Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.04.2019, Az. 1 C 28/18

1. Senat | REWIS RS 2019, 7856

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Gegenstand

Vorrangige Prüfung von asylrechtlichen Unzulässigkeitsgründen auch bei "Aufstockerklagen"


Leitsatz

1. Bestehen Anhaltspunkte für die Annahme, dass ein Asylantrag nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AsylG unzulässig ist, darf das Verwaltungsgericht einer Klage auf Zuerkennung internationalen Schutzes nur stattgeben, wenn die Voraussetzungen des in Betracht kommenden Unzulässigkeitsgrundes nicht vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag in der Sache beschieden hat.

2. Der in § 29 Abs. 1 Nr. 4, § 27 AsylG geregelte Unzulässigkeitsgrund (anderweitige Sicherheit in einem sonstigen Drittstaat) setzt das unionsrechtliche Konzept des "ersten Asylstaats" im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU um. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn der in Betracht kommende Staat kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist und sich vom Herkunftsland des Betroffenen (bei Staatenlosen: dem Land des gewöhnlichen Aufenthalts) unterscheidet, wenn er bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, und wenn er diesem eine den Anforderungen des § 27 AsylG i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/EU entsprechende Sicherheit gewährleistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ist staatenloser Palästinenser, stammt ursprünglich aus [X.] und begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

2

Der im Juli 1998 in [X.]/[X.] geborene Kläger reiste im November 2015 in die [X.] ein und stellte im Januar 2016 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das [X.] gab er unter anderem an, er habe bis zu seiner Ausreise aus [X.] im Flüchtlingslager [X.] in [X.] gelebt. Am 1. September 2014 sei er mit seinem Bruder illegal in die [X.] ausgereist und habe dort etwa ein Jahr lang gelebt. [X.] habe er im Wesentlichen aus Angst vor einer Einberufung zum Wehrdienst verlassen. Er habe auch mit angesehen, wie ein Militärflugzeug vom "[X.]" abgeschossen worden und ins Camp gestürzt sei.

3

Das [X.] erkannte dem Kläger mit Bescheid vom 7. September 2016 den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte den weitergehenden Asylantrag ab. Zur Begründung führte es aus, allein die Angst vor dem Regime [X.] und vor der Heranziehung zum Wehrdienst begründe keine asyl- oder [X.] relevante Verfolgung.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verpflichtet, weil der Kläger aufgrund der aktuellen Situation in [X.] wegen der Ausreise, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland, die der [X.] als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung auffasse, von [X.] relevanter Verfolgung bedroht sei.

5

Im Berufungsverfahren hat der Kläger unter Vorlage einer Registrierungsbescheinigung des [X.] im Nahen Osten ([X.] in the Near East, im Folgenden: [X.]) hinsichtlich des Lagers [X.] bei [X.] ergänzend geltend gemacht, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft seien aufgrund der Flucht aus einem [X.]-geführten Palästinenser-Lager erfüllt.

6

Mit Urteil vom 16. Mai 2018 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht habe dem Kläger im Ergebnis zu Recht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, weil dieser als staatenloser Palästinenser Flüchtling im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 2 [X.] sei. Nach der Rechtsprechung des [X.] seien staatenlose Palästinenser aus [X.], die vom [X.] registriert seien, ipso facto als Flüchtlinge nach § 3 Abs. 3 Satz 2 [X.] anzuerkennen, wenn sie [X.] infolge der Zerstörung ihres Flüchtlingslagers durch das [X.] verlassen hätten und ihnen im [X.]punkt der Ausreise keine Möglichkeit [X.] habe, in anderen Teilen des Mandatsgebiets des [X.] Schutz zu finden. Der Nachweis, dass ein staatenloser Palästinenser im Herkunftsland [X.] den Schutz oder Beistand des [X.] genossen habe, sei durch eine entsprechende Registrierungsbescheinigung erbracht. Sein Wegzug sei durch von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt, die ihn zum Verlassen des Gebiets gezwungen und somit daran gehindert hätten, den vom [X.] gewährten Beistand zu genießen. Er habe sich in einer sehr unsicheren Lage befunden; und dem [X.] sei es unmöglich gewesen, ihm in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihm übertragenen Aufgabe im Einklang stünden. Es könne offenbleiben, ob dies schon durch die Gewährung subsidiären Schutzes indiziert werde, denn dies werde im Wesentlichen durch einen Pressebericht belegt, der die Lage im Camp [X.] in der [X.] kurz nach der Ausreise des [X.] näher beschreibe. Dem Kläger habe im [X.]punkt seiner Ausreise aus [X.] auch keine Möglichkeit [X.], in anderen Teilen des Mandatsgebiets den Schutz des [X.] in Anspruch zu nehmen. Sowohl [X.] als auch der [X.] hätten ihre Grenzen für palästinensische Flüchtlinge aus [X.] geschlossen. Der Kläger hätte auch nicht innerhalb [X.]s in einem anderen Flüchtlingslager den Schutz des [X.] in Anspruch nehmen können. Zu zahlreichen Flüchtlingslagern - einschließlich Yarmouk, [X.], [X.], [X.], [X.] und Husseiniyeh - bestehe nach Angaben des [X.] keine gesicherte Zugangsmöglichkeit. [X.] Verbesserungen in Bezug auf das Lager [X.] ergäben sich aus der Auskunftslage nicht.

