Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 12.03.2019, Az. 1 Ws 111/19

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 9475

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Tenor

Der Jugendhauptschöffe E wird seines Amtes enthoben.

Gründe

Die Vorsitzende des Jugendschöffenausschusses (§§ 40 Abs. 2 GVG, 35 Abs. 4 JGG) des Amtsgerichts Essen hat am 24.01.2019 beantragt, den Jugendhauptschöffen H seines Amtes zu entheben, weil dieser seine Amtspflichten gröblich verletzt habe. Der Jugendhauptschöffe hatte zuvor mit Schreiben vom 03.12.2018 auf seine Mitgliedschaft in der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) sowie mit Schreiben vom 06.12.2018 auf seine Mitgliedschaft in der „National Demokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) hingewiesen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer dem Jugendhauptschöffen zur Stellungnahme übermittelten Antragsschrift vom 18.02.2019 eine Amtsenthebung des Schöffen befürwortet und zu dem Antrag auf Amtsenthebung u. a. Folgendes ausgeführt:

„Der Jugendhauptschöffe H ist auf Antrag der Vorsitzenden des Jugendschöffenausschusses des Amtes zu entheben, weil er seine Amtspflichten gröblich verletzt hat (§ 51 Abs. 1 GVG).

Eine gröbliche Verletzung der Amtspflichten kann bei Mitgliedschaft in einer Partei bzw. Organisation, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, anzunehmen sein (zu vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, § 51 GVG Rdnr. 2 m.w.N.).

Der Schöffe H hat ausgeführt, er sei Mitglied der „National Demokratischen Partei Deutschlands“ (NPD). Hinsichtlich deren Ablehnung der freiheitlich demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführlichen Ausführungen der Vorsitzenden des Jugendschöffenausschusses in ihrer Zuschrift vom 24.01.2019 (Bl. 16 ff. d.V.) Bezug genommen.

Im Hinblick darauf, dass ehrenamtliche Richter einer besonderen Pflicht zur Verfassungstreue unterliegt, haben die Landesjustizverwaltungen streng darauf zu achten, dass zum ehrenamtlichen Richter nur Personen ernannt werden dürfen, die die Gewähr dafür bieten, dass sie die ihnen von Verfassungs und Gesetzes wegen obliegenden, durch den Eid bekräftigten richterlichen Pflichten jederzeit uneingeschränkt erfüllen (zu vgl. BVerfG NJW 2008, 2568).

Bei dem Jugendhauptschöffen H ist dies aufgrund seiner Mitgliedschaft in der NPD nicht der Fall, er ist daher auf den Antrag der Vorsitzenden des Jugendschöffenausschusses seines Amtes zu entheben.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung. Auch nach Auffassung des Senats kommt als gröbliche Pflichtverletzung im vorgenannten Sinn insbesondere die Mitgliedschaft in einer Partei in Betracht, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, aber nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verboten ist (vgl. BR-Drucks. 539/10 S. 21; Degener in: SK-StPO, 5. Aufl., § 51 GVG Rn. 1; Gittermann in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 51 GVG Rn. 4; Duttge/Kangarani in: Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl., § 51 GVG Rn. 1; Goers in: BeckOK GVG, 1. Ed. (1.9.2018), § 51 Rn. 11; a.A. LAG Hamm, MDR 1993, 55 zum ArbGG; Schuster in MK-StPO, 1. Aufl., § 51 GVG Rn. 4; Adams in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl., § 22 Rn. 27); zumindest dies gilt dann, wenn diese Verfassungsfeindlichkeit vom Bundesverfassungsgericht - wie hinsichtlich der NPD mit Urteil vom 17.01.2017 - 2 BvR 1/13 – (juris) erfolgt - festgestellt worden ist (vgl. zu dieser Einschränkung Duttge/Kangarani in: Dölling/Duttge/König/Rössner, a.a.O.). Der Jugendhauptschöffe H war daher nach § 51 Abs. 1 GVG seines Amtes zu entheben.

Meta

1 Ws 111/19

12.03.2019

Oberlandesgericht Hamm 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: Ws

Zitier­vorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 12.03.2019, Az. 1 Ws 111/19 (REWIS RS 2019, 9475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9475

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