Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.07.2019, Az. 2 B 18/18

2. Senat | REWIS RS 2019, 4997

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Gegenstand

Disziplinare Ahndung von rechtsextremistischen und menschenverachtenden Äußerungen sowie von Gewalt- und Tötungsfantasien eines Justizvollzugsbeamten


Gründe

1

Die Beschwerde betrifft die [X.] Entfernung eines [X.] aus dem Beamtenverhältnis.

2

1. Der geborene [X.] steht als Amtsinspektor im Justizvollzugsdienst im Dienst des klagenden [X.] und war zuletzt - bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung im Oktober 2010 aus Anlass der gegen ihn geführten straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen - in der [X.] überwiegend im Stationsdienst (Wechselschichtdienst) eingesetzt.

3

[X.] wurde im Rahmen eines gegen den [X.] und dessen Kollegen [X.] geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie Bestechlichkeit bzw. Bestechung aufgrund amtsgerichtlicher Anordnung die Telekommunikation von einem Festnetz- und drei Mobiltelefonanschlüssen des [X.] überwacht. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wurde im Jahr 2011 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

4

Im Zuge dieser Telefonüberwachung ermittelte die Staatsanwaltschaft u.a., dass der [X.] in mehreren Telefonaten im Zeitraum August bis September 2010 mit seinem Kollegen [X.] rechtsextremistische und gewaltverherrlichende Äußerungen ausgetauscht hat. Die Staatsanwaltschaft übermittelte dem Kläger diese Erkenntnisse in Gestalt einer Abschrift der Telefonüberwachung mit dem Hinweis, dass sich aus ihr konkrete Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ergäben; es bestehe die Gefahr erheblicher verbaler und körperlicher Übergriffe zum Nachteil von Gefangenen.

5

Der Kläger hat daraufhin [X.] erhoben, mit der er dem [X.] im Wesentlichen rechtsextremistische, verfassungsfeindliche und menschenverachtende Äußerungen in den Telefongesprächen mit seinem Kollegen [X.] vorwarf (Komplex I). Weiter habe der [X.] während einer Feier auf seinem privaten Hausgrundstück für die Nachbarschaft laut hörbar Musik mit rechtsextremistischen Hintergrund und Reden von [X.] abgespielt ([X.]) und in den Jahren 2009 und 2010 bei verschiedenen Begebenheiten während der Dienstausübung rechtsextremistische und verfassungsfeindliche Äußerungen getätigt ([X.]I). Schließlich habe er gegenüber seinem Dienstherrn falsche Angaben in Bezug auf seine Steuerklasse und seinen Familienstand gemacht und dadurch unrechtmäßige Überzahlungen herbeigeführt ([X.]). Wegen des [X.] hat das Verwaltungsgericht die Vorwürfe als in der Klageschrift nicht hinreichend bezeichnet angesehen und die [X.] insoweit für unzulässig gehalten. Wegen der Äußerungen in den Telefonaten (Komplex I) hat es den [X.] aus dem Beamtenverhältnis entfernt; in den Entscheidungsgründen hat es u.a. ausgeführt, dass der Vorwurf zu [X.] das Bild über den [X.] "abrunde" (UA [X.] 22) und dass dem vom [X.] zugestandenen Vorwurf zu IV keine weitergehende Wirkung im Hinblick auf die verwirkte Disziplinarmaßnahme zukomme (UA [X.] 24).

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Dass die Telefongespräche, wie sie in der [X.]schrift wiedergegeben seien, stattgefunden hätten, sei unstreitig. Die durch die Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse seien - sowohl für den Dienstherrn wie nachfolgend für die Disziplinargerichte - auch verwertbar. Zu Unrecht rüge der [X.], dass die Staatsanwaltschaft diese Erkenntnisse ohne hinreichende Rechtsgrundlage dem Dienstherrn übermittelt habe. Zutreffende Rechtsgrundlage hierfür sei allerdings nicht die von der Staatsanwaltschaft angeführte Vorschrift des § 477 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO, sondern § 49 Abs. 4 BeamtStG. Die Übermittlungsbefugnisse gemäß § 477 StPO seien nicht abschließend. Vielmehr blieben besondere gesetzliche Bestimmungen, die die Übermittlung von Daten aus Strafverfahren anordnen oder erlauben, gemäß § 480 StPO unberührt. Zu diesen Regelungen gehöre § 49 BeamtStG. Diese Vorschrift sei eine bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage für die Übermittlung von Daten von Gerichten und Strafverfolgungsbehörden an den Dienstherrn, um diesem dienstrechtliche Maßnahmen gegen den Beamten zu ermöglichen.

