Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.11.2012, Az. 26 W (pat) 40/11

26. Senat | REWIS RS 2012, 1403

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "Novara" – geographische Herkunftsangabe - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 005 593.6

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 14. November 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie [X.] und Hermann

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1

Die Markenstelle für Klasse 20 des [X.] hat die Anmeldung der für die Waren der Klasse 20

2

"Möbel; Garten- und Campingmöbel aus Holz, Kunststoff, Metall, Korb, Rohr, Binse, Weide; Ständer und Halterungen zum Aufstellen/Befestigen von Sonnenschirmen; aufblasbare Möbel"

3

bestimmten Marke

4

[X.]

5

mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] zurückgewiesen, weil es sich bei der angemeldeten Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren um eine Angabe handele, die zur Bezeichnung ihrer geografischen Herkunft dienen könne (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Zur Begründung hat sie unter Hinweis auf entsprechende Eintragungen im [X.] "[X.]" ausgeführt, "[X.]" sei der Name einer nord[X.], in der Region [X.] gelegenen [X.] mit mehr als 100.000 Einwohnern, die auch als Hauptstadt der [X.] fungiere. Die [X.] sei Sitz einiger Industrieunternehmen und verfüge über einige Sehenswürdigkeiten. Angesichts der industriellen und verkehrstechnischen Bedeutung der [X.] und der Provinz [X.] sei davon auszugehen, dass "[X.]" einem markenrechtlich erheblichen Teil der allgemeinen Verkehrskreise bekannt sei. Die Art der beanspruchten Waren, nämlich schwerpunktmäßig Garten-, Camping- und Freizeitmöbel, und die Fortentwicklung des Handels innerhalb der [X.] ließen die Herkunft dieser Waren aus der [X.] bzw. Provinz [X.] und deren Import nach [X.] nicht als ungewöhnlich oder unwahrscheinlich erscheinen. Bei dieser Sachlage sei anzunehmen, dass Wettbewerber künftig darauf angewiesen seien, die als Marke angemeldete geografische Angabe beschreibend als Herkunftsangabe verwenden zu können. Dass die als Marke angemeldete Ortsangabe bisher für die beanspruchten Waren noch nicht als geografische Herkunftsbezeichnung verwendet worden sei, hindere die Schutzversagung nicht, weil es nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] allein darauf ankomme, dass sie als beschreibende Angabe der geografischen Herkunft der Waren dienen könne.

6

Gegen die Zurückweisung der Anmeldung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Zu deren Begründung trägt sie vor, bei der Prüfung, ob eine geografische Bezeichnung als Angabe über die Herkunft von Waren und Dienstleistungen geeignet sei, komme nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.], 723 ff., 725 - [X.]) vornehmlich dem Verständnis und den Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise Bedeutung zu. Das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] setze voraus, dass die Angabe für den Verkehr subjektiv relevant sein könne. Deshalb stelle insbesondere die Bekanntheit der geografischen Angabe im inländischen Verkehr ein maßgebliches Beurteilungskriterium dar. Bei einer im Verkehr im Wesentlichen unbekannten geografischen Angabe bedürfe es deshalb der Feststellung eines gegenwärtigen oder zukünftigen [X.] an dieser Angabe, wobei auch mögliche zukünftige Entwicklungen zu berücksichtigen seien, allerdings nur insoweit, als diese vernünftigerweise zu erwarten seien ([X.], 882 ff.[X.]). Bei Zugrundelegung dieses rechtlichen Beurteilungsmaßstabs stehe der Eintragung der angemeldeten Marke ein Schutzhindernis nicht entgegen. Ein erheblicher Teil der durchschnittlich informierten [X.] Endverbraucher und ein ebensolcher Teil des inländischen [X.] kenne den [X.] Ort [X.] und die Provinz gleichen Namens gar nicht. Er kenne nicht einmal einen Bruchteil der [X.] Orts- und Städtenamen. Noch weniger bekannt seien ihm die Namen kleinerer ausländischer Orte, Regionen und auch [X.]. Das [X.] habe in seinen Entscheidungen zu den als Marken angemeldeten geografischen Angaben "Halcyon" ([X.], 24 W (pat) 10/08) und "[X.]" ([X.], 29 W (pat) 68/07) festgestellt, dass die mangelnde Bekanntheit kleinerer Orte in einem nicht unbeachtlichen Teil des inländischen Verkehrs nicht nur für deren Unterscheidungskraft, sondern auch gegen ein Freihaltungsbedürfnis spreche. In [X.] gebe es nach den Feststellungen der Markenstelle weder aktuell Produktionsstätten und Handelsunternehmen für Möbel noch seien tatsächliche Anhaltspunkte für deren zukünftige Ansiedlung an diesem Ort von der Markenstelle festgestellt worden oder sonst feststellbar. Die danach verbleibende theoretische Möglichkeit der zukünftigen Ansiedlung solcher Betriebe an diesem Ort reiche für die Zurückweisung der Anmeldung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.], [X.]) nicht aus.

