtsbehelfsverfahren nach § 101 Abs. 7 Satz 2 [X.] richtet sich der Umfang des [X.] einer Person, die nicht am Ermittlungs- bzw. Strafverfahren im engeren Sinn beteiligt, sondern zufällig als Gesprächs-partner von der heimlichen Überwachung der Telekommunikation betroffen ist, im Grundsatz nach §§ 475 ff. [X.] mit der Einschränkung, dass bei Anwen-dung dieser Vorschriften in geeigneter Weise dem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) Rechnung zu tragen ist. Deshalb hat sie das Recht, bevor eine Entscheidung in diesem Verfahren ergeht, Auskunft aus den Ermitt-lungsakten zu erhalten bzw. diese einzusehen, soweit dies für die konkrete Rechtsverfolgung unerlässlich ist. Ihrem Rechtsanwalt sind deshalb auf Antrag neben den vollständigen, ungekürzten Anordnungsbeschlüssen des Richters diejenigen [X.] und Beweismittel zur Verfügung zu stellen, auf die sich die zu überprüfende Entscheidung stützt und die die Anordnungsvoraussetzungen belegen, insbesondere den Anfangsverdacht einer Straftat aus dem Katalog des § 100 a [X.] begründen. Des Weiteren müssen ihr, soweit sich der Antrag auch gegen die Rechtmäßigkeit des Vollzugs der Maßnahmen richtet, die [X.] zur Verfügung gestellt werden, aus denen sich Art und Weise ihrer Durchführung ersehen lassen. Außerdem müssen ihr die sie betreffenden Erkenntnisse aus der heimlichen Ermittlungsmaßnahme und etwaige Verschrif-tungen von Tonaufnahmen oder Zusammenfassungen dieser Erkenntnisse zu-gänglich gemacht werden (vgl. [X.], [X.]. vom 22. September 2009 - StB 28/09). 8 Ein Anspruch des [X.] auf weitergehende Einsicht in die [X.] besteht schon deshalb nicht, weil insoweit das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Beschuldigten und der von der Aktenein-sicht betroffenen anderen Personen Vorrang hat (vgl. [X.], [X.]. vom 22. September 2009 - StB 28/09; [X.], 481, 486). 9 - 6 - Soweit im Einzelfall das öffentliche Interesse, die bisherigen [X.] ganz oder zum Teil geheim zu halten, um die Aufklärung von [X.] nicht zu gefährden, einer Akteneinsicht im dargestellten Umfang entge-gensteht, ist die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der heimlichen Ermitt-lungsmaßnahme solange zurückzustellen, bis das Geheimhaltungsinteresse entfallen ist und deshalb Akteneinsicht gewährt werden kann ([X.], [X.]. vom 22. September 2009 - StB 28/09; [X.], [X.] 52. Aufl. § 101 Rdn. 25 a). Ein "in [X.], in dem das zur Entscheidung berufene Gericht von entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweismitteln Kenntnis erlangen würde, zu denen sich der Antragsteller nicht äußern konnte, ist im Strafprozess mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbar (vgl. [X.]E 109, 279, 371; [X.] NStZ-RR 2008, 16, 17). 10 2. Nach diesen Maßstäben verletzt der angegriffene [X.]uss das grundrechtsgleiche Recht des Beschwerdeführers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Der [X.] hat dem Beschwerde-führer auf seinen Antrag hin nicht im erforderlichen Umfang Akteneinsicht ge-währt. Ihm wurden vor der angefochtenen Entscheidung weder die vollständi-gen [X.]üsse des Ermittlungsrichters, durch die die Überwachung der Tele-kommunikation angeordnet worden sind, zugänglich gemacht noch konnte er anhand der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen überprüfen, ob die Vor-aussetzungen des § 100 a [X.] vorlagen, insbesondere die Beweismittel den Verdacht einer [X.] gemäß §§ 129 a, 129 b StGB begründeten. Daher war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, sich zur Rechtmäßigkeit der angeord-neten Überwachung der Telekommunikation substantiiert zu äußern. Hinzu kommt, dass der Ermittlungsrichter in der angefochtenen Entscheidung unter I[X.] 2. b) [X.] verwertet hat, die dem Beschwerdeführer zuvor nicht zugäng-lich gemacht worden waren. Soweit er ausführt, die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers und dieser selbst hätten sich auf die Antragstellung [X.] - 7 - schränkt und - wider den Zweck des nachträglichen rechtlichen Gehörs - jegli-che Ausführungen zu dessen Begründung vermissen lassen, ist dies wider-sprüchlich, weil wegen der unvollständig gewährten Akteneinsicht eine weiter-gehende Begründung überhaupt nicht möglich war. 12 Die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den [X.] führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]usses und zur [X.] an den Ermittlungsrichter zur erneuten Entschei-dung. Diese darf jedoch zurückgestellt werden, bis dem Antragsteller ohne Ge-fährdung der weiteren Ermittlungen Einsicht in die für sein Rechtsschutzbegeh-ren relevanten [X.] gewährt werden konnte (vgl. [X.], [X.]. vom 22. September 2009 - StB 28/09). [X.]von [X.]

Meta

StB 38/09

22.09.2009

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.09.2009, Az. StB 38/09 (REWIS RS 2009, 1594)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 1594

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