8

Die Voraussetzungen des § 49 Abs. 4 BeamtStG lägen vor. Zwar hätten die durch die Telefonüberwachung gewonnenen Erkenntnisse keinen Bezug zu den ursprünglich gegenüber dem [X.] erhobenen strafrechtlichen Anschuldigungen, aber sie enthielten hinreichende Anhaltspunkte für gravierende Verletzungen von Dienstpflichten. Dass die Äußerungen im Rahmen von als vertraulich empfundenen Telefonaten des [X.] mit seinem Kollegen [X.] getätigt und durch Art. 10 GG geschützt seien, sei unerheblich. Denn sie seien im Rahmen des Strafverfahrens rechtmäßig gewonnen worden und ihre anderweitige Verwendung diene der disziplinaren Ahndung des Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht. Ebenso unerheblich sei, dass es zu keiner strafrechtlichen Verurteilung des mitverfolgten Kollegen [X.] wegen dessen Äußerungen betreffend gewalttätige oder verbale Übergriffe gegenüber dem Gefangenen [X.] gekommen sei.

9

Dass die Staatsanwaltschaft die Weitergabe ihrer Erkenntnisse auf § 477 StPO gestützt habe, begründet keinen Fehler bei der nach § 49 Abs. 4 BeamtStG anzustellenden Ermessensausübung, weil das Ermessen auf Null reduziert gewesen sei. Aufgrund der Telefongespräche sei zu befürchten gewesen, dass es zu Übergriffen des [X.] gegenüber Gefangenen bereits gekommen sei und weitere körperliche oder verbale Übergriffe jederzeit hätten erfolgen können, was ein unmittelbares dienstrechtliches Vorgehen notwendig gemacht habe.

Der [X.] habe ein schweres außerdienstliches Dienstvergehen begangen, durch das er das Vertrauen seines Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren habe. Er habe gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen. Hierzu gehörten insbesondere die Achtung vor den Menschenrechten und die Absage an Taten und Gedankengut des Nationalsozialismus. Hiergegen habe der [X.] in seinen Telefongesprächen mit seinem Kollegen [X.] verstoßen. Beide Beamte hätten sich darin in rechtsextremistischer und Gewalt befürwortender Weise geäußert, indem sie wechselseitig Aussagen des jeweils anderen zustimmten, diese bestätigten, bekräftigten oder steigerten. So hätten die beiden Beamten mit der Aussage, dass, "wenn es [X.] gegeben habe", sie als "legitim und unabkommbar" anzusehen seien, zum Ausdruck gebracht, dass sie die physische Vernichtung der [X.] durch das NS-Unrechtsregime befürworteten. Auch hätten sie den [X.] mehrfach ausdrücklich geleugnet ("die ganze KZ-Scheiße" sei "alles Lug und Trug" und vom "[X.] ... erfunden"). In weiteren Gewalt- und [X.] hätten sich beide Beamte über [X.], über (während des [X.] zu vernichtende) Franzosen und [X.], "Neger" und Pakistani sowie über Gefangene ihrer Justizvollzugsanstalt in einer mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und den grundlegenden Prinzipien der Verfassung unvereinbaren Weise geäußert. In ihren Aussagen über "eine Säuberungsaktion in [X.] im Knast" und über reihenweise Erschießungen von Gefangenen "per Einzelschuss" hätten beide Beamte ihre Missachtung gegenüber dem rechtsstaatlichen Gewaltmonopol und dem System des Strafvollzugs zum Ausdruck gebracht sowie die Ausübung willkürlicher und extralegaler Gewalt befürwortet. Weitere Äußerungen über gewalttätige und sexualisierte Übergriffe bis hin zu [X.] mit klarem Bezug zu ihren Dienstpflichten hätten sich konkret auf den Gefangenen [X.] bezogen.

Der in diesen Gewalt- und [X.] liegende Verstoß gegen die [X.] schwer. Der [X.] habe auch schuldhaft gehandelt, insbesondere seien keine Anhaltspunkte für eine alkoholbedingte Verminderung der Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt gegeben. Bei Würdigung aller be- und entlastenden bemessungsrelevanten Umstände sei die disziplinare [X.] zu verhängen.

