Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.07.2012, Az. III R 25/10

3. Senat | REWIS RS 2012, 4957

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Gegenstand

(Beitrittsaufforderung an das BMF: Entsprechende Anwendung des § 71 AO auf den Gehilfen eines Subventionsbetrugs)


Leitsatz

NV: Das BMF wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO zum Beitritt aufgefordert, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob auf eine Person, die sich als Gehilfe eines Subventionsbetrugs nach den §§ 264, 27 StGB strafbar gemacht hat, die Haftungsnorm des § 71 AO entsprechend anwendbar ist .

Tatbestand

1

I. Sachverhalt

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wendet sich gegen einen nach § 71 der Abgabenordnung ([X.]) ergangenen Bescheid, durch den ihn der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) für eine der W-GmbH zu Unrecht gewährte Investitionszulage für 1994 in Höhe von 520.000 DM (= 265.871,78 €) als Haftungsschuldner in Anspruch genommen hat. Der Haftungsinanspruchnahme lag --verkürzt dargestellt-- folgender Sachverhalt zugrunde:

3

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der [X.] Er unterzeichnete für die nicht existente [X.] (als Lieferant) im Mai 1991 den "[X.]" mit einer [X.] (als Abnehmer). Auf Anweisung des anderweitig verfolgten Beschuldigten … eröffnete der Kläger im Oktober 1991 für die [X.] als deren Geschäftsführer ein Geschäftskonto bei einer [X.] Bank. Auf dieses Konto überwies die [X.] im Oktober 1991 einen Betrag von 6,5 Mio. DM als Anzahlung auf den genannten Vertrag. Der Kläger überwies diesen Betrag entsprechend einem bereits im Voraus abgegebenen Überweisungsversprechen unmittelbar wieder an die [X.] zurück. Am 31. Juli 1993 erklärte der Kläger gegenüber der W-GmbH sinngemäß, er sei damit einverstanden, dass die W-GmbH bezüglich des genannten Vertrages an die Stelle der [X.] trete und die [X.] auf diesen Vertrag eine Anzahlung von 6,5 Mio. DM erhalten habe. Weiter gab der Kläger im August 1993 gegenüber dem anderweitig verfolgten Beschuldigten … --einem bei der steuerlichen Beraterin der W-GmbH tätigen [X.] eine von ihm unterschriebene Erklärung ab, wonach er mit dem von der [X.] ermittelten Saldo per 31. Juli 1993 zu "unseren" Lasten bezüglich des genannten [X.] von 6,5 Mio. DM und der Übernahme dieses Vertrages durch die W-GmbH einverstanden sei.

4

In einem von der steuerlichen Beraterin der W-GmbH im August 1993 erstellten Bericht über die Prüfung einer Kapitalerhöhung im Wege von Sacheinlagen der W-GmbH wurde u.a. ausgeführt, Sacheinlagen im Wert von 31.631.000 DM seien dadurch erbracht worden, dass die [X.] ihre Rechte und Pflichten aus den im Einzelnen genannten Verträgen mit bereits vorgenommenen Zahlungen auf die W-GmbH übertragen habe. Unter den übertragenen Verträgen und Zahlungen wird die im Oktober 1991 geleistete "Anzahlung" in Höhe von 6,5 Mio. DM aus dem oben genannten Vertrag angeführt.

5

Die W-GmbH beantragte bereits für das [X.] ohne Erfolg Investitionszulage im Zusammenhang mit der im [X.] geleisteten Anzahlung. Aufgrund eines [X.] vom Oktober 1995 wurde der W-GmbH durch geänderten Investitionszulagenbescheid für 1994 vom 29. Dezember 1995 eine Investitionszulage gewährt, in deren Bemessungsgrundlage die genannte Anzahlung in Höhe von 6,5 Mio. DM einbezogen war.

