Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.05.2011, Az. VIII ZR 42/10

8. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6805

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TEILURTEIL RUHEN DES VERFAHRENS

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Gegenstand

Teilurteil: Berücksichtigung der Unzulässigkeit in der Revisionsinstanz; Erlass nach Abtrennung und Ruhendstellung eines Verfahrensteils


Leitsatz

1. Der Erlass eines unzulässigen Teilurteils stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Aufgabe von BGH, Urteil vom 18. Dezember 1954, II ZR 76/54, BGHZ 16, 71; BGH, Urteil vom 22. März 1991, V ZR 16/90; BGH, Urteil vom 6. März 1996, VIII ZR 212/94; vom 17. Mai 2000, VIII ZR 216/99) .

2. Hat das Gericht hinsichtlich eines abtrennbaren Teils des Rechtsstreits auf übereinstimmenden Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet, ist ein Teilurteil über den übrigen Teil des Rechtsstreits wegen der bei erneuter Aufnahme des Verfahrens bestehenden Gefahr einer abweichenden Entscheidung nicht zulässig .

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Kläger und der Beklagten werden das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 26. Januar 2010 in der Fassung des [X.] vom 10. März 2010 - auch im Kostenpunkt - und das Teilurteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 6. Mai 2008 in der Fassung des [X.] vom 9. Mai 2008, soweit dieses die [X.] betrifft, aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen.

2

Die Kläger werden als Endverbraucher von dem beklagten Energieversorgungsunternehmen [X.] mit Erdgas versorgt. Die Vertragsverhältnisse zwischen den Klägern und der Beklagten wurden durch Verwendung von den Klägern unterzeichneter Vertragsformulare begründet.

3

Die Beklagte erhöhte zum 1. Juli 2005 ihren - mengenabhängigen - Arbeitspreis um 0,56 Cent/kWh (netto), zum 1. Januar 2006 um weitere 0,51 Cent/kWh (netto) sowie zum 1. Mai 2006 nochmals um 0,295 Cent/kWh (netto). Eine weitere Preisanhebung erfolgte zum 1. April 2008.

4

Die Kläger sind der Auffassung, der Beklagten stehe ihnen gegenüber kein Recht zur einseitigen Preiserhöhung zu. Sie begehren die Feststellung, dass die jeweils zwischen den Klägern und der Beklagten bestehenden Gasversorgungsverträge über den 30. Juni 2005 hinaus unverändert - von der Erhöhung der Mehrwertsteuer abgesehen - zu den ab 1. Oktober 2004 geltenden Preisen fortbestehen. Nachdem sich die Klage zunächst nur auf die Preisanpassungen zum 1. Juli 2005, 1. Januar 2006 und 1. Mai 2006 bezogen hat, haben die Kläger im Verhandlungstermin vor dem [X.] auch die Preisanpassung vom 1. April 2008 zum Gegenstand ihres Feststellungsbegehrens gemacht.

5

Das [X.] hat die Klage - mit Ausnahme der Erhöhung zum 1. April 2008 - durch Teilurteil abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben 21 der 418 Kläger Berufung eingelegt. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Teilurteils hat das [X.] auf Antrag beider Parteien das Ruhen des Verfahrens bezüglich des noch bei ihm anhängigen Teils des Rechtsstreits bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über das Teilurteil angeordnet.

6

Auf die Berufung der Kläger hat das [X.] das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision hat Erfolg.

I.

8

Das Berufungsgericht ([X.], [X.], 230) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

9

Das [X.] habe durch Teilurteil entscheiden dürfen. Die erhobene Feststellungsklage sei zulässig, weil die Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung hätten, dass die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen unwirksam seien.

Die Klage sei auch begründet, weil die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen weder unmittelbar auf § 4 Abs. 2 [X.] noch auf Allgemeine Geschäftsbedingungen noch auf eine ergänzende Vertragsauslegung gestützt werden könnten. Die [X.] sei nicht als Rechtsvorschrift auf den Gasversorgungsvertrag der Parteien anzuwenden, weil die Kläger nicht [X.] im Sinne des § 1 Abs. 2 [X.] seien.

