25. Senat | REWIS RS 2022, 7376
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In der Beschwerdesache
…
betreffend die Marke 30 2019 105 591
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2022 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, der Richterin Fehlhammer und der Richterin Dr. Rupp-Swienty, LL.M.,
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Februar 2021 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 395 23 688 gegen die Eintragung der Marke 30 2019 105 591 für die Waren
Klasse 29:
Ajvars [konservierte Paprika]; Bouillon; Bouillonkonzentrate; Fleischbrühekonzentrate; Fleischextrakte; Kraftbrühe; Öle für Speisezwecke; Zubereitungen für die Herstellung von Bouillon;
Klasse 30:
Essbare Gewürze; Getrocknete Gewürze; Gewürze; Gewürze für Nahrungszwecke; Gewürzmarinaden; Gewürzmischungen; Gewürzmix; Marinaden mit Würzmischungen; Mischungen bestehend aus Gewürzen; Mischungen zum Würzen; Speisesalz; Würzmarinaden; Würzmischungen; Würzmittel; Würzzubereitungen für Nahrungsmittel; Zucker; Saucen (Würzmittel); scharfe Saucen; pikante Saucen, Chutneys und Pasten; Piccalilli
zurückgewiesen worden ist.
2. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 395 23 688 wird die Löschung der Eintragung der Marke 30 2019 105 591 für die unter Ziffer 1 genannten Waren angeordnet.
3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
I.
Das am 29. April 2019 angemeldete Zeichen
Magic Zero
ist am 20. Mai 2019 unter der Nummer 30 2019 105 591 als Wortmarke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister unter anderem für die nachfolgenden Waren eingetragen worden:
Klasse 29:
Ajvars [konservierte Paprika]; Bouillon; Bouillonkonzentrate; Essiggurken [Cornichons]; Fleisch; Fleisch, konserviert; Fleischbrühekonzentrate; Fleischextrakte; Fleischgallerten; Fleischkonserven; Fleischwaren, eingesalzen [Pökelfleisch]; Fruchtchips; Fruchtgelees; Fruchtmark; Fruchtsalat; Fruchtsnacks; Geflügel [nicht lebend]; Gemüse [gekocht]; Gemüse [getrocknet]; Gemüse [konserviert]; Gemüsekonserven [Dosen]; Gemüsemousses; getrocknetes Obst; Ingwerkonfitüre; Kartoffelchips; Kichererbsenpaste [Hummus]; Kimchi [Lebensmittel aus fermentiertem Gemüse]; Kompotte; Konfitüren; Kraftbrühe, Suppen; Mandeln [verarbeitet]; Marmeladen; Obst [gekocht]; Obst [konserviert]; Obst [tiefgekühlt]; Obstkonserven; Öle für Speisezwecke; Oliven [konserviert]; Pickles; tiefgekühltes Gemüse; Tomatenpüree; Tomatensaft für die Küche; Wurst [Bratwurst, Brühwurst]; Wurstwaren; Zubereitungen für die Herstellung von Bouillon; Zwiebeln [Gemüse, konserviert];
Klasse 30:
Essbare Gewürze; Getrocknete Gewürze; Gewürze; Gewürze für Nahrungszwecke; Gewürzmarinaden; Gewürzmischungen; Gewürzmix; Marinaden mit Würzmischungen; Mischungen bestehend aus Gewürzen; Mischungen zum Würzen; Nahrungsmittel aus Zucker für die Zubereitung von Desserts; Nahrungsmittel aus Zucker zum Süßen von Desserts; Speisesalz; Aromastoffe für Getränke, ausgenommen ätherische Öle; Würzmarinaden; Würzmischungen; Würzmittel; Würzzubereitungen für Nahrungsmittel; Zucker; Saucen (Würzmittel); scharfe Saucen; pikante Saucen, Chutneys und Pasten; Piccalilli.