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 3 Abs. 3 [X.]. [X.] greife erst dann ein, wenn der Schutz der [X.] umfassend weggefallen sei. Es bedürfe der tragfähigen Feststellung, dass sowohl im übrigen Mandatsgebiet wie bezogen auf [X.], d.h. maßgeblich unter Berücksichtigung der dort bürgerkriegsbedingten Verhältnisse, landesweit und dauerhaft nicht länger Schutz oder Beistand durch das [X.] gewährt worden sei und werde. Ein vollständiger, dauerhafter und landesweiter Wegfall von Schutz oder Beistand liege nicht vor, weil [X.] nach den berufungsgerichtlichen Feststellungen in [X.] trotz der langanhaltenden [X.] weiterhin tätig sei. Das Berufungsgericht habe keine über bürgerkriegsbedingte Hindernisse hinausgehenden Umstände, die eine Tätigkeit des [X.] beeinträchtigten, festgestellt; der Annahme einer Einstellung der Tätigkeit bei Ausreise des [X.] stünden zudem Erkenntnisse aus anderen Verfahren entgegen, wonach jedenfalls bis 2015 im Flüchtlingslager [X.] regelmäßig Versorgungsleistungen erbracht worden seien. Jedenfalls bezogen auf den [X.]punkt der Rückkehr habe sich das Berufungsgericht nur noch mit dem Lager [X.] befasst, aber keine Feststellungen dazu getroffen, dass der Kläger nicht zumindest andernorts in [X.] Schutz oder Beistand des [X.] in Anspruch nehmen könnte. Der einjährige Aufenthalt des [X.] in der [X.] nach Verlassen [X.]s werfe schließlich die Frage auf, ob für ihn überhaupt noch auf die Grundsätze des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/[X.] und § 3 Abs. 3 [X.] abgestellt werden könne. Im asyl- bzw. [X.]en Kontext sei bei Staatenlosen auf das Land des letzten gewöhnlichen Aufenthalts vor Einreise in das [X.] abzustellen. Dies sei jedoch ersichtlich die [X.] gewesen, auf die sich das Mandat des [X.] nicht erstrecke.

8

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

[X.]ie Revision der Beklagten ist begründet. [X.]as angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), weil das O[X.]verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ohne zu ü[X.]prüfen, ob der Asylantrag nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 [X.] (anderweitige Sicherheit in einem sonstigen [X.]) [X.]eits unzulässig ist (1.). [X.]a es zur Beurteilung der Frage, ob dieser [X.] vorliegt, weiterer tatsächlicher Feststellungen durch das O[X.]verwaltungsgericht bedarf, war der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (2.).

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens ist das Asylgesetz ([X.]) in seiner aktuellen Fassung (derzeit: in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Septem[X.] 2008 , zuletzt geändert durch das während des Revisionsverfahrens am 12. [X.]ezem[X.] 2018 in [X.] getretene [X.]ritte Gesetz zur Änderung des Asylgesetzes vom 4. [X.]ezem[X.] 2018 ). [X.]a es sich um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das [X.] nach § 77 Abs. 1 [X.] regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es diese nunmehr träfe, die während des Revisionsverfahrens in [X.] getretenen Änderungen zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist. [X.]ie hier maßgeblichen Bestimmungen haben sich seit der Entscheidung des O[X.]verwaltungsgerichts allerdings nicht geändert. [X.] sind die anzuwendenden Verfahrensregelungen an der Richtlinie 2013/32/[X.] des [X.] und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und A[X.]kennung internationalen Schutzes ([X.]. [X.]) zu messen, weil der Kläger seinen Antrag nach dem 20. Juli 2015 gestellt hat (Art. 52 Abs. 1 Richtlinie 2013/32/[X.]); in materieller Hinsicht findet die Richtlinie 2011/95/[X.] des [X.] und des Rates vom 13. [X.]ezem[X.] 2011 ü[X.] Normen für die Anerkennung von [X.]sangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes ([X.]. L 337 [X.], [X.]. [X.]. L 167 S. 58) Anwendung.

1. [X.]as angegriffene Urteil verletzt § 29 Abs. 1 Nr. 4 [X.], weil das Berufungsgericht das [X.] zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verpflichtet hat, ohne zuvor zu klären, dass der Asylantrag des [X.] nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 [X.] unzulässig ist. Hierzu hätte mit Blick auf den vom Kläger selbst angegebenen, im Tatbestand des Berufungsurteils erwähnten rund einjährigen Zwischenaufenthalt in der [X.] Veranlassung bestanden.