[X.].

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Das angefochtene Urteil leidet an einem Verfahrensmangel, denn der Erlass eines [X.] (§ 301 ZPO) durch das [X.] war unzulässig. Das Berufungsgericht hätte daher gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO auch ohne entsprechenden Antrag (§ 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO) das erstinstanzliche Urteil aufheben und die Sache an das [X.] zurückverweisen müssen.

1. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf auch bei der grundsätzlichen Teilbarkeit des Streitgegenstandes ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen [X.] geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 26. April 1989 - [X.], [X.]Z 107, 236, 242; vom 10. Oktober 1991 - [X.], [X.], 511 unter [X.]; vom 4. Februar 1997 - [X.], NJW 1997, 1709 unter [X.]; vom 4. Oktober 2000 - [X.], [X.], 106 unter [X.]; vom 25. November 2003 - [X.], NJW 2004, 1452 unter [X.] 1 a; vom 7. November 2006 - [X.], NJW 2007, 156 Rn. 12; vom 19. November 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 494 Rn. 14 f.; vom 16. Juni 2010 - [X.], [X.], 944 f.).

Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind ([X.], Urteile vom 28. November 2003 - [X.], [X.]Z 157, 133, 142 f.; vom 7. November 2006 - [X.], aaO; vom 16. Juni 2010 - [X.], aaO).

Dies ist hier der Fall. Bei einer späteren Aufnahme des noch beim [X.] anhängigen Teils des Rechtsstreits wird erneut über die Frage zu befinden sein, ob ein Preisanpassungsrecht der Beklagten besteht. Insoweit besteht die Gefahr, dass das Gericht bei einem späteren Urteil - sei es auf Grund neuen Vortrags, sei es auf Grund geänderter Rechtsauffassung ([X.], Urteil vom 28. Januar 2000 - V ZR 402/98, [X.], 1405 unter [X.]) - hierzu abweichend entscheidet.

2. Die Unzulässigkeit des [X.] ist nicht dadurch entfallen, dass das [X.] nach Erlass des [X.] für den noch bei ihm anhängigen Teil des [X.] auf übereinstimmenden Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat.

a) Es handelt sich bei der vorliegenden Konstellation nicht um einen Ausnahmefall, in dem trotz der bestehenden Gefahr einer abweichenden Entscheidung ein Teilurteil zulässig wäre. Eine derartige Ausnahme ist in der Rechtsprechung des [X.] im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch Konkurs, Insolvenz oder Tod eines einfachen Streitgenossen anerkannt ([X.]surteil vom 1. April 1987 - [X.], NJW 1987, 2367 unter I, und [X.], Urteil vom 10. März 1988 - [X.], NJW 1988, 2113 unter [X.] - zum Konkurs; [X.], Urteile vom 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00, [X.]Z 148, 214, 216, und vom 19. Dezember 2002 - V[X.] ZR 176/02, NJW-RR 2003, 1002 unter [X.] - zur Insolvenz; [X.], Urteil vom 7. November 2006 - [X.], aaO Rn. 15 f. - zum Tod). Die Rechtfertigung für diese Ausnahme liegt jedoch darin, dass die - in ihrer Dauer nicht absehbare - Unterbrechung des Verfahrens zu einer faktischen Trennung des Rechtsstreits führt und es daher mit dem Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar wäre, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht ([X.], Urteile vom 7. November 2006 - [X.], aaO Rn. 15; vom 19. Dezember 2002 - V[X.] ZR 176/02, aaO).

