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PDF anzeigenBUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEILXI ZR 274/00Verkündet am:12. Juni 2001WeberJustizhauptsekretärinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk: jaBGHZ: ja_____________________AGBG §§ 8, 9 Bm, ClZur Frage der Wirksamkeit Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die eineBefristung von Telefonkarten festlegen, ohne zumindest die Anrechnungunverbrauchter Guthaben beim Kauf einer neuen Telefonkarte vorzuse-hen.BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - XI ZR 274/00 - OLG Köln LG Köln- 2 -Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündlicheVerhandlung vom 12. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Nobbeund die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und Dr. Wassermannfür Recht erkannt:Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats desOberlandesgerichts Köln vom 23. August 2000 wirdauf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.Von Rechts wegenTatbestand:Die Klägerin ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Sat-zung Verbraucherinteressen wahrnimmt und der in die Liste der qualifi-zierten Einrichtungen nach § 22a AGBG eingetragen ist. Das beklagteTelekommunikationsunternehmen vertreibt Telefonkarten zum Preisevon 12 DM und 50 DM, mit denen der Nutzer an öffentlichen Fernspre-chern der Beklagten Telefonate in entsprechendem Umfang führenkann. Während die zuvor ausgegebenen Telefonkarten keinen Hinweisauf eine begrenzte Gültigkeitsdauer enthielten, bringt die Beklagte seitOktober 1998 auf den Karten den Zusatz "Gültig bis ... (Monat/Jahr)"an. Nach Ablauf dieser Frist, die einen Zeitraum von drei Jahren unddrei Monaten ab Herstellung der jeweiligen Karte umfaßt, ist die Benut-zung öffentlicher Fernsprecher mit Hilfe der Karte nicht mehr möglich;zu diesem Zeitpunkt noch nicht verbrauchte Guthabenbeträge werdennicht erstattet.- 3 -Gegen die Befristung der Gültigkeitsdauer der Telefonkartenwendet sich die Klägerin mit der Unterlassungsklage aus § 13 AGBG.Das Landgericht (VuR 2000, 73) hat der Klage stattgegeben und derBeklagten untersagt, in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen imZusammenhang mit Verträgen über Telefonkarten die Klausel "Gültigbis ... (Datum)" zu verwenden und sich auf diese Klausel zu berufen.Das Berufungsgericht (ZIP 2000, 1836) hat die Berufung der Beklagtenzurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Be-klagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision ist nicht begründet.I.Das Berufungsgericht hat die beanstandete Klausel gemäß § 9Abs. 1 AGBG für unwirksam gehalten und zur Begründung im wesentli-chen ausgeführt:Bei der in Rede stehenden Gültigkeitsbeschränkung handele essich um eine dem Anwendungsbereich der §§ 9 bis 11 AGBG unterfal-lende Regelung und nicht um eine gemäß § 8 AGBG der Inhaltskon-trolle entzogene bloße Beschreibung der Leistungspflicht der Beklag-ten. Deren Einwand, mit Blick auf die Rechtsnatur der Telefonkarten alssogenannte kleine Inhaberpapiere (§ 807 BGB) und die bei diesenmögliche Befristung der Leistungspflicht des Ausstellers entstehe ihre- 4 -Hauptleistungspflicht von vornherein nur mit der betreffenden inhaltli-chen Beschränkung, rechtfertige keine abweichende Würdigung. Zwarspreche alles für die von der Beklagten verfochtene rechtliche Einord-nung der von ihr ausgegebenen Telefonkarten. Anknüpfungspunkt derPrüfung nach § 8 AGBG sei aber nicht die Karte selbst, sondern der ih-rer Ausgabe zugrunde liegende stillschweigend abgeschlossene Bege-bungsvertrag, dessen für eine Vielzahl von Fällen vordefinierter Inhaltdurch die auf den Telefonkarten jeweils angebrachte Gültigkeitsbefri-stung bestimmt werde. Die fehlende schriftliche Fixierung dieses Ver-trags stehe der Einstufung als vorformulierte Vertragsbedingung nichtentgegen.Die infolgedessen inhaltlich überprüfbare Klausel "Gültig bis ...