Gegen die Eintragung der am 21. Juni 2019 veröffentlichten Marke hat die Widersprechende als Inhaberin der am 7. Juni 1995 angemeldeten und am 29. März 1996 eingetragenen Wortmarke 395 23 688
MAGIC
am 30. August 2019 Widerspruch erhoben, der sich gezielt nur gegen die oben genannten Waren der Klassen 29 und 30 richtet. Die Widerspruchsmarke 395 23 688 genießt Schutz für die folgenden Waren:
Zum Herstellen und/oder Behandeln von Lebensmitteln bestimmte chemische und/oder natürliche Zusatzstoffe und daraus hergestellte Präparate, Zubereitungen aus diesen Erzeugnissen mit Gewürzen und/oder Salz; Zum Herstellen und/oder Behandeln von Lebensmitteln bestimmte chemische und/oder natürliche Zusatzstoffe und daraus hergestellte Präparate, Zubereitungen aus diesen Erzeugnissen mit Gewürzen und/oder Salz; Gewürze sowie Salz und daraus hergestellte Erzeugnisse für Nahrungsmittel; Enzyme sowie lebende Mikroorganismen und deren Fermente; sämtliche vorgenannte Waren soweit in Klasse 1 und 30 enthalten.
Mit Beschluss vom 23. Februar 2021 hat die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts durch eine Beamtin des höheren Dienstes den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Zur Begründung wird darin ausgeführt, dass die von Hause aus geschwächte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als durchschnittlich zu beurteilen sei, da sie durch umfangreiche Benutzung eine Stärkung erfahren habe. In der Klasse 30 stünden sich mit „Gewürzen“ identische Waren gegenüber. Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft halte die angegriffene Marke selbst im Bereich identischer Waren den zur Vermeidung der Verwechslungsgefahr gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Dies gelte erst recht unter Zugrundelegung der im Ähnlichkeitsverhältnis stehenden Waren.
Obgleich der Ausdruck „Zero“ dem Verbraucher als Hinweis auf Produkte „ohne“ Zusatz von Zucker, Konservierungsstoffe, Glutamat oder Ähnlichem bekannt sei und eine entsprechende Deutung auch für das vorliegend einschlägige Würzsegment naheliege, bestehe für den angesprochenen Verkehr keine Veranlassung, sich nur an dem Wortbestandteil „Magic“ der angegriffenen Marke „Magic Zero“ zu orientieren. Vielmehr stünden beide Markenelemente, „Magic“ und „Zero“, gleichgewichtig nebeneinander, da sie einen beschreibenden Sinngehalt in Verbindung mit den in Rede stehenden Waren aufwiesen. Daher sei keines der Elemente geeignet, den Gesamteindruck der Marke zu prägen. Aufgrund des nur in der angegriffenen Marke vorhandenen Bestandteils „Zero“ wiesen die Vergleichsmarken deutliche und nicht überseh- bzw. überhörbare Unterschiede in begrifflicher, schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht auf, die eine unmittelbare Verwechslungsgefahr ausschließen würden. Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben. Sie scheitere bereits daran, dass der gemeinsame Begriff „Magic“ einen beschreibenden Hinweis darstelle, auf den allein eine Verwechslungsgefahr nicht gestützt werden könne.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie macht geltend, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei durch langjährige intensive Benutzung gesteigert und mindestens als durchschnittlich zu bewerten. So werde ausweislich der eidesstattlichen Versicherung ihres Leiters des Produktmanagements vom 3. Februar 2020 die Marke „MAGIC“ seit 1995 in Deutschland für „Würzmittel (Marinaden)“ verwendet. Der eidesstattlichen Versicherung des Leiters SC Controlling vom 17. Februar 2020 könne entnommen werden, dass in den Jahren 2014 bis 2019 ein Gesamtumsatz in Höhe von knapp 27 Millionen Euro (ohne Umsatzsteuer) erzielt worden sei. Es gebe keine schwächenden Drittmarken, da in Deutschland nur für die Widersprechende die Bezeichnung „MAGIC“ als Marke für Würzmarinaden geschützt sei. Die beiden Marken seien ähnlich. Der Gesamteindruck der angegriffenen Marke werde durch ihren Bestandteil „Magic“ geprägt, da das weitere Element „Zero“ vom Verkehr als Hinweis auf das Fehlen einer Zutat in den gekennzeichneten Produkten angesehen werde und damit glatt beschreibend sei. Damit erscheine die angegriffene Marke nicht als geschlossener Gesamtbegriff. Zudem seien die zu vergleichenden Waren weitgehend identisch bzw. hochgradig ähnlich.