1.1 Nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der kein Mitgliedstaat der [X.] und [X.]eit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger [X.] gemäß § 27 [X.] betrachtet wird. § 27 [X.] betrifft die Sicherheit vor Verfolgung in einem "sonstigen [X.]", womit in der Terminologie des Asylgesetzes ein Staat außerhalb der [X.] gemeint ist. Hat sich ein Ausländer in einem sonstigen [X.], in dem ihm keine politische Verfolgung droht, vor der Einreise in das [X.] länger als drei Monate aufgehalten, so wird vermutet, dass er dort vor politischer Verfolgung sicher war, es sei denn, er macht glaubhaft, dass eine Abschiebung in einen anderen Staat, in dem ihm politische Verfolgung droht, nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen war (§ 27 Abs. 3 [X.]). [X.]iese Regelung wurde in der Rechtsprechung ursprünglich als Ausdruck einer materiellrechtlichen Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes verstanden ([X.], Urteil vom 8. Februar 2005 - 1 [X.] 29.03 - [X.]E 122, 376 <386 f.>). Schon unter Geltung der Richtlinie 2005/85/[X.] vom 1. [X.]ezem[X.] 2005 ü[X.] [X.] in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und A[X.]kennung der Flüchtlingseigenschaft ([X.]. L 326 S. 13) und noch vor der Umgestaltung des - vormals als [X.] ausgestalteten - § 29 AsylVfG in eine Unzulässigkeitsregelung hat das [X.] § 29 AsylVfG jedoch als Umsetzung des verfahrensrechtlichen Konzepts des [X.] gemäß Art. 25 Abs. 2 Buchst. [X.]. Art. 26 Richtlinie 2005/85/[X.] (dem entsprechen aktuell Art. 33 Abs. 2 Buchst. [X.]. Art. 35 Richtlinie 2013/32/[X.]) betrachtet. [X.]amit war für einen materiell-rechtlichen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsschutzes kein Raum mehr (vgl. [X.], Urteil vom 4. Septem[X.] 2012 - 10 [X.] 13.11 - [X.]E 144, 127 Rn. 16).

1.2 [X.]er Prüfung dieses [X.]es im gerichtlichen Verfahren steht nicht entgegen, dass das [X.] den Asylantrag des [X.] ohne erkennbare Befassung mit [X.] in der Sache (hier teilweise sogar positiv) beschieden hat. Ein Verwaltungsgericht darf im Gegenteil auch in einem solchen Fall einer Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur stattgeben, wenn keiner der in § 29 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 [X.] geregelten (echten) Unzulässigkeitsgründe vorliegt (so [X.]eits [X.], Urteil vom 15. Januar 2019 - 1 [X.] 15.18 - [X.] 2019, 113 <115>; a.A. [X.], Urteil vom 14. Juni 2017 - [X.]/17 - [X.]VBl 2017, 1312 <1317>). [X.]a diese zwingendes Recht sind, sind ihre Voraussetzungen vor jeder stattgebenden Entscheidung von Amts wegen zu prüfen. [X.]ies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) zu dem nach der [X.] gebotenen Umfang der gerichtlichen Kontrolle. [X.]anach ist Art. 46 Abs. 3 Richtlinie 2013/32/[X.] i.V.m. Art. 47 der [X.]harta der Grundrechte der [X.] ([X.]) dahin auszulegen, dass das Erfordernis einer umfassenden Ex-nunc-Prüfung, die sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckt, auch die in Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/[X.] genannten Gründe für die Unzulässigkeit des Antrags auf internationalen Schutz umfassen kann, wenn das nationale Recht dies erlaubt (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juli 2018 - [X.]/16 [[X.]:[X.]:[X.]:2018:584], [X.] - Rn. 119 ff., 130). Wie der Gerichtshof weiter ausgeführt hat, steht auch das gesetzliche Erfordernis, den Ausländer vor der Anwendung der Unzulässigkeitsgründe hierzu persönlich anzuhören (Art. 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Richtlinie 2013/32/[X.], umgesetzt durch § 29 Abs. 2 [X.]), der erstmaligen Prüfung von [X.] im gerichtlichen Verfahren nicht entgegen. Sieht das Gericht Veranlassung, die Zulässigkeit des Asylantrags erstmals infrage zu stellen, ist diese Anhörung vielmehr durch eine persönliche Anhörung des [X.] im gerichtlichen Verfahren zu ersetzen. Bei dieser Anhörung muss das Gericht erforderlichenfalls (entsprechend der Vorgabe des Art. 12 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2013/32/[X.] für die persönlichen Anhörungen durch die [X.]) einen [X.]olmetscher hinzuziehen (vgl. [X.], Urteil vom 25. Juli 2018 - [X.]/16 - Rn. 127 f.).

1.3 Voraussetzung für eine Unzulässigkeit nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ist zum einen, dass es sich bei dem in Betracht gezogenen Staat ü[X.]haupt um einen [X.] handelt. [X.] im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 4, § 27 [X.] bzw. "erster Asylstaat" im Sinne von Art. 33 Abs. 2 Buchst. b, Art. 35 Richtlinie 2013/32/[X.] kann nur ein Staat sein, der sich vom Herkunftsland des Betroffenen unterscheidet (siehe auch [X.], Urteil vom 25. Juli 2018 - [X.]/16 - Rn. 141). Herkunftsland ist bei Staatenlosen das Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b [X.]; vgl. auch Art. 2 Buchst. d und n Richtlinie 2011/95/[X.] sowie Art. 36 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2013/32/[X.]). Zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne der [X.] ist in der Rechtsprechung des [X.]s - vorbehaltlich anderweitiger oder präzisierender Erkenntnisse aus einer Entscheidung ü[X.] das dem [X.] nach Verkündung des vorliegenden Urteils mit Beschluss vom 14. Mai 2019 - [X.] 1 [X.] 5.18 - unterbreitete Vorabentscheidungsersuchen, Vorlagefrage 5 - geklärt, dass ein solcher keinen rechtmäßigen Aufenthalt voraussetzt. Es genügt vielmehr, dass der Staatenlose in dem betreffenden Land tatsächlich seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat, dort also nicht nur vorü[X.]gehend verweilt, ohne dass die zuständigen Behörden aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen ihn einleiten (vgl. näher [X.], Urteil vom 26. Februar 2009 - 10 [X.] 50.07 - [X.]E 133, 203 Rn. 31 ff.).

