Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.12.2017, Az. 4 StR 539/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 1157

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:061217B4STR539.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 539/17

vom
6. Dezember
2017
in der Strafsache
gegen

wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs
in den Straßenverkehr
u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 6.
Dezember 2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 18.
Juli 2017
a)
in der Urteilsformel dahin gefasst, dass der Angeklagte der Bedrohung in vier Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, und der Körperverletzung schuldig ist,
b)
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
aa)
soweit der Angeklagte im Fall
II.6 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, und
bb)
im Gesamtstrafenausspruch.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen gefährlichen Tateinheit mit versuchter Körperverletzung in drei tateinheitlichen Fällen, Kö[X.], vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und einem
Verstoß gegen eine vollstreckbare Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, wegen [X.], und wegen Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist
es unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Entgegen der Fassung der Urteilsformel hat das [X.] aus-weislich seiner Ausführungen zur rechtlichen Würdigung das unter II.2 bis 5 der Urteilsgründe abgeurteilte Verhalten des Angeklagten als vier [X.] selbständige Taten der Bedrohung, in einem Fall in Tateinheit mit Körper-verletzung, gewertet und hierfür vier [X.] verhängt. Entspre-chend dem Antrag des [X.] berichtigt der Senat die insoweit ersichtlich irrtümlich falsch gefasste Urteilsformel entsprechend.
2.
Die Verurteilung wegen tateinheitlich begangener versuchter Körper-verletzung in drei tateinheitlichen Fällen im Fall
II.6 der Urteilsgründe kann nicht bestehen bleiben, weil das [X.] einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch nach §
24 Abs.
1 StGB nicht geprüft hat. Dies hat die Aufhebung der gesamten Verurteilung des Angeklagten in diesem Fall zur Folge.
1
2
3
-
4
-
a)
Nach den Feststellungen kam es nach der Trennung des Angeklagten von seiner Lebensgefährtin, der Nebenklägerin

D.

, und den beiden
gemeinsamen Töchtern

wie schon zuvor

zu Drohungen und körperlichen Übergriffen des Angeklagten gegen die Nebenklägerin. Aufgrund einiger dieser Vorfälle erwirkte die Nebenklägerin am 2.
September 2016 einen Beschluss des [X.] nach dem Gewaltschutzgesetz, durch welchen dem [X.] unter anderem aufgegeben wurde, sich bei einem zufälligen Zusam-mentreffen mit der Nebenklägerin unverzüglich zu entfernen und einen Abstand von 150
Metern herzustellen.
Der Beschluss wurde dem Angeklagten am 5.
September 2016 ordnungsgemäß zugestellt.
Am 23.
Oktober 2016 kam der Angeklagte, der lediglich eine im Bundes-gebiet nicht mehr gültige [X.] Fahrerlaubnis besitzt,
am Steuer seines Pkws
Citroën Xsara im Bereich der Autobahnausfahrt Richtung [X.] zufällig dem Geschädigten

H.

