Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.08.2016, Az. 4 C 3/15

4. Senat | REWIS RS 2016, 7179

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Gegenstand

Bestandsschutz nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB bei Gebäuden, deren Errichtung nicht an bundesrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu messen war


Leitsatz

1. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 Buchst. a BauGB verlangt ein zulässigerweise errichtetes Wohngebäude.

2. Bestandsschutz nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB kann auch solchen Vorhaben nicht von vornherein versagt werden, deren ursprüngliche Errichtung nicht an bundesrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu messen war. Die gegenteilige Auffassung (BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998 - 4 C 6.97 - BVerwGE 107, 264 <269>) gibt der Senat auf.

Tatbestand

1

Die klagende Gemeinde wendet sich gegen eine [X.]augenehmigung für die Erweiterung eines Gebäudes.

2

Der [X.]eigeladene ist Eigentümer des Grundstücks G.straße 38 im Gemeindegebiet des [X.] (Gemarkung [X.], [X.]. [X.]), das mit einem eingeschossigen Gebäude mit rund 31 m² Grundfläche bebaut ist. Der Flächennutzungsplan weist eine planerisch bedeutsame Grünfläche aus; das Grundstück liegt im Geltungsbereich der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "[X.]mmersee-West" vom 1. Oktober 1997. Ein [X.]ebauungsplan fehlt. [X.]uf dem südlich angrenzenden Grundstück steht ein Wohnhaus, nach Westen, Norden und Osten hin befinden sich nur untergeordnete [X.]aulichkeiten.

3

Das auf dem Grundstück vorhandene Gebäude wurde ursprünglich vor dem [X.] errichtet. Unter dem 8. Januar 1952 genehmigte das Landratsamt [X.] den [X.]useinandersetzungsvertrag einer Erbengemeinschaft nach § 4 des Gesetzes über die [X.]ufschließung von [X.] vom 22. September 1933 ([X.]) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 27. September 1938 ([X.] 1246) (Wohnsiedlungsgesetz - [X.]). In den [X.]uflagen bestimmt der [X.]escheid: "[X.]uf den Grundstücken Pl.[X.] ([...]) darf je 1 Hauptgebäude errichtet werden. Etwaige Nebengebäude sind mit dem Hauptgebäude zu planen und mit diesem in einen architektonischen Zusammenhang zu bringen." Zu einem weiteren Grundstück heißt es, dort sei "das Wohngebäude in dem nach der [X.]auordnung möglichen geringsten [X.]bstand von der Westgrenze" zu errichten. Mit [X.]escheid vom 10. Juni 1954 genehmigte das Landratsamt [X.] Um- und [X.]nbauarbeiten "am Wochenendhaus".

4

Der [X.]eigeladene will das Gebäude um einen Schlafraum mit etwa 18 m² Grundfläche erweitern. Für dieses Vorhaben erteilte das zuständige Landratsamt unter dem 8. Januar 2010 eine [X.]augenehmigung bei gleichzeitiger Ersetzung des zuvor verweigerten gemeindlichen Einvernehmens des [X.].

5

Das Verwaltungsgericht hat die [X.]augenehmigung aufgehoben, die [X.]erufung des [X.]eigeladenen hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen ([X.], Urteil vom 17. [X.]pril 2013 - 1 [X.] 11.2800 - [X.] 81 Nr. 127). Mit [X.]eschluss vom 16. Januar 2014 - 4 [X.] 32.13 - (Zf[X.]R 2014, 375) hat der erkennende Senat dieses Urteil aufgehoben und die Sache wegen eines Verfahrensfehlers an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe nach seiner Rechtsauffassung der Frage nachgehen müssen, welche Erschließungsaufwendungen die Nutzung des Gebäudes als Wohngebäude erfordert hätten und ob diese unwirtschaftlich gewesen seien.