6

Nach Eröffnung des [X.] über das Vermögen der W-GmbH am 1. Mai 1996 meldete das [X.] den Anspruch auf Rückzahlung der streitgegenständlichen Investitionszulage mit Schreiben vom 25. Juni 1996 zum Forderungsverzeichnis an. Der Anspruch wurde festgestellt. Zahlungen hierauf sind nicht erfolgt. Das [X.] wurde am 2. November 2007 eingestellt.

7

Strafrechtlich wurde der Kläger in dieser Sache mit Strafbefehl wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug (§§ 264, 27 des Strafgesetzbuches --StGB--) verurteilt.

8

Das [X.] nahm den Kläger mit Bescheid vom 19. September 2003 nach § 71 [X.] wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug in Höhe von 520.000 DM (= 6,5 Mio. DM x 8 %; dies entspricht 265.871,78 €) für die im Zusammenhang mit der nicht geleisteten Anzahlung zu Unrecht ausbezahlte Investitionszulage für 1994 in Haftung. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des [X.] ([X.]) vom 24. Juni 2009  4 K 2207/04 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 691 abgedruckt.

9

Der Kläger stützt seine Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt, dass angegriffene Urteil des [X.], den Haftungsbescheid und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Rechtsfrage

Im Streitfall kann die Rechtsfrage entscheidungserheblich sein, ob auf den Kläger, der sich als Gehilfe eines [X.] strafbar gemacht hat, die Haftungsnorm des § 71 [X.] entsprechend anwendbar ist. Diese Rechtsfrage ist nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) bereits geklärt. Da jedoch Zweifel an der bisherigen Rechtsprechung aufgetreten sind, beabsichtigt der Senat, hierüber erneut zu entscheiden.

1. Nach bisheriger Rechtsprechung müsste § 71 [X.] entsprechend angewendet werden.

Der Senat hat dies in seinem zum Investitionszulagengesetz 1982 ([X.] 1982) ergangenen Urteil vom 27. April 1999 III R 21/96 ([X.]E 189, 255, [X.] 1999, 670) im Wesentlichen mit der in § 5 Abs. 5 Satz 1 [X.] 1982 (= § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1993) enthaltenen [X.] begründet, wonach die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der [X.] entsprechend anwendbar seien. Diese allgemein gehaltene Verweisung auf die [X.] umfasse auch die Vorschriften über die Haftung (§§ 69 ff. [X.]). Insbesondere scheitere eine entsprechende Anwendbarkeit des § 71 [X.] nicht daran, dass diese Vorschrift lediglich eine Haftung (u.a.) des Steuerhinterziehers, nicht jedoch des Subventionsbetrügers normiere. Die in der [X.] angeordnete entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften sei vielmehr so zu verstehen, dass in Fällen einer deliktisch --also im Wege eines [X.]-- erlangten Investitionszulage der Subventionsbetrüger ebenso wie der Steuerhinterzieher im Falle einer deliktisch erlangten Steuervergütung in Haftung genommen werden könne. Der Fall des [X.] sei im Rahmen der Haftung nach § 71 [X.] abgabenrechtlich wie ein Fall der Steuerhinterziehung zu behandeln.

Die gleichen Überlegungen finden sich bereits in einem hinsichtlich der hier zu erörternden Rechtsfrage vergleichbaren Fall, den der [X.] mit Urteil vom 18. Februar 1977 VI R 177/75 ([X.]E 121, 572, [X.] 1977, 524) zu dem [X.] ([X.]) 1960 bzw. 1967 entschieden hat. Nach § 5 Abs. 4 [X.] 1960 bzw. 1967 waren auf die Festsetzung und Beitreibung der [X.] die Vorschriften der Reichsabgabenordnung (R[X.]) entsprechend anwendbar. Diese Verweisung --so der [X.]-- umfasse auch die Vorschrift des § 144 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz R[X.] mit der Folge, dass der dort verwendete Ausdruck "hinterzogene Beträge" bei entsprechender Anwendung auf [X.] im Sinne von "erschlichene Wohnungsbau-Prämie" zu verstehen sei. Damit verjähre der Rückforderungsanspruch erst in zehn Jahren (s. auch [X.]-Urteil vom 8. Oktober 1976 VI R 251/74, [X.]E 120, 324, [X.] 1977, 223).