(Datum)" führe zu einer mit § 9 Abs. 1 AGBG nicht zu vereinbarendenunangemessenen Benachteiligung der Kunden. Sie lasse die zu derenLasten beabsichtigte Folge des Verfalls eines bei Ablauf der Gültig-keitsdauer noch vorhandenen Guthabens unter Verstoß gegen dasTransparenzgebot nicht mit der gebotenen Deutlichkeit erkennen. Obeine eindeutige Regelung des Verfalls der Inhaltskontrolle standhaltenwürde, könne daher offen bleiben.Der auf der Telefonkarte angebrachte Gültigkeitsvermerk betreffeallein die Dauer der technischen Verwendbarkeit des Papiers. Davonunabhängig sei die Rechtsfrage zu beantworten, ob ein bei Fristablaufnoch nicht "abtelefoniertes" Guthaben verfalle oder der Kunde den ihmmangels gegenteiliger Regelung zustehenden Anspruch auf Erstattungdes nicht verbrauchten Betrages behalte. Daß die Beklagte bei Ver-tragsschluß auf den Verfall des Restguthabens hinweise, lasse sichweder ihrem Vortrag noch dem Sachverhalt im übrigen entnehmen.- 5 -Den Verstoß gegen das Transparenzgebot belege auch dieÜberlegung, daß der Kunde individualvertraglich den ihm nach allge-meinen zivilrechtlichen Regeln zustehenden Anspruch auf Erstattungdes Guthabens behalte, weil das Gegenteil durch die insoweit zumin-dest unklare Klausel nicht wirksam vereinbart sei (§ 5 AGBG). Die For-mulierung der Gültigkeitsdauer auf der Telefonkarte werde den Kundenaber in vielen Fällen verleiten, wegen der für ihn unklaren Rechtslageauf die Geltendmachung seiner Rechte zu verzichten.II.Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allenPunkten stand. Mit der vom Berufungsgerichts gegebenen Begründungkann die Wirksamkeit der beanstandeten Klausel nicht verneint werden.1. Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings in der streitigenGültigkeitsbeschränkung eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sin-ne des § 1 Abs. 1 AGBG gesehen und hierbei zutreffend nicht auf dieTelefonkarte als solche, sondern auf den ihrer Ausgabe zugrunde lie-genden Vertrag abgestellt. Bei dieser - von der Revision nicht ange-griffenen - Bewertung kann die Rechtsnatur der Telefonkarte ebensodahingestellt bleiben wie die rechtliche Einordnung des Kartenvertrags.Unter die Definition des § 1 Abs. 1 AGBG fallen sämtliche einseitig füreine mehrfache Verwendung vorgefertigte Erklärungen des Verwen-ders, die den Vertragsinhalt regeln sollen (BGHZ 101, 271, 274); Artund Rechtscharakter der vertraglichen Regelung sind demgegenüberunerheblich (vgl. Ulmer in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG 9. Aufl. § 1Rdn. 14; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBG 4. Aufl. § 1 Rdn. 8).- 6 -2. Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner der fehlendenschriftlichen Fixierung des Telefonkartenvertrags keine Bedeutung bei-gemessen. Der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingung erfordertnicht die Schriftform (BGHZ 141, 108, 110); es genügen vielmehr auchvom Kunden beim Vertragsschluß mündlich akzeptierte Formulierungen(BGH, Urteil vom 30. September 1987 - IVa ZR 6/86, WM 1988, 28, 29).Daher reicht eine mit dem Abschluß des Telefonkartenvertrags regel-mäßig verbundene stillschweigende Abrede, daß die