Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.05.2011, Az. IX ZR 222/08

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6476

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Insolvenzverfahren: Aufrechnungsbefugnis trotz Erlasses der aufgerechneten Forderung im rechtskräftigen Insolvenzplan


Leitsatz

Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Aufrechnungsrecht bleibt auch dann erhalten, wenn die aufgerechnete Gegenforderung nach einem rechtskräftig bestätigten Insolvenzplan als erlassen gilt .

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 13. November 2008 aufgehoben.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 30. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin) wurde am 29. Dezember 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das verklagte Land meldete Umsatzsteuerforderungen aus den Jahren 2005 und 2006 zur Insolvenztabelle an, die in Höhe von mehr als 1 Mio. € festgestellt wurden. Mit Zustimmung der Vertreterin des Beklagten beschloss die Gläubigerversammlung einen Insolvenzplan, dessen gestaltender Teil für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger einen Teilerlass von 93,65 v.H. ihrer Forderungen vorsah. Das Insolvenzgericht bestätigte den Insolvenzplan und hob das Insolvenzverfahren am 14. März 2007 auf. Die Schuldnerin erbrachte die nach dem Insolvenzplan dem Beklagten geschuldeten Zahlungen. Anschließend machte sie gegen diesen Werklohnansprüche für Bauleistungen geltend, die sie bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens für ihn erbracht hatte.

2

Der Beklagte hat nach Rechtshängigkeit der zunächst auf Zahlung von 117.585,81 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage einen Teilbetrag von 36.273,86 € gezahlt und im Übrigen mit dem noch nicht getilgten Teil seiner Umsatzsteuerforderungen der Jahre 2005 und 2006 aufgerechnet. Das [X.] hat die Klage mit Ausnahme eines Anspruchs auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Über das Vermögen der Schuldnerin ist mittlerweile erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet worden; der Insolvenzverwalter hat den Rechtsstreit aufgenommen.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision hat Erfolg. Die Forderungen der Schuldnerin sind, soweit sie nicht durch Zahlung erfüllt wurden, durch die vom [X.]n erklärte Aufrechnung erloschen.

I.

4

Das Berufungsgericht ([X.], 2372) meint, der im ersten Insolvenzverfahren beschlossene Insolvenzplan stehe der vom [X.]n erklärten Aufrechnung entgegen. Die von diesem Plan erfassten Forderungen könnten nicht mehr zur Aufrechnung gestellt werden, weil sie erlassen, mindestens aber zu unvollkommenen Verbindlichkeiten geworden seien, die zwar erfüllbar, aber nicht erzwingbar seien. Das gelte auch für die Steuerforderungen des [X.]n. Die Regelung in § 94 [X.], wonach die bei Insolvenzeröffnung bestehende [X.] eines Gläubigers durch das Insolvenzverfahren nicht berührt werde, ändere daran nichts. Sie ermögliche es einem Gläubiger lediglich, sich einem Insolvenzplan zu entziehen, indem er rechtzeitig vorher die Aufrechnung erkläre. [X.] er dies nicht und lege er gegen den bestätigenden Beschluss des Insolvenzgerichts kein Rechtsmittel ein, sei er an den Plan gebunden. Letztlich verhalte sich der [X.] auch treuwidrig, weil er durch seine Vertreterin dem Plan zugestimmt habe.

II.

5

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

6

1. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 [X.]). Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss voll wirksam und fällig sein. Ihre Erfüllung muss erzwungen werden können ([X.], Urteil vom 16. März 1981 - [X.], [X.], 711; vom 20. November 2008 - [X.], [X.], 273 Rn. 10; [X.]/[X.], [X.], Bearb. 2006, § 387 Rn. 132; MünchKomm-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 387 Rn. 36) und ihr darf keine Einrede entgegenstehen (§ 390 [X.]). [X.], rechtlich nicht durchsetzbare Verbindlichkeiten wie eine Spielschuld (§ 762 Abs. 1 [X.]) oder ein Ehemäklerlohn (§ 656 Abs. 1 [X.]) können nicht aufgerechnet werden. Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gelten diese Grundsätze entsprechend (§ 226 Abs. 1 AO).

7

2. Um unvollkommene, rechtlich nicht durchsetzbare Forderungen handelt es sich auch bei den von dem [X.]n zur Aufrechnung gestellten Umsatzsteuerforderungen.