7

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

8

die mit der Beschwerde angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 20 des [X.] aufzuheben.

II

9

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet. Der Eintragung der angemeldeten Marke für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren steht das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.

Die Bejahung dieses Schutzhindernisses setzt in Bezug auf geografische Angaben voraus, dass diese zur Bezeichnung der geographischen Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen können. Sofern eine Verwendung als Herkunftsangabe noch nicht stattfindet, ist zu prüfen, ob sie vernünftigerweise in Zukunft zu erwarten ist (Prognoseentscheidung; [X.] [X.], 723[X.]; [X.], 882, 883 - [X.]; [X.], 994, Nr. 15[X.]). Von entscheidender Bedeutung sind hierbei einerseits die tatsächlichen Gegebenheiten an dem fraglichen Ort in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Frage, inwieweit diese Gegebenheiten den beteiligten Verkehrskreisen bekannt sind.

Für die Eignung einer Ortsangabe zur Beschreibung der geographischen Herkunft von Waren und Dienstleistungen sprechen vor allem tatsächliche Anhaltspunkte wie der Umstand, dass in dem fraglichen Ort bereits einschlägige Herstellungs- oder [X.] existieren. Das Vorhandensein entsprechender Gewerbebetriebe in dem fraglichen Ort stellt aber keine notwendige Voraussetzung für die Annahme des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] dar ([X.] a. a. [X.] - [X.]; BGH a. a. [X.] - [X.]). Vielmehr kommt es darauf an, ob angesichts der objektiven Gesamtumstände, insbesondere der wirtschaftlichen Bedeutung des Ortes und der Infrastruktur der umliegenden Region, die Möglichkeit der Eröffnung solcher Betriebe im Zuge der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung vernünftigerweise zu erwarten oder auszuschließen ist ([X.] a. a. [X.] - [X.]). Während nach früherer [X.] Spruchpraxis besondere Feststellungen erforderlich waren, um von einer künftigen Verwendbarkeit als geographische Herkunftsangabe ausgehen zu können, bedarf es nunmehr nach der Rechtsprechung des [X.] umgekehrt besonderer Anhaltspunkte dafür, dass eine Ortsbezeichnung ausnahmsweise nicht geeignet ist, im Verkehr als Angabe über die geographische Herkunft der betroffenen Waren und Dienstleistungen zu dienen (BGH a. a. [X.] - [X.]). Das Eintragungsverbot des § 8 Abs. 2 Nr. 2 ist somit nur überwunden, wenn auszuschließen ist, dass die betroffenen Waren oder Dienstleistungen mit dem als solchen erkennbaren Ort vernünftigerweise in Verbindung gebracht werden können ([X.] a. a. [X.] - [X.]; [X.], 509, 510 - PORTLAND).

Gegen die Eignung eines Ortsnamens als beschreibende geographische Herkunftsangabe kann vor allem der Umstand sprechen, dass sich der fragliche Ort weder gegenwärtig als Sitz entsprechender Herstellungs-, Vertriebs- oder [X.] anbietet, noch mit anderen relevanten Anknüpfungspunkten in Zukunft ernsthaft zu rechnen ist, weil eine dahingehende wirtschaftliche Entwicklung wegen der geographischen Eigenschaften des Ortes auch aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise völlig unwahrscheinlich ist ([X.] a. a. [X.] - [X.]; EuG [X.] T-226/09, Entscheidung vom 08.07.2009 - [X.]; [X.] [X.] 29 W (pat) 68/07, Beschluss vom 11.11.2009 - [X.]; [X.]. 2003, 1037, 1038 f. - YUKON).

