Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.03.2020, Az. II B 99/18

2. Senat | REWIS RS 2020, 3435

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Gegenstand

Nachträgliche Option zur Vollverschonung


Leitsatz

1. NV: Ein Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO im Hinblick auf die nach einem BVerfG-Urteil zu erwartende Neuregelung des ErbStG eröffnet nicht die Möglichkeit einer nachträglichen Wahlrechtsausübung auf Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. .

2. NV: Die Feststellung von Wertansätzen ist kein rückwirkendes Ereignis, das die Möglichkeit einer nachträglichen Wahlrechtsausübung auf Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG a.F. nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO eröffnet .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 13.09.2018 - 3 K 3699/16 Erb wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet.

2

1. Die Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) noch zur Fortbildung des Rechts (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) zuzulassen.

3

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein. [X.] ist eine Rechtsfrage, wenn hinsichtlich ihrer Beantwortung Unsicherheit besteht. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage wird dagegen nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht ([X.]) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 05.06.2019 - II B 21/18, [X.], 1253, Rz 3).

4

Dieselben Grundsätze gelten für die Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O als Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. [X.]-Beschluss in [X.], 1253, Rz 4).

5

b) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

6

aa) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hält die Rechtsfrage für ungeklärt, ob ein Steuerpflichtiger auch noch nach Ergehen des [X.] über die Höhe des Betriebsvermögens und die Verwaltungsvermögensquote die Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 des [X.] in der für 2012 geltenden Fassung ([X.] a.F.) wählen kann und deshalb ein bereits bestandskräftiger Schenkungsteuerbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]) zu ändern ist. Diese Rechtsfrage kann --wie das [X.] zutreffend angenommen hat-- mit dem Gesetz und der dazu bereits ergangenen Rechtsprechung geklärt werden.

7

bb) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Grundlagenbescheid nach § 171 Abs. 10 [X.], dem Bindungswirkung für diesen Bescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Ob ein bereits bestandskräftiger Schenkungsteuerbescheid nach dieser Vorschrift zu ändern ist, wenn sich aufgrund eines geänderten [X.] erstmalig eine Verwaltungsvermögensquote von unter 10 % ergibt und dem Steuerpflichtigen damit --erstmalig-- die Option zur Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 [X.] a.F. eröffnet wird, kann im Streitfall dahinstehen, denn hier betrug die Verwaltungsvermögensquote stets unter 10 %.

8

Einer Änderung zugunsten des [X.] steht --wie das [X.] zutreffend in den Urteilsgründen ausgeführt hat-- § 351 Abs. 1 [X.] entgegen. Die Änderung eines Antrags- oder Wahlrechts ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zwar auch dann zuzulassen, wenn und soweit der Bescheid lediglich partiell noch nicht formell und materiell bestandskräftig ist. Das erfasst auch diejenigen Fälle, in denen [X.] auf der Grundlage einer selbständigen Änderungsvorschrift --etwa §§ 172 ff. [X.]-- die teilweise Durchbrechung der Bestandskraft bewirken ([X.]-Urteil vom 09.12.2015 - X R 56/13, [X.]E 252, 241, [X.], 967, Rz 25). Wird ein solcher Änderungsbescheid angefochten, so folgt jedoch aus § 351 Abs. 1 [X.], dass die Änderung der Antrags- oder Wahlrechtsausübung nur dann möglich ist, wenn die dadurch zu erzielende Steueränderung den durch die partielle Durchbrechung der Bestandskraft gesetzten Rahmen nicht verlässt ([X.]-Urteil vom 26.04.2018 - III R 12/17, [X.]/NV 2018, 948, Rz 27). Die Vorschrift begrenzt die Anfechtbarkeit und damit auch die durch den Einspruch bewirkte Änderbarkeit eines Änderungsbescheids auf den Umfang der Änderung und stellt damit u.a. klar, dass es im Übrigen bei der zuvor eingetretenen Bestandskraft bleibt ([X.]-Urteile in [X.]E 252, 241, [X.], 967, Rz 26, und in [X.]/NV 2018, 948, Rz 27).

9

cc) Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Ein Ereignis hat steuerliche Wirkung für die Vergangenheit, wenn der in Frage stehende rechtlich bedeutsame Vorgang (einschließlich tatsächlicher Lebensvorgänge) erst nach Erlass des zu ändernden Bescheids eingetreten ist und ihm nach dem einschlägigen materiellen Recht eine rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt (ständige Rechtsprechung seit Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 19.07.1993 - GrS 2/92, [X.]E 172, 66, [X.] 1993, 897). § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur dann anwendbar, wenn der Gesetzgeber vorsieht, dass einem nach der Entstehung der Steuer eintretenden Ereignis Wirkung für die Vergangenheit zukommt ([X.]-Urteil vom [X.], [X.]E 231, 219, [X.] 2011, 247, Rz 13). Die Feststellung von [X.] ist kein solches Ereignis, weil der der Feststellung zugrundeliegende tatsächliche Lebensvorgang im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer bereits eingetreten ist. Lediglich die Bewertung dieses Sachverhalts kann sich im Nachhinein durch die Wertfeststellung ändern. Dies rechtfertigt jedoch keine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]. Im Übrigen betrug im Streitfall die Verwaltungsvermögensquote stets unter 10 %. Auch insoweit ist keine Änderung eingetreten.

dd) Aus den vorstehenden Gründen ist die Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, denn § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O ist ein Unterfall der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. [X.]-Beschluss in [X.], 1253, Rz 4; s.o.).