6

Mit dem angegriffenen Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof die [X.]erufung des [X.]eigeladenen erneut zurückgewiesen. Das Vorhaben liege planungsrechtlich im [X.]ußenbereich und sei als sonstiges Vorhaben nach § 35 [X.]bs. 2 [X.]auG[X.] unzulässig. Es drohe die Erweiterung oder Verfestigung einer bestehenden Splittersiedlung (§ 35 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.]). Dieser [X.]elang könne dem Vorhaben entgegengehalten werden, auch wenn das [X.]estandsgebäude seit 1959 zum dauernden Wohnen genutzt worden sein sollte. Denn es sei jedenfalls als Wohngebäude nicht zulässigerweise errichtet im Sinne von § 35 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]uchst. a [X.]auG[X.].

7

Die [X.]augenehmigung aus dem [X.] habe das gesamte Gebäude als Wochenendhaus legalisiert. Eine - unterstellte - Umnutzung zu Wohnzwecken ab dem [X.] habe nicht zu einem zulässigerweise errichteten Wohngebäude im Sinne des § 35 [X.]bs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] geführt. Denn zulässigerweise errichtet seien nur Vorhaben, deren Zulässigkeit überhaupt an bundesrechtlichem [X.]ebauungsrecht, im [X.] also an der bundesrechtlich fortgeltenden Verordnung über die Regelung der [X.]ebauung vom 15. Dezember 1936 ([X.] 104) ([X.]auregelungsverordnung - [X.]auRegVO) zu messen gewesen sei. Daran fehle es bei dem nach dem seinerzeitigen Landesrecht anzeige- und genehmigungsfrei zulässigen Übergang von einer Freizeitnutzung zu einer dauerhaften Wohnnutzung. [X.]uf das Vorliegen unwirtschaftlicher Erschließungsaufwendungen komme es nicht an.

8

Dagegen wendet sich die vom Senat zugelassene Revision des [X.]eigeladenen, die der [X.]eklagte ohne eigenen Sachantrag unterstützt. Der Kläger verteidigt jedenfalls das vom Verwaltungsgerichtshof gefundene Ergebnis.

Entscheidungsgründe

9

Der Senat kann ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden, weil die [X.]eteiligten hierauf verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die zulässige Revision hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs beruht auf einer Verletzung von [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) (1.) und stellt sich auch nicht nach § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar (2.). Die fehlende [X.] führt zur Zurückverweisung (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (3.).

1. a) Über die Zulässigkeit des Vorhabens konnte von der [X.]augenehmigungsbehörde des [X.]eklagten nach § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.]auG[X.] nur im Einvernehmen mit dem Kläger entschieden werden, wenn nicht die nach Landesrecht zuständige [X.]ehörde befugt war, das Einvernehmen nach § 36 Abs. 2 Satz 3 [X.]auG[X.] zu ersetzen, weil dessen Versagung rechtswidrig war. Nach § 36 Abs. 2 Satz 1 [X.]auG[X.] durfte der Kläger sein Einvernehmen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 [X.]auG[X.] ergebenden Gründen versagen. Auf seine Klage sind die Voraussetzungen dieser Vorschriften in vollem Umfang nachzuprüfen ([X.]VerwG, Urteil vom 20. Mai 2010 - 4 [X.] 7.09 - [X.]VerwGE 137, 74 Rn. 34; stRspr).

b) Nach der Auffassung der Vorinstanz liegt das [X.] nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nach § 34 Abs. 1 [X.]auG[X.]. Als sonstiges Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 [X.]auG[X.] beeinträchtige der zur Genehmigung gestellte Anbau den öffentlichen [X.]elang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.], weil die Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten sei. Dies nimmt die Revision hin.

c) Die [X.]eteiligten streiten um die Auslegung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.]. Erfüllt ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 [X.]auG[X.] die dort genannten Voraussetzungen, so kann ihm nicht entgegengehalten werden, dass es die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt, soweit es im Übrigen [X.] im Sinne des § 35 Abs. 3 [X.]auG[X.] ist. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]uchst. a [X.]auG[X.] setzt für die Privilegierung der Erweiterung eines Wohngebäudes voraus, dass das Gebäude zulässigerweise errichtet worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Voraussetzung unter Verstoß gegen [X.]undesrecht verneint.

aa) § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]uchst. a [X.]auG[X.] verlangt ein zulässigerweise errichtetes Wohngebäude. Davon geht der Verwaltungsgerichtshof zutreffend aus ([X.] Rn. 33).

