Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2016, Az. StB 24/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 16653

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[X.]:[X.]:BGH:2016:040216BSTB24.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS

StB 24/14
vom
4. Februar 2016
in dem Strafverfahren
gegen

wegen [X.]
hier:
sofortige Beschwerde der Psychologischen Psychotherapeutin Dr.

S.

gegen die Entscheidung des [X.] vom 18.
Februar 2014

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie der Beschwerdeführerin
am 4.
Februar 2016 gemäß §
101 Abs.
7 Satz 3, §
304 Abs.
4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr.
1 [X.] beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Ent-scheidung des [X.] vom 18.
Februar 2014 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des [X.] zu tragen.

Gründe:
I.
Der Ermittlungsrichter des [X.] ordnete in dem gegen den Beschuldigten gerichteten Ermittlungsverfahren, das u.a. wegen des [X.] des [X.] geführt wurde, mit Beschlüssen vom 7.
April 2008 ([X.].: 4 [X.] 1/2008), 3.
November 2008 ([X.].: 4 [X.] 3/2008) und 3.
Dezember 2008 ([X.].: 4 [X.] 4/2008) die Überwachung der Telekommunikation u.a. an dem [X.]

in der [X.] vom 8.
April 2008 bis zum 7.
Juni 2008 sowie vom 3.
November 2008 bis zum 3.
Februar 2009 an. Auf dieser Grundlage wurden zwischen dem überwachten [X.] und dem [X.] der Beschwerdeführerin insgesamt 14 Telekommunikationsereignisse aufge-zeichnet. Hiervon benachrichtigte der [X.] die Beschwerde-führerin mit Schreiben vom 17.
Dezember 2010.
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Auf den Antrag der Beschwerdeführerin nach §
101 Abs.
7 Satz 2 [X.] hat das [X.] in seinem Urteil vom 18.
Februar 2014 festgestellt, dass die angefochtenen [X.] rechtmäßig angeordnet und in rechtmäßiger Art und Weise voll-zogen worden seien. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin form-
und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt, soweit die Art und [X.] des Vollzugs der Überwachungsmaßnahmen für rechtmäßig erklärt worden sind. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie habe die Gespräche in ihrer beruf-lichen Eigenschaft als Psychologische Psychotherapeutin geführt. Ohne inso-weit Einzelheiten darzulegen, hat sie weiter vorgetragen, in sämtlichen Gesprä-chen sei der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung der Gesprächspartne-rinnen betroffen gewesen, so dass die Aufzeichnungen sofort hätten gelöscht werden müssen.

II.
Die gemäß §
101 Abs.
7 Satz 3, §
304 Abs.
4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr.
1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Die Art und Weise des Vollzugs der verfahrensgegenständlichen Überwachungsmaßnahmen ist nicht zu beanstanden; insbesondere mussten die diesbezüglichen Aufzeichnungen nicht unverzüglich gelöscht werden.
1. Eine solche Pflicht zur Löschung ergab sich zunächst nicht aus §
100a Abs.
4 Satz 3 [X.]; denn durch die verfahrensgegenständlichen Über-wachungsmaßnahmen wurden entgegen dem pauschalen Beschwerdevor-bringen keine Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt.
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Ob eine Information diesem Kernbereich zuzuordnen ist, hängt davon ab, in welcher Art und Intensität sie aus sich heraus die Sphäre Einzelner oder Belange der [X.] berührt. Maßgebend sind die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles. Zum Kernbereich gehören dabei etwa Äußerungen in-nerster Gefühle oder Ausdrucksformen der Sexualität (vgl. etwa [X.],
Beschluss vom 7.
Dezember 2011 -
2 BvR 2500/09 u.a., [X.], 907, 908 mwN).
Das [X.] hat den Inhalt der überwachten Telefonate in der angefochtenen Entscheidung wie folgt zutreffend zusammengefasst (UA S.
290 f.):
"Zwischen dem [X.] der Antragstellerin Dr. S.

und dem überwachten [X.] des Angeklagten sind insgesamt 14 Telekom-munikationsereignisse aufgezeichnet worden ([X.], lfd. [X.]. 278, 286, 287, 289, 644, 646, 810, 898, 984, 986 und 1126, [X.], lfd. [X.]. 260, 306 und 307), wobei [X.] die Antrag-stellerin Dr. S.