b) Zwar wird hieraus zum Teil der Schluss gezogen, dass auch das [X.] eines abtrennbaren Teils des Verfahrens zu einer faktischen Verfahrenstrennung führe, welche die Möglichkeit eines [X.] eröffne ([X.], [X.], 750, 751; [X.]/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 301 Rn. 7; HK-ZPO/[X.], 3. Aufl., § 301 Rn. 6). Dies ist aber nicht sachgerecht (so auch [X.], [X.] 2008, 836, 837). Bei einem auf Wunsch der Parteien angeordneten Ruhen des Verfahrens fehlt es an einer mit einer Verfahrensunterbrechung aufgrund von Insolvenz oder Tod eines Streitgenossen vergleichbaren Situation. Die eintretende Verzögerung entspricht - anders als bei den vorgenannten Fallgestaltungen - dem Willen der Parteien und kann von diesen auch jederzeit durch Aufnahme des Verfahrens beendet werden, so dass der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz hier keine Rechtfertigung für den Erlass eines [X.] bei gleichwohl bestehender Gefahr widersprechender Entscheidungen gibt. Allein die Praktikabilität dieses Vorgehens vermag den Erlass eines prozessordnungswidrigen [X.] nicht zu rechtfertigen.

3. Die Unzulässigkeit des erstinstanzlichen [X.] hatte das Berufungsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. [X.], Urteil vom 22. März 1991 - [X.], NJW 1991, 2082 unter [X.]; [X.]surteile vom 8. November 1995 - V[X.]I ZR 269/94, NJW 1996, 395 unter [X.] 1 c, und vom 4. Oktober 2000 - [X.], NJW 2001, 155 unter [X.] 1 c; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 529 Rn. 22; Prütting/[X.]/Oberheim, ZPO, 2. Aufl., § 529 Rn. 20; HK-ZPO/[X.], aaO, § 529 Rn. 10; Musielak/[X.], ZPO, 7. Aufl., § 529 Rn. 21); es hätte daher das erstinstanzliche Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben gehabt. Dass die Unzulässigkeit des vom [X.] erlassenen [X.] weder in der Berufungsinstanz noch in der Revisionsinstanz gerügt worden ist, steht der Berücksichtigung im Revisionsverfahren nicht entgegen, denn der Erlass eines unzulässigen [X.] stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der auch in der Revisionsinstanz gemäß § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen ist.

a) Allerdings ist die Frage, ob ein Verstoß gegen § 301 ZPO von Amts wegen zu prüfen ist oder es einer § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO entsprechenden Verfahrensrüge bedarf, umstritten.

aa) Das [X.] hat die prozessuale Unzulässigkeit eines [X.] ebenso wie die eines Grundurteils (§ 304 ZPO) in gefestigter Rechtsprechung nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge hin für beachtlich gehalten ([X.], 16, 19; 85, 214, 217; 152, 292, 297) und dies damit begründet, dass es sich hierbei lediglich um eine Verletzung einer Verfahrensvorschrift handele. Allerdings hat das [X.] bei Ehesachen bereits eine Berücksichtigung dieses [X.] von Amts wegen für erforderlich gehalten, da in Ehesachen der Erlass eines unzulässigen [X.] gegen einen prozessrechtlichen Grundsatz verstoße, der im öffentlichen Interesse zu beachten und daher dem Belieben der Parteien entzogen sei, so dass auch der Bestand des unzulässigen [X.] nicht der Willkür der Parteien ausgesetzt sein dürfe ([X.], 350, 351). Es hat diese Rechtsprechung aber ausdrücklich nicht auf andere Verfahren übertragen ([X.], 292, 297). Gleiches hat das [X.] für den Fall angenommen, dass über eine unselbständige [X.]berufung vor einer Entscheidung über die Hauptberufung durch Teilurteil entschieden worden ist, da auch hier die Bestimmung, dass eine unselbständige [X.]berufung unwirksam werde, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen werde, der Verfügung der Parteien entzogen sei ([X.], 293, 295).