Zwar spricht § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]uchst. a [X.]auG[X.] nur von einem Gebäude, diese Formulierung bezeichnet aber das zu [X.]eginn der Nummer 5 genannte Wohngebäude. Dies ergab sich in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] vom 8. Dezember 1986 ([X.] I S. 2191, 2253) aus dem Wortlaut der Norm, der von der Erweiterung von zulässigerweise errichteten Wohngebäuden sprach. Die Neufassung durch das Gesetz zur Änderung des [X.]augesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung ([X.]au- und Raumordnungsgesetz 1998 - [X.] 1998) vom 18. August 1997 ([X.] I S. 2081) hat daran nichts geändert, sondern verfolgte insoweit allein redaktionelle Ziele ([X.]. 13/6392 [X.]). Diese Sichtweise entspricht dem gesetzgeberischen Ziel, die [X.]evölkerung mit Wohnraum zu versorgen ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 16. Januar 2014 - 4 [X.] 32.13 - [X.] 2014, 375 Rn. 5). Auf § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] kann sich daher nicht berufen, wer ein zulässigerweise errichtetes Gebäude erweitert und erst mit dieser Erweiterung eine Umnutzung hin zu einer Wohnnutzung vornimmt ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 13. September 1988 - 4 [X.] 155.88 - [X.]uchholz 406.11 § 35 [X.][X.]auG/[X.]auG[X.] Nr. 251 S. 17).

bb) Der Verwaltungsgerichtshof hat unter [X.]erufung auf das Senatsurteil vom 8. Oktober 1998 - 4 [X.] 6.97 - ([X.]VerwGE 107, 264 <268 f.>) angenommen, dem [X.]eigeladenen komme selbst bei einer - unterstellten - Wohnnutzung seit dem Jahr 1959 § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] nicht zugute, weil das Gebäude auch dann nicht als Wohngebäude zulässigerweise errichtet sei. Denn zulässigerweise errichtet könne nur ein Vorhaben sein, dessen Zulässigkeit überhaupt an bundesrechtlichem [X.]ebauungsrecht zu messen gewesen sei. Diese Annahme verstößt gegen [X.]undesrecht.

(1) Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof, anders als der [X.]eigeladene meint, § 144 Abs. 6 VwGO nicht verletzt. Danach hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche [X.]eurteilung des [X.] zugrunde zu legen. Die Vorschrift gilt auch für [X.] nach § 133 Abs. 6 VwGO ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 21. August 1997 - 8 [X.] 151.97 - [X.]uchholz 310 § 144 VwGO Nr. 65 S. 8 und vom 3. November 2011 - 2 [X.] 1.11 - juris Rn. 7). Die [X.]indungswirkung des § 144 Abs. 6 VwGO erfasst indes nur die entscheidungstragende Rechtsauffassung des [X.] einschließlich der davon mitumfassten logischen Voraussetzungen ([X.]VerwG, Urteil vom 25. Juni 1992 - 3 [X.] 16.90 - [X.]uchholz 412.3 § 6 [X.]VFG Nr. 68 S. 66 und [X.]eschluss vom 21. August 1997 - 8 [X.] 151.97 - [X.]uchholz 310 § 144 VwGO Nr. 65 S. 8). Der zurückverweisende Senatsbeschluss vom 16. Januar 2014 - 4 [X.] 32.13 - ([X.] 2014, 375 Rn. 18 ff.) stützte sich auf einen Verfahrensfehler, nämlich das Unterlassen einer sich nach Maßgabe der materiellen Rechtsauffassung der Vorinstanz aufdrängenden Aufklärung. Die dabei zum Ausgangspunkt genommene materielle Rechtsauffassung der Vorinstanz nimmt an der [X.]indung des § 144 Abs. 6 VwGO nicht teil ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. Juli 2000 - 8 [X.] 154.00 - [X.]uchholz 310 § 144 VwGO Nr. 68 S. 2). Die Ausführungen zu den Grundsatzrügen waren für die Zurückverweisung nicht entscheidungstragend, so dass der Verwaltungsgerichtshof insoweit keiner [X.]indung nach § 144 Abs. 6 VwGO unterlag.