Schließlich enthält auch das zu § 19 des [X.] ([X.]) ergangene Senatsurteil vom 28. August 1997 III R 3/94 ([X.]E 183, 324, [X.] 1997, 827) die gleiche Argumentation. Danach könne eine nach § 19 [X.] durch Subventionsbetrug erlangte Investitionszulage für Investitionen in [X.] ([X.]) innerhalb der verlängerten Festsetzungsfristen des § 169 Abs. 2 Satz 2 [X.] zurückgefordert werden, sofern das betreffende Zulagengesetz --wie hier § 19 Abs. 7 [X.]-- allgemein die Steuervergütungsvorschriften der [X.] für entsprechend anwendbar erklärte.

2. Die Verwaltung hat sich der vorstehend dargestellten Rechtsprechung angeschlossen (Schreiben des [X.] --[X.]-- vom 28. Juni 2001 IV A 5 -[X.] 1271- 21/01, [X.], 379, [X.]. 188; s. auch Verfügung der [X.] vom 6. August 2009 [X.] 1460-2-St 221, juris, zu § 173 Abs. 2 [X.]).

3. In der Literatur findet sich zu der aufgeworfenen Rechtsfrage ein geteiltes Meinungsbild.

a) Die bisherige Auffassung des Senats, wonach § 71 [X.] in einem Fall wie dem vorliegenden entsprechend anwendbar sei, wird in der Literatur weitgehend geteilt [X.]/Rüsken, [X.], 11. Aufl., § 71 Rz 4 a.E.; Boeker in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 71 [X.] Rz 40; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 71 [X.] Rz 5; [X.], [X.], § 71 Rz 2a; [X.] in [X.], [X.] § 71 Rz 9).

b) Die Auffassung, dass im Falle einer durch Subventionsbetrug erlangten Investitionszulage § 169 Abs. 2 Satz 2 [X.] entsprechend anwendbar sei, wird hingegen von zahlreichen Stimmen abgelehnt (Banniza in [X.], § 169 [X.] Rz 42; [X.] in Tipke/ [X.], a.a.[X.], § 169 [X.] Rz 17; [X.] in [X.], [X.], § 169 Rz 21; [X.]/Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 169 Rz 60). Als Argument wird insbesondere angeführt, der [X.] --auf konkrete Steuerstraftatbestände Bezug nehmende-- Wortlaut des § 71 [X.] erlaube keine entsprechende Anwendung.

4. Die bisherige Senatsrechtsprechung, wonach die im [X.] enthaltene Verweisung auf die Steuervergütungsvorschriften der [X.] die entsprechende Anwendung des § 71 [X.] rechtfertige, stößt auf Bedenken.

a) Die Investitionszulage ist keine Steuer i.S. des § 3 Abs. 1 [X.] ([X.] in [X.], § 1 [X.] Rz 23). Der Gesetzgeber hat die Investitionszulage materiell-rechtlich auch nicht als eine Steuervergütung ausgestaltet. Es fehlt --anders als z.B. für das Kindergeld (s. dazu § 31 Satz 3 des [X.] eine Norm, welche die Investitionszulage als Steuervergütung qualifiziert. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in den Investitionszulagengesetzen enthaltenen [X.] (z.B. § 5 Abs. 5 Satz 1 [X.] 1982, § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1993), die eine entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der [X.] anordnet. Durch diese Verweisungsnorm wird die Investitionszulage abgabenrechtlich nicht in eine Steuervergütung umqualifiziert, sondern allgemein das [X.] geregelt (ebenso Urteil des [X.] --BGH-- vom 6. Juni 2007  5 StR 127/07, [X.] --[X.]-- 2007, 1157, zur Eigenheimzulage). Demnach hat der Gesetzgeber in Anbetracht des in § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelten Anwendungsbereichs der [X.] und des Umstands, dass die Investitionszulage gerade keine Steuervergütung ist, in § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1993 folgerichtig nur eine entsprechende Anwendung der Steuervergütungsvorschriften der [X.] angeordnet.