bb) Im [X.] an diese Rechtsprechung ist auch der [X.]. Zivilsenat des [X.] für das Teilurteil davon ausgegangen, dass die Unzulässigkeit eines in der Tatsacheninstanz erlassenen [X.] in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur auf eine Verfahrensrüge hin berücksichtigt werden kann ([X.], Urteil vom 18. Dezember 1954 - [X.] ZR 76/54, [X.]Z 16, 71, 74). Dem ist zunächst auch der V. Zivilsenat des [X.] gefolgt ([X.], Urteil vom 22. März 1991 - [X.], aaO). Der erkennende [X.] hat diese Meinung ebenfalls vertreten ([X.]surteile vom 6. März 1996 - V[X.]I ZR 212/94, NJW 1996, 2165 unter [X.] 4, und vom 17. Mai 2000 - V[X.]I ZR 216/99, [X.], 3007 unter [X.] 1). Gleichwohl hat, im [X.] an eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für die [X.] Zone ([X.], NJW 1950, 597), auch der [X.] die Unzulässigkeit eines [X.] von Amts wegen berücksichtigt, wenn ein Teilurteil im Falle einer notwendigen Streitgenossenschaft nur gegen einzelne Streitgenossen erlassen wurde ([X.], Urteile vom 8. Juni 1962 - [X.], NJW 1962, 1722; vom 25. September 1990 - [X.], NJW 1991, 101 unter I). Der Oberste Gerichtshof für die [X.] Zone hatte insoweit zur Begründung angeführt, dass das aus § 62 ZPO folgende Verbot, ein Sachurteil nur bezüglich eines Streitgenossen zu erlassen, nicht nur dem Interesse der Prozessparteien, sondern wesentlich auch dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege überhaupt diene und daher ein dieses Verbot nicht beachtendes Urteil keine geeignete Grundlage für die Fortsetzung des Verfahrens sei.

cc) Der [X.]I. Zivilsenat des [X.] hat für das Grundurteil entschieden, dass ein Verstoß gegen § 304 ZPO auch ohne eine Verfahrensrüge von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Er hat dies damit begründet, dass die Aufhebung eines Urteils, welches keine Grundlage in der Zivilprozessordnung finde, nicht von einer Parteirüge abhängen könne, vielmehr von Amts wegen verhindert werden müsse, dass das weitere Verfahren auf einer als unrichtig erkannten Grundlage aufbaue ([X.], Urteil vom 12. Juni 1975 - [X.]I ZR 34/73, NJW 1975, 1968 unter [X.] 2 a). Dieser Auffassung haben sich mehrere Zivilsenate des [X.] angeschlossen ([X.], Urteile vom 11. März 1982 - [X.], NJW 1982, 1757 unter [X.] 2; vom 7. November 1991 - [X.], NJW-RR 1992, 290 unter [X.]; vom 14. Mai 1992 - [X.], [X.], 2487 unter [X.] 1; vom 14. Oktober 1993 - [X.]I ZR 157/92, NJW-RR 1994, 319 unter [X.]I; vom 13. Dezember 1995 - V[X.]I ZR 61/95, NJW 1996, 848 unter [X.] 3; vom 4. Dezember 1997 - [X.], NJW 1998, 1140 unter [X.]; vom 18. November 1999 - [X.], [X.], 664 unter I; vom 27. Januar 2000 - [X.], [X.], 1572 unter I; vom 17. Februar 2000 - [X.], [X.], 1498 unter [X.] 1; vom 12. Februar 2003 - X[X.] ZR 324/98, [X.], 1919 unter [X.] 2 a). Sie ist auch in der Literatur einhellig auf Zustimmung gestoßen ([X.]/Musielak, aaO, § 304 Rn. 13; [X.], ZPO, 22. Aufl., § 304 Rn. 55; [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 304 Rn. 21; Prütting/[X.]/[X.], aaO, § 304 Rn. 23).