(2) Der Verwaltungsgerichtshof hat aber zu hohe Anforderungen an das Merkmal einer zulässigerweisen Errichtung eines Wohngebäudes gestellt, wenn - wie hier - der Übergang zu einer Wohnnutzung anzeige- und genehmigungsfrei erlaubt war. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein Gebäude zulässigerweise errichtet, wenn es in Übereinstimmung mit dem materiellen [X.]ebauungsrecht errichtet oder wenn - trotz materieller Illegalität - eine [X.]augenehmigung erteilt worden ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 27. Juli 1994 - 4 [X.] 48.94 - [X.]uchholz 406.11 § 35 [X.]auG[X.] Nr. 302 S. 39; Urteil vom 8. Oktober 1998 - 4 [X.] 6.97 - [X.]VerwGE 107, 264 <266>; [X.]eschlüsse vom 5. Juni 2007 - 4 [X.] 20.07 - [X.]RS 71 Nr. 113 Rn. 3 und vom 16. Januar 2014 - 4 [X.] 32.13 - [X.] 2014, 375 Rn. 5; der Sache nach bereits [X.]VerwG, Urteil vom 8. Juni 1979 - 4 [X.] 23.77 - [X.]VerwGE 58, 124 <126 f.>). Der Senat hat sich in seinem Urteil vom 8. Oktober 1998 - 4 [X.] 6.97 - ([X.]VerwGE 107, 264 <269>) veranlasst gesehen, einschränkend hierzu solchen Vorhaben [X.]estandsschutz von vornherein zu versagen, deren ursprüngliche Errichtung nicht an den bundesrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu messen war. An dieser Einschränkung, auf die sich der Verwaltungsgerichtshof entscheidungstragend gestützt hat, hält der Senat nicht fest.

Der Wortlaut "zulässigerweise errichtet" kennt eine solche Einschränkung nicht. Sie kann auch nicht mit dem [X.]harakter des § 35 Abs. 4 [X.]auG[X.] als eng auszulegender Ausnahmevorschrift begründet werden. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]uchst. a [X.]auG[X.] soll verhindern, dass ein rechtswidrig geschaffener [X.]estand als Anknüpfungspunkt für einen [X.]estandsschutz dient. Stellt das [X.]auplanungsrecht aber an ein Gebäude keine Anforderungen, so darf es der [X.]auherr errichten, ohne gegen [X.]auplanungsrecht zu verstoßen. Es erscheint nicht gerechtfertigt, den [X.]auherrn eines solchen Vorhabens - auch mit [X.]lick auf seine finanziellen Aufwendungen - schlechter zu stellen als denjenigen, der ein materiell baurechtswidriges, aber formell genehmigtes Vorhaben ins Werk setzt ([X.], [X.], 298 <299>; vgl. auch [X.], in: [X.]rügelmann, [X.]auG[X.], Stand Dez. 2015, § 35 Rn. 135 und [X.], Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von [X.]auvorhaben im Außenbereich, 2013, [X.] ff.). Findet eine bauaufsichtliche Kontrolle nicht statt, trägt der [X.]auherr für die [X.]eachtung der bauplanungsrechtlichen Vorschriften zwar selbst die Verantwortung (insoweit zutreffend [X.]VerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998 - 4 [X.] 6.97 - [X.]VerwGE 107, 264 <269>), dies gilt aber unabhängig davon, ob das bundesrechtliche [X.]auplanungsrecht Anforderungen an ein Vorhaben stellt.

