Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2017, Az. III ZB 43/16

III. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 13072

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:300317BIIIZB43.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 43/16
vom

30. März
2017

in dem Rechtsstreit

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Der III.
Zivilsenat des [X.] hat am
30.
März
2017
durch den Vorsitzenden Richter
Dr. [X.], die Richter
Seiters und Reiter
sowie die Richterinnen Dr. [X.] und Dr. Arend

beschlossen:

Auf die
Rechtsbeschwerde der [X.]n zu
2
wird der
Beschluss des [X.] des
[X.]s Dresden
vom 19. Mai 2016
aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Gegenstandswert: 4.200

Gründe:

I.

Die [X.] zu
2
(im Folgenden
nur: [X.]) wendet sich gegen die unter Versagung der Wiedereinsetzung erfolgte Verwerfung ihrer Berufung we-gen Versäumung der Rechtsmittelfrist.

Das Teilurteil des [X.] vom 29. Januar 2016 ist
dem
Prozessbe-vollmächtigten der [X.]n zusammen mit zwei Urteilen in Parallelverfahren am 8.
Februar 2016 zugestellt
worden. In dem Verfahren 5 [X.]/16 ist
die Be-1
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rufungsschrift
vom 16. Februar 2016 rechtzeitig beim [X.] [X.]. Im hiesigen
Verfahren (5 [X.]) und im Rechtsstreit
5 U 512/16
(III [X.]/16)
hat
der Prozessbevollmächtigte der [X.]n mit Schriftsatz vom 8.
April 2016 Berufung eingelegt und
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, zugleich Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist
beantragt. Zur Wieder-einsetzung hat
er im Wesentlichen darauf
verwiesen, dass er am 16.
Februar 2016 insgesamt drei Berufungsschriften in den drei Parallelverfahren verfasst und alle drei Schriftsätze durch eine Mitarbeiterin per Post an das [X.] versandt habe. Dort sei aber nur eine Berufung eingegangen. Die [X.] habe sich auf die Zuverlässigkeit der Post verlassen dürfen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das [X.] -
unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung
-
die Berufung als unzulässig verworfen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde
der [X.]n.

II.

Die Rechtsbeschwerde
führt zur Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung an das [X.].

1.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach §
233 Satz
1 ZPO komme eine Wiedereinsetzung nur in Betracht, wenn die [X.] ohne ihr Verschulden gehindert gewesen sei, die versäumte
Frist einzuhalten. Diese Voraussetzung liege jedoch nicht vor. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die [X.] auf einem Organisationsverschulden -
unzureichende Ausgangskon-trolle -
des Prozessbevollmächtigten der [X.]n beruhe, das sich die [X.] nach §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen müsse. Die Kausalität dieses Ver-3
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schuldens könne nicht deswegen verneint werden, weil der [X.] vorgetragen habe, alle drei Berufungen seien durch eine Mitarbeiterin in den Briefkasten eingeworfen worden. Die vorgelegten eidesstattlichen Versi-cherungen seien ungeeignet, einen tatsächlichen Einwurf glaubhaft zu machen. Die Mitarbeiterin habe in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 18.
April 2016 erklärt, sie habe die drei Berufungsschriften am
16.
Februar 2016 nach Unter-zeichnung durch den Prozessbevollmächtigten in Kuverts verpackt, ausrei-chend frankiert und persönlich in den Briefkasten eingeworfen. Hieran könne sie sich noch erinnern, da sie an diesem Tag für den Postdienst eingeteilt ge-wesen sei. Diese Angaben stünden jedoch in Widerspruch zur eidesstattlichen Versicherung vom 8.
April 2016. Denn dort habe die Mitarbeiterin erklärt, nicht mehr genau sagen zu können, ob für den Versand ein einheitlicher großer Briefumschlag oder drei getrennte Briefumschläge verwendet worden seien. Wenn die Mitarbeiterin aber tatsächlich eine so spezifische Erinnerung an den Einwurf der Berufungsschriften in den Briefkasten hätte, müsste sie auch [X.], ob diese in einem einheitlichen, großen Umschlag oder drei getrennten Umschlägen von ihr persönlich in den Briefkasten eingeworfen worden seien.

2.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die
nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr. 1, § 522
Abs. 1 Satz 4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO
statthafte Rechtsbeschwerde
ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdege-richts erfordert
(§ 574
Abs. 2 Nr.
2 Alt.
2
ZPO).
Die Ausführungen des [X.] zur Kausalität des anwaltlichen [X.] beru-

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hen auf einem Verfahrensfehler und verletzen die [X.] in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG)
sowie auf Gewährung wirkungsvol-len Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1, Art.
20 Abs.
3 GG).
Das Rechtsmittel ist auch begründet.

a) Zu Unrecht beanstandet die [X.] allerdings, dass das Oberlan-desgericht von der Versäumung der Berufungsfrist ausgegangen ist und
in ver-fassungswidriger Weise
"die naheliegende Möglichkeit, dass die Berufungs-schrift abgesandt und beim Berufungsgericht eingegangen ist, nicht ernsthaft erwogen hat, obwohl der unterbreitete [X.] dazu jeden Anlass bot". [X.] kommt es nicht darauf an, dass -
siehe die Ausführungen zu b)
-
dem [X.], das den Einwurf der Berufungsschrift in den Briefkasten als nicht glaubhaft gemacht angesehen hat, bei der diesbezüglichen Würdigung ein Verfahrensfehler unterlaufen
ist. Denn es
konnte, selbst wenn man den Vortrag der [X.]n als wahr unterstellen würde, rechtsfehlerfrei davon ausgehen, dass die Berufungsfrist nicht gewahrt worden ist.