2. Die Beschwerde des [X.] hat keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob sie den [X.] gemäß § 73 [X.]. § 132 Abs. 2 und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt (vgl. dazu etwa [X.], Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 [X.] 14 f.). Zweifel daran rühren daher, dass sie sich eher in der Art eines zulassungsfreien oder zugelassenen Rechtsmittels gegen das Berufungsurteil wendet und sich darin erschöpft, ihre abweichende Rechtsansicht gegen die des Berufungsgerichts zu setzen.

Dies kann jedoch auf sich beruhen. Denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

a) Bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung kann der Beschwerdebegründung immerhin entnommen werden, dass die Beschwerde mit ihrem Hinweis auf "die Frage der Anwendbarkeit des § 477 Abs. 1 StPO, § 49 BeamtStG und die Ermessensausübung durch den damals sachbearbeitenden Staatsanwalt" sowie mit ihrem Vorwurf, es sei "nicht mehr nachvollziehbar", dass der Verwaltungsgerichtshof "zwei Normen in eigener Rechtsauffassung ausgetauscht" habe, sinngemäß es für rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig i.[X.]v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hält,

ob ein Verwaltungsgericht ein Verwaltungshandeln aufgrund einer anderen als der von der Verwaltung benannten Rechtsgrundlage für rechtmäßig erachten kann

und

ob dies im Streitfall bei der Übermittlung der Protokolle über die Telefonüberwachung durch die Staatsanwaltschaft an den Dienstvorgesetzten des [X.] konkret auch für die hier nach gerichtlicher Auffassung zutreffende, eine Ermessensentscheidung voraussetzende Vorschrift des § 49 Abs. 4 BeamtStG anstelle des von der Staatsanwaltschaft genannten § 477 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO gilt.

Dies rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil diese Fragen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens anhand des Gesetzes, allgemeiner Rechtsgrundsätze und vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung im Sinne des Berufungsurteils beantwortet - d.h. bejaht - werden kann.

aa) Es ist als allgemeiner Grundsatz anerkannt, dass die zur Kontrolle des Verwaltungshandelns berufenen Gerichte in ihrer Bewertung der Rechtslage, namentlich in der Frage, anhand welcher Rechtsnormen das Verwaltungshandeln zu überprüfen und aufgrund welcher Rechtsnormen es als rechtmäßig erachtet werden kann, unabhängig von der Rechtsauffassung der Verwaltung sind. Dies kommt bereits in dem römisch-rechtlichen Rechtssatz "iura [X.]" zum Ausdruck. Im geltenden Verwaltungsprozessrecht findet er seinen Niederschlag in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Verwaltungsgericht einen angefochtenen Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid (nur) aufhebt, (wenn und) soweit er rechtswidrig (und den Kläger in seinen Rechten verletzt). Kommt das Gericht zu der Erkenntnis, dass der Verwaltungsakt zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt ist, ist das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verpflichtet zu prüfen, ob (und ggf. in welchem Umfang) der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern der Bescheid durch die Berücksichtigung der anderen Rechtsnorm und die dadurch geänderte Begründung nicht in seinem Wesen verändert wird. Bei gebundenen Verwaltungsakten schadet eine inhaltlich fehlerhafte Begründung (auch) zur zugrunde liegenden Rechtsgrundlage daher grundsätzlich nicht (stRspr, vgl. [X.], Urteile vom 27. Januar 1982 - 8 C 12.81 - [X.]E 64, 356 <357 f.>, vom 27. Oktober 1983 - 3 C 64.82 - [X.]E 68, 143 <150> und vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 - [X.]E 80, 96 <97 f.>; [X.], in: [X.], VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 23 f.). Bei einer solchen Konstellation bedarf es auch keiner (richterlichen) Umdeutung, so dass die Bestätigung des [X.] nicht davon abhängt, ob die Voraussetzungen für eine Umdeutung erfüllt sind ([X.], Urteil vom 19. August 1988 - 8 C 29.87 - [X.]E 80, 96 <97 f.>). Auch § 39 Abs. 1 [X.] normiert für Verwaltungsakte lediglich eine formelle Begründungspflicht; aus der Regelung folgt keine Pflicht zur objektiv richtigen Begründung mit der Folge eines Rechtswidrigkeitsverdikts, falls die von der Behörde genannte Rechtsnorm nicht die materiell-rechtlich richtige ist, um ihren Entscheidungsausspruch zu tragen (vgl. [X.], in: [X.]/Bonk/Sachs, [X.], 9. Aufl. 2018, § 39 Rn. 30).