(3) Eine im Jahr 1959 aufgenommene Wohnnutzung wäre formell rechtmäßig gewesen. Zwar fehlte es an einer [X.]augenehmigung, die formelle Rechtmäßigkeit folgte aber aus der 1952 erteilten Wohnsiedlungsgenehmigung. Es kommt daher nicht auf die materiell-rechtliche Frage an, ob die Aufnahme einer Wohnnutzung an § 3 [X.]auRegVO zu messen gewesen wäre und dessen Anforderungen genügt hätte.

(a) Nach Auslegung des Verwaltungsgerichtshofs hat der [X.]escheid vom 10. Juni 1954 den gesamten [X.]estand als Wochenendhaus legalisiert, weil die [X.]ezeichnung als Wochenendhaus den Zweck des Gebäudes bestimme ([X.] Rn. 25 f.). Diese Auslegung unterliegt als Tatsachenwürdigung nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Kontrolle. Der tatrichterlich ermittelte Erklärungsinhalt ist als Tatsachenfeststellung nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend, wenn das [X.] den Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts nach den zu §§ 133, 157 [X.]G[X.] entwickelten Regeln ermittelt hat. Das Revisionsgericht kann den Verwaltungsakt nur selbst auslegen, wenn das Auslegungsergebnis nicht begründet oder eine den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO genügende Verfahrensrüge erhoben worden ist. [X.]eides ist hier nicht der Fall. Ferner prüft das Revisionsgericht, ob sich das [X.] durch eine fehlerhafte Vorstellung des [X.]undesrechts den [X.]lick für eine zutreffende Auslegung verstellt hat (stRspr; vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 4. Dezember 2001 - 4 [X.] 2.00 - [X.]VerwGE 115, 274 <279 f.> und vom 18. Dezember 2014 - 4 [X.] 35.13 - [X.]uchholz 442.42 § 27a [X.] Nr. 8 Rn. 74). Auch dies macht die Revision nicht geltend.

(b) Eine im Jahr 1959 aufgenommene Wohnnutzung wäre dennoch formell rechtmäßig. Die nach dem unstreitigen Akteninhalt erteilte Wohnsiedlungsgenehmigung des [X.] vom 8. Januar 1952 nach § 4 [X.] bejahte die bebauungsrechtliche Zulässigkeit einer Wohnnutzung vergleichbar einer [X.]augenehmigung (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998 - 4 [X.] 6.97 - [X.]VerwGE 107, 264 <267>). Diese Feststellung kann der Senat mangels einer Auslegung des [X.]escheides durch die Vorinstanz selbst treffen (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 4. Dezember 2001 - 4 [X.] 2.00 - [X.]VerwGE 115, 274 <280> und [X.]eschluss vom 6. April 2004 - 4 [X.] 2.04 - [X.]uchholz 310 § 137 Abs. 2 VwGO Nr. 12 S. 4).