Nutzung des Kar-tenguthabens nach Maßgabe des jeweils aufgedruckten Datums befri-stet ist, für die Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung aus.Dabei kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht darauf an, obeine derartige Abrede im Einzelfall wirksam ist oder an den Einbezie-hungsvoraussetzungen der §§ 2, 3, 23 Abs. 2 Nr. 1 a AGBG scheitert;mögliche Verstöße gegen diese Vorschriften können mit der auf ab-strakt feststellbare Verletzungen der §§ 9 bis 11 AGBG beschränktenVerbandsklage nach § 13 AGBG nicht geltend gemacht werden(BGHZ 116, 1, 3; 137, 27, 32).3. Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, daßdie beanstandete Klausel der Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBGunterliegt. Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich bei dieserKlausel nicht um eine gemäß § 8 AGBG kontrollfreie Leistungsbe-schreibung.a) Zwar gibt es kein gesetzlich geregeltes Leitbild des Telefon-kartenvertrags als eines erst durch die technische Entwicklung derletzten Jahre möglich gewordenen Vertragstyps. Es obliegt dahergrundsätzlich dem kartenausgebenden Unternehmen, in eigener Ver-antwortung Art und Umfang der von ihm angebotenen Leistungen sowiedie Bemessung des vom Kunden dafür zu entrichtenden Entgelts zu be-- 7 -stimmen (vgl. Senatsurteil BGHZ 137, 27, 30 zum Kreditkartenvertrag).Daraus folgt aber nicht zwangsläufig die Kontrollfreiheit der beanstan-deten Regelung. Auch Vertragstypen, die im Gesetz ungeregelt geblie-ben sind, können am Maßstab der §§ 9 bis 11 AGBG gemessen werden(BGHZ 104, 82, 90).b) Allerdings unterliegen gemäß § 8 AGBG bloße Abreden überden unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (sogenannte Lei-stungsbeschreibungen) ebensowenig der Inhaltskontrolle nach demAGB-Gesetz wie Vereinbarungen über das vom anderen Teil zu erbrin-gende Entgelt (st.Rspr., vgl. BGHZ 137, 27, 29; 141, 137, 141; 141,380, 382 f.; Senatsurteil vom 12. Dezember 2000 - XI ZR 138/00,WM 2001, 196, 197, für BGHZ vorgesehen). Dabei fallen unter den Be-griff der Leistungsbeschreibung solche Bestimmungen, die Art, Umfangund Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Klauseln, die dasHauptleistungsversprechen einschränken, ausgestalten oder modifizie-ren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die derÜberprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereichvon Regelungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Be-stimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertragnicht mehr angenommen werden kann (BGHZ 123, 83, 84; 127, 35, 41;141, 137, 141). In diesen engen Bereich fällt die streitige Beschrän-kung der Gültigkeitsdauer von Telefonkarten nicht.Aufgrund des Telefonkartenvertrags ist die Beklagte verpflichtet,für die Kartennutzer ein funktionierendes Netz öffentlicher Fernspre-cher vorzuhalten und ihnen die Führung von Telefongesprächen imRahmen des jeweiligen Guthabens zu ermöglichen. Dieses Hauptlei-stungsversprechen wird durch die beanstandete Befristung näher aus-gestaltet. Auch ohne die Festlegung eines Geltungszeitraums könnte- 8 -der wesentliche Vertragsinhalt, nämlich das vom Kunden zu zahlendeEntgelt und die dafür gewährte Gegenleistung, bestimmt werden. DieBeschränkung der Gültigkeitsdauer gehört daher nicht zu dem kontroll-freien Minimum, ohne das dem Vertrag ein so wesentlicher Bestandteilfehlte, daß ihm die Wirksamkeit zu versagen wäre. Die gegenteiligeAuffassung der Revision, durch die zeitliche Begrenzung der Nut-zungsmöglichkeit werde die Hauptleistungspflicht der Beklagten