Zudem betrifft der Rechtsstreit mittlerweile ausgelaufenes und vom [X.] ([X.]) für verfassungswidrig erklärtes Recht. Dieses eignet sich nicht dazu, eine offene Rechtsfrage für nachfolgende Regelungen zu beantworten. Zwar enthält auch das seit dem 01.07.2016 geltende [X.] ([X.]) die Möglichkeit, zwischen Regelverschonung (85 %) und Vollverschonung (100 %) zu wählen. Die Vorschrift ist jedoch nicht vollständig mit der hier streitigen identisch. Die Wahl zur Vollverschonung setzt voraus, dass das begünstigungsfähige Vermögen nicht zu mehr als 20 % --nicht wie im Streitfall 10 %-- aus Verwaltungsvermögen besteht (vgl. § 13a Abs. 10 [X.]). Darüber hinaus steht die Vorschrift in einem anderen [X.]. Anders als nach früherer Rechtslage wird das Verwaltungsvermögen mit Ausnahme des unschädlichen Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 7 [X.]) nach neuem Recht nicht mehr begünstigt und die Berechnung des begünstigten Vermögens erfolgt in komplizierten und unübersichtlichen Rechenschritten. Welche Auswirkungen veränderte Wertfeststellungen in diesem [X.] auf die Wahlmöglichkeit des Steuerschuldners haben, bleibt späteren Entscheidungen vorbehalten.

2. Die Revision ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) zuzulassen.

a) Die Zulassung der Revision aus diesem Grund setzt voraus, dass das [X.] in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, dass dabei über dieselbe Rechtsfrage entschieden wurde und diese für beide Entscheidungen rechtserheblich war, dass die Entscheidungen zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sind, dass die abweichend beantwortete Rechtsfrage im Revisionsverfahren geklärt werden kann und dass eine Entscheidung des [X.] zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich ist (z.B. [X.]-Beschluss in [X.], 1253, Rz 11). Zur schlüssigen Darlegung einer solchen Abweichungsrüge muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen [X.]-Urteil einerseits und aus den behaupteten, genau bezeichneten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so die behauptete Abweichung zu verdeutlichen (z.B. [X.]-Beschluss in [X.], 1253, Rz 11).

b) Nach Auffassung des [X.] ist das [X.] von dem Urteil des [X.] vom 10.11.2004 - II R 24/03 ([X.]E 207, 364, [X.] 2005, 182) abgewichen. Danach ist eine nach Eintritt der formellen Bestandskraft des Schenkungsteuerbescheids abgegebene Erklärung des [X.], den Freibetrag für die Übertragung von Betriebsvermögen nach § 13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 [X.] in der bis Ende 1995 geltenden Fassung (§ 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] in der seit 1996 bis 2008 geltenden Fassung) in Anspruch zu nehmen, als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] anzusehen, solange es hinsichtlich der Wertansätze des übertragenen Betriebsvermögens noch an einer endgültigen Schenkungsteuerfestsetzung fehlt und insoweit eine Änderung nach § 165 Abs. 2 Satz 2 [X.] unter Berücksichtigung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 8 Satz 1 [X.] noch möglich ist. Das [X.] ist von diesem Urteil jedoch nicht abgewichen. Dieses Urteil betrifft einen anderen Sachverhalt und eine andere Rechtslage.

c) Im Fall, der dem [X.]-Urteil in [X.]E 207, 364, [X.] 2005, 182 zugrunde lag, hatte das Finanzamt den Schenkungsteuerbescheid bezüglich der noch nicht endgültig festgestellten Werte nach § 165 Abs. 1 [X.] vorläufig erlassen. Dies rechtfertigte es nach Ansicht des [X.], das Wahlrecht zu einem späteren Zeitpunkt auszuüben. Im hier zu entscheidenden Fall war der Bescheid lediglich nach § 165 Abs. 1 [X.] im Hinblick auf das beim [X.] anhängige Verfahren zur Verfassungswidrigkeit des [X.] für vorläufig erklärt worden. Eine Änderung des Bescheids wäre nur aus diesen Gründen, nicht aber allein wegen veränderter Wertverhältnisse nach § 165 Abs. 2 [X.] zulässig gewesen.

Darüber hinaus ist das [X.]-Urteil in [X.]E 207, 364, [X.] 2005, 182 auch zu einer anderen Rechtslage ergangen. Der [X.] hat die nachträgliche Erklärung des [X.], den Freibetrag für die Übertragung von Betriebsvermögen nach dem damaligen § 13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 [X.] in Anspruch zu nehmen, vor allem deshalb nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zugelassen, weil es dem [X.] vor der endgültigen Festsetzung an einer hinreichend sicheren Grundlage für seine Entscheidung, den Freibetrag entweder für die bereits vollzogene Übertragung in Anspruch zu nehmen oder aber sich die Inanspruchnahme des Freibetrags für spätere Übertragungen von Betriebsvermögen vorzubehalten, fehlte (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 207, 364, [X.] 2005, 182, Rz 16). Entscheidend war nach Auffassung des [X.], dass der [X.] mit seiner Erklärung nach damaligem Recht für alle weiteren innerhalb der nächsten [X.] unwiderruflich an der Inanspruchnahme des Freibetrags gehindert war (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 207, 364, [X.] 2005, 182, Rz 16). Die hier streitige optionale Vollverschonung hat demgegenüber für weitere Übertragungsfälle keine Wirkungen. Vielmehr kann der Beschenkte oder Erbe in jedem Übertragungsfall neu entscheiden, ob er die Vollverschonung wählt und sich deren Voraussetzungen unterwirft.

3. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

4. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ohne Angabe weiterer Gründe, insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.

Meta

II B 99/18

05.03.2020

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend FG Münster, 13. September 2018, Az: 3 K 3699/16 Erb, Urteil

§ 13a Abs 8 ErbStG 1997 vom 22.12.2009, § 165 Abs 1 S 2 Nr 3 AO, § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.03.2020, Az. II B 99/18 (REWIS RS 2020, 3435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3435

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