Diese allgemein gehaltene [X.] führt zwar dazu, dass auch die Haftungsnormen der §§ 69 ff. [X.] entsprechend anwendbar sind. Die Vorschrift des § 71 [X.] begründet aber nur dann eine Haftung, wenn ganz bestimmte Steuerstraftatbestände, insbesondere der einer Steuerhinterziehung (§ 370 [X.]), erfüllt ist. Das auf "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtete Verhalten stellt strafrechtlich allerdings gerade keine Steuerhinterziehung, sondern einen Betrug (§ 263 StGB) bzw. einen Subventionsbetrug (§ 264 StGB) dar (s. auch BGH-Be-schluss vom 7. Februar 1984  1 StR 10/83, [X.] 1984, 391). Auch wenn die Abgrenzung zwischen den unter § 370 [X.] fallenden Steuern bzw. Steuervorteilen und den von § 264 StGB erfassten Subventionen schwierig sein kann, gehört doch die Investitionszulage zu den Subventionen i.S. des § 264 Abs. 7 StGB und nicht zu den Steuern oder Steuervorteilen (s. auch [X.] in [X.]/[X.], Strafgesetzbuch, 28. Aufl., § 264 Rz 10 a.E.). Abweichendes ergibt sich auch nicht aus § 370 Abs. 4 Satz 2 [X.], wonach auch Steuervergütungen Steuervorteile sind. Die Investitionszulage ist --wie aufgezeigt-- materiell-rechtlich gerade keine Steuervergütung. Schließlich lässt sich etwas anderes auch nicht aus dem § 9 [X.] 1993 (= § 5a [X.] 1977/1982/1986) entnehmen, nach dem die Vorschriften der [X.] über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend gelten. Hierdurch werden lediglich die Verfahrensvorschriften der §§ 385 ff. [X.] einschließlich der Ermittlungszuständigkeit der Finanzbehörden (vgl. § 386 Abs. 2 [X.]) für anwendbar erklärt (ebenso [X.] in [X.] 2007, 1157, zur Eigenheimzulage).

Es ist daher zweifelhaft, ob der mögliche Wortsinn des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1993 noch den Gesetzesbefehl umfasst, dass das auf "Erschleichung" einer Investitionszulage gerichtete Verhalten abgabenrechtlich als Steuerhinterziehung zu behandeln ist, obwohl die Investitionszulage abgabenrechtlich gerade keine Steuervergütung ist und deren Vergabe strafrechtlich über die §§ 263, 264 StGB geschützt ist.

b) Diese Zweifel werden durch die Regelung des § 9 [X.] 1993 (= § 5a [X.] 1977/1982/1986) bestätigt, nach der die Vorschriften der [X.] über die Verfolgung von Steuerstraftaten (§§ 385 ff. [X.]) entsprechend gelten. Diese Regelung geht auf das [X.] (1. [X.]) vom 29. Juli 1976 ([X.] 1976, 2034) zurück, mit dem die Vorschrift des § 264 StGB in das StGB neu eingefügt wurde. Der Gesetzgeber betrachtete die Investitionszulage als eine Subvention i.S. des § 264 StGB und wollte deren Vergabe strafrechtlich besonders schützen (BTDrucks 7/3441, S. 48, BTDrucks 7/5291, S. 24). Da die Investitionszulage von den Finanzbehörden verwaltet wurde, fügte er den § 5a [X.] neu ein, wonach u.a. für die Verfolgung einer Straftat nach § 264 StGB die Vorschriften der R[X.] über die Verfolgung von Steuerstraftaten entsprechend galten.