über-haupt erst inhaltlich fixiert, vermag schon deshalb nicht zu überzeugen,weil die bis Oktober 1998 herausgegebenen Telefonkarten nicht mit ei-ner solchen Befristung versehen waren, ohne daß deshalb Zweifel ander Wirksamkeit der damals abgeschlossenen Verträge bestünden.Die beanstandete Befristung stellt auch keine - kontrollfreie -Preisabrede dar. Der Anspruch des Kunden an die vollständige Inan-spruchnahme der vorausbezahlten Gesprächsleistungen wird durch dieKlausel einer Beschränkung unterworfen, die in das schuldrechtlicheVerträge kennzeichnende Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Ge-genleistung eingreift. Darin liegt eine Abweichung von Rechtsvor-schriften im Sinne von § 8 AGBG (vgl. BGHZ 93, 358, 362 ff.). Auch dieInstanzgerichte haben Gültigkeitsbefristungen der vorliegenden Art- etwa in bezug auf sogenannte Handy-Karten (vgl. OLG BrandenburgVuR 2000, 147, 148; OLG Köln OLGR 2001, 103; LG Köln VuR 2000,223, 224) oder bei Geschenk- und Kinogutscheinen (vgl. OLG HamburgVuR 2000, 451, 452; LG München VuR 1996, 65) - stets als nach §§ 9bis 11 AGBG kontrollfähige Nebenabreden behandelt.4. Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht gefolgt werden, so-weit es in der angegriffenen Gültigkeitsbeschränkung einen zur Unwirk-samkeit der Klausel führenden Verstoß gegen das Transparenzgebot(§ 9 Abs. 1 AGBG) gesehen hat.- 9 -a) Der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen istentsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet,Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durch-schaubar darzustellen. Das bedeutet nicht nur, daß eine Klausel - ausder maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Vertragspartners - inihrer Formulierung verständlich sein muß. Sie hat vielmehr auch diewirtschaftlichen Nachteile so weit erkennen zu lassen, wie dies nachden Umständen gefordert werden kann. Ist der Verwender diesem Ge-bot nicht gefolgt, kann schon darin eine unangemessene Benachteili-gung des Kunden im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG liegen (BGHZ 106,42, 49; 112, 115, 117 ff.; 136, 394, 401 f.; Senatsurteil vom 19. Oktober1999 - XI ZR 8/99, WM 1999, 2545, 2547).b) Die beanstandete Gültigkeitsbeschränkung verstößt nicht ge-gen diese Grundsätze. Sie verschleiert die kundenbelastende Folge derNichterstattung eines bei Ablauf der Gültigkeitsdauer noch vorhande-nen Guthabens nicht. Die gegenteilige Annahme des Berufungsge-richts, die der erkennende Senat aufgrund der bundesweiten Verbrei-tung der streitgegenständlichen Telefonkarten in vollem Umfang nach-prüfen kann, ist rechtsfehlerhaft.aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, der auf der Telefon-karte angebrachte Gültigkeitsvermerk betreffe allein die Dauer dertechnischen Verwendbarkeit des Papiers, kann nicht überzeugen, denndamit wird der Ausgangspunkt der Inhaltskontrolle außer Acht gelas-sen. Gegenstand der Prüfung nach dem AGB-Gesetz ist, wie das Be-rufungsgericht an anderer Stelle zutreffend gesehen hat, nicht die Te-lefonkarte als solche, sondern die Gültigkeitsbeschränkung als- stillschweigende - Abrede im Rahmen des Telefonkartenvertrags.