Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2017, Az. XII ZB 459/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 1537

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:291117BXIIZB459.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 459/16

vom

29. November 2017

in der Personenstandssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§ 1591, 1592; [X.] § 11 Satz 1
a)
Eine [X.], mit deren konserviertem Spendersamen ein Kind
gezeugt wurde, das nach rechtskräftiger Entscheidung über die Änderung
der Geschlechtszugehörigkeit geboren worden ist, kann [X.] nur die Vater-
und nicht die Mutterstellung erlangen (Fortführung
des Senatsbe-schlusses vom 6.
September 2017
XII
ZB
660/14

FamRZ
2017, 1855).
b)
Eine von ihr gleichwohl erklärte [X.] ist unwirksam.
[X.], Beschluss vom 29. November 2017 -
XII ZB 459/16 -
Kammergericht [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
29.
November 2017
durch den Vorsitzenden
Richter Dose und [X.]
Dr.
[X.], Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerden
des betroffenen Kindes und der weiteren Beteiligten zu
1 und
2 gegen den Beschluss des 1.
Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 6.
September 2016 werden
zurück-gewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde
ist gerichtskostenfrei.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über den Geburtseintrag des betroffenen Kindes.
Das Kind wurde im Juni 2015 von der Beteiligten zu
2 geboren. Die Be-teiligte
zu
1 ist [X.] und [X.] Staatsangehörige. Nach ihrem von den Vorinstanzen nicht geprüften Vortrag ist das Kind mit ihrem Samen gezeugt worden. Der Beschluss über die Feststellung ihrer Zugehörig-keit zum weiblichen Geschlecht ist seit August 2012 rechtskräftig.
In einer nota-riellen Urkunde ihres zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten erkannte sie mit Zustimmung der Beteiligten zu
2 vorgeburtlich an, Mutter des Kindes zu sein. Die Beteiligten zu
1 und
2 haben im September 2015 eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet.
1
2
-
3
-
Das Standesamt hat die Geburt des Kindes mit dem Inhalt beurkundet, dass die Beteiligte
zu
2 dessen Mutter ist. Die Eintragung der Beteiligten zu
1, die ebenfalls als Mutter eingetragen werden will, hat es abgelehnt.
Der Antrag der Beteiligten zu
1 und
2 sowie
des durch sie vertretenen Kindes, das Standesamt nach §
49 PStG dazu anzuweisen, auch die Beteiligte
zu
1

mit ihrem weiblichen Vornamen

als Mutter einzutragen, ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen sie ihr Begehren weiter.

II.
Die nach §
70 Abs.
1 und Abs.
2 Satz
2 FamFG
iVm §
51 Abs.
1 PStG statthaften und auch sonst zulässigen Rechtsbeschwerden haben in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Beteiligte
zu
1 gemäß §
1591 BGB nicht die Mutter des Kindes sei, weil sie es nicht geboren habe. Eine Anerkennung
der Mutterschaft sehe das anwendbare [X.] Recht nicht vor. Eine analoge Anwendung von §
1592 Nr.
2 BGB sei mangels einer bestehenden Gesetzeslücke nicht zulässig. Der Gesetzgeber habe die Feststellung der Mutterschaft an das objektiv [X.] und
unabänderliche Merkmal geknüpft, wer das Kind geboren habe. Eine neben der Adoption bestehende Möglichkeit, die Mutterschaft durch Rechtsakt zu begründen, habe er bewusst verneint. Dem liege der Gedanke zugrunde, dass die rechtliche Abstammung nicht im Widerspruch zu den Erfordernissen der biologischen Zeugung auf zwei Mütter oder zwei Väter verweisen solle.