In materieller Hinsicht muss der [X.] [X.]eit sein, den Ausländer wieder aufzunehmen und diesem eine den Anforderungen des § 27 [X.] i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/[X.] entsprechende Sicherheit zu gewährleisten. [X.]afür genügt nicht allein die in § 27 [X.] erwähnte Sicherheit vor politischer Verfolgung; diese Regelung ist vielmehr in unionsrechtskonformer Auslegung durch die in Art. 35 Richtlinie 2013/32/[X.] an einen "ersten Asylstaat" gestellten Anforderungen in der Auslegung des [X.] zu ergänzen. Nach dieser Vorschrift ist neben der Wiederaufnahme[X.]eitschaft des betreffenden Staates erforderlich, dass der Antragsteller dort als Flüchtling anerkannt wurde und er diesen Schutz weiterhin in Anspruch nehmen darf oder dass ihm in dem betreffenden Staat anderweitig ausreichender Schutz, einschließlich der Beachtung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung, gewährt wird. [X.]anach muss der Betroffene nicht nur die Garantie haben, dass er in dem [X.] wieder aufgenommen wird. Ihm dürfen dort auch weder flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung noch Gefahren drohen, die einen Anspruch auf subsidiären Schutz begründen bzw. die Schwelle des Art. 3 [X.] erreichen. Er muss sich dort in Sicherheit und unter menschenwürdigen Lebensbedingungen so lange aufhalten können, wie es die im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts bestehenden Gefahren erfordern (vgl. ähnlich [X.], Urteil vom 25. Juli 2018 - [X.]/16 - Rn. 140).

2. [X.]as Berufungsgericht, das die vorbezeichneten Fragen nicht geprüft hat, hat keine Feststellungen getroffen, die dem [X.] eine eigene Beurteilung ermöglichen. Allein die im Tatbestand des Berufungsurteils wiedergegebene Angabe des [X.], er habe sich nach seiner am 1. Septem[X.] 2014 erfolgten Ausreise aus [X.] etwa ein Jahr lang in der [X.] aufgehalten, erlaubt für sich genommen noch nicht den Schluss, dass der Kläger seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.] gehabt hat, mit der Folge, dass eine Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 [X.] ausschiede. [X.]em Berufungsgericht ist daher durch Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO Gelegenheit zu geben, die zur Beurteilung dieser Frage erforderlichen Feststellungen nachzuholen. [X.]abei mag in Betracht kommen, zuvor das Ergebnis des vom [X.] dem [X.] unterbreiteten Vorabentscheidungsersuchens abzuwarten, das unter anderem auf eine nähere Bestimmung der unionsrechtlichen Anforderungen an einen gewöhnlichen Aufenthalt zielt (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Mai 2019 - 1 [X.] 5.18 - Vorlagefrage 5). Zudem fehlt es zur Beurteilung der Frage, ob die [X.] [X.]eit ist, den Kläger wieder aufzunehmen, und diesem eine den Anforderungen des § 27 [X.] i.V.m. Art. 35 Richtlinie 2013/32/[X.] entsprechende Sicherheit gewährleistet, bislang an jeglichen tatrichterlichen Feststellungen. Auch insoweit bedarf es daher gegebenenfalls weiterer Sachaufklärung durch das [X.].

3. Führt die gebotene weitere Sachaufklärung zu dem Ergebnis, dass der Asylantrag nicht nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 [X.] unzulässig ist, weil entweder die [X.] infolge einer dortigen Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts kein "[X.]" ist oder weil die [X.] zwar grundsätzlich als [X.] in Betracht kommt, jedoch die materiellen Anforderungen an einen "sonstigen [X.]" im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 4, § 27 [X.] nicht erfüllt, wird das Berufungsgericht bei der dann erneut vorzunehmenden materiellen Antragsprüfung folgendes zu beachten haben:

Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 [X.], wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der [X.] mit Ausnahme des [X.] der [X.] für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt [X.] des Abkommens ü[X.] die Rechtsstellung der Flüchtlinge (im Folgenden: [X.]) genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand a[X.] nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der [X.] endgültig geklärt worden ist, sind § 3 Abs. 1 und 2 [X.] anwendbar (§ 3 Abs. 3 Satz 2 [X.]). [X.]as Hilfswerk der [X.] für [X.] im Nahen Osten ([X.]) fällt derzeit als einzige Organisation in den Anwendungs[X.]eich dieser Bestimmungen, die Art. 1 Abschn. [X.] [X.] sowie Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/[X.] aufgreifen bzw. umsetzen und gerade im Hinblick auf die besondere Lage der - regelmäßig staatenlosen - [X.] geschaffen worden sind, die den Beistand oder Schutz des [X.] genießen (vgl. [X.], Urteile vom 17. Juni 2010 - [X.]/09 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 44 und vom 19. [X.]ezem[X.] 2012 - [X.] [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 48). [X.]ie Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 2 [X.], der an Satz 1 der Vorschrift anknüpft und mit diesem eine Einheit bildet, setzt nicht die Erfüllung der allgemeinen Flüchtlingsmerkmale (§ 3 Abs. 1 [X.], Art. 1 Abschn. A [X.], Art. 2 Buchst. d Richtlinie 2011/95/[X.]) voraus; er enthält vielmehr eine gegenü[X.] § 3 Abs. 1 [X.]/Art. 1 Abschn. [X.] [X.] selbstständige Umschreibung der Flüchtlingseigenschaft ([X.], Urteil vom 4. Juni 1991 - 1 [X.] 42.88 - [X.]E 88, 254 <258 f.>). Liegen die Voraussetzungen dieser Regelung vor, ist einem Antragsteller daher auf seinen Antrag ipso facto die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, ohne dass dieser nachweisen muss, dass er in Bezug auf das Gebiet, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, eine begründete Furcht vor Verfolgung hat (vgl. [X.], Urteile vom 19. [X.]ezem[X.] 2012 - [X.] - Rn. 67, 70 ff., 76 und vom 25. Juli 2018 - [X.]/16 - Rn. 86).

3.1 Für den Fall, dass der Kläger seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.] hatte, dürfte er sich allenfalls noch auf eine - bisher nicht geltend gemachte - Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 [X.] durch die bzw. in der [X.] [X.]ufen können, soweit er dort wiedereinreisen könnte (vgl. insoweit [X.], Urteil vom 22. Februar 2005 - 1 [X.] 17.03 - [X.]E 123, 18 <22 f.>). [X.]ie Zuerkennung der ipso [X.] als staatenloser [X.] gemäß § 3 Abs. 3 [X.] schiede demgegenü[X.] aus.

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die - zunächst zu prüfende - Ausschlussklausel des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/[X.] (umgesetzt durch § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.]) eng auszulegen und nur erfüllt, wenn der Betroffene den Schutz oder Beistand des [X.] tatsächlich in Anspruch genommen hat. Ist eine Person beim [X.] registriert, so ist diese Registrierung grundsätzlich ein ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme seiner Hilfe (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juni 2010 - [X.]/09 - Rn. 51 f.). [X.]iese Vermutung (oder gar Fiktion), dass ein registrierter [X.] den Schutz oder Beistand des [X.] auch tatsächlich in Anspruch nimmt, kann a[X.] wohl jedenfalls dann nicht mehr greifen, wenn der Betroffene seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor der Einreise in die [X.] in einem [X.] hatte, der nicht zum Einsatzgebiet des [X.] zählt. In einem solchen Fall ist der [X.] zum (neuen) Herkunftsland im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] des Betroffenen geworden und kann ihm die Ausschlussklausel des § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] (etwa bei Geltendmachung einer Verfolgung durch den [X.]) nicht mehr entgegengehalten werden. [X.] kann er sich dann a[X.] auch nicht mehr auf den Erwerb einer infolge unfreiwilligen Wegfalls des Beistands bzw. Schutzes von [X.] entstandenen ipso [X.] [X.]ufen (so wohl auch der [X.] [X.], [X.]N[X.]A, Entscheidung vom 2. Novem[X.] 2016, [X.] nº 16011360 [X.]; anders noch [X.], Urteil vom 4. Juni 1991 - 1 [X.] 42.88 - [X.]E 88, 254 <266>).

In diese Richtung weist [X.]eits die Rechtsprechung des [X.], nach der der Grund für den Ausschluss von der Anerkennung als Flüchtling in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 Richtlinie 2011/95/[X.] nicht nur bei den Personen vorliegt, die zurzeit den Beistand des [X.] genießen, sondern auch bei denjenigen, die diesen Beistand kurz vor Einreichung eines Asylantrags in einem Mitgliedstaat tatsächlich in Anspruch genommen haben (vgl. [X.], Urteil vom 19. [X.]ezem[X.] 2012 - [X.] - Rn. 52). [X.]ie Wortfolge "kurz vor Einreichung eines Asylantrags" deutet dabei das Erfordernis eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistands des [X.] und der Asylbeantragung in einem Mitgliedstaat an. Zudem setzt die Annahme einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistands des [X.] offensichtlich den Aufenthalt in dessen Einsatzgebiet voraus.