All dies gilt nicht nur für Verwaltungsakte (auf die sich § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO und § 39 Abs. 1 [X.] allein beziehen), sondern auch für sonstiges Verwaltungshandeln jenseits der Rechtsform des Verwaltungsaktes. Das Gericht hat demnach nicht nur zu überprüfen, ob das Handeln der Verwaltung durch die von ihr als zutreffend angenommene Rechtsnorm gerechtfertigt ist, sondern auch, ob es von (irgend-)einer anderen Rechtsnorm getragen wird. Ob die von der Behörde zur Rechtfertigung ihres Handelns gegebene Begründung zutreffend ist, ist dagegen für dessen Rechtmäßigkeit nicht entscheidungserheblich.

Die Beschwerde zeigt keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf i.[X.]v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, dass oder warum im Streitfall bei der Frage, ob das Berufungsgericht § 49 Abs. 4 BeamtStG anstelle von § 477 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO "nachträglich austauschen" und als maßgebliche Rechtsgrundlage für die in Rede stehende Übermittlung der Telefonüberwachung ansehen durfte, Anderes gelten sollte.

bb) Auch der Einwand der Beschwerde, dass die vom Berufungsgericht für zutreffend erachtete Regelung des § 49 Abs. 4 BeamtStG eine Ermessensentscheidung vorsehe, während dies bei der von der Staatsanwaltschaft für maßgeblich erachteten Regelung des § 477 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 StPO - entsprechend dem im Bereich der Strafverfolgung geltenden Legalitätsprinzip - nicht der Fall sei, begründet keine derartige Klärungsbedürftigkeit.

Das Berufungsgericht hat aufgrund seiner Würdigung der streitgegenständlichen Äußerungen des [X.] während der Telefonüberwachung angenommen, dass diese Äußerungen ein unmittelbares dienstrechtliches Vorgehen des Dienstherrn gegen den [X.] unabdingbar machten, weil nicht auszuschließen war, dass die beiden Telefongesprächspartner jederzeit bereit waren, die von ihnen geäußerten gewalttätigen Übergriffe gegenüber ihrem unmittelbaren Zugriff ausgesetzten Gefangenen der Justizvollzugsanstalt auch in die Tat umzusetzen. Das Berufungsgericht hat daraus geschlossen, dass der Staatsanwaltschaft keine andere Entscheidung blieb als die, ihre Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung dem Dienstherrn zu übermitteln, damit dieser dienstrechtliche Maßnahmen umgehend prüfen konnte. Gegen diese Annahme, d.h. dass der Fall einer sog. Ermessensreduzierung auf Null vorlag, macht die Beschwerde keinen Revisionsgrund geltend.

Hiervon ausgehend zeigen auch die Ausführungen der Beschwerde, dass seitens der Staatsanwaltschaft eine Ermessensentscheidung gar nicht getroffen worden sei oder ihre Entscheidung fehlerhaft sei, keinen [X.] auf. Soweit die Beschwerde mit Blick auf den von ihr beanstandeten Eingriff in Grundrechte und den weiteren Lebenslauf des Beamten wissen will, "welche Prüfungsanforderung an einen Staatsanwalt als ermittelnden Sachbearbeiter zu stellen ist", fehlt es an einer konkreten Frage, die - über den Hinweis auf die gesetzlichen Anforderungen hinaus - in einem Revisionsverfahren in verallgemeinender Form näher beantwortet werden könnte.

b) Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung scheidet ferner aus, soweit die Beschwerde diese damit zu begründen sucht, dass "die Anwendung des § 49 Abs. 4 BeamtStG vorliegend nicht greifen kann", weil § 49 Abs. 4 BeamtStG lediglich die Übermittlung solcher Erkenntnisse erlaube, die im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Dritte bekannt geworden seien, nicht dagegen, wenn dieses gegen den Beamten selbst eingeleitet worden sei (Beschwerdebegründung [X.] 2 unten). Es bedarf indes keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens um zu klären, dass dies [X.] ist. Für eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