3
4
5
6
-
4
-
Eine Gesetzeslücke liege auch dann nicht vor, wenn die anerkennende Frau vor oder nach gerichtlicher Feststellung ihres weiblichen Geschlechts an der Zeugung des Kindes als Spender des Samens und damit biologisch als Va-ter beteiligt gewesen sei. Der Gesetzgeber habe diese Konstellation ebenfalls bedacht und die Zuordnung von leiblichen Kindern in §
11 [X.] dahin gehend geregelt, dass die Entscheidung,
der Antragsteller sei als dem anderen [X.] zugehörig anzusehen, dessen Rechtsverhältnis zu seinen Kindern un-berührt lasse. Das gelte ausweislich der Gesetzesmaterialien auch für nach Rechtskraft der Entscheidung nach §§
8, 10 [X.] geborene Kinder. Die Rege-lung zur Angabe des Vornamens in §
5 Abs.
2 [X.] führe ebenfalls nicht zu ei-nem Widerspruch innerhalb des Gesetzes
und damit zu einer Unklarheit.
Schließlich erfordere auch das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Ab-stammung nicht, die Beteiligte
zu
1 mit weiblichem Geschlecht und unter ihrem geänderten Namen als (weitere) Mutter in den Geburtseintrag aufzunehmen. Das [X.] beziehe sich auf die rechtliche Elternschaft, die zu der Beteiligten zu
1 jedenfalls nicht als Mutter begründet werde. Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung richte sich auf Kenntnisverschaffung von Tatsachen und sei nicht durch das Personenstandsregister zu gewährleis-ten.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Der vom Standesamt vorge-nommene Geburtseintrag entspricht §
21 Abs.
1 Nr.
4 PStG.
a) Nach §
21 Abs.
1 Nr.
4 PStG sind die Vornamen und Namen der El-tern des Kindes im Geburtenregister zu beurkunden. Die Vorschrift bezieht sich übereinstimmend mit der Definition des Personenstands (§
1 Abs.
1
Satz
1 PStG) auf die rechtliche Elternschaft (vgl. Senatsbeschluss [X.]Z 203, 350 =
FamRZ 2015, 240 Rn.
63).
7
8
9
10
-
5
-
aa) Mutter des Kindes ist nach §
1591 BGB die Frau, die das Kind ge-boren
hat. Das [X.] bürgerliche Recht kennt nur die Zuordnung einer einzigen
Mutter kraft Gesetzes. Damit hat der Gesetzgeber andere mögliche Formen der [X.]en Mutter-Kind-Zuordnung, insbesondere
die Mutterschaft der Eizellspenderin im Fall der Leihmutterschaft,
bewusst aus-geschlossen (vgl. Senatsbeschluss [X.]Z
203, 350 =
FamRZ 2015, 240 Rn.
35
ff.). Eine [X.] sieht das geltende Recht nicht vor. Weitere Formen der Entstehung einer beiderseits weiblichen Elternschaft
kraft Abstammung, etwa die Mit-
oder Co-Mutterschaft bei konsentierter heterologer Insemination
(vgl. Senatsbeschluss [X.]Z 210, 59 =
[X.], 1251
Rn.
30
ff.),
sind
im
[X.]n
Recht ebenfalls nicht vorgesehen.
bb) Aufgrund des

[X.] zu unterstellenden

Fort-pflanzungsbeitrags
der Beteiligten zu
1 durch Samenspende ist mithin nur die Begründung der Vaterschaft möglich. Dass diese ungeachtet der Zugehörigkeit der Beteiligten zu
1 zum weiblichen Geschlecht möglich ist, ergibt sich aus §
11 Satz
1 [X.]. Das Beschwerdegericht hat mit Recht und im Einklang mit der [X.] ergangenen Senatsrechtsprechung (Senatsbeschluss vom 6.
Sep-tember 2017

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ZB
660/14

FamRZ 2017, 1855
Rn.
15) darauf hingewiesen, dass §
11 Satz
1 [X.] auch Sachverhalte erfasst, in denen das leibliche Kind eines Transsexuellen

wie hier

zeitlich erst nach der gerichtlichen Entschei-dung über die Änderung der elterlichen Geschlechtszugehörigkeit geboren wird
(vgl. auch BT-Drucks. 8/2947 S.
16).
Nach §
11 Satz
1 [X.] sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers
der Status des Transsexuellen als Vater oder als Mutter unberührt bleiben, und zwar insbesondere für die Vaterschaftsfest-stellung und die Ehelichkeitsanfechtung (vgl. Senatsbeschluss vom 6.
Septem-ber 2017

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FamRZ 2017, 1855 Rn.
15
ff.; BT-Drucks. 8/2947 S.
16).
11
12
-
6
-
Die Beteiligte
zu
1 könnte mithin [X.] übereinstim-mend mit dem von ihr geleisteten Fortpflanzungsbeitrag nur die Stellung eines rechtlichen Vaters einnehmen
(vgl. [X.], 741, 742
f.). Die
Vaterschaft hat die anwaltlich beratene Beteiligte
zu
1 indessen nicht aner-kannt. Dass sie stattdessen eine ausdrückliche [X.] er-klärt hat, beruht auf dem
damit bewusst verfolgten Ziel ihrer abstammungs-rechtlichen Etablierung als weitere Mutter. Schon weil die mit der Mutterschaft verbundenen statusrechtlichen Rechtsfolgen gegenüber denen der Vaterschaft grundverschieden sind, kann die Erklärung der Beteiligten zu
1 auch nicht in eine Vaterschaftsanerkennung umgedeutet werden (vgl. Senatsbeschluss vom 20.
Juli 2016