[X.]afür, dass jedenfalls die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem [X.] außerhalb des [X.] von [X.] vor Einreise in die [X.] eine Anwendung des § 3 Abs. 3 [X.] sperrt, sprechen auch allgemeine flüchtlingsrechtliche Grundsätze. Anknüpfungspunkt der flüchtlingsrechtlichen Prüfung ist bei Staatenlosen das Land des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b [X.], Art. 2 Buchst. d und n Richtlinie 2011/95/[X.]). [X.]em entspricht, dass die Flüchtlingseigenschaft nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. f Richtlinie 2011/95/[X.], umgesetzt durch die Widerrufsregelung in § 73 Abs. 1 Satz 2 [X.], bei Staatenlosen nur erlischt, wenn der Betroffene nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt wurde, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Im Fall der ipso [X.] erfordert das Erlöschen eine Rückkehrmöglichkeit in das Einsatzgebiet des [X.], in dem der gewöhnliche Aufenthalt bestand (vgl. [X.], Urteil vom 19. [X.]ezem[X.] 2012 - [X.] - Rn. 77). Auch wenn unklar bleibt, ob der Gerichtshof den Begriff "Einsatzgebiet des [X.]", mit dem er regelmäßig das komplette staatenü[X.]greifende Mandatsgebiet des [X.] umschreibt (vgl. etwa [X.], Urteil vom 25. Juli 2018 - [X.]/16 - Rn. 7, 131 ff.), hier in demselben oder infolge des einschränkenden Zusatzes "in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte" möglicherweise in einem engeren, auf das konkrete Operationsgebiet ([X.], [X.], [X.], [X.] oder [X.]) bezogenen Sinn verwendet (siehe auch [X.], Beschluss vom 14. Mai 2019 - 1 [X.] 5.18 - Vorlagefrage 4 und Rn. 40 ff.; zur Begrifflichkeit des [X.]s siehe auch Rn. 29), ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass eine Rückkehrmöglichkeit in irgendein Operationsgebiet die Flüchtlingseigenschaft selbst dann noch ausschließen bzw. zum Erlöschen bringen könnte, wenn der Betroffene vor seiner Einreise in einen Mitgliedstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem [X.] außerhalb des [X.]-[X.] hatte.

3.2 Hatte der Kläger hingegen seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt (noch) in [X.], ist ein Erwerb der Eigenschaft als ipso facto-Flüchtling nicht von vornherein ausgeschlossen. Nach den für den [X.] bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ([X.] und 9) ist der Kläger staatenloser [X.]; er hat durch Vorlage einer Registrierungskarte nachgewiesen, dass er beim [X.] als palästinensischer Flüchtling registriert war und im [X.] Lager [X.] betreut wurde. [X.]amit steht grundsätzlich fest, dass er in [X.] den Schutz oder Beistand des [X.] in Anspruch genommen hat. Ob ein rund einjähriger tatsächlicher Zwischenaufenthalt in einem [X.] außerhalb des Einsatzgebiets des [X.] einer Zuerkennung der ipso [X.] nach § 3 Abs. 3 [X.] bzw. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/[X.] wegen Wegfalls des Schutzes oder Beistands der Organisation auch dann entgegensteht, wenn dieser nicht als gewöhnlicher Aufenthalt zu qualifizieren wäre, hängt letztlich davon ab, ob das Erfordernis, dass der Schutz oder Beistand des [X.] "kurz vor Einreichung eines Asylantrags" in einem Mitgliedstaat in Anspruch genommen wurde, eine konstitutive Voraussetzung darstellt und wie diese näher zu konkretisieren ist. Ergibt die wohl dem [X.] zu ü[X.]lassende Klärung, dass ein (nicht gewöhnlicher, a[X.]) längerer tatsächlicher Aufenthalt in einem [X.] außerhalb des [X.]-Einsatzgebiets vor der Einreise einer Zuerkennung der ipso [X.] in der [X.] danach nicht entgegensteht, ist die dann erforderliche weitere Prüfung an folgenden Maßstäben zu orientieren:

a) Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 [X.] greift der in Satz 1 normierte Ausschlussgrund nicht und ist einem Ausländer (bei - hier unproblematischem - Nichtvorliegen von Ausschlussgründen im Sinne von § 3 Abs. 2 [X.]) ohne weiteres die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn ein solcher Schutz oder Beistand (nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/[X.]: aus irgendeinem Grund) nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der [X.] endgültig geklärt worden ist. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es an einer endgültigen Klärung der Lage der [X.], die den Beistand des [X.] genießen, bisher fehlt (siehe auch [X.], Urteil vom 19. [X.]ezem[X.] 2012 - [X.] - Rn. 54).

Für den in § 3 Abs. 3 Satz 2 [X.] vorausgesetzten Schutzwegfall ist nicht erforderlich, dass die [X.], die den Schutz oder Beistand gewährt, in Gänze wegfällt, indem sie etwa aufgelöst wird. Vielmehr ist schon wegen des - in unionsrechtskonformer Auslegung auch im nationalen Recht beachtlichen - Zusatzes "aus irgendeinem Grund" (vgl. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Richtlinie 2011/95/[X.]) davon auszugehen, dass der Grund, aus dem der Beistand nicht länger gewährt wird, auch auf Umständen [X.]uhen kann, die vom Willen des Betroffenen unabhängig sind und ihn dazu zwingen, das Einsatzgebiet des [X.] zu verlassen. [X.]er Beistand oder Schutz wird danach im Sinne dieser Bestimmung nicht länger gewährt, wenn der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets zwingen und somit daran hindern, den vom [X.] gewährten Beistand zu genießen. Ein palästinensischer Flüchtling ist dann als gezwungen anzusehen, das Einsatzgebiet des [X.] zu verlassen, wenn er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dieser Organisation unmöglich ist, ihm in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr ü[X.]tragenen Aufgabe in Einklang stehen ([X.], Urteil vom 19. [X.]ezem[X.] 2012 - [X.] - Rn. 56 bis 61).