Schon dem Wortlaut der Norm lässt sich dafür nichts entnehmen. Vielmehr hätte es nahe gelegen, dass der Normgeber dies durch eine einfache und klare Formulierung (in einem Strafverfahren "gegen Dritte") deutlich gemacht hätte. Da als Anwendungsbereich der Norm in § 49 Abs. 1 BeamtStG Strafverfahren "gegen Beamtinnen und Beamte" genannt werden, hätte es einer solchen Einschränkung bedurft, wenn innerhalb derselben Norm in einem folgenden Absatz (Abs. 4) eine derartige Eingrenzung gewollt gewesen wäre. Auch aus den Gesetzesmaterialien, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschrift lässt sich nichts dergleichen herleiten. Vielmehr ist § 49 BeamtStG (in seiner Gesamtheit) nach Wortlaut, Aufbau sowie Sinn und Zweck zwanglos als eine abgestufte Gesamtregelung zu verstehen (vgl. [X.], in[X.]/[X.], Beamtenrecht des Bundes und der Länder, [X.], Stand Januar 2015, § 49 BeamtStG Rn. 2; [X.], in: [X.]/Wiedow, [X.] 2009, Stand Mai 2019, § 115 [X.] Rn. 8 § 115 [X.]>), die in ihrem Absatz 1 im Fall einer öffentlichen Klage (§ 152 Abs. 1 und § 170 Abs. 1 StPO) wegen vorsätzlich begangener Straftaten die Übermittlung bestimmter formaler Rechtsakte anordnet (beschränkt auf einen "numerus clausus" von Dokumenten, nämlich [X.], Antrag auf Erlass eines Strafbefehls und den Rechtszug abschließende Entscheidung), während Absatz 2 diese Übermittlungspflicht bei fahrlässig begangenen Straftaten weiter einschränkt und Absatz 3 sie auf (noch nicht von Absatz 1 oder 2 erfasste) Verfahrenseinstellungen erweitert. Hiernach erfasst § 49 Abs. 4 BeamtStG nach seinem klaren Wortlaut alle "sonstige Tatsachen, die in einem Strafverfahren bekannt werden", ohne dass dies näher eingeschränkt wird, mithin auch solche Erkenntnisse, die keinen unmittelbaren Bezug zu der verfolgten Straftat haben (vgl. [X.], BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 49 Rn. 19). Sie hat damit die Funktion einer Auffangnorm mit generalklauselartig formulierten Voraussetzungen, nämlich dass die Kenntnis der übermittelten Tatsachen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls für dienstrechtliche Maßnahmen gegen einen Beamten erforderlich ist und keine für die übermittelnde Stelle erkennbaren schutzwürdigen Interessen des Beamten an dem Ausschluss der Übermittlung überwiegen. Der Anwendungsbereich von Absatz 4 ist damit deutlich weiter als in den Absätzen 1 und 3 (so zutreffend [X.], a.a.O. § 115 [X.] Rn. 8; [X.], a.a.O. § 49 BeamtStG Rn. 27, jeweils m.w.[X.]). Diese Systematik übersieht die - soweit ersichtlich einzige - die Ansicht der Beschwerde teilende Literaturstimme ([X.], in: von Roetteken/Rothländer, [X.] Beamtenrecht, § 49 BeamtStG, Stand Januar 2011, Rn. 31, in der unzutreffenden Annahme, dass nach Abs. 4 "letztlich doch das Gleiche wie nach Abs. 1" gelte ).

3. Soweit der Beschwerde mit ihrem Hinweis (Beschwerdebegründung [X.] 5 unten), dass "zwischen den Verfahrensfehlern und der Entscheidung des Gerichts eine Kausalität" bestehe und die "Beruhensfrage" zu bejahen sei, ist damit auch kein Verfahrensmangel i.[X.]v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dargetan. Abgesehen davon, dass bereits unklar bleibt, ob die Beschwerde mit den behaupteten "Verfahrensfehlern" solche des behördlichen oder solche des gerichtlichen Disziplinarverfahrens meint, wird jedenfalls nicht in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise dargelegt, gegen welche das gerichtliche Verfahren betreffende Vorschrift das Berufungsgericht verstoßen hätte.

4. [X.] folgt aus § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.]. § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil sich die Höhe der Gerichtskosten streitwertunabhängig aus dem Gesetz ergibt (§ 82 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Nr. 11 und 62 der Anlage zu § 82 Abs. 1 Satz 1 HDG).

Meta

2 B 18/18

29.07.2019

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 19. Dezember 2017, Az: 28 A 2326/16.D, Urteil

§ 49 BeamtStG, § 49 Abs 4 BeamtStG, § 477 Abs 2 S 3 Nr 1 StPO, § 480 StPO, § 108 Abs 1 S 2 VwGO, § 113 Abs 1 S 1 VwGO, § 132 Abs 2 VwGO, § 86 Abs 2 VwGO, § 39 Abs 1 VwVfG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.07.2019, Az. 2 B 18/18 (REWIS RS 2019, 4997)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4997

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