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 30, vom 23. Februar 2021 aufzuheben und die Löschung der Eintragung der Marke 30 2019 105 591 für die Waren der Klassen 29 und 30 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 395 23 688 anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Markenstelle habe zu Recht festgestellt, dass sich die Marken wesentlich durch den Bestandteil „Zero“ unterschieden. Es bestehe für den Verkehr keine Veranlassung, die angegriffene Marke auf den Bestandteil „Magic“ zu verkürzen, da die Wörter „Magic“ und „Zero“ zusammengehörten. Damit sei der Bestandteil „Magic“ für den Gesamteindruck weder prägend noch komme ihm darin eine selbständig kennzeichnende Stellung zu. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer assoziativen Verwechslungsgefahr, da das Element „Magic“ nicht auf den Betrieb der Beschwerdeführerin hinweise. Die Widerspruchsmarke verfüge zudem nur über eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft, da sie beschreibende Anklänge aufweise. Im Bereich der Gewürze und Gewürzmischungen würden Bezeichnungen, wie „Magic Rub“ oder „Magic Dust“, als Gattungsangaben gebraucht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, die Ladung einschließlich Zusatz des Senats vom 9. Mai 2022 nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Juli 2022 und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch ansonsten zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Widerspruchs gegen die Eintragung der angegriffenen Marke für identische und hochgradig ähnliche Waren im Warensegment „Würzmittel [Marinaden]“ richtet.
Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der älteren Marke für „Würzmittel [Marinaden]“ reicht der Markenabstand im Bereich identischer oder hochgradig ähnlicher Waren nicht mehr aus, um eine Verwechslungsgefahr gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verneinen zu können. Daher war unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 30, vom 23. Februar 2021 die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke im tenorierten Umfang gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG anzuordnen. In Bezug auf die übrigen verfahrensgegenständlichen Waren der angegriffenen Marke in den Klassen 29 und 30 ist angesichts der größeren Warenferne eine Verwechslungsgefahr nicht zu befürchten, so dass die Markenstelle den Widerspruch insoweit zu Recht nach § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen hat.
1. Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH GRUR 2010, 933 Rn. 32 - BARBARA BECKER; GRUR 2010, 1098 Rn. 44 - Calvin Klein/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 - pjur/pure; GRUR 2013, 833 Rn. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2016, 382 Rn. 19 - BioGourmet; GRUR 2019, 173 - Combit/Commit). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der relevanten Vergleichsprodukte (Waren und/oder Dienstleistungen), die Identität oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 - Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH GRUR 2012, 64 Rn. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2012, 1040 Rn. 25 - pjur/pure; siehe auch Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 43 ff. m. w. N.). Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere Faktoren entscheidungserheblich sein, wie u. a. etwa die Art der Waren oder der Dienstleistungen, die im Einzelfall angesprochenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der Wahrnehmung der Kennzeichen.
Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen der angegriffenen Marke „Magic Zero“ und der Widerspruchsmarke „MAGIC“ teilweise Verwechslungsgefahr.
a) Die von der Widersprechenden geltend gemachte zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist nur in Verbindung mit der Ware „Würzmittel [Marinaden]“ anzuerkennen.
Die originäre Kennzeichnungskraft einer Marke wird durch ihre Eignung bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren sowie Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren sowie Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. BGH GRUR 2017, 75 Rn. 19 - Wunderbaum II; GRUR 2016, 283 Rn. 10 - BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE). Bei der Bestimmung der Kennzeichnungskraft sind alle relevanten Umstände zu berücksichtigen, zu denen insbesondere die Eigenschaften, die die Marke von Haus aus besitzt, der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung der Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke und der Teil der beteiligten Verkehrskreise gehören, die die Waren oder Dienstleistungen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen (vgl. EuGH GRUR Int 1999, 734 - Lloyd; GRUR Int 2000, 73 - Chevy; GRUR 2005, 763 - Nestle/Mars; BGH GRUR 2013, 833 Rn. 41 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2007, 1071 Rn. 27 - Kinder II; GRUR 2007, 1066 Rn. 33 - Kinderzeit; GRUR 2009, 766 Rn. 30 - Stofffähnchen I; GRUR 2009, 672 Rn. 21 - OSTSEE-POST).