In anderen Zulagen- und Prämien-Gesetzen, die ebenfalls wie das [X.] eine Verweisung auf die Steuervergütungsvorschriften der [X.] enthalten (z.B. § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 29 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 14 Abs. 2 Satz 1 des [X.] [X.]--), hat der Gesetzgeber darüber hinausgehend normiert, dass auch § 370 Abs. 1 bis 4 [X.] entsprechend gilt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 [X.], § 29a [X.], § 14 Abs. 3 Satz 1  5. [X.]). Eine solche Anordnung fehlt im [X.], weil der Gesetzgeber die Vergabe der [X.] gerade unter den besonderen materiellen Strafrechtsschutz des § 264 StGB stellen wollte.

Danach ist zu bezweifeln, dass der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1993 einen Subventionsbetrug abgabenrechtlich in eine Steuerhinterziehung umqualifiziert, obwohl der Gesetzgeber im [X.] --im Gegensatz zu anderen Zulagen- und Prämien-Gesetzen-- allein auf das formelle, nicht aber auf das materielle Steuerstrafrecht Bezug nimmt.

5. Jenseits des möglichen Wortsinns bliebe nur noch die Möglichkeit, die Haftungsnorm des § 71 [X.] im Wege der Analogie anzuwenden. Hiergegen bestünden aber ebenfalls Bedenken.

a) Selbst wenn man eine steuerverschärfende Analogie im Steuerrecht nicht generell ausschließen möchte (so [X.]-Urteil vom 14. Februar 2007 II R 66/05, [X.]E 217, 176, [X.] 2007, 621, m.w.N.), würde eine solche voraussetzen, dass sich zum einen einwandfrei eine Gesetzeslücke feststellen ließe, zum anderen, dass sich aus dem Gesetzeswortlaut bzw. Gesamtzusammenhang oder aus den Gesetzesmaterialien eindeutig Rechtsprinzipien ergäben, nach denen diese Lücke zu schließen wäre ([X.]-Urteil in [X.]E 217, 176, [X.] 2007, 621). Unabhängig von der Frage, ob im Streitfall eine Gesetzeslücke bestünde, wäre jedenfalls die Existenz des Prinzips, wonach der Subventionsbetrug abgabenrechtlich wie eine Steuerhinterziehung zu behandeln sei, zweifelhaft.

aa) Aus dem Wortlaut bzw. Gesamtzusammenhang des [X.] ließe sich ein solches Prinzip nicht entnehmen. Auch wenn mit § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1993 eine allgemein auf die Steuervergütungsvorschriften der [X.] verweisende Norm besteht, wäre die Existenz eines solchen Prinzips schon deshalb fraglich, weil § 9 [X.] 1993 lediglich auf das formelle Steuerstrafrecht verweist. Weitere Zweifel an der Existenz eines solchen Prinzips ergäben sich auch mit Blick auf den Schadensersatzcharakter des § 71 [X.]. Diese Vorschrift soll eine Schadensersatzpflicht in Höhe der verkürzten Beträge begründen (s. z.B. [X.]-Urteil vom 21. Januar 2004 XI R 3/03, [X.]E 205, 394, [X.] 2004, 919). Danach setzt § 71 [X.] tatbestandlich eine vollendete Steuerhinterziehung voraus, weil der Versuch dieses Delikts keinen Schaden verursacht ([X.]-Urteil vom 13. Juli 1994 I R 112/93, [X.]E 175, 489, [X.] 1995, 198). Ein vollendeter Subventionsbetrug nach § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt aber --unabhängig von einer tatsächlichen Schädigung-- bereits dann vor, wenn die unrichtigen Angaben beim Subventionsgeber eingehen. Der Subventionsbetrug ist anders als die Steuerhinterziehung nicht als Erfolgs-, sondern als Gefährdungsdelikt ausgestaltet (s. dazu [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], § 264 Rz 5). Es hätte daher erwartet werden dürfen, dass der [X.] --hätte er den Subventionsbetrug im Rahmen der Haftung nach § 71 [X.] mit einer Steuerhinterziehung gleichstellen wollen-- dies ausdrücklich angeordnet hätte.

