Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.07.2017, Az. 3 StR 113/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 7492

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Gegenstand

Gefährliche Körperverletzung: Voraussetzungen einer gemeinschaftlichen Körperverletzung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]     wird das Urteil des [X.] vom 11. November 2016

a) im Schuldspruch - auch soweit es die Angeklagten M.  und [X.]    betrifft - dahin geändert, dass

aa) der Angeklagte [X.]     der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung sowie des Diebstahls schuldig ist,

bb) die Angeklagten M.  und [X.]     jeweils der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung schuldig sind,

b) hinsichtlich des Angeklagten [X.]    in den Aussprüchen über die im Fall II. 2. der Urteilsgründe verhängte [X.] und die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]      wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, die nicht revidierenden Angeklagten M.  und [X.]    jeweils wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat; gegen [X.]     hat das [X.] außerdem einen Dauerarrest von zwei Wochen verhängt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten [X.]     hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. [X.] im Fall II. 2. der Urteilsgründe hält in Bezug auf den Angeklagten [X.]     und die insoweit gleichermaßen betroffenen, nicht revidierenden Angeklagten M.  und [X.]    rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3

a) Nach den vom [X.] hierzu getroffenen Feststellungen fassten [X.]      und die beiden nicht revidierenden Angeklagten am 26. April 2016 den Entschluss, ein Gasthaus zu überfallen. Ihr gemeinsamer [X.] sah vor, dass [X.]     sowie [X.]    das Gebäude betreten und [X.]     draußen "Schmiere stehen" sollte. [X.]     und [X.]     sollten anwesende Personen mit einem Küchenmesser, einem Taschenmesser sowie einer Pistolenattrappe "in Schach halten" und Geld entwenden. Bei Gegenwehr sollten die Überfallenen "weggeschubst" werden.

4

Nachdem [X.]      und [X.]     sich in den Gasthof begeben hatten, gelangten sie versehentlich unmittelbar in die Küche, wo sie den als [X.] tätigen [X.] antrafen. [X.]     und [X.]     bedrohten [X.] mit den mitgeführten [X.] und forderten ihn auf, ihnen Geld herauszugeben. Nachdem [X.] darauf hingewiesen hatte, dass er der [X.] sei und kein Geld habe, legte er sich auf Aufforderung von [X.]     auf den Boden, weil er angesichts des Küchenmessers und der Pistolenattrappe, die er für eine echte Schusswaffe hielt, Angst hatte. Nunmehr betrat die Betreiberin des Gasthauses, die Zeugin M.       , die Küche. Sie erschrak und erkannte den [X.] der Lage. Gleichwohl trat sie den Angeklagten forsch und resolut gegenüber, erklärte, kein Geld zu haben, und forderte sie auf, das Haus zu verlassen. Anschließend kündigte sie an, die Polizei zu verständigen, und ging aus der Küche über den Hausflur in einen Nebenraum. [X.]      forderte nunmehr [X.]    auf, beim [X.] zu bleiben und diesen weiter in Schach zu halten; er selbst folgte der Zeugin M.      und riss das Telefon aus der Wand, als die Zeugin bereits den Hörer ergriffen und die "110" gewählt hatte. Dabei schubste er sie gegen die "Entkorkmaschine", wodurch sie Schmerzen, blaue Flecken im Bereich der linken Hüfte und des Rückens sowie eine Verstauchung des linken Daumens erlitt; dies nahm [X.]      zumindest billigend in Kauf.

5

b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht. Das [X.] hat dazu ausgeführt, dass auch im Hinblick auf die von [X.]     zum Nachteil der Zeugin M.       begangene Körperverletzung "von mittäterschaftlicher Begehungsweise" auszugehen sei, weil "das Schubsen von Personen von vornherein zum gemeinsamen [X.] gehört" habe.

6

Das stößt auf durchgreifende rechtliche Bedenken. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass der Täter die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Nicht erforderlich ist die eigenhändige Mitwirkung jedes einzelnen an der Verletzungshandlung. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar [X.] aktiv - physisch oder psychisch - unterstützt (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom 22. Dezember 2005 - 4 StR 347/05, [X.], 572, 573). Das war hier nicht der Fall. Denn weder M.  noch [X.]     war am Tatort anwesend, als [X.]      die Zeugin M.        in dem Nebenraum gegen die "Entkorkmaschine" stieß.