Hiervon ausgehend ist die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die aus dem auch für das deutsche Publikum ohne Weiteres verständlichen und in der Werbesprache vielfach genutzten Werbeschlagwort „MAGIC“ für „magisch“, „zauberhaft“ bzw. „wunderbar“ besteht, originär nur unterdurchschnittlich. Dies ist in der Rechtsprechung wiederholt festgestellt worden (vgl. BPatG 24 W (pat) 019/09 - Magic light/MAGIC; 27 W (pat) 103/03 - magic line; 32 W (pat) 439/99 - MagicSun; 25 W (pat) 10/18 - Magic Orient). Gerade im vorliegend betroffenen Lebensmittelbereich werden Produkte als „magisch“ oder „Magic“ beworben. So finden sich im Internet Begriffe wie „Magisch, köstlich.“ im Zusammenhang mit Gebäck, „MAGIC FRUITS“ im Zusammenhang mit Früchten, „Basilur Tea Magic Fruits Assorted Black Tea Collection (40 Beutel)“ im Zusammenhang mit Tees, aber auch „Mandel-Magic“ oder „MAGIC TREE“ im Zusammenhang mit Gewürzen (vgl. Rechercheergebnisse als Anlage 1 zur Ladung vom 9. Mai 2022).
Die Widersprechende hat jedoch vorgetragen und insbesondere durch Vorlage zweier eidesstattlicher Versicherungen vom 3. und 17. Februar 2020 glaubhaft belegt, dass es sich bei „MAGIC“ um eine langjährig (seit 1995) und hinreichend umfangreich (27 Millionen Euro ohne Umsatzsteuer Gesamtumsatz in den Jahren 2014 bis 2019) benutzte, gut etablierte Marke für „Würzmittel [Marinaden]“ handelt. Dies wird auch von der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht in Abrede gestellt. Damit hat die Widerspruchsmarke in Bezug auf diese Ware eine gewisse Stärkung ihrer Kennzeichnungskraft auf ein durchschnittliches Maß erfahren.
Eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft, die eine gesteigerte Verkehrsbekanntheit voraussetzt, ergibt sich hieraus allerdings nicht. Weder aus der vorgetragenen Nutzungsdauer noch aus den genannten Umsatzzahlen lässt sich auf die Marktpositionierung der Widerspruchsmarke im Vergleich zu Konkurrenzmarken und damit auf ihren Bekanntheitsgrad schließen. Sichere Rückschlüsse auf eine etwaige Bekanntheit im Inland sind im Allgemeinen nur anhand demoskopischer Erhebungen möglich (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 165). Mithin ist von durch Benutzung erworbener durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für „Würzmittel [Marinaden]“ auszugehen. Auf die weiteren Waren der Widerspruchsmarke, insbesondere auf die im Warenverzeichnis ausnehmend weiten Oberbegriffe, strahlt diese jedoch nicht aus, da eine Ausstrahlungswirkung nur bei erhöhter Kennzeichnungskraft in Betracht kommt (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 181 unter Verweis auf BPatG 30 W (pat) 561/13 - PRAXIS vital).
In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die beiden Marken in Klang, Schriftbild und Bedeutung hinreichend deutlich durch den in der jüngeren Marke als separates Wort enthaltenen Bestandteil „Zero“. Allerdings schließt der Grundsatz, dass die sich gegenüberstehenden Marken zunächst in ihrer Gesamtheit zu vergleichen sind, nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer zusammengesetzten Marke den durch sie im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägen und damit eine rechtlich relevante (unmittelbare) Verwechslungsgefahr begründen können (vgl. BGH GRUR 2009, 484 Rn. 32 - Metrobus; GRUR 2012, 64 Rn. 15 - Maalox/Melox-GRY; GRUR 2013, 833 Rn. 45 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2019, 1058 Rn. 34 - KNEIPP). Prägenden Charakter hat ein Bestandteil, wenn die weiteren Elemente der mehrgliedrigen Marke in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck nicht mitbestimmen, wobei auch beschreibende Komponenten nicht von vornherein unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 46 - Hansson [Roslagspunsch/ROSLAGSÖL], BGH GRUR 2020, 870 - INJEKT/INJEX).
