Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.11.2018, Az. 26 W (pat) 52/16

26. Senat | REWIS RS 2018, 1132

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "MUT (Wort-Bild-Marke)/MUTTI (Unionswortmarke)" – Warenidentität und -ähnlichkeit - zur Kennzeichnungskraft – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr – keine Verwechslungsgefahr durch gedankliches In-Verbindung-Bringen


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2012 023 029

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Schödel

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag des Beschwerdegegners, der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Wort-/Bildmarke (silber, hellgrau, grau, marine-blau)

Abbildung

2

ist am 30. März 2012 angemeldet und am 11. September 2012 unter der Nummer 30 2012 023 029 in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für Waren der Klassen 16 und 33 sowie der

3

[X.]: alkoholfreie Getränke; Brausepulver und -tabletten für Getränke; alkoholfreie Cocktails; Bier; Biermischgetränke; Essenzen und Präparate für die Zubereitung von Getränken; Fruchtextrakte; Fruchtsäfte; Gemüsesäfte; Molkegetränke; kohlensäurehaltige Wässer sowie Erzeugnisse zur Herstellung von kohlensäurehaltigen Wässern; Limonaden, Limonadensirupe; Malzbier; Mineralwässer; Obstsäfte; Smoothies; Sorbets; unvergorener Most; Nektare; Instantmischungen für Getränke.

4

eingetragen worden.

5

Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 12. Oktober 2012 veröffentlicht worden ist, hat die Beschwerdeführerin aus der Unionswortmarke

6

[X.]TI

7

die am 31. Oktober 2003 angemeldet und am 6. Juni 2005 in das beim [X.] ([X.], vormals: [X.]) geführte Register unter der Nummer 003 492 402 eingetragen worden ist für Waren der

8

Klasse 29: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, [X.]; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette;

9

Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, [X.], Tapioka, Sago, Kaffeeersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brote, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Würzsauce; Kühleis;

[X.]: Biere; Mineralwasser und kohlensäurehaltiges Wasser und andere alkoholfreie Getränke; [X.] und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken,

Widerspruch erhoben, der sich nur gegen die Waren der [X.] richtet.

Mit [X.]üssen vom 12. August 2014 und 14. Januar 2016, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für [X.] des [X.] eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die [X.] seien teilweise identisch oder hochgradig ähnlich. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei normal. Den sich daraus ergebenden überdurchschnittlich strengen Anforderungen an den einzuhaltenden [X.] werde die angegriffene Marke gerecht. Die jüngere Marke werde zwar klanglich durch das [X.] „[X.]“ geprägt. Aber die Abweichungen in [X.] und [X.] seien unüberhörbar. Das Klangbild der zweisilbigen [X.] werde von zwei [X.] gegensätzlicher Klangfarbe bestimmt, nämlich dem dunklen „U“, das wegen des nachfolgenden [X.] „[X.]“ kurz ausgesprochen werde, und dem hellen „I“. Demgegenüber enthalte das einsilbige [X.] der angegriffenen Marke nur den Vokal „U“, der deutlich länger ausgesprochen werde. Die Markenwörter stimmten bei gleicher Betonung weder in der [X.] noch im Sprechrhythmus überein. Angesichts der geringen Länge der sich gegenüberstehenden Wörter sorgten diese Abweichungen für hinreichend verschiedene Gesamtklangbilder. Dies gelte umso mehr, da beide Marken allgemein bekannte, unterschiedliche Begriffe verkörperten, nämlich „Mut“ einerseits und „Mutti" andererseits, wodurch das Erfassen der klanglichen Unterschiede zusätzlich erleichtert werde. In bildlicher Hinsicht bewirke die besondere grafische Ausgestaltung der jüngeren Marke, nämlich die farbige Abbildung eines geöffneten [X.], markante Abweichungen. Zudem sei die unterschiedliche Buchstabenanzahl der [X.] unübersehbar.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Ansicht, die Kollisionsmarken seien phonetisch und visuell hochgradig ähnlich. Die angegriffene Marke sei identisch in der Widerspruchsmarke enthalten. Dabei stimme vor allem der vom Verkehr stärker beachtete Anfang der [X.] überein. Der zusätzliche Vokal „I“ am Ende der Widerspruchsmarke gehe bei schlechten akustischen Bedingungen leicht unter und werde überhört. Bei mündlicher Verwendung sei die Neigung des Verkehrs zu berücksichtigen, die Enden von [X.] zu verkürzen oder zu verschlucken. Deshalb sei von der Rechtsprechung anerkannt, dass Unterschiede in [X.] oft geringes klangliches Gewicht hätten ([X.], 1052, 1053 – [X.]/[X.]; [X.] 1997, 532, 534 – [X.]/[X.]; OLG Bremen WRP 1997, 331, 336 – [X.]/[X.]). Die angegriffene Marke werde nicht zwingend mit einem langgezogenen Vokal in der Mitte betont. Auch schließe das [X.] eines Konsonanten zu einer anderen Silbe die klangliche Ähnlichkeit nicht aus ([X.], 924, 925 – salvent/Salventerol). Die bildliche Ausgestaltung des [X.] präge die jüngere Marke nicht. Der maßgebliche schriftbildliche Vergleich der Wortbestandteile ergebe, dass die angegriffene Marke drei von fünf Buchstaben der Widerspruchsmarke übernehme. Da die Waren der [X.] vom relevanten Verbraucher üblicherweise in Supermärkten und daher regelmäßig „auf Sicht“ gekauft würden, komme der optischen und semantischen Bedeutung eine weitaus wichtigere Rolle zu ([X.] (pat) 104/02 [X.]. 12 mit Verweis auf [X.], [X.]. v. 1. Oktober 1998 – [X.] 28/96).