7

c) Insoweit hat sich [X.]      deshalb nur wegen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Der [X.] hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO geändert und die Entscheidung gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die Angeklagten M.  und [X.]    erstreckt mit der Folge, dass die gegen diese Angeklagten ergangenen Schuldsprüche wegen gefährlicher Körperverletzung entfallen. Denn ihre Verurteilung wegen einer Beteiligung an der von [X.]       begangenen Körperverletzung kommt nicht in Betracht. Insbesondere kann ihnen diese Tat nicht gemäß § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden; allein der Umstand, dass nach ihrem gemeinsamen [X.] die Überfallenen bei Gegenwehr "weggeschubst" werden sollten, reicht insoweit für die Annahme von Mittäterschaft nicht aus.

8

2. Die Schuldspruchänderung führt hinsichtlich des Angeklagten [X.]     zur Aufhebung der im Fall II. 2. der Urteilsgründe gegen ihn verhängten [X.]. Diese kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das [X.] die tateinheitlich mit der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung begangene "gefährliche" Körperverletzung ausdrücklich strafschärfend gewertet hat. Im Übrigen hat die [X.] mit rechtsfehlerhafter Begründung davon abgesehen, den der Strafzumessung zugrunde gelegten Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Sie hat insoweit maßgeblich darauf abgestellt, dass der Angeklagte "im Verlauf des Geschehens mehrere Versuche startete, um der Tat noch zum Erfolg zu verhelfen", und sein Vorhaben erst aufgab, "als er schließlich einsah, dass alle Bemühungen angesichts des hartnäckigen Entgegenstellens der Zeugin nicht zum Erfolg führten". Dies lässt besorgen, dass die [X.] im Ergebnis rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten gewertet hat, nicht vom Versuch zurückgetreten zu sein (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 9. November 2010 - 3 StR 390/10, [X.], 337).

9

Der Wegfall der im Fall II. 2. der Urteilsgründe verhängten [X.] bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe.

Die den Strafaussprüchen zugrunde liegenden Feststellungen bleiben von dem Rechtsfehler unberührt und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).

3. Die Strafaussprüche bezüglich der Angeklagten M.  und [X.]     haben trotz der Schuldspruchänderung Bestand. Das [X.] hat die gegen diese Angeklagten verhängten [X.] Sanktionen rechtsfehlerfrei in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten ausgerichtet. In Anbetracht dessen kann ausgeschlossen werden, dass die [X.] ohne den aufgezeigten Rechtsfehler milder ausgefallen wären.

4. Die Entscheidung des [X.]s, von der Unterbringung des Angeklagten [X.]      in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abzusehen, veranlasst den [X.] zu folgendem Hinweis:

Es stößt auf rechtliche Bedenken, dass die [X.] insoweit unter anderem darauf abgestellt hat, dass ein Behandlungserfolg im Sinne des § 64 Satz 2 StGB jedenfalls nicht "im Zeitraum von zwei Jahren" zu erreichen sei. Denn für die Anordnung der Maßregel nach § 64 Satz 2 StGB reicht es nach der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung der Vorschrift aus, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass der Behandlungserfolg "innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB" zu erreichen ist. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist mithin, wenn - wie hier - daneben eine Freiheitsstrafe verhängt wird, nicht mehr von vornherein auf zwei Jahre beschränkt; die Höchstfrist der Unterbringung verlängert sich in diesen Fällen vielmehr nach Maßgabe des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB um die Dauer des nach § 67 Abs. 4 StGB anrechenbaren Teils der Freiheitsstrafe. Durch den Verweis auf § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch dann angeordnet werden kann, wenn ausnahmsweise eine notwendige Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren zu prognostizieren ist ([X.], Beschluss vom 14. Juni 2017 - 3 StR 97/17, juris Rn. 6).

Dieser Mangel gefährdet den Bestand der Maßregelentscheidung indes nicht, weil den übrigen Erwägungen des [X.]s sicher zu entnehmen ist, dass die nach § 64 Satz 2 StGB vorausgesetzte konkrete Aussicht auf einen Erfolg der Maßregel auch bei einer längeren Dauer der Unterbringung nicht bejaht werden kann.

Becker     

       

Gericke     

       

Spaniol

       

Tiemann     

       

Berg     

       

Meta

3 StR 113/17

25.07.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Koblenz, 11. November 2016, Az: 2040 Js 24027/16 - 2 KLs

§ 224 Abs 1 Nr 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.07.2017, Az. 3 StR 113/17 (REWIS RS 2017, 7492)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7492

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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