8

Erlangt die gerichtliche Bestätigung eines Insolvenzplans nach § 248 Abs. 1 [X.] formelle Rechtskraft, treten gemäß § 254 Abs. 1 Satz 1 [X.] die in seinem gestaltenden Teil festgelegten materiellen Wirkungen unmittelbar für und gegen alle Beteiligten ein. Insolvenzforderungen können nur noch in Höhe der vereinbarten Quoten durchgesetzt werden. Soweit sie als erlassen gelten, sind sie zwar nicht erloschen, bestehen indes nur noch als natürliche, unvollkommene Verbindlichkeiten fort, deren Erfüllung möglich ist, aber nicht erzwungen werden kann. Das folgt im Gegenschluss aus den Regelungen in § 254 Abs. 3 und § 255 Abs. 1 Satz 1 [X.] (BT-Drucks. 12/2443, [X.]; [X.], Insolvenzrecht, 4. Aufl., Rn. 28.80; [X.] in Kübler/[X.], [X.], § 254 Rn. 14 und § 255 Rn. 6; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 227 Rn. 4 und § 254 Rn. 8; MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 254 Rn. 33; FK-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 254 Rn. 3; [X.], [X.], 4. Aufl., § 254 Rn. 10; zum [X.] nach § 7 Abs. 4 [X.]: [X.], Urteil vom 9. April 1992 - [X.], [X.]Z 118, 70, 76; speziell für Steuerforderungen: MünchKomm-[X.]/[X.]/Schüppen/Ruh, aaO, Insolvenzsteuerrecht, Rn. 243; [X.], [X.], 4. Aufl., § 69 Rn. 21). Mit einer solchen nicht durchsetzbaren Forderung kann grundsätzlich nicht aufgerechnet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 29. März 2007 - [X.], [X.], 923 Rn. 8).

9

3. Die Aufrechnung mit einer Forderung, die nach dem Insolvenzplan als erlassen gilt, bleibt jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gemäß § 94 [X.] möglich, wenn die Aufrechnungslage bereits zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestand.

a) Nach § 94 [X.] wird das bei Verfahrenseröffnung bestehende Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung "durch das Verfahren nicht berührt". Dem Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob sich die [X.] auch gegenüber der gestaltenden Wirkung eines Insolvenzplans (§ 254 Abs. 1 [X.]) durchsetzt. Er kann im Sinne einer Regelung ausschließlich für die [X.] des laufenden Insolvenzverfahrens verstanden werden. Rechnet ein Gläubiger - wie im Streitfall das verklagte Land - nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf, gibt es kein Verfahren mehr, durch das die [X.] berührt sein könnte. Ob eine Aufrechnung möglich ist, richtet sich dann nach der materiellen Rechtslage zum [X.]punkt ihrer Erklärung. Vom Wortlaut gedeckt wird jedoch auch ein Verständnis, wonach zum "Verfahren" auch das Ergebnis des Insolvenzverfahrens gehört, das - etwa als Insolvenzplan - über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinauswirken kann. Dann bliebe eine bei Verfahrenseröffnung bestehende Aufrechnungslage über das Ende des Verfahrens hinaus ungeachtet der in einem Insolvenzplan getroffenen Regelungen erhalten (so [X.] ZIP 2009, 140, 141, nicht rechtskräftig).

b) Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte § 94 [X.] die zuletzt genannte Wirkung haben. Bereits unter der Geltung der Konkursordnung, der [X.] und der Gesamtvollstreckungsordnung konnte eine bei Eröffnung des Verfahrens bestehende Aufrechnungsmöglichkeit auch noch im Verfahren ausgeübt werden (§ 53 KO, § 54 Satz 1 [X.], § 7 Abs. 4 [X.]). Von den Wirkungen eines Vergleichs wurde dieses Recht nicht berührt (§ 54 Satz 2 [X.]; vgl. zu dieser Norm [X.], Urteil vom 9. Februar 1983 - [X.], NJW 1983, 1119, 1120). An dieser Rechtslage wollte der Gesetzgeber der [X.] festhalten. Sowohl der vom [X.] vorgelegte Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts (§ 101 [X.]) als auch der endgültige Regierungsentwurf der [X.] (§ 106 RegE-[X.], BT-Drucks. 12/2443, [X.]) enthielten schon eine mit § 94 [X.] weitgehend wortgleiche Regelung zur Erhaltung einer Aufrechnungslage. In der Einzelerläuterung wurde ausgeführt, es habe geltendem Konkurs- und [X.] entsprochen, dass ein Insolvenzgläubiger, der zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens zur Aufrechnung berechtigt sei, dieses Recht durch die Verfahrenseröffnung nicht verliere. Die Formulierung der neuen Vorschrift bringe zusätzlich zum Ausdruck, dass auch der weitere Ablauf des Verfahrens, insbesondere die Annahme und Bestätigung eines Sanierungsplans, die Befugnis zur Aufrechnung nicht beeinträchtigen könne, was auch in der Regelung des § 54 Satz 2 [X.] zum Ausdruck komme (BT-Drucks. 12/2443, [X.]). Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages schlug die Klarstellung vor, dass sowohl eine gesetzliche als auch eine vertragliche Aufrechnungsberechtigung erhalten bleiben sollte (BT-Drucks. 12/7302, [X.] und 165). Da der [X.] den nur insoweit veränderten Gesetzentwurf beschlossen hat, ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber § 94 [X.] nicht anders verstanden wissen wollte als die Bundesregierung.

