Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.04.2013, Az. II R 1/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 6583

STEUERRECHT GRUNDERWERBSTEUER BUNDESFINANZHOF (BFH)

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Gegenstand

Minderung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Übernahme der Erwerbsnebenkosten durch Veräußerer


Leitsatz

Ist der Veräußerer eines Grundstücks verpflichtet, dem Erwerber Erwerbsnebenkosten zu erstatten, vermindert sich die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer um die zu erstattenden Kosten mit Ausnahme der Grunderwerbsteuer .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bot durch notarielle Urkunde vom 24. Juni 2005 einer [X.] als Verkäuferin den Abschluss eines Kaufvertrags über eine Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von 98.000 € an. In der [X.] zu dem Angebot führte er u.a. aus, das Angebot könne nur wirksam angenommen werden, wenn die Finanzierung des Kaufpreises durch ein [X.] oder europäisches Kreditinstitut sichergestellt sei. Die Kosten des Angebotes, der Annahme, des Vollzugs und die Grunderwerbsteuer trage er, der Kläger. Die [X.] nahm das Angebot durch notarielle Urkunde vom 20. Juli 2005 an.

2

Nach § 8 Abs. 1 des Vertrags trägt die [X.] die Kosten der Löschung nicht bestehen bleibender Rechte. Die übrigen Kosten des Vertrags, seines Vollzugs und die Grunderwerbsteuer trägt der Kläger. Die [X.] verpflichtete sich jedoch, dem Kläger diese Kosten zu erstatten, wenn die Zahlung des Kaufpreises sichergestellt ist.

3

Das seinerzeit zuständige Finanzamt ([X.]) setzte die Grunderwerbsteuer durch Bescheid vom 8. August 2005 auf der Grundlage des vereinbarten Kaufpreises von 98.000 € auf 3.430 € fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

4

Der Kläger beantragte im Februar 2006, die Grunderwerbsteuer nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) herabzusetzen. Die [X.] habe ihm inzwischen vertragsgemäß die gesamten Anschaffungsnebenkosten wie Notarkosten, Grundschuldbestellungsgebühren, Grunderwerbsteuer und Finanzierungskosten erstattet. Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer ermäßige sich daher um den erstatteten Betrag. Die Grunderwerbsteuer sei entsprechend herabzusetzen.

5

Das [X.] lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 16. März 2006 ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Später stellte der Kläger einen Änderungsantrag nach § 5 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes ([X.]). Das [X.] lehnte auch diesen Antrag ab. Über den dagegen eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden.

6

Im finanzgerichtlichen Verfahren beantragte der Kläger zuletzt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2007 und des Ablehnungsbescheids vom 16. März 2006 die Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 8. August 2005 dahingehend zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer um 8.172,10 € gemindert wird. In diesem Betrag ist die von der [X.] erstattete Grunderwerbsteuer nach den Angaben des [X.] nicht enthalten.

7

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage durch das in [X.]Entscheidungsdienst 2012, 1275 veröffentlichte Urteil mit der Begründung ab, die Kostenerstattung durch die [X.] an den Kläger habe die der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legende Gegenleistung des [X.], nämlich den vereinbarten Kaufpreis, nicht vermindert. Die von der [X.] neben der Verpflichtung, das Eigentum an der Wohnung zu übertragen, übernommene Pflicht zur Kostenerstattung sei für die Bemessung der Grunderwerbsteuer ohne Bedeutung; denn es handele sich dabei um eine der Kaufpreisforderung der [X.] gegenüberstehende selbständige Verpflichtung. Es fehle somit an einer nachträglichen Herabsetzung des Kaufpreises. Das Begehren des [X.] auf Herabsetzung der Grunderwerbsteuer könne auch nicht auf § 5 Abs. 2 [X.] gestützt werden. Die beantragte Zeugenvernehmung sei nicht erforderlich gewesen.

8

Mit der Revision macht der Kläger geltend, die von der [X.] übernommenen Kosten hätten zu einer Minderung des als Gegenleistung der Steuer unterliegenden Kaufpreises geführt. Falls § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG wegen des Fehlens einer nachträglichen Herabsetzung der Gegenleistung nicht anwendbar sein sollte, stütze er das Änderungsbegehren auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]). Der Kläger rügt außerdem einen Verstoß des [X.] gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts.