- 10 -Stellt man richtigerweise auf diesen Vertrag ab, so ist nicht ersichtlich,inwiefern ein durchschnittlicher Kunde meinen könnte, der Vermerk aufder Telefonkarte begrenze lediglich die Dauer der Kartennutzung, nichtjedoch zugleich den vertraglichen Leistungsanspruch.bb) Der fehlende ausdrückliche Hinweis auf den Verfall einesRestguthabens führt nicht zu einer anderen Bewertung. Für den Kun-den besteht deshalb kein Anlaß anzunehmen, mit Ablauf der angege-benen Gültigkeitsdauer trete an die Stelle des kartenvertraglichen Lei-stungsanspruchs ein Anspruch auf Rückzahlung des unverbrauchtenRestguthabens. Der Telefonkartenvertrag ist, unbeschadet seiner nähe-ren rechtlichen Einordnung im übrigen, kein Darlehen im Rechtssinne(§ 607 BGB). Der in Höhe des Kartenpreises vorausbezahlte Gesamt-betrag künftiger Gesprächsentgelte soll im Laufe der Zeit mit den je-weils anfallenden Verbindungsentgelten verrechnet und hierdurch be-stimmungsgemäß aufgebraucht werden. Damit sind - ungeachtet derwirtschaftlich mit der Vorauszahlung verbundenen Kreditierung der Be-klagten sowie der Bargeldersatz-Funktion der Telefonkarte - die Merk-male eines Darlehensvertrages nicht erfüllt. Ein Darlehensvertrag be-gründet nach § 607 BGB die Verpflichtung, das Empfangene in Sachenvon gleicher Art, Güte und Menge zurückzuerstatten.cc) Die konkrete Formulierung der Gültigkeitsbeschränkung be-gründet aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers auch deshalbnicht die Erwartung, bei Fristablauf entstehe ein Erstattungsanspruch,weil derartige Regelungen sich auch in anderen Bereichen des Wirt-schafts- und Geschäftslebens finden, ohne daß damit entsprechendeErstattungsansprüche verbunden sind. Das gilt beispielsweise für dieverbreiteten Kino- oder sonstigen Geschenkgutscheine, die häufig miteinem "Verfalldatum" versehen sind (vgl. Ahrens BB 1996, 2477, 2479).- 11 -Die jeweiligen Fristen müssen zwar angemessen lang sein (vgl. OLGHamburg VuR 2000, 451, 452; LG München VuR 1996, 65). Es wirdaber - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung noch in der Li-teratur die Ansicht vertreten, daß bei Fristablauf ein Anspruch des Gut-scheininhabers auf Rücknahme des Papiers und Erstattung des Gut-scheinbetrags gegeben sei (ablehnend etwa AG Northeim NJW-RR 1989, 54). Weshalb der durchschnittlich verständige und informierteVerbraucher demgegenüber bei der Telefonkarte davon ausgehensollte, ihm stehe nach Ablauf von maximal 39 Monaten Gültigkeitsdauerein Anspruch auf Erstattung eines Restbetrages zu, ist nicht erkennbar(ebenso Heinrichs EWiR 2001, 49, 50).dd) Eine Verletzung des Transparenzgebots liegt entgegen derAnsicht des Berufungsgerichts auch nicht darin, daß der Kunde durchdie beanstandete Klausel davon abgehalten werde, nach Ablauf derGültigkeit der Telefonkarte seinen Anspruch auf Erstattung des Rest-guthabens geltend zu machen. Ein solcher Anspruch steht dem Kun-den, wie dargelegt, nicht zu. § 5 AGBG ändert daran nichts. Die An-nahme, bei Fristablauf entstehe ein Erstattungsanspruch, liegt so fern,daß sie auch im Rahmen des § 5 AGBG keine Berücksichtigung findenkann.III.Die Revision war jedoch gemäß § 563 ZPO zurückzuweisen, weildas Berufungsurteil ungeachtet des Fehlers in den Entscheidungsgrün-den sich aus anderen Gründen als richtig darstellt. Die in der bean-standeten Klausel enthaltene Regelung verstößt ihrem Inhalt nach ge-gen das Benachteiligungsverbot des § 9 AGBG.