dd) In der Literatur wird diese Auffassung auch für das Teilurteil vertreten und aufgrund der zum Grundurteil identischen Interessenlage eine von einer Verfahrensrüge unabhängige Prüfungskompetenz des [X.] bejaht ([X.]/Schütze/Prütting, ZPO, 3. Aufl., § 557 Rn. 26; [X.]/[X.], aaO, § 557 Rn. 26; [X.], aaO, § 301 Rn. 34; Prütting/[X.]/[X.], aaO, § 301 Rn. 22; HK-ZPO/[X.], aaO, § 301 Rn. 17; Musielak/[X.], aaO, § 557 Rn. 16). Teilweise wird aber auch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des [X.]s und des [X.]. Zivilsenats des [X.] an dem Erfordernis einer Verfahrensrüge festgehalten ([X.]/Musielak, aaO, § 301 Rn. 21; [X.]/[X.]/[X.], aaO, § 301 Rn. 6; [X.]/Schütze/Rensen, aaO, § 301 Rn. 64; [X.]/Vollkommer, aaO, § 301 Rn. 13).

ee) [X.] und der X[X.]. Zivilsenat des [X.] haben ebenfalls erwogen, die vorgenannte Rechtsprechung zum Grundurteil auch auf das Teilurteil zu übertragen, brauchten diese Frage allerdings nicht zu entscheiden ([X.], Urteile vom 30. April 2003 - [X.], NJW 2003, 2380 unter [X.] 1 c mwN, und vom 12. Januar 1994 - X[X.] ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379 unter 5).

ff) Soweit der [X.] bislang davon ausgegangen ist, dass es in der Revisionsinstanz für die Prüfung der Zulässigkeit des [X.] der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf ([X.]surteile vom 6. März 1996 - V[X.]I ZR 212/94, aaO, und vom 17. Mai 2000 - V[X.]I ZR 216/99, aaO), hält der [X.] hieran nach erneuter Überprüfung nicht fest.

Für eine unterschiedliche Behandlung des Grund- und des [X.] gibt es keine Rechtfertigung. Ein unzulässiges Teilurteil findet ebenso wie ein unzulässiges Grundurteil im Prozessrecht keine Grundlage und ist daher - ohne dass es einer Rüge bedarf - von Amts wegen aufzuheben. Nur hierdurch wird sichergestellt, dass im weiteren Verfahren der erkannte Verfahrensfehler nicht vertieft wird, so dass weder beim Grundurteil das weitere Verfahren auf einer als unrichtig erkannten Grundlage aufbaut ([X.], Urteil vom 12. Juni 1975 - [X.]I ZR 34/73, aaO) noch das unzulässige Teilurteil dazu führt, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen aufrecht erhalten bleibt. Eine derartige Gefahr ist nicht nur in den in der Rechtsprechung bislang anerkannten Ausnahmefällen, sondern generell nicht zu akzeptieren. Ein derartiger Fehler ist daher auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen.

b) Der [X.]. und der V. Zivilsenat des [X.] haben auf Anfrage mitgeteilt, dass an der gegenteiligen Auffassung nicht festgehalten wird.

[X.]I.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist bereits wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Aber auch das rechtsfehlerhaft ergangene Teilurteil des [X.]s kann nicht bestehen bleiben, weil das Berufungsgericht dieses Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO hätte aufheben und die Sache an das [X.] zurückverweisen müssen. Zwar ist das Berufungsgericht im Fall eines unzulässigen [X.] befugt, zur Beseitigung des Verfahrensfehlers den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits an sich zu ziehen und hierüber mitzuentscheiden ([X.], Urteile vom 19. November 1959 - V[X.] ZR 93/59, NJW 1960, 339 unter 4; vom 10. Oktober 1991 - [X.], aaO unter IV; vom 12. Januar 1994 - X[X.] ZR 167/92, aaO; vom 13. Oktober 2008 - [X.] ZR 112/07, [X.], 230 Rn 7 f.; jeweils mwN). Diese Möglichkeit besteht hier indes nicht, da der Rechtsstreit in erster Instanz in anderer Beteiligung als in der Berufungsinstanz anhängig ist. Die somit schon in zweiter Instanz gebotene Zurückverweisung an das [X.] kann der [X.] nachholen ([X.], Urteile vom 18. Dezember 1954 - [X.] ZR 76/54, aaO S. 82; vom 19. November 1959 - V[X.] ZR 93/59, aaO; vom 3. Juni 1987 - V[X.]I ZR 154/86, [X.]Z 101, 134, 141; vom 13. April 1992 - [X.] ZR 105/91, [X.], 2099 unter 4; vom 12. Januar 1994 - X[X.] ZR 167/92, aaO; vom 8. November 1995 - V[X.]I ZR 269/94, aaO unter [X.] 2; vom 13. Dezember 1995 - V[X.]I ZR 61/95, aaO; vom 4. Oktober 2000 - [X.], aaO unter [X.]I).

Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:

Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Kläger zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Preiserhöhungen außerhalb der allgemeinen [X.] zu Sondertarifen versorgt worden sind, begegnet aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen im Ergebnis keinen Bedenken.

Zwar kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, dass nur ein Vertragsschluss zu dem "allgemeinsten", im Verhältnis zu anderen Tarifen besonders hoch kalkulierten Tarif im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht eines Versorgungsunternehmens erfolgt und nur in solch einem Fall dem unmittelbaren Anwendungsbereich der [X.] unterfällt. Denn auch im Rahmen der Grundversorgung steht es dem Energieversorgungsunternehmen frei, verschiedene Tarife anzubieten. Für die Frage, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten [X.] und Preisen um Tarif- oder Grundversorgungsverträge mit allgemeinen [X.]n im Sinne von § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil [X.]I, Gliederungsnummer 752-1 veröffentlichten bereinigten Fassung, [X.] im Sinne von § 10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 ([X.]) oder [X.] im Sinne von § 36 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 7. Juli 2005 ([X.]) handelt, kommt es darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet ([X.]surteile vom 15. Juli 2009 - V[X.]I ZR 225/07, [X.]Z 182, 59 Rn. 14, sowie V[X.]I ZR 56/08, [X.]Z 182, 41 Rn. 13; jeweils mwN; vom 14. Juli 2010 - V[X.]I ZR 246/08, [X.], 1762 Rn. 26, zur Veröffentlichung in [X.]Z 186, 180 vorgesehen; [X.]sbeschluss vom 13. Oktober 2009 - V[X.]I ZR 312/08, [X.], 436 Rn. 2).

Ob hier der ursprünglich geschlossene Vertrag - in jedem Einzelfall - ein Sonderkundenvertrag war, kann dabei letztlich dahinstehen. Der [X.] hat entschieden, dass ein Preisänderungsrecht nach § 4 [X.] auch dann nicht besteht, wenn das Versorgungsunternehmen dazu übergeht, einen Kunden, der bis dahin als Tarifkunde versorgt worden ist, aus dessen Sicht außerhalb der allgemeinen [X.] unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu Sonderpreisen zu versorgen. Denn ein Recht zur einseitigen Änderung von Preisen, die keine allgemeinen [X.] sind, regelt § 4 [X.] nicht ([X.]surteil vom 9. Februar 2011 - V[X.]I ZR 295/09, juris Rn. 22 ff.).

Vorliegend spricht aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden bereits die von der Beklagten vorgenommene Abgrenzung der "Allgemeinen Tarife" von den "Sonderpreisregelungen" beziehungsweise - für die streitgegenständlichen Preiserhöhungen - "Klassik" dafür, dass es sich bei letzteren um Angebote außerhalb der Grundversorgung handelt. Denn aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers spricht die ausdrückliche Kennzeichnung eines Tarifs als Sondertarif und die Abgrenzung zu allgemeinen Tarifen dafür, dass das Energieversorgungsunternehmen eine Belieferung nicht (mehr) im Rahmen der Grundversorgung vornehmen will.

[X.]                                           Dr. Frellesen                                         Dr. Milger

                 Dr. [X.]                                              Dr. Bünger

Meta

VIII ZR 42/10

11.05.2011

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 26. Januar 2010, Az: 14 U 983/08, Urteil

§ 301 ZPO, § 557 Abs 3 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.05.2011, Az. VIII ZR 42/10 (REWIS RS 2011, 6805)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6805

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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