Die Widersprechende beantragt,

die [X.]üsse der Markenstelle für [X.] des [X.] vom 12. August 2014 und vom 14. Januar 2016 aufzuheben und das [X.] anzuweisen, die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 003 492 402 zu löschen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Er beantragt in seinem Schriftsatz vom 23. November 2018,

die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, die Vergleichsmarken unterschieden sich phonetisch, visuell und begrifflich deutlich voneinander.

Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 26. Juni 2018 unter Beifügung von [X.] (Anlagen 1 bis 2b, [X.] 36 – 40 [X.]) auf die vorläufige Auffassung des Senats hingewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zwischen der angegriffenen Marke und der [X.] besteht keine Gefahr von Verwechslungen gemäß §§ 125b Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; [X.], 356 [X.]. 45 f. – [X.]/[X.] [[X.]/[X.]]; [X.] [X.] 2018, 79 [X.]. 9 – [X.]/[X.] Club m. w. N.).

1. Ausgehend von der maßgeblichen [X.] sind die Vergleichsmarken in [X.] fast ausschließlich für identische Waren geschützt. Hinsichtlich der „Biermischgetränke“ besteht eine weit überdurchschnittliche Ähnlichkeit.

Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen ([X.], 356 [X.]. 65 – [X.]/[X.] [[X.]/[X.]]; [X.] [X.] 2014, 488 [X.]. 12 – [X.]/[X.]; [X.], 176, 177 [X.]. 16 – [X.]). Von einer absoluten Warenunähnlichkeit kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Annahme einer Verwechslungsgefahr trotz (unterstellter) Identität der Marken wegen des Abstands der Waren von vornherein ausgeschlossen ist ([X.] a. a. O. – [X.]/[X.]; a. a. [X.]. 17 – [X.]).

a) Die Waren der angegriffenen Marke in [X.]

sind identisch im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthalten.

b) Die Produkte

c) Die Waren

d) „

e) Die für die jüngere Marke beanspruchten Produkte

gehören zu den Widerspruchswaren „

f) Das von der angegriffenen Marke beanspruchte „

g) „

h) Bei „

2. Mit den überwiegend identischen und teilweise weit überdurchschnittlich ähnlichen Waren werden über den Lebensmittel- und Getränkefachhandel hinaus breite Verkehrskreise, insbesondere auch der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, angesprochen. Der Verkehr bringt Marken beim Erwerb von Bieren, alkoholfreien Getränken und sonstigen Lebensmitteln des täglichen Bedarfs, da sie nur einen verhältnismäßig geringen Preis haben, regelmäßig eher unterdurchschnittliche Aufmerksamkeit entgegen (BPatG 26 W (pat) 92/13 – [X.]/CARIB).