9

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2007 und den Ablehnungsbescheid vom 16. März 2006 aufzuheben und das [X.] zu verpflichten, die Steuerfestsetzung vom 8. August 2005 dahingehend zu ändern, dass die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer um 8.172,10 € gemindert wird.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das inzwischen zuständig gewordene Finanzamt) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat abgesehen von der dem Kläger zu erstattenden Grunderwerbsteuer zu Unrecht angenommen, dass sich die Verpflichtung der AG, dem Kläger die in § 8 Abs. 1 Satz 2 des Kaufvertrags genannten Kosten zu erstatten, materiell-rechtlich nicht auf die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer auswirke.

1. Bei einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] der Grunderwerbsteuer unterliegenden Kaufvertrag über ein inländisches Grundstück bemisst sich die Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 [X.] nach dem Wert der Gegenleistung.

a) Als Gegenleistung gilt dabei nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Die nach § 448 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vom Käufer getragenen Kosten der Beurkundung des Kaufvertrags und der Auflassung, der Eintragung ins Grundbuch und der zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen rechnen nicht zur Gegenleistung; denn diese Kosten schuldet der Käufer nicht dem Verkäufer, sondern [X.]. Es geht auch nicht um die Übernahme von an sich dem Verkäufer obliegenden Verpflichtungen durch den Käufer ([X.], [X.], Kommentar, 9. Aufl., § 9 Rz 7; Loose in [X.], [X.], 17. Aufl., § 9 Rz 278; [X.]/[X.], [X.], Kommentar, 4. Aufl., § 9 Rz 87).

b) Ist der Grundstücksverkäufer außer zur Grundstücksübereignung zu weiteren Leistungen verpflichtet, ist für die Frage, inwieweit die Gegenleistung des Erwerbers Entgelt für den Grundstückserwerb darstellt, vom [X.]en Grundstücksbegriff (§ 2 [X.]) auszugehen. Der Erwerb von Geldforderungen oder anderen Vermögenspositionen, die nicht unter den Grundstücksbegriff des [X.] fallen, ist [X.] unerheblich. Der Aufwand für diesen Erwerb unterliegt daher nicht der Grunderwerbsteuer (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 9. Oktober 1991 II R 20/89, [X.], 548, [X.] 1992, 152).

Wie der [X.] in dem Urteil weiter ausgeführt hat, ist eine Gesamtgegenleistung, die Entgelt sowohl für das Grundstück als auch für nicht der Grunderwerbsteuer unterliegende Gegenstände ist, im Regelfall nach der sog. [X.]'schen Formel aufzuteilen. Diese Verhältnisrechnung braucht aber ausnahmsweise dann nicht vorgenommen zu werden, wenn Gegenstand eines Erwerbsvorgangs unter Vereinbarung einer Gesamtgegenleistung ein Grundstück und eine Geldforderung ist. In diesem Fall reicht es grundsätzlich aus, die Geldforderung von der vereinbarten Gesamtgegenleistung abzuziehen, weil [X.] im Regelfall mit dem Nennwert anzusetzen sind.

2. Die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist danach materiell-rechtlich um die in § 8 Abs. 1 Satz 2 des Kaufvertrags genannten Kosten, die die AG dem Kläger erstatten musste und erstattet hat, mit Ausnahme der von der AG zu übernehmenden Grunderwerbsteuer zu vermindern. Diese Kosten musste nach der dispositiven Regel des § 448 Abs. 2 BGB an sich der Kläger tragen. Da sie abweichend hiervon aufgrund der kaufvertraglichen Vereinbarung von der AG zu erstatten waren, bildet der vom Kläger zu entrichtende Kaufpreis von 98.000 € eine Gesamtgegenleistung für die Verpflichtung der AG, dem Kläger die Eigentumswohnung zu übereignen und die Kosten zu erstatten. Die Gesamtgegenleistung ist auf diese beiden Verpflichtungen dergestalt zu verteilen, dass die zu erstattenden und tatsächlich erstatteten Kosten mit Ausnahme der Grunderwerbsteuer materiell-rechtlich vom vereinbarten Kaufpreis als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer abzuziehen sind.