c) Der mit § 94 [X.] verfolgte Regelungszweck macht seine Anwendung im Falle eines Insolvenzplans allerdings nicht zwingend erforderlich. Die Vorschrift dient nach allgemeiner Ansicht dem Vertrauensschutz. Eine vor Insolvenzeröffnung erworbene [X.] und die daraus folgende Selbstexekutionsbefugnis sind eine von der Rechtsordnung weitgehend geschützte Rechtsstellung (vgl. §§ 389, 392, 406 [X.]), die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt bleiben soll (BT-Drucks. 12/2443, [X.]; HK-[X.]/[X.], 5. Aufl., § 94 Rn. 1 f; [X.] in Kübler/[X.], aaO, § 94 Rn. 6 f; Graf-Schlicker/[X.], [X.], 2. Aufl., § 94 Rn. 1; [X.], [X.], § 94 Rn. 9). Den gleichen Regelungszweck hatte der [X.] für Zivilsachen bereits den Vorgängervorschriften § 53 KO und § 54 [X.] beigemessen. Der Aufrechnungsberechtigte solle nicht durch nachträgliche Vorgänge, die seiner Einflussmöglichkeit entzogen sind und sich in der Sphäre des [X.] abspielen, der ursprünglich vorhandenen [X.] verlustig gehen ([X.], Beschluss vom 20. Juni 1951 - [X.], [X.]Z 2, 300, 304 f). Im Falle der Bereinigung einer Insolvenz mittels eines Insolvenzplans bedarf der Insolvenzgläubiger eines solchen Schutzes nicht im gleichen Umfang wie unter der Geltung der [X.]. Er wird zu dem Termin zur Erörterung und Abstimmung über den Plan besonders geladen (§ 235 Abs. 3 [X.]) und kann durchsetzen, dass dem Plan die gerichtliche Bestätigung versagt wird, wenn er durch ihn schlechter gestellt wird, als er ohne einen Plan stünde (§ 251 [X.]). Diese Voraussetzung wird im Falle des Verlusts einer Aufrechnungsmöglichkeit regelmäßig gegeben sein. Eine vergleichbare Schutzvorschrift gab es weder in der Konkursordnung noch in der [X.]. Dort war der Gläubiger daher auf den Schutz seiner Aufrechnungsberechtigung durch die Regelung in § 54 Satz 2 [X.] angewiesen.

d) Der Senat hält letztlich für ausschlaggebend, dass mit der [X.] die nach früherem Recht bestehenden Aufrechnungsmöglichkeiten nicht beschränkt werden sollten. In einzelnen Beziehungen, insbesondere im Hinblick auf vertragliche [X.], wurden sie sogar erweitert. Der Umstand, dass der Fall eines Insolvenzplans in § 94 [X.] anders als der Fall eines Vergleichs in § 54 Satz 2 [X.] nicht ausdrücklich erwähnt ist, kann mit der Einbeziehung des Insolvenzplanverfahrens in ein einheitliches Insolvenzverfahren erklärt werden. Nicht zuletzt zeigt die Regelung in § 254 Abs. 2 Satz 1 [X.], dass der Gesetzgeber dem Insolvenzplan keine stärkere Wirkung als einem Vergleich nach altem Recht zukommen lassen wollte. Der dort bestimmte Fortbestand akzessorischer Sicherungsrechte ungeachtet des planbedingten Wegfalls der gesicherten Forderungen entspricht der früheren Rechtslage (§ 82 Abs. 2 [X.]; § 193 Satz 2 KO).

e) Die Zulassung der Aufrechnung gemäß § 94 [X.] nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans führt nicht zwangsläufig zu unbilligen Ergebnissen. Aufrechnungsmöglichkeiten eines Insolvenzgläubigers sind vor der Entscheidung über die Bestätigung des Insolvenzplans für den Insolvenzverwalter erkennbar. Er kann versuchen, den betreffenden Gläubiger zu einem Verzicht auf sein Aufrechnungsrecht zu bewegen, oder - falls dies nicht gelingt - die fortbestehende Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans einbeziehen. Eine Berücksichtigung der aufrechenbaren Gegenforderung des Insolvenzgläubigers bei der Berechnung und Auszahlung der nach dem Insolvenzplan den Gläubigern zukommenden Quote kann er vermeiden, indem er selbst die Aufrechnung erklärt. Bestehen sonach Möglichkeiten, einer fortbestehenden Aufrechnungsmöglichkeit bei der Gestaltung des Insolvenzplans Rechnung zu tragen, kann von einer Beschädigung der Gläubigerautonomie durch die Zulassung der Aufrechnung mit einer nach dem Insolvenzplan als erlassen geltenden Forderung nicht die Rede sein ([X.], [X.], 409, 411).