- 12 -1. Gemäß § 9 Abs. 1 AGBG sind Bestimmungen in AllgemeinenGeschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner desVerwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemes-sen benachteiligen. Eine solche unangemessene Benachteiligung istnach § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG im Zweifel anzunehmen, wenn eine Be-stimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit wesentlichenGrundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird,nicht zu vereinbaren ist.2. a) Das bürgerliche Recht kennt für Verpflichtungen aus schuld-rechtlichen Verträgen im allgemeinen nur das in den §§ 194 ff. BGB imeinzelnen geregelte Rechtsinstitut der Verjährung, nicht dagegen be-sondere, von der Frage der Verjährung unabhängige Ausschlußfristen.Auch für den in einer Telefonkarte verkörperten Anspruch gegen dieBeklagte ist, ohne daß es auf die Einzelheiten der rechtlichen Einord-nung des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses ankäme, keine ge-setzlich vorgesehene Ausschlußfrist ersichtlich. Die Gültigkeitsbefri-stung der Telefonkarten der Beklagten enthält daher eine Abweichungvon den gesetzlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechts.b) Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtlichegegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts ge-hört das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung(BGHZ 96, 103, 109 m.w.Nachw.). Die streitige Gültigkeitsbefristunggreift in das Äquivalenzverhältnis des Telefonkartenvertrags insoweitein, als der Kunde die beim Erwerb der Karte vorausbezahlten Ge-sprächseinheiten nur im Rahmen der Geltungsdauer in Anspruch neh-men kann.- 13 -3. In ihrer konkreten Ausgestaltung enthält die Gültigkeitsbefri-stung der Telefonkarten einen so weitgehenden Eingriff in das vertrag-liche Äquivalenzverhältnis, daß sie als unvereinbar mit dem Äquiva-lenzprinzip und als unangemessene Benachteiligung der Karteninhaberangesehen werden muß.a) Bei Berechtigungskarten und Gutscheinen, die dem jeweiligenInhaber die Möglichkeit verschaffen, eine bestimmte Ware oder Lei-stung zu verlangen, kann zwar nicht jede zeitliche Begrenzung der Gül-tigkeitsdauer als nicht hinnehmbare Verletzung des Äquivalenzprinzipsund unangemessene Benachteiligung des Kunden angesehen werden.Solche Ausschlußfristen sind, obwohl im Gesetz in aller Regel nichtvorgesehen, in weiten Bereichen üblich und werden unter Berücksichti-gung der berechtigten Interessen der beiderseits Beteiligten häufig alsnicht unangemessen anzusehen sein (vgl. z.B. BGH, Urteil vom21. März 1991 - III ZR 94/89, NJW 1991, 1745). Die Besonderheitendes vorliegenden Falles führen jedoch dazu, daß die von der Beklagtengewählte Ausgestaltung der Gültigkeitsbefristung ihrer Telefonkartenbei einer Abwägung ihrer Interessen und derjenigen der Kartenbenutzerals unvereinbare Abweichung vom Äquivalenzprinzip, die die Karten-nutzer unangemessen benachteiligt, angesehen werden muß.b) Dabei ist auf der Seite der Erwerber der Telefonkarten zu be-rücksichtigen, daß sich ungeachtet der zunehmenden Verbreitungtransportabler Fernsprechgeräte (sogenannter Handys) nach wie vorfür zahlreiche Menschen gelegentlich oder auch häufiger das Bedürfnisergeben kann, einen öffentlichen Fernsprecher zu benutzen. Zur Be-friedigung dieses Kommunikationsbedürfnisses sind die Betroffenen inder Regel auf die Beklagte angewiesen, weil sie die einzige Anbieterinist, die in Deutschland ein flächendeckendes Netz von öffentlichen- 14 -Fernsprechern unterhält. Da die Beklagte ihre öffentlichen Fernspre-cher im Laufe der Jahre ganz überwiegend vom Münzbetrieb auf denKartenbetrieb umgestellt hat, sind auch diejenigen Interessenten, dienur verhältnismäßig selten in die Verlegenheit kommen, einen öffentli-chen Fernsprecher benutzen zu müssen, gezwungen, eine Telefonkarteder Beklagten zu erwerben. Sie müssen, da die Beklagte keine Tele-fonkarten im Gegenwert von weniger als 12 DM anbietet, auch dann,wenn sie zunächst nur ein einzelnes Ortsgespräch führen wollen, mitdem Erwerb einer Telefonkarte den Gegenwert