Die [X.] hat in ihren Schriftsätzen vom 8. und 19.
April 2016 durch-gängig vorgetragen, die Berufungsschrift sei nicht beim [X.] [X.]. Sie hat insoweit eine eidesstattliche Versicherung einer anwaltlichen Mitarbeiterin vorgelegt, in der diese erklärt hat, sie habe am 7.
April 2016 beim Berufungsgericht angerufen. Sowohl die Geschäftsstelle des [X.] als auch die Registratur des [X.]s hätten ihr bestätigt, dass lediglich in
einem der drei Verfahren eine Berufungsschrift eingegangen sei. In der Akte 5 [X.]/16
befände sich auch nur die Berufungsschrift zu diesem Verfahren, nicht etwa seien versehentlich die fehlenden Berufungen in 5 [X.] und 512/16 zu dieser Akte gelangt.
Mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat die Be-8
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klagte insoweit geltend gemacht, sie habe sich auf die Zuverlässigkeit der Post verlassen dürfen.

Vor diesem Hintergrund hatte das Berufungsgericht, auch wenn die Zu-lässigkeit einer Berufung von Amts wegen zu
prüfen ist und die [X.]en inso-weit keine Dispositionsbefugnis haben, keine Veranlassung, die Versäumung der Berufungsfrist in Frage zu stellen. Insbesondere musste das Oberlandesge-richt nicht weiter
prüfen, ob entgegen der Auskunft der Geschäftsstelle und der Registratur der Schriftsatz eventuell doch beim [X.] eingegangen und dort verloren gegangen ist. Die [X.] trägt die Beweislast dafür, dass sie rechtzeitig Berufung eingelegt hat
(vgl. nur [X.], Beschluss vom 8. Oktober 2013 -
VIII ZB
13/13, NJW-RR 2014, 179 Rn. 10 mwN). Nach ihrem eigenen Vortrag bleibt aber die Möglichkeit, dass der Schriftsatz auf dem Postweg verlo-ren gegangen ist. Das geht im Rahmen der Prüfung der Rechtzeitigkeit der [X.] zu ihren Lasten.

b) Das [X.] hat jedoch, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt,
den Wiedereinsetzungsantrag verfahrensfehlerhaft zurückgewiesen.

Der [X.]n wäre Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilli-gen, wenn die anwaltliche Mitarbeiterin die drei Berufungsschriften in den Brief-kasten eingeworfen hätte. Denn einem Rechtsmittelführer können Fehler bei der Briefbeförderung durch die Post nicht als Verschulden zugerechnet werden
(vgl. nur [X.], Beschluss vom 24.
Februar 2010 -
XII
ZB 129/09, [X.], 726 Rn.
8 mwN). Im Verantwortungsbereich der [X.] liegt es allein, das Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß aufzugeben, dass es nach den

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organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Post den Empfänger fristgerecht erreichen kann. Bei rechtzeitigem Einwurf käme es deshalb
nicht auf die Organisation der [X.] im Büro des Prozessbevollmächtig-ten der [X.]n und insoweit darauf an, dass es hierzu nach der -
von der Rechtsbeschwerde zu Recht nicht in Frage gestellten
-
Auffassung des [X.] an ausreichendem Vortrag fehlt. Denn
etwaige Mängel bei der [X.] wären dann nicht kausal (vgl. dazu auch Senat, Beschluss vom 10. September 2015 -
III ZB 56/14, NJW 2015, 3517 Rn. 17).

Wenn ein Gericht
einer eidesstattlichen Versicherung im Verfahren der Wiedereinsetzung keinen Glauben schenken will, muss es die [X.] zuvor [X.] hinweisen und ihr Gelegenheit geben, entsprechenden Zeugenbeweis an-zutreten (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
Februar 2010 -
XII
ZB 129/09, [X.], 726 Rn.
10; siehe auch Beschluss vom 17. Januar 2012 -
VIII ZB 42/11, [X.], 157 Rn. 8; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 236 Rn.
8). Ein Hinweis auf die für das [X.] nach dem angefochtenen Beschluss insoweit maßgeblichen Umstände ist jedoch nicht erfolgt. [X.] davon hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, ob in der Vorlage der ei-desstattlichen Versicherung zugleich ein Beweisangebot auf Vernehmung der Mitarbeiterin als Zeugin liegt
(vgl. [X.], Beschlüsse
vom 24. Februar 2010 aaO Rn. 11
und vom 17. Januar 2012 aaO; siehe auch Beschluss vom 11. Novem-ber 2009 -
XII ZB 174/08, [X.], 122 Rn. 9). Dann liefe die Ablehnung der Wiedereinsetzung ohne vorherige Vernehmung auf eine unzulässige vor-

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weggenommene Beweiswürdigung hinaus
(vgl. [X.], Beschluss vom
24.
Fe-bruar 2010
aaO).

[X.]

Seiters

Reiter

[X.]

Arend
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.01.2016 -
5 O 3/15 -

OLG Dresden, Entscheidung vom 19.05.2016 -
5 [X.] -

Meta

III ZB 43/16

30.03.2017

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2017, Az. III ZB 43/16 (REWIS RS 2017, 13072)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13072

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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