Nach § 4 Abs. 1 [X.] bedurfte in [X.] die Teilung eines Grundstücks, die Auflassung eines Grundstücks oder eines Grundstücksteils sowie jede Vereinbarung, durch die einem anderen ein Recht zur Nutzung oder [X.]ebauung eines Grundstücks oder Grundstücksteils eingeräumt wird, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der zuständigen [X.]ehörde. Die Genehmigungspflicht sollte die Wirkung der an sich vorhandenen baurechtlichen Handhaben zeitlich vorverlegen, nämlich vom Zeitpunkt der Einreichung des [X.]augesuchs auf die den [X.]au vorbereitenden Grundstücksgeschäfte. Insbesondere sollten Käufer von Grundstücken davor geschützt werden, Parzellen zu erwerben, deren [X.]ebauung ihnen später nicht gestattet werden konnte. Eine [X.]augenehmigung konnte daher nicht aus Gründen abgelehnt werden, die Gegenstand der Prüfung im Wohnsiedlungsverfahren waren ([X.]VerwG, Urteil vom 28. Juni 1956 - 1 [X.] 93.54 - [X.]VerwGE 3, 351 <352>), vielmehr entfaltet die Wohnsiedlungsgenehmigung [X.]indungswirkung hinsichtlich der von ihr geprüften baurechtlichen Ansprüche ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 1. Juli 2013 - 4 [X.] 10.13 - [X.]RS 81 Nr. 154 Rn. 6).

Gegenstand des [X.] vom 8. Januar 1952 war entsprechend dem Zweck des zugrundeliegenden Gesetzes eine Wohnnutzung. In Übereinstimmung hiermit spricht Nr. 1 der Auflagen von einer [X.]ebauung mit einem "Hauptgebäude" und der Möglichkeit von Nebengebäuden; diese Regelung passt nicht auf Wochenendhäuser. Eine [X.]ebauung auf Flurstück [X.] wird zudem ausdrücklich als "Wohngebäude" bezeichnet. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, dass für die übrigen Grundstücke, insbesondere das [X.], eine andere Nutzung gemeint sein könnte.

Damit stellte der [X.] die Zulässigkeit einer Wohnnutzung fest. Unwirtschaftliche Erschließungsaufwendungen nach § 3 [X.]auRegVO konnten ihr nicht entgegengehalten werden, weil sie nach dem im Wesentlichen wortgleichen § 6 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 [X.] zwingend zur Versagung der Genehmigung hätten führen müssen. Gegenstand der Prüfung für die Genehmigung waren auch sonstige städtebauliche Gründe, deren Entgegenstehen als sonstige erhebliche öffentliche Interessen zu prüfen war ([X.], Gesetz über die Aufschließung von [X.], 3. Aufl. 1938, § 6 S. 56 f.).

Der [X.] entfaltete 1959 auch noch [X.]indungswirkung. Aufgehoben oder gelockert wird diese Wirkung einer Wohnsiedlungsgenehmigung dann, wenn eine Änderung der [X.]auabsichten nach Art und Umfang die für das Wohnsiedlungsgesetz erheblichen siedlungspolitischen oder bodenrechtlichen Interessen wesentlich berührt ([X.]VerwG, Urteil vom 4. März 1960 - 1 [X.] 43.59 - [X.]VerwGE 10, 202 <208> und [X.]eschluss vom 1. Juli 2013 - 4 [X.] 10.13 - [X.]RS 81 Nr. 154 Rn. 6.). Hierfür ist nichts ersichtlich. Soweit der 1. Senat in einem Urteil vom 28. Juni 1956 - 1 [X.] 93.54 - ([X.]VerwGE 3, 351 <353>) die bindende Wirkung einer Wohnsiedlungsgenehmigung bereits dann verneint hat, wenn diese unter Verletzung des objektiven Rechts erteilt wurde, hält der - nunmehr ausschließlich zuständige - erkennende Senat hieran im Hinblick auf die Wirksamkeit einer solchen, der [X.]estandskraft fähigen Genehmigung nicht fest. Denn ein Verwaltungsakt, der nicht selbst Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung ist, entfaltet, soweit er nicht aufgehoben ist, mit der in ihm verbindlich mit Wirkung nach außen getroffenen Regelung [X.]indungswirkung auch gegenüber anderen [X.]ehörden und Gerichten ([X.]VerwG, Urteile vom 4. Juli 1986 - 4 [X.] 31.84 - [X.]VerwGE 74, 315 <320> und vom 30. Januar 2003 - 4 [X.]N 14.01 - [X.]VerwGE 117, 351 <355>).