Eine derartige den Gesamteindruck der angegriffenen Marke „Magic Zero“ prägende Wirkung kommt dem Bestandteil „Magic“ jedoch nicht zu. Dagegen spricht, dass es sich, wie oben ausgeführt, um ein vielfach genutztes, sachbezogen anpreisendes und damit originär kennzeichnungsgeschwächtes Werbewort handelt, das der Verkehr nicht herausgreift. Zudem ist auch wegen der optisch gleichwertigen Gestaltung der beiden Wörter „Magic“ und „Zero“ sowie der relativen Kürze der Gesamtbezeichnung nicht wahrscheinlich, dass der Verkehr dazu neigt, die Marke auf „Magic“ zu verkürzen. Es handelt sich zwar bei dem nachgestellten Begriff „Zero“, zu Deutsch „null“, um einen beschreibenden Hinweis auf das Nichtvorhandensein bestimmter Produktbestandteile. Allerdings darf ihm nicht von vornherein jegliche Bedeutung für den Gesamteindruck der Marke abgesprochen werden (vgl. EuGH GRUR 2020, 52 Rn. 49 - Hansson [Roslags Punsch/ROSLAGSÖL]; BGH GRUR 2020, 870 Rn. 69f - INJEKT/INJEX; Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 218, 359, 392 m. w. N.). Selbst wenn aus beschreibenden oder kennzeichnungsschwachen Markenteilen keine isolierten Rechte hergeleitet werden können und sie für sich genommen den Gesamteindruck einer Marke nicht zu prägen vermögen, können sie sich zusammen mit weiteren Bestandteilen zu einem zusammengehörigen betrieblichen Herkunftshinweis verbinden (vgl. BGH GRUR 1998, 932, Rn. 26 - Meisterbrand; WRP 2009, 971 - Augsburger Puppenkiste). Insbesondere bei Marken, die sich, wie vorliegend, aus vergleichbar kennzeichnungsschwachen Bestandteilen zusammensetzen, wird sich der Verkehr nicht nur an einzelnen Elementen orientieren, zumal der Verkehr grundsätzlich nicht zu einer zergliedernden Betrachtungsweise neigt. Vielmehr bestimmen solche Bestandteile den Gesamteindruck der Kombinationsmarke gleichermaßen mit, so dass die Marke insoweit nur in ihrer Gesamtheit Schutz genießt (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 396).
c) Aus Sicht des Senats besteht jedoch die Gefahr, dass der Verkehr die Marken gedanklich miteinander in Verbindung bringt (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz, MarkenG). Dies ist dann der Fall, wenn davon auszugehen ist, dass der Verbraucher die Unterschiede der sich gegenüberstehenden Marken zwar wahrnimmt, aber aufgrund gemeinsamer Elemente oder aus anderen Gründen auf die Ursprungsidentität der betroffenen Waren und/oder Dienstleistungen oder auf sonstige wirtschaftliche oder organisatorische Verbindungen zwischen deren Hersteller oder Anbieter schließt (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 551). Solche besonderen Umstände ergeben sich vorliegend aus der Art der konkreten Markenbildung einerseits und den feststellbaren Branchengepflogenheiten andererseits.
So ist es im hier einschlägigen Lebensmittelbereich üblich, vorhandene Sortimente durch neue Produktlinien zu ergänzen oder zu erweitern. Beispielsweise gibt es ausweislich nachfolgender als Anlage 2 zur Ladung vom 9. Mai 2022 übersandter Fundstellen verschiedene Produktlinien desselben Herstellers:
- Linie für qualitativ besonders hochwertige Waren:
„Timken drängt mit erweiterten Premium-Produktlinien auf den Markt für Lebensmittel und Getränke“ (vgl. „www.timken.com“).
- Linie für regionale Waren:
„Blattfrisch bringt zwei neue nachhaltige und regionale Produktlinien“
(vgl. „presseportal.biowelt-online.de“)
oder
„Edeka Nord - Neue regionale Produktlinie“ (vgl. „lebensmittelpraxis.de“).
- Linie für fair gehandelte Waren:
„Teekanne, die dann zusätzlich eine Fairtrade-Produktlinie anbieten.“
(vgl. „www.verbraucherzentrale.de“).