einerseits und die Ehefrau des Angeklagten und zwei seiner Töchter andererseits waren. In sechs Fällen ([X.], lfd. [X.]. 278, 286, 644, 984, [X.], lfd. [X.]. 260
und
306) sind keine Gespräche zustande gekommen. Soweit in fünf dieser Fälle Nachrich-ten auf dem Anrufbeantworter hinterlassen wurden, enthalten diese keine zum Kernbereich privater Lebensgestaltung zählenden Informati-onen. In diesen Gesprächen ging es um die Festnahme des Angeklag-ten, die bei diesem durchgeführte Durchsuchung und die Suche nach einer Rechtsanwältin / einem Rechtsanwalt ([X.] lfd. [X.].
287, 289), um organisatorische Fragen, die Besuche beim Angeklagten in der Haft betrafen und um die Suche nach Entlastungszeugen ([X.], lfd. [X.], 810, 986), seine Entlassung aus der Auslieferungshaft ([X.], lfd. [X.]) und die Befürchtung, dass
der [X.] des Angeklagten abgehört werde ([X.], lfd. [X.]. 986, 1126). In einem Fall wurde ein Termin vereinbart ([X.], lfd. [X.]). In drei Ge-sprächen wird auch über das Befinden der Töchter gesprochen (lfd. Nr. [X.] 898, 986, [X.] 1126).
Dabei handelt es sich aber lediglich um allgemeine Erkundigungen nach dem Wohlbefinden und nicht um psychotherapeutische Gespräche."
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Danach sind die oben dargelegten hohen Anforderungen ersichtlich nicht erfüllt.
2. Ein Löschungsgebot folgt auch nicht
aus §
160a [X.].
Die Antragstellerin gehört als Psychologische Psychotherapeutin nicht zum Kreis der Berufsgruppen, die von dem ein absolutes Beweiserhebungs-
und -verwertungsverbot anordnenden §
160a Abs.
1 [X.] umfasst werden. Da sie nach §
53 Abs.
1 Satz 1 Nr. 3 [X.] zur Verweigerung des Zeugnisses [X.] war, ist vielmehr §
160a Abs.
2 [X.] anwendbar. Dieses enthält ein von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall abhängiges und damit rela-tives Beweiserhebungs-
und -verwertungsverbot ([X.], Beschluss vom 12.
Oktober 2011 -
2 BvR 236/08 u.a., [X.], 833, 841). [X.] ist dabei das Interesse der Allgemeinheit, gegebenenfalls auch des Opfers, an einer wirksamen Strafrechtspflege gegen das öffentliche Interesse an den von dem Berufsgeheimnisträger wahrgenommenen Aufgaben und das individuelle Interesse an der Geheimhaltung der ihm anvertrauten oder bekannt geworde-nen Tatsachen ([X.]/[X.], [X.], 58.
Aufl., §
160a Rn.
9a mwN). Eine §
160a Abs.
1 Satz 3 [X.] entsprechende Regelung
über ein Löschungs-gebot ist in dem Regelungsgefüge des §
160a Abs.
2 [X.] nicht vorgesehen.
Es kann dahinstehen, ob eine solche Löschungsverpflichtung über den Wortlaut der Norm hinaus anzunehmen ist, wenn die bei der Verhältnismäßig-keitsprüfung vorzunehmende Abwägung zu dem Ergebnis führt, dass erhobene Beweise im weiteren Verfahren nicht verwertet werden dürfen. Denn ein [X.] bestand im vorliegenden Fall nicht. Der Beschuldigte war der Begehung eines [X.] und damit einer der
schwersten Strafta-ten, die die nationale und internationale Rechtsordnung kennen, verdächtig. An der Aufklärung eines derart schwerwiegenden Delikts bestand ein überragend 7
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hohes Interesse sowohl der Allgemeinheit als auch der zahlreichen unmittelba-ren Opfer bzw. der diesen nahestehenden und damit mittelbar betroffenen Per-sonen. Dies gilt auch, wenn man bedenkt, dass das dem Beschuldigten zur Last gelegte Geschehen schon einige [X.] zurück lag und sich nicht in [X.] sondern in [X.] ereignete. Demgegenüber ist mit Blick auf die ganz überwiegend belanglosen Inhalte der Telefonate und die sonstigen Umstände, unter denen diese stattfanden, das berechtigte Interesse der Beschwerde-führerin und ihrer Gesprächspartnerinnen an der Geheimhaltung der Kommuni-kation als eher gering einzuschätzen.
[X.] Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet

sich im Urlaub und ist daher

gehindert zu unterschreiben.

[X.]

Meta

StB 24/14

04.02.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2016, Az. StB 24/14 (REWIS RS 2016, 16653)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16653

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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