bb) Etwas anderes dürfte sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien ergeben. Das [X.] wurde erstmals durch Art. 1 des Gesetzes über die Gewährung von Investitionszulagen und zur Änderung steuerrechtlicher und prämienrechtlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1969) vom 18. August 1969 ([X.] 1969, 1211) kodifiziert. In dem damaligen § 3 Abs. 6 Satz 1 [X.] 1969 hieß es, dass u.a. die Vorschriften des [X.] und Zweiten Teils der R[X.] entsprechend anzuwenden sind. Der Gesetzesbegründung hierzu lässt sich lediglich entnehmen, dass mit dieser Vorschrift das [X.] geregelt werden sollte (BTDrucks V/3890, S. 29, zu § 4). Die Vorschrift des § 3 Abs. 6 Satz 1 [X.] 1969 wurde in den Folgejahren ohne inhaltliche Änderung in § 5 Abs. 6 Satz 1 [X.] 1973 ([X.] 1973, 1494) und § 5 Abs. 6 Satz 1 [X.] 1975 ([X.] 1975, 529) übernommen. Die nächste für den Streitfall bedeutsame Änderung erfolgte durch das bereits erwähnte 1. [X.]. Der Gesetzgeber fügte den § 5a (= § 9 [X.] 1993) neu in das [X.] ein und begründete damit eine Ermittlungszuständigkeit des Finanzamtes in den Grenzen des § 433 und der §§ 435, 436 R[X.] (BTDrucks 7/3441, S. 48).

Schließlich erhielt § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1993 seine für den Streitfall maßgebliche Fassung im [X.] bereits durch das [X.] ([X.]EG 1977) vom 14. Dezember 1976 ([X.] 1976, 3341). § 5 Abs. 5 Satz 1 [X.] 1977 --die Vorgängerregelung zu § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1993-- lautete, dass "auf die Investitionszulage ... die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der Abgabenordnung ... entsprechend anzuwenden" sind (s. Art. 64 Nr. 1 [X.]EG 1977). Daneben wurde in § 5a [X.] das Wort "Reichsabgabenordnung" durch das Wort "Abgabenordnung" ersetzt (s. Art. 64 Nr. 2 [X.]EG 1977). In der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, dass nunmehr auch für die Investitionszulagen die für die Steuervergütungen geltenden Vorschriften der [X.] gelten sollen (BTDrucks 7/261, S. 54). Im Übrigen ergebe sich die Anwendbarkeit der Vorschriften der [X.] über die Verfolgung von Steuerstraftaten auf die Investitionszulage bereits aus dem durch das 1. [X.] eingefügten § 5a [X.] (BTDrucks 7/5458, S. 20).

b) Nach alledem lassen sich in den Gesetzesmaterialien nur schwerlich Anhaltspunkte dafür finden, dass der Subventionsbetrug im Rahmen des § 71 [X.] abgabenrechtlich wie ein Fall der Steuerhinterziehung zu behandeln ist.

III. Beitritt des [X.]

In Anbetracht seiner bisherigen Rechtsprechung und der überkommenen Verwaltungsauffassung hält es der Senat für angezeigt, dem [X.] die Gelegenheit zu geben, dem Verfahren beizutreten.

Es wird gebeten, die Erklärung über den Beitritt und ggf. die Stellungnahme zur Sache bis zum … abzugeben.

Meta

III R 25/10

05.07.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

§ 71 AO, § 169 Abs 2 S 2 AO, § 370 AO, § 7 Abs 1 S 1 InvZulG 1993, § 9 InvZulG 1993, § 29 BerlinFG, § 29a BerlinFG, § 8 WoPG, § 14 VermBG 5, § 122 Abs 2 S 3 FGO, § 264 StGB, § 27 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 05.07.2012, Az. III R 25/10 (REWIS RS 2012, 4957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4957

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 K 268/17

Zitiert

5 StR 127/07

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