Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2011, Az. XII ZB 521/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 439

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 521/10

vom

14. Dezember 2011

in der Betreuungssache

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14.
Dezember 2011 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Hahne, die Richterin [X.] und [X.],
[X.] und [X.]
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7.
Zivilkammer des [X.] vom 10.
September 2010 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
[X.]: 1.782

Gründe:
I.
Der Beteiligte zu
1 wurde ab März 2005 zum Berufsbetreuer des mittello-sen Betroffenen bestellt. Dieser befand sich von Dezember 2007 bis Januar 2011 in Strafhaft.
Für die [X.] von Dezember 2007 bis Februar 2010 beantragte der Betei-ligte zu
1 Festsetzung seiner Vergütung. Bei der Berechnung seines [X.]auf-wands ist er davon ausgegangen, dass der Betroffene nicht in einem Heim lebt (§
5 Abs.
2 Satz
2 [X.]). Das Amtsgericht hat die Vergütung unter Berück-sichtigung des geringeren Stundenansatzes für einen Betreuten, der in einem Heim lebt, nach §
5 Abs.
2 Satz
1 Nr.
4 [X.] festgesetzt und hat den [X.] Antrag zurückgewiesen. Die hiergegen von dem Beteiligten zu
1 ein-gelegte Beschwerde hat das [X.] mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.
1
2
-
3
-

Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu
1 seinen Festsetzungsantrag in vollem Umfang weiter.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
70 Abs.
1 FamFG) und auch im Übrigen
zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Vergütung des Beteiligten zu
1 sei gemäß §
5 [X.] so festzusetzen wie für Betroffene, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim hätten. Denn der Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt sei einem Heimaufenthalt gleichzustellen. Die Justizvollzugsanstalt erfülle die von §
5 Abs.
3 [X.] aufgestellten Voraus-setzungen für den Heimbegriff. Der Betroffene habe dort wegen der Dauer
der Inhaftierung seinen Lebensmittelpunkt und damit auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Darauf,
ob dies seinem Willen entsprochen habe, komme es ebenso wenig an wie auf den Umstand, dass er die bereits vor seiner Inhaftie-rung angemietete Wohnung nicht gekündigt und dort auch seine [X.]e verbracht habe.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
Der Beteiligte zu
1 hat als Berufsbetreuer des mittellosen Betroffenen ei-nen Anspruch auf Vergütung gegen die Staatskasse
lediglich in der vom [X.] festgesetzten Höhe, §§
1908
i Abs.
1 Satz
1 BGB, 1836 Abs.
1 Satz
2 und 3 BGB i.V.m. §§
1 Abs.
2 Satz
2, 4 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2, 5 Abs.
2 Satz
1 Nr.
4 [X.].
3
4
5
6
7
-
4
-

a) Nach §
5 Abs.
2 Satz
1 Nr.
4 [X.] beträgt der pauschal zu vergüten-de [X.]aufwand eines Betreuers bei einem mittellosen Betroffenen nach zwölf-monatiger [X.] nur zwei Stunden im Monat, wenn der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung hat und nach §
5 Abs.
2 Satz
2 Nr.
4 [X.] dreieinhalb Stunden, wenn dies nicht der Fall ist. Welche Voraussetzungen eine solche Einrichtung erfüllen muss, ist in §
5 Abs.
3 [X.] geregelt. Die vom Gesetz vorgenommene Differenzierung der zu vergütenden Stunden nach dem Aufenthaltsort des Betreuten beruht auf einer
vom [X.] in Auftrag gegebenen rechtstatsächlichen Untersuchung.
Danach ist der Betreuungsaufwand für einen zu Hause lebenden Betreuten signifikant
höher als für einen Betreuten, der in einer Einrichtung lebt (BT-Drucks.
15/2494 S.
32)
und rechtfertigt dementsprechend einen höheren Stun-denansatz, während bei einem in einer Einrichtung versorgten Betreuten auf-grund des geringeren Betreuungsaufwandes nur ein niedrigerer Stundensatz vonnöten ist.
b) Im vorliegenden Fall kann der Beteiligte zu
1 nach der Intention des Gesetzes nur die
geringeren Stundenansätze
gemäß
§
5 Abs.
2 Satz
1 Nr.
1 -
4 [X.] -
und zwar nur zwei Stunden gemäß Nr.
4 der Vorschrift
-
in Rechnung stellen, da die Voraussetzungen des §
5 Abs.
3 [X.] erfüllt sind.