2. Die Entscheidung der Vorinstanz stellt sich nicht nach § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen als richtig dar. Die tatrichterlichen Feststellungen erlauben nicht den Schluss, das Vorhaben verstoße selbst bei einer 1959 aufgenommenen und seither fortgesetzten Wohnnutzung gegen § 35 [X.]auG[X.].

a) Die für eine [X.]egünstigung erforderliche Voraussetzung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]uchst. b [X.]auG[X.] erfüllt das Vorhaben des [X.]eigeladenen. Danach setzt die Privilegierung voraus, dass die Erweiterung im Verhältnis zu dem vorhandenen Gebäude und unter [X.]erücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen ist. Dies ist der Fall. Denn eine Erweiterung kann auch dann noch angemessen sein, wenn bei einem besonders kleinen Wohnhaus die Wohnfläche mehr als verdoppelt wird ([X.]VerwG, Urteil vom 23. Januar 1981 - 4 [X.] 82.77 - [X.]VerwGE 61, 285 <289>). Angesichts der geringen Größe des bestehenden Gebäudes erscheint die im Verhältnis hierzu beträchtliche, absolut aber eher geringe Größe des Anbaus als angemessen.

b) Der Verwaltungsgerichtshof hat offen gelassen, ob das Vorhaben [X.]elange des Naturschutzes im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] beeinträchtigt, weil es im Geltungsbereich der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "[X.]" vom 1. Oktober 1997 liegt. Dieser [X.]elang könnte auch einem von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] begünstigten Vorhaben entgegengehalten werden. Damit sind Fragen des irreversiblen Landesrechts aufgeworfen, deren [X.]eantwortung der Senat nach § 563 Abs. 4 ZPO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO einer erneuten [X.]erufungsentscheidung überlässt (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 [X.]N 1.14 - [X.]uchholz 424.01 § 58 FlurbG Nr. 5 Rn. 23), soweit es hierauf ankommen sollte.

3. Die fehlende Entscheidungsreife zwingt zur Zurückverweisung nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO.

Es bedarf der tatrichterlichen Klärung, ob im Jahr 1959 das bestehende Gebäude zum Wohngebäude umgenutzt worden ist und die Wohnnutzung nicht wieder aufgegeben worden ist und damit als [X.]estandsnutzung weiterhin von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] geschützt wäre ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 10. Juli 1987 - 4 [X.] 147.87 - [X.]uchholz 406.16 [X.] Nr. 44 S. 1). [X.]ejahendenfalls könnte dem Vorhaben weder der öffentliche [X.]elang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] noch ein gegebenenfalls bestehender Widerspruch zu Darstellungen des Flächennutzungsplans nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]auG[X.] entgegengehalten werden (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 17. Februar 2011 - 4 [X.] 9.10 - [X.]VerwGE 139, 21 Rn. 8 ff.). In diesem Fall müsste der Verwaltungsgerichtshof prüfen, ob das Vorhaben andere öffentliche [X.]elange beeinträchtigt, die auch einem von § 35 Abs. 4 [X.]auG[X.] begünstigten Vorhaben entgegengehalten werden können.

Auf die weiterhin erhobenen Verfahrensrügen kommt es nicht an. Sie könnten, ihre [X.]egründetheit unterstellt, ebenfalls nur zur Zurückverweisung führen.

Meta

4 C 3/15

03.08.2016

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 13. Januar 2015, Az: 1 B 14.459, Urteil

§ 35 Abs 4 S 1 Nr 5 Buchst a BauGB, § 35 Abs 3 S 1 Nr 7 BauGB, § 36 Abs 2 S 1 BauGB, § 4 Abs 1 WoSdlG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.08.2016, Az. 4 C 3/15 (REWIS RS 2016, 7179)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7179

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