Angeboten werden diese Produktlinien in aller Regel unter derselben Marke mit entsprechendem Zusatz („Premium“, „regional“, „Bio“ etc.). Vor diesem Hintergrund liegt die Annahme nahe, dass der an diese Praxis gewöhnte Verkehr bei Begegnung mit den Vergleichsmarken „Magic Zero“ und „Magic“ davon ausgeht, die Bezeichnungen zweier Produktlinien desselben Unternehmens vor sich zu haben. Hierfür spricht insbesondere, dass der Bestandteil „Zero“ im Sinne von „null“ in der Lebensmittelbranche nachweislich verwendet wird, um das Nichtvorhandensein bestimmter Stoffe deutlich zu machen. Wie die als Anlage 3 zur Ladung vom 9. Mai 2022 übermittelten Belege einer Google-Recherche sowie die von der Widersprechenden mit der Beschwerdebegründung eingereichten umfangreichen Verwendungsnachweise zeigen, kann mit „zero“ unabhängig von Groß- oder Kleinschreibung etwa zum Ausdruck gebracht werden, dass es sich um Produkte handelt, die „null Kalorien", „null zugesetzte Aromastoffe“ oder „null Geschmacksverstärker“ aufweisen bzw. „null Abfall" zur Folge haben. Aus dem Getränkebereich sind die vergleichbar gebildeten Bezeichnungen „CocaCola Zero“, „Fanta Zero“ oder „Sprite Zero“ bekannt, die zuckerfreie oder -reduzierte in Abgrenzung zu zuckerhaltigen Limonaden bezeichnen.
Auch in der verfahrensgegenständlichen Gewürzbranche werden vor allem Würzsaucen in zuckerfreien Varianten angeboten, was ebenfalls mit dem Zusatz „zero“ kenntlich gemacht wird. So hat die Widersprechende u. a. Angebote vorgelegt von auch in Deutschland vertriebenen Würzsaucen mit den Bezeichnungen „Rocka Sauce Zero BBQ“ (vgl. „www.rockanutrition.de/products/“) oder „Mamma Mia Zero Sauce“ (vgl. „www.amazon.de“) sowie von Ketchupprodukten mit den Angaben „zero no fat 0%“ (vgl. „www.prozis.com/de/de/prozis/zero-ketchup-original“) oder „Zero Calories, Fat & Sugars“ (vgl. „gymbeam.de/kalorienarmer-ketchup-320-ml-gymbeam.html“). Folglich wird der Verkehr die vorliegenden Kollisionsmarken ebenso in diesem Sinne verstehen und die mit „Magic Zero“ gekennzeichneten Produkte für die zusatzstofffreie Variante der „ursprünglichen“ Magic-Artikel halten. Insoweit ist nicht auszuschließen, dass er mit den Kollisionsmarken gekennzeichnete Produkte irrtümlich demselben Hersteller bzw. Anbieter zuordnet und damit einer Herkunftsverwechslung unterliegt (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 552; BPatGE 44, 254 - WISCHMAX/Max; BPatG 25 W (pat) 78/09 - Sunspice/Sun; 30 W (pat) 035/12 - SMART LIFE/LIFE).
d) Mit derartigen Fehlzuordnungen ist in nennenswertem Umfang allerdings nur in Verbindung mit den Waren der jüngeren Marke zu rechnen, die identisch oder hochgradig ähnlich zu „Würzmitteln [Marinaden]“ sind, für die der Widerspruchsmarke ausschließlich durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen ist. Denn nur dann drängt sich den vorliegend maßgeblichen Verkehrskreisen der allgemeinen Verbraucher als auch der Fachleute der Gedanke an die oben dargestellte Konstellation einer Produktvariante auf (vgl. im Zusammenhang mit der mittelbaren Verwechslungsgefahr Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 538). Demzufolge ist nur im Zusammenhang mit den von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren
„Ajvars [konservierte Paprika]; Bouillon; Bouillonkonzentrate; Fleischbrühekonzentrate; Fleischextrakte; Kraftbrühe; Öle für Speisezwecke; Zubereitungen für die Herstellung von Bouillon“ (Klasse 29)
und
„Essbare Gewürze; Getrocknete Gewürze; Gewürze; Gewürze für Nahrungszwecke; Gewürzmarinaden; Gewürzmischungen; Gewürzmix; Marinaden mit Würzmischungen; Mischungen bestehend aus Gewürzen; Mischungen zum Würzen; Speisesalz; Würzmarinaden; Würzmischungen; Würzmittel; Würzzubereitungen für Nahrungsmittel; Zucker; Saucen (Würzmittel); scharfe Saucen; pikante Saucen, Chutneys und Pasten; Piccalilli“ (Klasse 30)
eine Verwechslungsgefahr anzunehmen. Denn sie sind identisch oder als ebenfalls zum Würzen bestimmte Waren bzw. als deren wesentliche Bestandteile hochgradig ähnlich zu „Würzmitteln [Marinaden]“. Insoweit war auf den Widerspruch die Teillöschung der Eintragung der angegriffenen Marke anzuordnen.