4. In der Zustimmung des zur Aufrechnung berechtigten Insolvenzgläubigers zum Insolvenzplan oder auch nur in der widerstandslosen Hinnahme des Plans liegt regelmäßig kein Verzicht auf die mögliche Aufrechnung. An die Feststellung eines solchen Willens sind strenge Anforderungen zu stellen. Schließt der in einem Insolvenzplan geregelte Teilerlass von Forderungen eine Aufrechnung mit diesen Forderungen nicht aus, kann das Einverständnis eines Insolvenzgläubigers mit dem Plan auch in seiner objektiven Bedeutung nicht als Erklärung des Inhalts ausgelegt werden, dass eine Abweichung von den gesetzlichen Rechtsfolgen zum eigenen Nachteil akzeptiert würde. Auch unter den im Streitfall gegebenen konkreten Umständen kann ein solcher Verzicht nicht angenommen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Erlasses des [X.] vom 17. Dezember 1998 über die Behandlung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Insolvenzverfahren (BStBl. [X.]). Unter Nr. 9.3 wird dort zu den Wirkungen eines bestätigten Insolvenzplans ausgeführt, soweit nach dem Insolvenzplan auf Abgabenforderungen zu verzichten sei, würden diese zu sogenannten unvollkommenen Forderungen, die zwar erfüllbar seien, aber gegenüber dem Schuldner nicht mehr geltend gemacht werden dürften ([X.], [X.]). Zur Frage des [X.] einer bereits bei Verfahrenseröffnung bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit nach § 94 [X.] verhält sich der Erlass nicht. Schon deshalb gibt er keine Veranlassung, die Zustimmung der Vertreterin des [X.]n zum Insolvenzplan als Verzicht auf die durch § 94 [X.] begründete Rechtsposition zu deuten.

Die Aufrechnung des [X.]n trotz der im Abstimmungstermin erklärten Zustimmung zum Insolvenzplan verstößt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 [X.]). Die Zustimmung der Vertreterin des [X.]n zum Insolvenzplan erlaubte nicht den Schluss, der [X.] werde nach Rechtskraft des Insolvenzplans zur Abwehr von Ansprüchen der Masse von einer bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit keinen Gebrauch mehr machen. Das Verhalten des [X.]n war deshalb nicht widersprüchlich.

III.

Das Berufungsurteil war danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und die Sache nach letzterem zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Aufrechnung nach § 387 [X.] in Verbindung mit § 94 [X.] liegen vor. Zur [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 29. Dezember 2006 hatte der [X.] gegen die Schuldnerin eine fällige Umsatzsteuerforderung in einer die Forderungen der Schuldnerin auf Bezahlung von Bauleistungen (81.311,95 €) übersteigenden Höhe. Dies gilt zumindest im Hinblick auf die von der Schuldnerin für die Monate Oktober und November 2006 vorangemeldete, nach § 220 Abs. 1 AO, § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG am 10. Tag nach Ablauf des [X.], somit am 10. November 2006 und am 10. Dezember 2006 fällige und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgeführte Umsatzsteuer in Höhe von jeweils mehr als 200.000 €, auch wenn berücksichtigt wird, dass der [X.] des [X.]n nur 47 v.H. betrug (vgl. Anlage [X.], [X.]). Der Umstand, dass ein Jahressteuerbescheid erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erging, ändert daran nichts ([X.], 14, 22).

[X.]                                       Gehrlein                                      Fischer

                       Grupp                                           [X.]

Meta

IX ZR 222/08

19.05.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 13. November 2008, Az: 16 U 63/08, Urteil

§ 94 InsO, § 254 Abs 1 InsO, § 387 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.05.2011, Az. IX ZR 222/08 (REWIS RS 2011, 6476)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6476

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 222/08 (Bundesgerichtshof)


VII R 6/10 (Bundesfinanzhof)

Unzulässigkeit der Aufrechnung in kritischer Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens - Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage- Begriff …


IX ZB 204/05 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 206/11 (Bundesgerichtshof)

Wirkungen des Insolvenzplans: Nichterfüllung einer nicht zur Tabelle festgestellten Forderung; Wiederaufleben der nicht festgestellten Forderung


IX ZR 149/11 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren: Darlegungs- und Beweislast des Insolvenzgläubigers bei Aufrechnung gegen eine Masseforderung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.