Die Verpflichtung der AG, dem Kläger die Grunderwerbsteuer zu erstatten, wirkt sich anders als die Verpflichtung zur Erstattung der übrigen Kosten gemäß § 9 Abs. 3 [X.] nicht auf die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer aus. Nach dieser Vorschrift wird die Grunderwerbsteuer, die für den zu besteuernden Erwerbsvorgang zu entrichten ist, der Gegenleistung weder hinzugerechnet noch von ihr abgezogen. Übernimmt der Veräußerer die Grunderwerbsteuer, mindert sich danach die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nicht (Loose, a.a.[X.], § 9 Rz 594; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 9 Rz 220).

3. Da das [X.] von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Vorentscheidung stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar (vgl. § 126 Abs. 4 [X.]O). Die Sache ist nicht spruchreif. Die vom [X.] getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 [X.]O) ermöglichen keine abschließende Entscheidung über den Antrag des [X.].

a) § 16 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ist keine Grundlage für die begehrte Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung.

aa) Wird die Gegenleistung für das Grundstück herabgesetzt, so wird nach dieser Vorschrift auf Antrag die Steuer entsprechend niedriger festgesetzt oder die Steuerfestsetzung geändert, wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet. Dies setzt voraus, dass die Herabsetzung der Gegenleistung nachträglich, also nach der Entstehung der Steuer, vereinbart wird ([X.]-Urteil vom 17. April 1991 II R 119/88, [X.]E 164, 130, [X.] 1991, 586, unter [X.], vorletzter Absatz; [X.], a.a.[X.], § 16 Rz 50; Loose, a.a.[X.], § 16 Rz 231 f.; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 16 Rz 61 f.).

bb) Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Der Anspruch des [X.] gegen die AG auf Kostenerstattung wurde nicht nachträglich, sondern bereits im Kaufvertrag vereinbart und stand dem Kläger dem Grunde nach vom Wirksamwerden des Kaufvertrags an zu. Nach der [X.] zum Angebot des [X.] auf Abschluss des Kaufvertrags konnte dieses nur wirksam angenommen werden, wenn die Finanzierung des Kaufpreises durch ein [X.] oder europäisches Kreditinstitut sichergestellt und somit auch die Bedingung für den Kostenerstattungsanspruch erfüllt war.

b) § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] begründet ebenfalls keinen Anspruch auf Herabsetzung der bestandskräftig festgesetzten Grunderwerbsteuer. Wie sich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] ergibt, bezieht sich diese Vorschrift auf Wirtschaftsgüter, die unter einer auflösenden Bedingung erworben sind. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.

c) Ob die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.] erfüllt sind, lässt sich aufgrund der vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Dem [X.] war zwar bei der Steuerfestsetzung aufgrund der ihm vorliegenden notariellen Urkunden vom 24. Juni 2005 und 20. Juli 2005 bekannt, dass der Kläger nach der Sicherstellung der Zahlung des Kaufpreises von der AG die Erstattung der in § 8 Abs. 1 Satz 2 des Vertrags genannten Kosten verlangen konnte und das Angebot zum Abschluss des Kaufvertrags erst wirksam angenommen werden konnte, wenn die Finanzierung des Kaufpreises sichergestellt war. Insofern handelt es sich demgemäß nicht um dem [X.] nachträglich bekannt gewordene Tatsachen. Nicht bekannt waren dem [X.] aber abgesehen von der Grunderwerbsteuer, die im vorliegenden Zusammenhang gemäß § 9 Abs. 3 [X.] unberücksichtigt bleibt, die genaue Zusammensetzung und die Höhe des Erstattungsanspruchs.

Über die Höhe der nach der vertraglichen Vereinbarung dem Kläger zu erstattenden Kosten und die tatsächliche Kostenerstattung sowie die Frage eines groben Verschuldens des [X.] i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 [X.] daran, dass die genaue Zusammensetzung und die Höhe des Erstattungsanspruchs dem [X.] erst nachträglich bekannt geworden sind, hat das [X.] --von seinem Standpunkt aus zu [X.] ebenfalls noch keine Feststellungen getroffen. Es wird entsprechende Feststellungen nachzuholen haben.

4. Auf die Verfahrensrüge des [X.] kommt es danach nicht an.

Meta

II R 1/12

17.04.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 25. Mai 2011, Az: 4 K 205/07, Urteil

§ 9 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 9 Abs 3 GrEStG 1997, § 16 Abs 3 Nr 1 GrEStG 1997, § 173 Abs 1 Nr 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.04.2013, Az. II R 1/12 (REWIS RS 2013, 6583)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6583

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