aa) Wie sich [X.]eits aus dieser Konkretisierung der Anforderungen an einen Wegfall von Schutz oder Beistand ergibt, ist für die Beurteilung dieser Frage auf den Zeitpunkt des Verlassens des [X.] abzustellen. Zusätzlich muss es dem Betroffenen a[X.] auch in dem nach § 77 [X.] maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des [X.]s unmöglich sein, in das Einsatzgebiet zurückzukehren und sich dem Schutz oder Beistand der [X.] erneut zu unterstellen. [X.]enn nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. f i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/[X.] erlischt die Flüchtlingseigenschaft und ist abzuerkennen bzw. zu widerrufen, wenn der Betroffene nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt wurde, in der Lage ist, in das Einsatzgebiet des [X.] zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (vgl. [X.], Urteil vom 19. [X.]ezem[X.] 2012 - [X.] - Rn. 77). [X.]araus folgt, dass die Möglichkeit, in das [X.]-Einsatzgebiet zurückzukehren, [X.]eits bei der Entscheidung ü[X.] die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus [X.]ücksichtigt werden muss, weil es sinnlos wäre einen Flüchtlingsstatus zuzuerkennen, wenn dieser sofort wieder a[X.]kannt werden müsste (vgl. [X.], in: [X.]/[X.], [X.] Immigration and Asylum Law, [X.], Part [X.] III, Article 12 MN 24; siehe auch [X.], Urteil vom 25. Juli 2018 - [X.]/16 - Rn. 110 ff.).

bb) In räumlicher Hinsicht ist durch den [X.] bislang nicht abschließend geklärt, ob auf das gesamte Mandatsgebiet des [X.] abzustellen ist oder ob es - jedenfalls bei Fehlen eines substantiellen Bezugs des betroffenen [X.]s zu anderen Operationsgebieten - lediglich auf das konkrete Operationsgebiet (hier: [X.]) ankommt. [X.]iese Fragen sind Gegenstand eines dem [X.] nach Erlass des vorliegenden Urteils mit Beschluss des [X.]s vom 14. Mai 2019 - [X.] 1 [X.] 5.18 - (Vorlagefragen 1 und 2) unterbreiteten Vorabentscheidungsersuchens. Jedenfalls innerhalb eines konkreten [X.] kann ein [X.] unter den - entsprechend heranzuziehenden - Voraussetzungen des internen Schutzes nach Art. 8 Richtlinie 2011/95/[X.] auf andere Orte als seinen Herkunftsort verwiesen werden.

cc) In qualitativer Hinsicht umfassen die erforderlichen mandatskonformen Lebensverhältnisse auch die Sicherheit vor Verfolgung (Art. 9 ff. Richtlinie 2011/95/[X.]) und ernsthaftem Schaden (Art. 15 - insbesondere Buchst. c - Richtlinie 2011/95/[X.]). [X.]em steht nicht entgegen, dass das Mandat des [X.] auf [X.] und wirtschaftliche Aufgaben beschränkt ist. [X.]enn die Bereitstellung von Lebensmitteln, Schulunterricht oder Gesundheitsfürsorge hat keinen praktischen Wert, wenn es den Begünstigten infolge einer [X.] nicht zumutbar ist, diese in Anspruch zu nehmen, und deshalb ihre Ausreise aus objektiven Gründen gerechtfertigt ist (vgl. auch Generalanwalt [X.], Schlussanträge vom 17. Mai 2018 - [X.]/16 - Rn. 45). [X.]em entspricht der Hinweis des [X.], dass Schutz oder Beistand durch das [X.] auch voraussetzt, dass die Person sich "in Sicherheit und unter menschenwürdigen Lebensbedingungen" in dem Einsatzgebiet aufhalten kann ([X.], Urteil vom 25. Juli 2018 - [X.]/16 - Rn. 134, 140). An der gegenteiligen früheren Rechtsprechung ([X.], Urteil vom 21. Januar 1992 - 1 [X.] 17.90 - [X.] 402.27 Art. 1 [X.] Nr. 1 S. 8 f.) hält der [X.] nicht fest. [X.]ie vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob der Wegfall des Schutzes [X.]eits dadurch indiziert wird, dass dem Kläger durch den streitgegenständlichen Bescheid wegen der [X.] in [X.] subsidiärer Schutz gewährt worden ist, ist daher jedenfalls dann zu bejahen, wenn für den Schutzwegfall in Ermangelung eines substantiellen Bezugs des [X.] zu anderen Operationsgebieten allein auf [X.] abzustellen ist (ähnlich [X.], Urteil vom 28. Juni 2017 - [X.] S 664/17 - [X.] 2017, 349 <350>, [X.], Urteil vom 15. Juni 2018 - 3 KO 167/18 - juris Rn. 54 und [X.], Beschluss vom 30. Juli 2018 - 3 A 582/17.A - juris Rn. 35; siehe auch BT-[X.]rs. 18/8201 S. 8).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist das O[X.]verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil im Ergebnis ohne Verletzung von Bundesrecht davon ausgegangen, dass der Schutz bzw. Beistand des [X.] dem Kläger im Zeitpunkt des Verlassens [X.]s - und damit auch des [X.] - im Septem[X.] 2014 im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 2 [X.] nicht länger gewährt wurde. Es hat für das Revisionsgericht bindend festgestellt, dass es dem [X.] nicht mehr möglich war, im Lager [X.] mandatskonforme Lebensverhältnisse zu gewährleisten, und dass dem Kläger eine Niederlassung in einem anderen Lager in [X.] nicht zuzumuten war, weil viele [X.]-Einrichtungen in [X.] zerstört oder für das [X.] nicht zugänglich gewesen seien und zu zahlreichen Flüchtlingslagern kein gesicherter Zugang bestanden habe. [X.]ie Beklagte, die dem Kläger wegen der Verhältnisse in [X.] selbst subsidiären Schutz gewährt hat, hat gegenteilige eigene Erkenntnisse im Berufungsverfahren nicht vorgebracht und im Revisionsverfahren auch keine Verfahrensrüge erhoben. [X.]ass im Lager [X.] nach dem Vorbringen der Beklagten noch bis 2015 Versorgungsleistungen erbracht worden sein mögen, hindert nicht die Annahme, dass dem Kläger ein Verbleib dort wegen der festgestellten gravierenden bürgerkriegsbedingten Sicherheitsmängel nicht zuzumuten war.