3. Die Unionswiderspruchswortmarke „[X.]TI“ verfügt über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

a) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] [X.] 2010, 1096 [X.]. 31 – BORCO/[X.] [Buchst. a]; [X.] [X.] 2017, 75 [X.]. 19 – [X.]). Dabei ist auf die Eigenart der Marke in Klang, Bild und Bedeutung abzustellen. Diese Eignung fehlt oder ist zumindest erheblich eingeschränkt, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist oder sich an eine für die fraglichen Waren und/oder Dienstleistungen beschreibende Angabe anlehnt ([X.] WRP 2015, 1358 [X.]. 10 – [X.]/[X.]solar; [X.], 1040 [X.]. 30 f. – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen, ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen ([X.] a. a. O. – [X.]).

„Mutti“ bezeichnet im familiären Umfeld die „Mutter“ oder umgangssprachlich eine „mütterlich, hausfraulich wirkende (Ehe)frau“ (www.duden.de). Eine für die fraglichen Waren beschreibende Angabe kann dem Begriff „[X.]TI“ nicht entnommen werden (vgl. auch 27 W (pat) 189/09 – [X.]). Die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden [X.] sind weder in ihrer Beschaffenheit auf die besonderen Bedürfnisse von Müttern zugeschnitten, noch eignen sie sich besonders zur Ernährung von stillenden Müttern oder Schwangeren oder richten sich aus anderen Gründen an die Zielgruppe der Mütter.

b) Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

4. Die jüngere Marke hält bei überwiegend identischen und teilweise weit überdurchschnittlich ähnlichen [X.], eher geringem Aufmerksamkeitsgrad und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft wegen weit unterdurchschnittlicher Zeichenähnlichkeit den gebotenen [X.] ein.

a) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamteindruck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente ([X.] [X.] 2013, 922 [X.]. 35 – [X.]/Asda; [X.] [X.] 2013, 833 [X.]. 30 – Culinaria/[X.]), wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. [X.] [X.] 2004, 428, [X.]. 53 – [X.]; [X.] [X.] 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. [X.] [X.] 2005, 1042 [X.]. 28 f. – [X.] LIFE; [X.] a. a. [X.]. 37 – [X.]/[X.] Club m. w. N.; [X.], 64 [X.]. 14 – Maalox/[X.]). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen.

Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im ([X.], im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten [X.] (vgl. [X.] [X.], 413 [X.]. 19 – [X.]/SIR; [X.] [X.] 2016, 382 [X.]. 37 – BioGourmet).

Abbildung[X.]TI“ sehr deutlich durch die grafische Ausgestaltung der jüngeren Marke.

c) Eine (schrift-)bildliche Ähnlichkeit scheidet aufgrund der auffälligen Bildelemente nahezu aus. Sie bestehen aus einem silbergrau gepunkteten, geöffneten weiblichen Mund sowie marine-blaue, vertikal angeordnete, atypisch nur von unten nach oben lesbare Buchstaben des [X.]s.

d) In klanglicher Hinsicht besteht eine weit unterdurchschnittliche Ähnlichkeit.

aa) Bei der Feststellung des klanglichen Gesamteindrucks einer Wort-/Bildmarke ist von dem in ständiger Rechtsprechung anerkannten Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil – sofern er kennzeichnungskräftig ist – den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (vgl. [X.] [X.] 2014, 378 [X.]. 39 – [X.]). Zudem ist für den phonetischen [X.] maßgeblich, wie die Marken von den angesprochenen Verkehrskreisen mündlich wiedergegeben werden, wenn sie die Marke in ihrer registrierten Form vor sich haben. Die klangliche Wiedergabe kann dabei auch durch die grafische Gestaltung der Marke beeinflusst werden. Schließlich kann sich eine Ausnahme von dem Grundsatz „Wort vor Bild“ ergeben, wenn die grafische Ausgestaltung durch ihren Umfang und ihre kennzeichnende Wirkung die Marke derart beherrscht, dass das Wort kaum mehr beachtet wird; in diesem Fall kann es gerechtfertigt sein, dem Bild auch bei der mündlichen Benennung der Marke den Vorrang einzuräumen (vgl. [X.] [X.] 1959, 599 – Teekanne; [X.], 124 – [X.]; [X.] (pat) 77/09 – [X.]/Mädchen). Von einer solchen Ausnahme ist vorliegend jedoch nicht auszugehen.