entgegen, der als Fahrzeugführer seines Pkws
[X.] gemeinsam mit der Nebenklägerin und den beiden Töchtern auf dem Weg nach [X.] war. Der Angeklagte, der die Nebenklägerin im Pkw des Geschädigten erkannte, wendete sein Fahrzeug und folgte dem Geschä-digten auf der Autobahn. Ungeachtet des Umstands, dass der Geschädigte dem durch Handzeichen zum Ausdruck gebrachten Ansinnen des Angeklagten, auf den nächsten Parkplatz zu fahren, nicht nachkam, und der wiederholten telefonischen Aufforderung der Nebenklägerin, sie in Ruhe zu lassen, fuhr der Angeklagte dem Fahrzeug des Geschädigten bis über die [X.] hinterher. Da der Geschädigte keine Anstalten machte anzuhalten, setzte der Angeklagte
schließlich
sein Fahrzeug neben den vom Geschädigten geführten [X.] und rammte diesen bei einer von beiden Fahrzeugen ge-fahrenen Geschwindigkeit von 70 bis 90
km/h im Bereich des vorderen linken Kotflügels und der Fahrertür. Hierbei hatte er die Absicht, den Pkw des Ge-4
5
-
5
-
schädigten von der Straße abzudrängen, um die Nebenklägerin und den [X.] zur Rede zu stellen. Der Angeklagte nahm zumindest billigend in Kauf, dass ein schwerer Unfall mit erheblichen Verletzungen der vier Fahrzeug-insassen verursacht werden könnte. Während es dem Geschädigten durch Ge-genhalten des Lenkrades unter größter Kraftentfaltung gelang, ein Abdrängen seines Fahrzeugs von der Fahrbahn zu vermeiden, und er nur
leicht auf den Standstreifen geriet, kam der Pkw des Angeklagten ins Schleudern, überschlug sich und blieb
auf dem Dach im Bereich der Fahrbahnböschung liegen. Nach-dem der Geschädigte auf dem Standstreifen angehalten hatte, um die Polizei und den Rettungsdienst zu alarmieren, verließen die Nebenklägerin und die bei-den Kinder schreiend das Fahrzeug. Der Angeklagte, der leicht verletzt [X.] aus seinem Pkw ausgestiegen war, begab sich unmittelbar zu dem nach wie vor in seinem Fahrzeug sitzenden Geschädigten und schlug zwei-
bis drei-mal mit den Fäusten durch die geöffnete Fahrertür auf den Geschädigten ein. Anschließend versetzte er dem Geschädigten zwei Fußtritte gegen den Kopf, ehe es weiteren Verkehrsteilnehmern gelang, den Angeklagten vom Geschä-digten
zu trennen und ihn gemeinsam mit der Nebenklägerin bis zum Eintreffen der Polizei von weiteren Übergriffen abzuhalten. Die Nebenklägerin und eine der Töchter trugen einen Schock davon, die andere Tochter erlitt ein Schleuder-trauma.
b)
Bei dieser Sachlage hätte sich die [X.] zur Prüfung der [X.] nicht fernliegenden Möglichkeit veranlasst sehen müssen, dass der Ange-klagte durch die Abstandnahme von weiteren Verletzungshandlungen vom un-beendeten Versuch der Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin und seiner Töchter nach §
24 Abs.
1 StGB strafbefreiend zurückgetreten ist. Weder der Umstand, dass der Angeklagte mit dem Anhalten des Fahrzeugs des [X.] sein außertatbestandliches Handlungsziel erreicht hatte (vgl. [X.], 6
-
6
-
Beschluss vom 19.
Mai 1993

GSSt
1/93, [X.]St 39, 221; [X.], StGB, 64.
Aufl., §
24 Rn.
9 mwN), noch ein unter Umständen allein durch den vorran-gig gewollten Angriff auf den Geschädigten motiviertes Absehen von weiteren Verletzungshandlungen gegen die Nebenklägerin und
die beiden Kinder (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Januar 1988

2
StR
665/87, [X.]St 35, 184; [X.], aaO Rn.
19c mwN) stehen
der
Annahme eines freiwilligen Rücktritts vom unbe-endeten Versuch entgegen. Das angefochtene Urteil enthält keine Ausführun-gen zur Frage eines Rücktritts. Feststellungen zum Vorstellungsbild des Ange-klagten nach Abschluss
der letzten Ausführungshandlung, auf das es nach der Rechtsprechung des [X.] sowohl für die Abgrenzung von unbe-endetem und beendetem Versuch als auch für die Annahme eines fehlgeschla-genen Versuchs maßgeblich ankommt (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Mai 1993

GSSt
1/93, aaO), hat die [X.] nicht getroffen.
c)
Die Verurteilung wegen versuchter Körperverletzung in drei tateinheit-lichen Fällen kann daher nicht bestehen bleiben. Wegen des tateinheitlichen Zusammentreffens führt dies zur Aufhebung der gesamten Verurteilung im Fall
II.6 der Urteilsgründe.
Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird die Frage einer Voll-endung der Körperverletzungen näher zu prüfen haben. Dies liegt auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen bei einer der Töchter angesichts des davongetragenen [X.] nahe und erscheint auch bei der Neben-klägerin und der zweiten Tochter mit Blick auf den erlittenen Schock
nicht
7
8
-
7
-
ausgeschlossen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18.
Juli 2013

4
StR
168/13, [X.]R StGB §
223 Abs.
1 Gesundheitsbeschädigung
4; vom 5.
November 1996

4
StR 490/96, [X.], 123; [X.], [X.], 29, 31).
Sost-Scheible
Roggenbuck
Cierniak

Franke
Bender

Meta

4 StR 539/17

06.12.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.12.2017, Az. 4 StR 539/17 (REWIS RS 2017, 1157)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 1157

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4 StR 539/17

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