einer größeren Anzahlvon Telefongesprächen, von denen noch ungewiß ist, ob und wann siesie führen werden, vorab bezahlen. Bei solchen Telefonteilnehmernkann die Gültigkeitsbefristung der Telefonkarten ungeachtet dessen,daß sie verhältnismäßig geräumig bemessen ist, dazu führen, daß einTeil der vorab bezahlten Gesprächseinheiten ersatzlos verfällt.c) Demgegenüber beruft die Beklagte sich darauf, schon wegender ständigen Fortentwicklung der Informationstechnologie immer wie-der gezwungen zu sein, Veränderungen an ihren öffentlichen Fernspre-chern und Telefonkarten vorzunehmen, was die unbegrenzte Weiterbe-nutzung vor Jahren ausgegebener Telefonkarten ausschlösse. Außer-dem macht sie geltend, nur mit Hilfe der Befristung der Telefonkartensei sie in der Lage, den um sich greifenden Fällen des Mißbrauchsdurch Manipulationen an den Karten, die ihr in der Vergangenheit hoheVerluste verursacht hätten, wirksam zu begegnen.Diese Gesichtspunkte enthalten grundsätzlich anerkennungs-werte Interessen der Beklagten, wobei es weder auf die zwischen denParteien streitige Frage nach der genauen Höhe der in der Vergangen-heit durch Telefonkarten-Manipulationen entstandenen Verluste nochauf die weitere Frage, in welchem Umfang solchen Manipulationen- 15 -durch eine verhältnismäßig geräumige Gültigkeitsbefristung vorgebeugtwerden kann, entscheidend ankommt. Beide Gesichtspunkte lassenaber nur ein Interesse der Beklagten deutlich werden, die Verwendbar-keit der Telefonkarten in ihren öffentlichen Fernsprechern zeitlich zubegrenzen. Ein darüber hinausgehendes Interesse daran, mit dem En-de der Verwendbarkeit einer Telefonkarte auch den im voraus für nochnicht verbrauchte Gesprächseinheiten erhaltenen Betrag ersatzlosverfallen zu lassen, hat die Beklagte nicht darzulegen vermocht. DasInteresse der Kartennutzer, nicht auf den Wert der im voraus bezahltenGesprächseinheiten verzichten zu müssen, wiegt demgegenüber umsoschwerer, weil die Beklagte es war, die ihnen mit der Umstellung desüberwiegenden Teils ihrer öffentlichen Fernsprecher vom Münzbetriebauf den Kartenbetrieb die früher gegebene Möglichkeit verbaut hat,immer nur die jeweils in Anspruch genommenen Gesprächseinheiten zubezahlen.d) Die Befristung der von der Beklagten ausgegebenen Telefon-karten wäre daher unter Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen undderjenigen ihrer Kunden nur dann zu rechtfertigen, wenn die Beklagtezugleich eine Regelung getroffen hätte, nach der die Kunden den Ge-genwert der noch nicht verbrauchten Gesprächseinheiten erstattet er-halten oder zumindest beim Kauf einer neuen Telefonkarte angerechnetbekommen. Da die Beklagte eine solche Regelung nicht getroffen hat,enthält die Befristung der von ihr ausgegebenen Telefonkarten eineunangemessene Benachteiligung der Kunden und ist daher nach § 9AGBG unwirksam.Nobbe Siol Bungeroth- 16 - Müller Wassermann
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12.06.2001
Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat
Sachgebiet: ZR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.06.2001, Az. XI ZR 274/00 (REWIS RS 2001, 2311)
Papierfundstellen: REWIS RS 2001, 2311
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
10 O 181/02 (Landgericht Bonn)
6 U 137/02 (Oberlandesgericht Köln)
3 U 113/06 (Oberlandesgericht Köln)
III ZR 79/07 (Bundesgerichtshof)
III ZR 178/09 (Bundesgerichtshof)
Verjährung des Anspruchs von Telefonkarteninhabern auf Umtausch der gesperrten Telefonkarten der Deutschen Telekom AG
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