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609/14

[X.], 1761 Rn.
8, 14).
b) Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Verfas-sungsmäßigkeit
der gesetzlichen Regelung.
aa) Wie der Senat bereits für den umgekehrten Fall der Geburt des [X.] durch einen [X.] ausgeführt hat, verstößt es nicht gegen Grundrechte der
transsexuellen
Person, dass ihr
das geltende Abstam-mungsrecht ungeachtet des Umstands, dass sie nunmehr als dem anderen Geschlecht
zugehörig gilt, den sich aus dem früheren Geschlecht und dem [X.] entsprechenden spezifischen Fortpflanzungsbeitrag ergebenden rechtli-chen Elternstatus zuweist. Die gesetzliche Regelung verletzt die transsexuelle Person nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art.
2 Abs.
1 GG iVm Art.
1 Abs.
1 GG. Auch wenn es die Anerkennung der geschlechtlichen Identität eines transsexuellen Elternteils beeinträchtigen kann, wenn ihm im Verhältnis zu einem nach der Entscheidung gemäß §
8 Abs.
1 [X.] geborenen oder gezeugten Kind ein rechtlicher Status

Vater oder Mutter

zugewiesen ist, welcher der geschlechterbezogenen Elternrolle seines selbstempfundenen und rechtlich zugewiesenen Geschlechts nicht entspricht, ist die Persönlichkeits-13
14
15
-
7
-
entfaltung gemäß Art.
2 Abs.
1 GG in die Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung
gestellt. Darunter sind alle Rechtsnormen zu verstehen, die sich [X.] und materiell mit dem Grundgesetz im Einklang befinden. Dies ist bei den §§
1591, 1592 BGB und
§
11 Satz
1 [X.] der Fall, und zwar auch auf der Grundlage der vom Senat für zutreffend befundenen Auslegung von §
11 Satz
1 [X.] (Senatsbeschluss vom 6.
September 2017

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FamRZ 2017, 1855 Rn.
23
f.).
Die an der Senatsrechtsprechung geäußerte Kritik ([X.] FamRZ 2017, 1861) verkennt bereits, dass das [X.]
in seiner für die bestehende Rechtslage grundlegenden Rechtsprechung von einer klaren, den biologischen Umständen entsprechenden rechtlichen Zuordnung von Kindern zu einem Vater und einer Mutter ausgegangen ist ([X.] 128, 109 =
NJW 2011, 909 Rn.
77). Das [X.] hat es unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Köln vom 30.
November 2009 ([X.], 741), die ebenfalls den Fall eines nach Feststellung der Zugehörigkeit des Elternteils zum anderen Geschlecht

8 [X.]) geborenen Kindes betraf, als sichergestellt angesehen, dass den betroffenen Kindern trotz der rechtlichen Geschlechtsänderung eines Elternteils rechtlich immer ein Vater und eine Mut-ter zugewiesen bleiben bzw. werden ([X.] 128, 109 =
NJW 2011, 909 Rn.
77).
Dem entspricht die gesetzliche Regelung in §
11 [X.] und §§
1591
ff. BGB.
bb) Die Entscheidung des
[X.]s vom 10.
Oktober
2017 (1
BvR
2019/16

juris) führt zu keiner anderen Bewertung. Die [X.] ist von der dortigen grundlegend verschieden, zumal die Geschlechtszuordnung durch §§
8 ff. [X.] jeweils eindeutig ist. Dass der Ge-setzgeber Statuswirkungen trotz rechtlichen Geschlechtswechsels an den früheren Status knüpft, entspricht nicht zuletzt dem vom Gesetz
besonders ge-16
17
-
8
-
schützten Interesse des Kindes an einer Abbildung der spezifischen Fortpflan-zungsbeteiligung des jeweiligen Elternteils
(vgl. [X.] 128, 109 =
NJW 2011, 909 Rn.
77; [X.] Beschluss vom 17.
Oktober 2017

1
BvR
747/17

juris).
c) Auch einen Verstoß gegen den aus Art.
8 EMRK hergeleiteten An-spruch transsexueller Personen auf Verwirklichung der rechtlichen Anerken-nung ihrer selbstempfundenen geschlechtlichen Identität hat der Senat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.] und das von diesem den [X.] grundsätzlich eingeräumte weite Er-messen verneint
(vgl. auch [X.], 936).
Dieses Ermessen hat [X.] nicht überschritten, indem es die Zuordnung eines von einer trans-sexuellen Person nach der rechtlichen Geschlechtsänderung geborenen oder gezeugten Kindes entweder als "Vater"
oder als "Mutter"
an die [X.] und nicht an das rechtlich zugewiesene geänderte Geschlecht des transsexuellen Elternteils anknüpft (Senatsbeschluss vom
6.
September 2017

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FamRZ 2017, 1855 Rn.
45).
Dose

[X.]

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 11.01.2016 -
71b III 426/15 -

Kammergericht [X.], Entscheidung vom 06.09.2016 -
1 [X.]/16 -

18

Meta

XII ZB 459/16

29.11.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.11.2017, Az. XII ZB 459/16 (REWIS RS 2017, 1537)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1537

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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