Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2012, Az. 3 StR 366/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 2655

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 366/12
vom
2. Oktober 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
besonders schwerer Brandstiftung

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] am 2. Oktober 2012 gemäß § 349 Abs.
4 [X.] einstimmig beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18. April 2012 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung zu der Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Mit der [X.], das [X.] habe einen Beweisantrag auf [X.] eines Gutachtens des [X.] zu Unrecht abgelehnt, hat das Rechtsmittel Erfolg.

1. Nach den Feststellungen hielt sich der Angeklagte am 2. Dezember 2009 ab etwa 21.30 Uhr in einer Gaststätte auf [X.] auf. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt begab er sich von dort in die Räume des von ihm betrie-benen, etwa 130 Meter entfernten [X.] und entzündete, um dieses in Brand zu setzen, in einem neben einer mit Holz verkleideten Wand stehenden geöffneten Kühlschrank eine brennbare Flüssigkeit. Danach verließ er das In-1
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ternet-Café, verschloss die Eingangstür und eilte zurück in die Gaststätte, wo er bis 2.45 Uhr des [X.] verblieb. Der Brand wurde gegen 2.00 Uhr von den im Stockwerk über dem Internet-Café wohnenden, aus dem Schlaf erwachten Hauseigentümern entdeckt; er hatte bereits auf die Tragbalken der hölzernen Deckenkonstruktion übergegriffen.

In der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger, zum Beweis dafür, dass es in der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 2009 "geregnet und ge-stürmt" habe, einen "Wetterbericht" des [X.] in [X.] einzuholen. Hätte der Angeklagte die Gaststätte für längere [X.], so hätte er nass werden müssen, was keiner der zu seinem Aufenthalt dort
befragten Zeugen erwähnt habe.

Das [X.] hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, die unter Beweis gestellte Tatsache könne so behandelt werden, als wäre sie wahr. [X.] ergebe sich aus einem Polizeibericht, dass "Nieselregen" geherrscht habe. Im Übrigen sei die behauptete Tatsache bedeutungslos, weil die [X.] "aus der Indizwirkung dieses Umstands die gewünschte Beweisbe-hauptung nicht zu ziehen" beabsichtige.

Im Urteil hat das [X.] sodann die Einlassung des Angeklagten, es habe außerordentlich schlechtes Wetter geherrscht, als widerlegt angese-hen. Der Polizeibericht stelle für die Tatzeit "lediglich Nieselregen" fest, gegen den sich der Angeklagte überdies noch durch einen Regenschirm oder durch Bedecken des Kopfes mit einer Jacke hätte schützen können.

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2. Der [X.] hat hierzu in seiner Antragsschrift ausge-führt:

"Die Sachbehandlung des Beweisantrags begegnet -
in mehrfacher Hin-sicht -
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Der Ablehnungsgrund der [X.], der nur bei erheblichen Tatsachen in Betracht kommt, und der Ablehnungsgrund der Bedeu-tungslosigkeit schließen einander aus ([X.], 269; [X.], 51; [X.], [X.] 55. Aufl. § 244 Rdnr.
70; [X.] in KK [X.], 6. Aufl. § 244 Rdnr. 185 m.w.[X.]). Mit Recht beanstandet der Beschwerdeführer, dass die Kammer die Beweisbehauptung nicht in ihrer vollen, aus Sinn und Zweck sich ergebenden Bedeutung als wahr behandelt, sondern in unzulässiger Weise eingeengt hat (vgl. BGHR [X.] § 244 Abs. 3 Satz 2 [X.] 6; [X.], [X.] 55. Aufl. § 244 Rdnr. 71 m.w.[X.]). Das Gericht hat die unter [X.] gestellte Tatsache,
dass es in der fraglichen Nacht geregnet und gestürmt habe, unzulässig abgeändert, indem es unterstellt, es hätte lediglich Nieselregen geherrscht, mithin von einer niedrigeren [X.] ausgeht. Die Niederschlagsmenge war -
aus Sicht der Verteidigung -
jedoch ersichtlich entscheidend für die Frage, ob der Angeklagte bei Regenwetter sich zum [X.] hätte begeben können, ohne dass seine Kleidung durchnässt gewesen wäre, was den in der Gaststätte befindlichen Besuchern -
nach Auffassung der Revision -
je-doch aufgefallen wäre.

Dass das [X.] in seinem angefochtenen Beschluss nicht mit-teilt, ob es die Beweisbehauptung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen für bedeutungslos erachtet, begegnet grundsätzlich erhebli-chen rechtlichen Bedenken (vgl. [X.], [X.] 55. Aufl. § 244 Rdnr. 43a m.w.[X.]). Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, wovon vorliegend auszugehen ist, so müssen die Tatsachen angegeben werden, aus denen sich ergibt, warum die unter Beweis gestellte Tatsache, selbst wenn sie erwiesen wäre, die Ent-scheidung des Gerichts nicht beeinflussen könnte (vgl. Senat, [X.] vom 22. Nov. 2007 -
3 [X.]); auch dies hat das Landge-richt versäumt."

Dem schließt sich der Senat an.

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3. Nicht folgen kann der Senat indes der Auffassung des [X.], es könne ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruhe.

Das [X.] hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Ange-klagten darauf gestützt, dass die Fenster und die Türen des [X.] beim Eintreffen der Feuerwehr verschlossen waren und nur die [X.] und der Angeklagte über Schlüssel verfügten. Dass sich die [X.] auf solche Weise selbst gefährdeten, sei auszuschließen. Demgegenüber habe der Angeklagte ein Motiv für die Tat gehabt. Er habe sich in schlechten finanziellen Verhältnissen befunden; das Inventar des [X.] sei mit i-ner der Zeugen, die den Angeklagten in der Gaststätte beobachtet hätten, habe
dessen kurzzeitige Abwesenheit ausschließen
können.

Damit hat das [X.] für den [X.] vorrangig solche Um-stände herangezogen, die gegen eine Brandlegung durch andere Personen sprechen. Indizien, die positiv auf eine Täterschaft des Angeklagten hinweisen, hat es, abgesehen von der Motivlage, nicht feststellen können. Bei dieser Sach-lage hat das [X.] im Rahmen der Beweiswürdigung der Frage eines Alibis des Angeklagten zu Recht eine wesentliche Bedeutung beigemessen und eingehend untersucht, ob nach den Aussagen der hierzu vernommenen [X.] von einer ununterbrochenen Anwesenheit des Angeklagten in der Gast-

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stätte auszugehen ist. Dem widerspräche -
jedenfalls aus objektiver Sicht -
die Annahme, das [X.] hätte sich zweifelsfrei auch dann von der [X.] überzeugt, wenn keiner der Zeugen ein äußeres Erscheinungsbild des Angeklagten bekundet hätte, wie es zu erwarten gewesen wäre, wenn dieser zwischendurch den [X.] aufgesucht hätte.

[X.]Pfister Mayer

Gericke Spaniol

Meta

3 StR 366/12

02.10.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2012, Az. 3 StR 366/12 (REWIS RS 2012, 2655)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2655

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