aa) Denn es ist davon auszugehen, dass bei einem inhaftierten [X.], dem in der [X.] und Verpflegung sowie um-fangreiche [X.], gesundheitliche und tatsächliche Fürsorge gewährt werden, entsprechend weniger Betreuungsaufwand für den Betreuer
anfällt als bei ei-nem zu Hause lebenden Betreuten ([X.] FamRZ 2006, 1562; [X.] 2007, 80; [X.] in [X.] Betreuungsrecht 4.
Aufl. §
5 [X.] Rn.
12; [X.]/Dodegge 3.
Aufl. Teil
F Rn.
184; Jurgeleit/[X.] 2.
Aufl. §
5 [X.] Rn.
34; HK-BUR Deinert/[X.] 72.
Ak-8
9
10
-
5
-

tualisierung §
5 [X.] Rn.
106; Onderka in [X.]/[X.] RVG §
1 Rn.
90).
[X.]) Der Betroffene hatte während des Vollzugs der mehrjährigen Frei-heitsstrafe auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von §
5 [X.] in der Justizvollzugsanstalt.
(1) Bei der Auslegung des im Vormünder-
und Betreuervergütungsgesetz ([X.]) nicht näher umschriebenen Begriffs "gewöhnlicher Aufenthalt"
kann auf dessen Definition in anderen Rechtsgebieten zurückgegriffen werden. [X.] heißt es in §
30 Abs.
3 SGB
I und §
9 [X.]: "Den gewöhnlichen Auf-enthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen [X.], dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt."
Für den Bereich des internationalen Privatrechts hat der Senat den gewöhnlichen Aufenthalt als den Ort definiert,
an dem eine Person sozial inte-griert ist und ihren auf längere [X.] angelegten tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 3.
Februar 1993 -
XII
ZB
93/90
-
FamRZ
1993, 798, 800 und vom 13.
Dezember 2000 -
XII
ZR
278/98
-
FamRZ 2001, 412). Auf den Willen, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der [X.] zu machen, kommt es nicht an
(Senatsbeschluss [X.], 293 =
FamRZ 1981, 135, 136 mwN). Entscheidend sind vielmehr die [X.] Verhältnisse.
Die für einen gewöhnlichen Aufenthalt erforderliche Dauer des Aufent-halts ist unter Berücksichtigung des jeweiligen Normzwecks nach den [X.] des Einzelfalls zu bestimmen.
Bei der Bestimmung der erforderlichen Aufenthaltsdauer [X.]. §
5 [X.] ist somit der Zweck der Vorschrift, nämlich die Gewährung einer geringeren Vergütung für einen geringeren Betreuungsaufwand bei einem Aufenthalt des 11
12
13
14
-
6
-

Betreuten in einer Einrichtung, mit zu berücksichtigen ([X.] BtPrax 2006, 219, 220).
(2) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hatte der Betroffene während der mehrjährigen Haftdauer seinen auf längere [X.] angelegten tatsächlichen Lebensmittelpunkt und damit seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der [X.].
Da der gewöhnliche Aufenthalt sich nicht nach dem Willen des Betroffe-nen, sondern nach den tatsächlichen Verhältnissen bestimmt, kann auch die zwangsweise Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen ([X.] 2007, 80; [X.]/[X.]/[X.] 76.
Aktualisierung §
272 FamFG Rn.
15; a.A. BayObLG BTPrax 2003, 132).
(a) Dem tatsächlichen Lebensmittelpunkt in der Justizvollzugsanstalt steht nicht entgegen, dass der Betroffene seine bis zur Inhaftierung genutzte Wohnung auch während der Haft nicht aufgegeben und dort auch seine Haftur-laube verbracht hat.
Entgegen einer verbreiteten Meinung in Literatur und Rechtsprechung ([X.], 123; [X.] FamRZ 2006, 1562 Rn.
16;
[X.] 2007, 80 Rn.
14; [X.]/[X.] FamFG 16.
Aufl. §
272 Rn.
3; [X.] in [X.] Betreuungsrecht 4.
Aufl. §
272 FamFG Rn.
4;
[X.]/[X.] 3.
Aufl. §
272 FamFG Rn.
11) ist
es während der Verbüßung einer längeren Strafhaft nicht möglich, dass der Betreute neben seinem Lebensmittelpunkt in der Vollzugsanstalt einen anderen tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat. Denn der
Gefangene verbringt die weit überwiegende [X.] in der Vollzugsanstalt, empfängt dort seine Besucher und unterhält dort seine [X.]n Kontakte. Daran ändert -
entgegen der Ansicht der Rechtsbe-15
16
17
18
-
7
-

schwerde
-
auch der auf 21
Kalendertage pro Vollstreckungsjahr begrenzte [X.] nichts.
Deshalb ist es auch unerheblich, ob der Betreute -
wie hier
-
nach Verbüßung der längeren Strafhaft über eine konkrete Rückkehrmöglich-keit, beispielsweise in eine weiterhin angemietete
Wohnung, verfügt. Denn die bloße Möglichkeit der späteren Rückkehr hat keine Auswirkung auf den aktuel-len tatsächlichen Aufenthalt des Betreuten in der Justizvollzugsanstalt.
(b) Der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Betroffenen in der [X.] war auch auf längere [X.] angelegt. Der Betroffene war zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, während der er sich dauerhaft in der Justizvollzugsanstalt aufhielt. Aufgrund der mehrjährigen Dauer des Aufenthalts und der umfassenden Versorgung in der Justizvollzugsanstalt ist davon auszu-gehen, dass sich entsprechend dem Sinn und Zweck des §
5 Abs.
2 Satz
1 [X.] der Betreuungsaufwand verringert hat.

Hahne

Vézina

Dose

Klinkhammer

Günter
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.05.2010 -
80 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 10.09.2010 -
7 T 481/10 -

19

Meta

XII ZB 521/10

14.12.2011

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2011, Az. XII ZB 521/10 (REWIS RS 2011, 439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 439

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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