bb) Jedenfalls handelt es sich bei dem in der jüngeren Marke enthaltenen Wortbestandteil „Mut“ um eine schutzfähige, normal kennzeichnungskräftige Angabe, so dass dem Wort die Eignung zur Prägung nicht aus normativen Gründen abgesprochen werden kann.

„Mut“ ist die „Fähigkeit, in einer gefährlichen, riskanten Situation seine Angst zu überwinden“, „Furchtlosigkeit angesichts einer Situation, in der man Angst haben könnte“ oder die „(grundsätzliche) Bereitschaft, angesichts zu erwartender Nachteile etwas zu tun, was man für richtig hält (www.duden.de). Für die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren hat das [X.] keinen unmittelbar beschreibenden Aussagegehalt.

cc) Somit stehen sich phonetisch die Wortbestandteile „[X.]“ und „[X.]TI“ gegenüber.

Zwar ist das [X.] der jüngeren Marke am stärker beachteten Wortanfang in der Widerspruchsmarke identisch enthalten. Aber die Unterschiede in der [X.], bei der [X.], beim Sprechrhythmus und im Sinngehalt heben diese Übereinstimmung (fast) vollständig auf.

Die zweisilbige [X.] wird von zwei [X.] mit gegensätzlicher Klangfarbe bestimmt, nämlich dem dunklen „U“, das wegen des nachfolgenden [X.] „[X.]“ kurz ausgesprochen wird, und dem hellen „I“ [ˈmʊti]. Demgegenüber enthält das einsilbige [X.] der angegriffenen Marke nur den Vokal „U“, der deutlich länger ausgesprochen wird [muːt].

Bei dem [X.] der älteren Marke handelt es sich um einen bei Wahrnehmung der Marke kaum überhörbaren Selbstlaut, der selbst bei ungünstigeren Übermittlungsbedingungen oder etwas undeutlicherer Aussprache der klanglich leicht erfassbaren Wörter gut vernehmbar bleibt, zumal es sich bei „[X.]“ um ein Kurzwort und bei „[X.]TI“ mit nur fünf Buchstaben ebenfalls um ein relativ kurzes Wort handelt, die durch Abweichungen in einzelnen Lauten stärker beeinflusst werden als längere Markenwörter ([X.] (pat) 87/05 – [X.]/SIR).

[X.]) Auch aus der im Allgemeinen eher unsicheren Erinnerung heraus wird der inländische Verkehr die Marken klanglich auseinanderhalten können. Denn beide Marken weisen jeweils einen für den [X.] Verkehr ohne weiteres Nachdenken sofort erkennbaren Begriffsgehalt auf, nämlich „Mut“ einerseits und „Mutti“ andererseits,

Unabdingbare Voraussetzung für eine relevante Reduzierung der Verwechslungsgefahr durch einen abweichenden Sinngehalt ist nämlich, dass der Sinngehalt vom Verkehr auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfasst wird und sein Verständnis keinen weiteren Denkvorgang erfordert (st. Rspr: [X.], [X.]. v. 15. Januar 2010, – [X.]/08 [X.]. 57 – [X.]/[X.]; [X.] [X.] 2000, 605, 607 – comtes/[X.]; [X.], 130, 132 – [X.]/[X.]). Bei abweichendem Begriffsgehalt werden schriftbildliche und klangliche Unterschiede von [X.] vom Leser oder Hörer wesentlich schneller und besser erfasst, so dass es gar nicht zu einer Verwechslung kommt ([X.] [X.] Int 2009, 397, 402 [X.]. 98 – [X.]/[X.]; [X.], 413, 415 [X.]. 35 – SIR/[X.]; [X.], 237, 238 [X.]. 20 – PICARO/[X.]; [X.] [X.] 2010, 235 [X.]. 19 – [X.]/AIDU).