§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] setzt neben dem objektiv beschreibenden Charakter einer Angabe weiterhin voraus, dass die Angabe aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise als beschreibende Bezeichnung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen verständlich ist und deshalb gemäß dieser Bestimmung "im Verkehr" zur Beschreibung dieser Waren und Dienstleistungen dienen kann. Die beteiligten [X.] müssen den betreffenden Ort mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen in Verbindung bringen können bzw. es muss vernünftigerweise zu erwarten sein, dass sie zukünftig eine solche Verbindung herstellen können ([X.] a. a. [X.] - [X.]; BGH a. a. [X.] - [X.]; a. a. [X.] - [X.]). Die insoweit maßgeblichen Verkehrskreise definiert der [X.] als "den Handel und/oder den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher". Damit kann auch das Verständnis der am Handel beteiligten Fachkreise allein von ausschlaggebender Bedeutung sein. Bei Namen von Ländern, Regionen, größeren Städten oder sonst wirtschaftlich bedeutenden Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung dafür, dass sie als geographische Herkunftsangaben für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen ernsthaft in Betracht zu ziehen sind ([X.], 905, 907 - Schwarzwald-Sprudel; [X.], 149, 150 - [X.]; [X.], 148OLDENBURGER). [X.] [X.] 28 W (pat) 279/04FES /Name einer der bedeutendsten Städte [X.]; 27 W (pat) 517/10Gizeh /Name der drittgrößten [X.] in [X.]). In erster Linie können Bezeichnungen über den Herstellungsort der Waren nicht monopolisiert werden, weil dieser häufig bei der Beschreibung der Waren angegeben wird. Ausnahmsweise kann auch der Vertriebsort als beschreibende Angabe in Betracht kommen. Angesichts des [X.], dass die häufig vielfältigen Vertriebsstätten für die Eigenschaften der fraglichen Waren meist ohne entscheidende Bedeutung sind, bedarf es hierfür aber spezieller branchenbezogener Erörterungen ([X.] GRUR 2005, 677, 678Newcastle).

Ein Schutzhindernis besteht darüber hinaus auch bei Ortsbezeichnungen, welche die Auffassung der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen können, zum Beispiel dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und Dienstleistungen und einem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verknüpfen ([X.] a. a. [X.] - [X.]). Solche Vorstellungen können zum Beispiel auf einem bestimmten Lebensstil oder einem besonderen Flair, auf Tradition oder Modernität berufen, die der Verkehr mit dem Ort verbindet.

Bei Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs ist die Eignung von "[X.]" als geografische Herkunftsangabe für die in der Anmeldung aufgeführten Waren, für die die angemeldete Marke eingetragen werden soll, zu bejahen.

[X.] ist - wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat - der Name einer [X.] [X.] mit etwa 100.000 Einwohnern. In [X.] werden, soweit feststellbar, Möbel und [X.] derzeit nicht hergestellt. Auch die Markenstelle hat hierfür keine Nachweise ermitteln können. Es gibt jedoch in [X.] bereits Industrieunternehmen, darunter auch solche, die Metallwaren und chemische Erzeugnisse herstellen. Aus dem Vorhandensein von Metall erzeugenden bzw. verarbeitenden Betrieben kann geschlossen werden, dass Metalle als Rohstoff bzw. Halbfabrikate aus Metall, die auch zur Herstellung von [X.] eingesetzt werden, in [X.] bereits vorhanden sind. Die bestehende Ansiedlung von Betrieben der chemischen Industrie lässt zudem den Schluss zu, dass auch die Herstellung von Kunststoffen für die Möbelproduktion nicht unwahrscheinlich ist. [X.] ist kein kleiner Ort, sondern eine [X.] mittlerer Größe mit einer guten Verkehrsanbindung. Bei dieser Ausgangslage, die eine Ansiedlung weiterer Unternehmen möglich macht und zudem nicht als völlig unwahrscheinlich erscheinen lässt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass in [X.] künftig auch Möbel und andere Waren der mit der Anmeldung beanspruchten Art produziert werden und "[X.]" künftig als geografische Herkunftsangabe für diese Waren im Verkehr auch für den Export in die Bundesrepublik [X.] - benötigt wird. Dies gilt umso mehr, als [X.] bereits ein nicht unbedeutender Möbelproduzent in [X.] ist und bundes[X.] Unternehmen nicht nur allgemein umfangreiche Wirtschafts- und Geschäftsbeziehungen zu [X.] unterhalten, sondern [X.] Möbelvertriebsunternehmen in beachtlichem Umfang Möbel aus [X.] importieren und in [X.] anbieten. Bei dieser Sachlage sowie angesichts der Tatsache, dass es sich bei [X.] um ein beliebtes Reiseziel handelt, dessen mittlere und größere Städte der [X.] Verkehr in rechtserheblichem Umfang zumindest dem Namen nach kennt, kann auch eine zukünftige Eignung von "[X.]" als geografische Herkunftsangabe für die mit der Anmeldung beanspruchten Waren nicht ausgeschlossen werden.

Die Beschwerde der Anmelderin kann deshalb keinen Erfolg haben.

Meta

26 W (pat) 40/11

14.11.2012

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 14.11.2012, Az. 26 W (pat) 40/11 (REWIS RS 2012, 1403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1403

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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