[X.]as Berufungsgericht hat darü[X.] hinaus festgestellt, dass dem Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise aus [X.] keine Möglichkeit [X.] habe, in anderen Teilen des [X.] den Schutz des [X.] in Anspruch zu nehmen, denn sowohl [X.] als auch der [X.] (als einzige weitere Operationsgebiete, die direkt an [X.] angrenzen) hätten ihre Grenze für palästinensische Flüchtlinge aus [X.] geschlossen. Auch diese Tatsachenfeststellung ist für das Revisionsgericht in Ermangelung einer durchgreifenden Verfahrensrüge der Beklagten nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend; die Revision hat ihre Tragfähigkeit auch im Übrigen nicht hinreichend substantiiert angegriffen. Soweit die Beklagte an den in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] angedeuteten Zweifeln festhalten will, steht es ihr im Übrigen frei, in dem erneuten Berufungsverfahren ihr gegebenenfalls verfügbare anderweitige Erkenntnisse einzuführen oder auf eine weitere Sachaufklärung hinzuwirken. Ist hingegen nach dem Ergebnis des noch durchzuführenden weiteren Berufungsverfahrens an der getroffenen Feststellung festzuhalten, kommt es auf die - unionsrechtlich klärungsbedürftige - Frage, wie weit der in den Blick zu nehmende Bereich des [X.] zu ziehen ist, für den Zeitpunkt des Verlassens nicht an.

[X.]ie Beurteilung, ob ein eventueller Wegfall des durch das [X.] gewährten Schutzes oder Beistands auch noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung der Tatsacheninstanz fortbesteht, wird das Berufungsgericht hingegen jedenfalls in der neu zu treffenden Entscheidung auf aktuellere Erkenntnisquellen zu stützen haben, als sie dem angefochtenen Urteil zugrunde liegen. Erweisen sich in diesem Zusammenhang die dem [X.] unterbreiteten Fragen zum Umfang des bei der [X.] maßgeblichen Gebiets ([X.], Beschluss vom 14. Mai 2019 - 1 [X.] 5.18 - Vorlagefrage 4) als entscheidungserheblich, mag auch aus diesem Grund naheliegen, vor einer erneuten Berufungsentscheidung die Entscheidung des Gerichtshofs abzuwarten.

4. [X.]ie Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Meta

1 C 28/18

25.04.2019

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, 16. Mai 2018, Az: 1 A 679/17, Urteil

§ 27 AsylVfG 1992, § 29 Abs 1 Nr 4 AsylVfG 1992, § 29 Abs 2 AsylVfG 1992, § 3 Abs 3 AsylVfG 1992, § 3 Abs 1 AsylVfG 1992, Art 33 Abs 2 Buchst b EURL 32/2013, Art 34 Abs 1 EURL 32/2013, Art 35 EURL 32/2013, Art 46 Abs 3 EURL 32/2013, Art 11 Abs 1 Buchst f EURL 95/2011, Art 12 Abs 1 Buchst a EURL 95/2011, Art 14 Abs 1 EURL 95/2011, Art 2 Buchst d EURL 95/2011

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.04.2019, Az. 1 C 28/18 (REWIS RS 2019, 7856)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 7856

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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15 A 1089/17 (Verwaltungsgericht Hannover)


Referenzen
Wird zitiert von

AN 17 K 17.34711

Au 4 K 20.30493

29 K 10078/18.A

29 K 1915/19.A

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