Wenn man – nach der Ansicht der Widersprechenden – einen regelmäßigen Kauf auf Sicht unterstellte, würde eine etwaige relevante klangliche Ähnlichkeit durch die Abweichungen im Bild noch weiter reduziert.

e) Eine begriffliche Ähnlichkeit besteht ebenfalls nicht, weil, wie gerade eingehend erörtert, beide Kollisionsmarken jeweils klar verständliche, unterschiedliche Bedeutungen haben.

Soweit die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung behauptet hat, dass „Mut“ im alten [X.] der Name der als [X.] verehrten Gemahlin des Pharao und künftige Mutter des Thronfolgers gewesen sei und sich die Bedeutung „Mutter“ davon abgeleitet habe, weshalb zwischen den Vergleichsmarken eine Ähnlichkeit im Sinngehalt vorliege, ist dem entgegenzuhalten, dass dieser Umstand, unterstellt, er träfe zu, keinem der angesprochenen Verkehrskreise geläufig sein dürfte.

Aus den vorstehenden Gründen besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke nicht die Gefahr unmittelbarer Verwechslungen.

5. Für die Gefahr einer Verwechslung der Marken durch gedankliches In-Verbindung-Bringen bieten die beiderseitigen Marken keinerlei Anhaltspunkte.

Es fehlt bereits an einer identischen oder ähnlichen Aufnahme der Widerspruchsmarke in die jüngere Marke. Aufgrund des bekannten Gesamtbegriffs „Mutti“ hat „Mut“ in der älteren Marke auch keine selbständig kennzeichnende Stellung inne.

6. Die von der Widersprechenden angeführten Entscheidungen rechtfertigen keine andere Beurteilung.

a) Im Verfahren [X.], 1052, 1053 – [X.]/[X.] bestand im Gegensatz zum vorliegenden Fall eine nahezu vollkommene klangliche Übereinstimmung.

b) In den Verfahren [X.], 924, 925 – salvent/Salventerol; [X.] 2002, 1067 – [X.]/[X.]; [X.] (pat) 104/02 – [X.]/HH; [X.], 612 – Seniorität; [X.] 1997, 532, 534 – [X.]/[X.]; OLG Bremen WRP 1997, 331, 336 – [X.]/[X.]) fehlte es im Gegensatz zum vorliegenden Fall an einem abweichenden Sinngehalt der Vergleichsmarken.

[X.]

Der Kostenantrag des Beschwerdegegners, der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, hat keinen Erfolg.

Nach § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.] gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt. Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] kann das [X.] die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Hierzu bedarf es stets besonderer Umstände ([X.] [X.] 1972, 600, 601 – [X.]; [X.] 1996, 399, 401 – Schutzverkleidung). Solche Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten [X.] aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse am Erhalt oder Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht und dadurch dem [X.] vermeidbare Kosten aufbürdet (vgl. BPatG 27 W (pat) 40/12 - mcpeople/[X.]; [X.] 12, 238, 240 - [X.]/[X.]). Dabei ist stets ein strenger Maßstab anzulegen, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Kostentragung aus Billigkeitsgründen nur ausnahmsweise bei einem sorgfaltswidrigen Verhalten in Betracht kommt. Demnach ist auch der Verfahrensausgang in der Hauptsache für sich genommen kein Grund, einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen ([X.] a. a. O. – [X.]; a. a. O. – Schutzverkleidung).

Ein solcher Fall ist angenommen worden, wenn trotz ersichtlich fehlender Ähnlichkeit der Marken oder der Waren und/oder Dienstleistungen Widerspruch erhoben wird ([X.] 23, 224, 227).

Vorliegend sind die Waren überwiegend identisch, und auch die Zeichenähnlichkeit kann nicht gänzlich verneint werden. Daher wird kein Anlass zur beantragten Kostenauferlegung gesehen. Gründe sind zudem nicht vorgetragen worden.

Meta

26 W (pat) 52/16

28.11.2018

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.11.2018, Az. 26 W (pat) 52/16 (REWIS RS 2018, 1132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1132

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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