e) Bei den übrigen angegriffenen Waren der jüngeren Marke
„Essiggurken [Cornichons]; Fleisch; Fleisch, konserviert; Fleischgallerten; Fleischkonserven; Fleischwaren, eingesalzen [Pökelfleisch]; Fruchtchips; Fruchtgelees; Fruchtmark; Fruchtsalat; Fruchtsnacks; Geflügel [nicht lebend]; Gemüse [gekocht]; Gemüse [getrocknet]; Gemüse [konserviert]; Gemüsekonserven [Dosen]; Gemüsemousses; getrocknetes Obst; Ingwerkonfitüre; Kartoffelchips; Kichererbsenpaste [Hummus]; Kimchi [Lebensmittel aus fermentiertem Gemüse]; Kompotte; Konfitüren; Suppen; Mandeln [verarbeitet]; Marmeladen; Obst [gekocht]; Obst [konserviert]; Obst [tiefgekühlt]; Obstkonserven; Oliven [konserviert]; Pickles; tiefgekühltes Gemüse; Tomatenpüree; Tomatensaft für die Küche; Wurst [Bratwurst, Brühwurst]; Wurstwaren; Zwiebeln [Gemüse, konserviert]“ (Klasse 29)
sowie
„Nahrungsmittel aus Zucker für die Zubereitung von Desserts; Nahrungsmittel aus Zucker zum Süßen von Desserts; Aromastoffe für Getränke, ausgenommen ätherische Öle“ (Klasse 30)
handelt es sich hauptsächlich um Fleisch-, Gemüse- und Obstwaren oder um Lebensmittelzubereitungen und Aromastoffe. Sie werden nicht vorrangig zum Würzen verwendet und weisen deshalb einen größeren sachlichen Abstand zu „Würzmitteln [Marinaden]“ auf Seiten der Widerspruchsmarke auf. Damit einhergehend stehen die beiderseitigen Waren allenfalls in einem durchschnittlichen Ähnlichkeitsverhältnis, so dass insoweit die irrige Annahme eines gemeinsamen betrieblichen Ursprungs nicht ernsthaft zu befürchten ist. Im Übrigen ist bei der Annahme einer Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen schon deshalb Zurückhaltung geboten, als sich die Anerkennung dieser Art von Verwechslungsgefahr dem im Markenrecht grundsätzlich nicht zulässigen Elementenschutz nähert (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 13. Auflage, § 9 Rn. 518).
In diesem Umfang war dem Widerspruch mithin der Erfolg zu versagen und die Beschwerde zurückzuweisen.
2. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass, so dass es bei der Regelung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG verbleibt.
Meta
14.07.2022
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.07.2022, Az. 25 W (pat) 37/21 (REWIS RS 2022, 7376)
Papierfundstellen: REWIS RS 2022, 7376
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
25 W (pat) 17/17 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – "Tasco/Tabasco (Unionsmarke)" – zur rechtserhaltenden Benutzung – zur abweichenden Benutzungsform - Warenidentität und …
28 W (pat) 24/12 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – "Lider/LIDL (Gemeinschaftsmarke)" – zur Kennzeichnungskraft - Warenidentität und –ähnlichkeit – klangliche Verwechslungsgefahr
29 W (pat) 9/15 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – "GRÜNKÄPPCHEN – natürlich Bio www.gruenkaeppchen.de (Wort-Bild-Marke)/Rotkäppchen (Wort-Bild-Marke)" – zur Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit und …
30 W (pat) 566/20 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdesache – "My-My (Wort-/Bildmarke) /MY-MY (Wortmarke)" - Verwechslungsgefahr
28 W (pat) 513/16 (Bundespatentgericht)
Markenbeschwerdeverfahren – "Meine Heimat (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft
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